Story-Time von Hamani ================================================================================ Kapitel 1: Story-Time --------------------- Sprache. Universell und überall genutzt, doch oft verschieden. Sie verbindet und trennt. Mal gesprochen, dann geschrieben oder auch nur durch Symbole und Zeichen verdeutlicht. Auf diesem Planeten gibt es unzählige Sprache. Vergessene, neuerfundene, Ewigkeiten alte und welche, die sich immer wandeln. Man kann viele Sprachen nutzen, ja vielleicht sogar beherrschen, doch wahre Künstler beherrschen mit Hilfe der Sprache. Dieser Meinung war Alfred schon von klein auf gewesen. Wie könnte er auch anders denken, wenn er als Kind immer wieder Geschichten von Arthur gehört hatte? Noch nie hatte er jemanden getroffen, der seine Sprache besser beherrschte als dieser Mann. Egal ob gesprochen oder geschrieben, Arthur konnte mit seinen Worten jeden in eine fremde Welt entführen, ihm Emotionen und Gedanken aufzeigen, auf die man alleine nicht kam. Schon als kleiner Junge, noch nicht lange in britischer Obhut, war es Alfreds liebster Zeitvertreib, auf dem Schoss des älteren zu sitzen und seinen Geschichten zu lauschen. Mit strahlenden Augen betrachtete er damals den Briten und fühlte sich in diesen Momenten geliebter als in jedem anderen. Denn da gab es nur sie beide. Niemanden sonst. Arthur sagte, dass die „Story-Time“ nur Alfred gehörte. Märchen über Märchen, fantastische Geschichten über Ritter, Hexen und Naturmagie. Alles klang so real, so echt für das kleine Kind, das sich an den älteren Blonden kuschelte. Meist legte sich Arthur abends zu ihm ins Bett, legte seinen Arm beschützend um ihn und las ihm vor. Nur manchmal erzählte er ohne Buch, blickte lächelnd zur Decke, als würde er sich an etwas erinnern. Wenn der Engländer zu Besuch war, fühlte sich der kleine Amerikaner am wohlsten. So behütet und geliebt. Sicher. Nichts war schöner, als während dem Einschlafen sich an den anderen zu kuscheln und seiner beruhigenden Stimme zu lauschen, bis er ins Land der Träume entschwand, wo er selbst die Geschichten weiter dichtete und der große Held war. „Arthur! Please tell me another story!“, bat der kleine Junge immer öfter auch tagsüber. Strahlend blaue Augen funkelten den Engländer an. Belustigt lächelte er, strich dem kleineren durch die Haare. „Not now. After lunch“, sagte er und lachte leise, als Alfred zuerst schmollte, bevor er sich dann daran erinnerte, dass es bald Essen geben würde und strahlte wieder. „Promised?“, fragte er lächelnd nach und jubilierte er fröhlich, als der ältere nickte. In solchen Momenten ging dem Engländer das Herz auf. Wenn er könnte, würde er für immer hier bleiben bei diesem entzückenden Kind. In Europa fühlte er sich unwohl, ausgegrenzt. Einfach als wäre er falsch dort. Doch hier… hier fühlte er sich Zuhause. War es nicht lächerlich und erbärmlich, dass er sich hier, an einem fremden Ort wohler fühlte, als in seiner Heimat? Als in dem Land, das er selbst repräsentierte? Nach dem Essen war Alfred sofort aufgesprungen und in sein Zimmer gelaufen. Arthur dachte für einen kurzen Moment, dass es sich der kleine Wirbelwind anders überlegt hatte und doch keine Geschichte hören wollte, doch kurz darauf kam er schon wieder. Strahlend ergriff er die Hand des älteren und zog ihn mit erstaunlicher Kraft in den Garten. Dort angekommen ging es weiter zu einer hohen Eiche, wo sich das kleine Kind niederließ. Mit dem Buch im Arm sah er den größeren mit strahlenden Augen an. Fröhlich lächelnd setzte sich Arthur neben ihn, ließ sich das Buch geben und fragte, welche Geschichte Alfred hören wollte. „Snow White!“ Doch Alfred blieb kein kleines Kind. Er wurde älter und sah den Engländer weniger. Doch jedes Mal wenn sie sich trafen, bestand der junge Amerikaner auf eine Gute-Nacht-Geschichte. Immer noch fühlte er sich besonders. Er dachte, dass er der einzige sei, dem der Brite Geschichten erzählte. Nur durch Zufall fand er heraus, dass dem nicht so war. Alfred F. Jones wusste, dass sein kleiner Bruder von dem Engländer besucht wurde. Eigentlich ließ er den beiden diese Zeit, doch die letzten Wochen waren seltsame gewesen. Seitdem er Arthur das letzte Mal gesehen hatte, hatte Alfred ein seltsames Gefühl im Bauch. Es kribbelte und ihm wurde dauernd warm. Keiner seiner Leute wollte ihm erklären woher das kam und so wollte er den Verursacher selbst fragen. Arthur würde ihm das sicher erklären können. Alfred wusste, dass Matthew seine Tür nur selten abschloss und so betrat er einfach das Haus seines Bruders. Noch bevor er laut hinausposaunen konnte, dass er da war, hörte er eine sanfte, aber feste Stimme aus dem Wohnzimmer. Natürlich erkannte er sie sofort. Der Junge erstarrte kurz. Arthur… erzählte ein Märchen. „Snow White…“, murmelte der Amerikaner traurig. Nun würde jeder erwarten, dass Alfred hinein stürmt um zu erfahren, warum Matthew auch diese Zeit bekam, die angeblich Alfred allein gehörte. Normalerweise hätte der junge Amerikaner dies auch getan, doch etwas in seinem Magen verkrampfte sich. Sein Herz fühlte sich an, als würde es ihm schwer fallen zu schlagen. Alfreds einziger Gedanke war, dass er hier weg musste. Er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand aus dem Haus. Dass er etwas von Arthur wissen wollte, hatte er bereits vergessen. Weitere Wochen vergingen, bevor der Engländer seine kleine Kolonie wieder besuchte. Um einiges früher als geplant sogar, da er sich Sorgen machte. Etliche Briefe hatte er dem Jungen geschrieben, doch nie kam eine Antwort, was sehr ungewöhnlich war. So sehr Alfred es hasste Briefe zu schreiben, Arthur hatte er immer sofort geantwortet. Irgendwas konnte nicht stimmen. War sein kleiner Liebling etwa krank geworden? Was auch immer der Fall war, bald würde er es wissen, dachte sich der Brite, als er den Weg von der Kutsche zu der Haustür des Jungen hinauf ging. Kurz sah er eine Bewegung hinter dem Vorhang und blickte verwirrt zu dem Fenster. Hatte Alfred auf ihn gewartet? Würde er wie so oft herausgerannt kommen und ihn halb zu Boden stürzen? Tatsächlich! Die Haustüre schwang auf und jemand kam ihm entgegen gerannt. Doch war es nicht den jungen Amerikaner, den er sehen wollte. Es war eine Angestellte, vielleicht 16 Jahre alt. Sie half im Haushalt und spielte oft mit dem Jungen, wenn er es wollte. Normalerweise war sie ein genauso strahlender Sonnenschein wie Alfred, doch heute sah sie besorgt aus. Ihr Blick versetzte Arthur einen Stich ins Herz. Etwas stimmte nicht mit seiner Lieblingskolonie, das war nun sicher. „Mister Kirkland! It’s good you’re here! Alfred… he… He won’t talk. He just sits in his room and doesn’t talk to anyone! No matter how many times we asked him what’s wrong with him, he just says it’s your fault! Nothing else!”, erklärte sie hastig und wenig höfflich, doch dadurch merkte Arthur nur noch mehr, wie besorgt die junge Frau war. Ohne einen zweiten Gedanken ließ er seine Tasche auf dem Weg fallen, überließ es den Bediensteten sie wegzuschaffen und stürmte in das Haus, die Treppe hinauf und den Gang hinunter zu Alfreds Zimmer. Hastig klopfte er an, wollte wenigstens etwas den Anstand wahren, auch wenn ihn seine Sorge innerlich zerfraß. Doch von drinnen kam keine Antwort. Er hörte wie sich jemand bewegte, das Rascheln der Bettdecke, doch keine Antwort. Also war Alfred drinnen. Sollte er gehen? Nein, natürlich nicht. Der Kleine braucht ihn, gab ihm wegen irgendetwas die Schuld. Da konnte er nicht einfach gehen! Entschlossen öffnete er die Tür, ließ sie leise aufschwingen und betrat den Raum, ehe er die Holztür wieder hinter sich schloss. „Alfie? Don’t hide my dear boy. Are you mad at me? What’s wrong?”, fragte Arthur ruhig als er sich neben das Bett des Jungen kniete und zielsicher seine Hand auf die Stelle legte unter der sich der Kopf des Kindes befand. Er spürte wie sich Alfred kurz verkrampfte aber dann wieder entspannte. „You lied to me. You’re a liar”, kam die genuschelte Antwort. Lügen? Wann sollte er den kleinen Jungen angelogen haben? Verwirrt fragte er Brite nach und erwartete eine genauso genuschelte Antwort, doch stattdessen sprang Alfred regelrecht auf, schmiss die Decke von sich und sah den älteren empört an. „You said Story-Time is just for me!”, rief der Junge aufgebracht. “But you were reading stories to Matthew as well! You LIED!” Darum ging es? Dass er auch Matthew Geschichten vorlas? Bei der Antwort musste der Brite lachen, auch wenn es nur dazu führte, dass der Junge vor ihm schmollte und rot wurde. Als er sich beruhigt hatte, lächelte Arthur sanft und setzte sich auf die Matratze, schnappte sich das widerspenstige Kind und setzte ihn auf seinen Schoß. „Alfred, listen. While I’m here Story-Time is just for you. While I’m with Matthew it’s just for him. If I would tell you a story and Matthew would show up I would never ever say, that he should join us. It would be your decision. Because I’m here for you and only for you. But you need to understand that it’s the same if I’m telling Matthew a story. Can you understand that?”, erklärte er mit einer liebevollen Stimme und strich dem Jungen dabei durch die Haare. Leicht schmollend hatte sich dieser an ihn gekuschelt, nickte aber. „I understand… but… it’s nice to listen to your voice. It’s like you are using magic and take me to travel around! And I don’t want to share that magic!”, protestierte der junge Amerikaner und blickte den älteren von unten an. Wieder lachte Arthur auf. Es war liebenswert wie besitzergreifend der Kleine werden konnte. Und dann noch bei so etwas wie einer Stimme! „What if I promise you that you can ask for that magic every time you want?” Bei diesem Angebot begann der kleine Junge zu strahlen und nickte freudig, bevor er Arthur halb zu Boden riss mit einer stürmischen Umarmung. „Hey Arthur“, sagte der inzwischen erwachsene Mann und lehnte sich an den Engländer, der neben ihm auf dem Sofa saß und die Zeitung las. „What is ist?“ „Tell me a story.“ Ein leichtes Schmunzeln war von Arthur zu hören. „Which one?“ „Snow White.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)