Being Sherlocked von abranka ================================================================================ Kapitel 1: Being Sherlocked --------------------------- Zwei Wochen waren jetzt seit Sherlocks Tod vergangen. Zwei Wochen, in denen John Watson sich die meiste Zeit über miserabel gefühlt und sich gefragt hatte, ob er nicht irgendetwas hätte tun können, um Sherlocks Selbstmord zu verhindern. Ob es nicht irgendetwas mehr gab, was er tun konnte, um ihn zu rehabilitieren. Irgendetwas... Er war gerade erst in ihrer gemeinsame Wohnung in der Baker Street 221b zurückgekehrt. Überall standen Sherlocks Sachen und im Kühlschrank ruhte in einer großen Plastikbox mit der Aufschrift ‚Nicht anfassen!‘ noch sein letztes Experiment. All diese Dinge schienen John vorwurfsvoll anzublicken und er konnte ihre Anwesenheit manchmal kaum ertragen. Noch schlimmer fand er allerdings den Gedanken, sie wegzuräumen, in Kisten zu verstauen oder einfach wegzuwerfen. Und nun saß er in diesem Café und wartete auf Molly Hooper. Er war sich nicht sicher, warum Molly ihn um dieses Treffen gebeten hatte. Seit Sherlocks Tod hatten sie sich selten gesehen und er hatte den Eindruck gewonnen, dass sie ihm aus dem Weg ging. Vielleicht erinnerte er sie zu sehr an ihn. Er wusste es nicht. Aber sie erinnerte ihn zu sehr an Sherlock. Weil sie immer in ihrem Labor aufgeschlagen waren, wenn sie etwas hatten untersuchen müssen. Weil sie sich dort kennengelernt hatten. „Entschuldigen Sie die Verspätung!“ Abgehetzt und das Haar feucht vom Regen ließ sich Molly auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. „Kein Problem.“ John rang sich ein Lächeln ab und wartete dann geduldig, während sie einen Kaffee bestellte und ihre nasse Jacke auszog. Ihr Lächeln wirkte fahrig, ihre Augen huschten nervös umher und sie wirkte angespannt. Stumm registrierte John, dass er beinahe so dachte, wie Sherlock es tun würde. Beinahe. Diese absurde Genauigkeit würde er selbst niemals erreichen. Molly sah ihn an und suchte sichtlich nach Worten. Der Kellner brachte ihren Kaffee und sie nahm die Tasse in die Hand. Sie blickte hinein, als wenn sie dort eine Antwort finden könnte, und stellte sie schließlich ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben. Dann stieß sie urplötzlich hervor: „Er ist nicht tot, John!“ John lehnte sich zurück und seufzte tief. „Molly, das wünsche ich mir auch. Ich wünsche mir, dass er irgendwie einen Weg gefunden hätte... Aber das ist unmöglich. Ich habe ihn springen sehen. Ich habe ihn aufschlagen sehen. Die Autopsie und alles...“ „Der Leichnam, der auf meinem Tisch gelandet ist, mag wie Sherlock ausgesehen haben, aber er war es nicht.“ Molly lehnte sich über den Tisch und funkelte John an. Der Blick in ihren Augen machte ihm Angst. Sie sah ein wenig irre aus. So, als wenn sie gleich durchdrehen würde. Er hatte Soldaten mit diesem Blick gesehen und meistens machten sie danach irgendeine Dummheit, die nicht nur sie, sondern auch viele andere das Leben kostete. „Molly, das ist...“ „Es war die falsche Blutgruppe, John.“ Er klappte den Mund wieder zu und starrte sie an. „Er hat alles perfekt hinbekommen. Und er wusste, dass niemand genau hinsehen würde. Niemand. Bis auf mich.“ Sie lächelte schwach. „Und ich bin mir sicher, er wusste, dass ich es Ihnen sagen würde.“ „Molly, das ist absurd. Absolut absurd, das...“ „Ich habe auch die Zahnarztunterlagen mit dem Gebiss verglichen.“ „Und?“ John fragte beinahe atemlos. Ihr Lächeln sagte alles. „Oh, ich bringe diesen Bastard um!“, entfuhr es ihm, als eine plötzliche Woge der Wut seine Trauer hinwegfegte. „Ich bin mir sicher, dass es ihm Leid tut“, sagte Molly leise und senkte den Blick. Sie nahm langsam einen Schluck von ihrem Kaffee. „Ha! Mit Sicherheit nicht! Dieser Mistkerl hat mich schon in Todesangst versetzt! Und vor Drogen hat er auch nicht zurückgeschreckt! So behandelt man doch keine Freunde!“ „Wissen Sie, John, als Sie das letzte Mal gemeinsam im Labor waren... Er hat Sie angesehen, wenn Sie es nicht bemerkt haben. Und er war traurig, John. Weil er wusste, was er tun musste...“ „Was für ein Unsinn! Außerdem: Warum verteidigen gerade Sie ihn? Er hat sie doch am meisten verletzt!“ Molly lächelte verlegen und hob die Schultern. „Wir sind sherlocked.“ „Was?“ „Uns bedeutet Sherlock Holmes etwas... Und...“ „Ha, die letzte, die so etwas von sich gesagt hat, war Irene Adler und meines Wissens nach ist sie tot!“ John fuhr sich durch die Haare und schnaubte unwirsch. Er war wütend auf Sherlock. Hoffnungslos wütend. Und gleichzeitig verspürte er auch einen Hauch von Freude, dass der Freund es geschafft hatte. Dass es ihm gelungen war, alle zu täuschen. Dass er lebte. „Hey... Wenn Sie das wissen – warum weiß es dann sonst keiner? Der Inspektor, die anderen?“ Molly hob die Schultern und lächelte verlegen. „Weil ich es niemandem gesagt habe. Er hat mich darum gebeten, dass ich die Untersuchungen vornehme. Damit es niemand merkt. Und ich selbst... wollte sicher sein, dass er es nicht doch ist. Immerhin...“ Sie brach ab und starrte in ihre Tasse. John seufzte tief. Seine Schultern hingen herab und er hatte das Gefühl, als wenn ihm eine schwere Last genommen worden und gleichzeitig durch eine andere, ebenfalls schwere ersetzt worden war. „Dieser Bastard...“, murmelte er. Dann stand er auf und ging. Molly schaute ihm nach und seufzte leise. Sie zog ihr Handy hervor und schrieb eine kurze SMS: ‚Er ist stinksauer.‘ Einen Wimpernschlag später kam die Antwort: ‚Das war zu erwarten.‘ Molly seufzte leise. Kurz und knapp wie immer. Dann piepte ihr Handy noch ein zweites Mal: ‚Danke. SH‘ Ein kurzes Lächeln glitt über ihr Gesicht. Immerhin hatte Sherlock mittlerweile gelernt, dass man sich hin und wieder auch einmal bedanken sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)