Zwei Sichtweisen einer Zugfahrt von SerafinBlack (Wie unterschiedlich ein und die selbe Situation sein kann...) ================================================================================ Kapitel 1: Sicht 1 ------------------ *~♥~* Blaue Jeans, leicht ausgewaschen, umschmeicheln die langen Beine und enden an schwarzen, leicht verdreckten Chucks. Am rechten Oberschenkel ist die Hose weggescheuert und gebräunte Haut blitzt zwischen den fransigen Fäden hervor. An den Knien sind Löcher, die ihn verwegen und rebellisch aussehen lassen. Die Jeans an sich ist eng geschnitten, lässt erahnen, was zwischen seinen Beinen ist, aber ohne das man es direkt weiß. Wenn er seine Arme wie jetzt streckt, rutscht sein Shirt leicht hoch, bietet meinem Blick einen schmalen Streifen zarter Haut als Angriffsfläche. Auch sein Shirt liegt eng an, betont seine starken Brustmuskeln und umhüllt anziehend seinen schlanken Bauch. Es ist einfach schwarz, ohne Muster, sieht aus wie eins, das jeder Dritte heutzutage trägt, aber er sieht nicht aus wie jeder dritte. Seine breiten Schultern werden von einem moosgrünem, offenem Hemd kaschiert, dass lässig an ihm herabfließt. seine Schlüsselbeine sind unter dem seidigen Stoff soeben zu sehen, versuchen sich verführerisch in mein Blickfeld zu drängen, doch die weiche und verletzliche Haut seines Halses wirkt viel reizvoller. Ein kräftiger Kiefer, ohne kantig auszusehen. Volle Lippen, wie die von Brad Pitt, verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. Sie glänzten feucht und einladend im schwachen Licht des sterbenden Tages. Wollen mich verleiten näher zu kommen, ihn zu Küssen. Die Wangen sind schmal, betont von hohen Wangenknochen, eine gerade spitze Nase. Das Gesicht wird von schwarzen kinnlangen Haaren umrahmt, die glatt herabfallen, sie waren wesentlich länger als meine Rotblonden. Erst dann sah ich in seine Augen und zuckte erschrocken zusammen. Die eisblauen Augen, die mir einen schauer über den Rücken jagten, funkelten mich undeutbar an. Wäre ich gerade in einer Bewegung gewesen, wäre ich erstarrt. Nie zuvor hatte ich solche Augen gesehen. Sie begeisterten mich und ängstigten mich gleichermaßen. Errötend bemerkte ich, dass er mich wohl beim Starren erwischt haben musste. Kurz schloss ich die Augen, biss mir auf die Lippe und fragte unsicher: “Kann ich... also darf? Weil, die ganzen Leute...” Ich deutete auf den Platz ihm gegenüber und wünschte ich würde im Boden versinken, weil ich kein vernünftiges Wort rausbrachte. Wäre das ein Theaterstück, so hätte mit eine Souffleuse von der benachbarten Bank her ein paar Worte zugeflüstert. So etwas wie “Hallo, Schöner, hättest du was dagegen, wenn ich mich dir gegenüber hinsetze?” Aber die Leute um mich herum lasen in ihren Büchern oder guckten desinteressiert aus dem Fenster auf die vorbeirasende und in Dunkelheit versinkenden Landschaft. Hier und da sah ich ein paar Bekannte Gesichter, die ich jeden Abend sah, wenn ich von der Uni kam. Er nickte bloß und strich sich die langen Haare aus den Augen. Nervös ließ ich mich fallen und blickte in die Dämmerung hinaus. Das Innere des Zugs spiegelte sich im Fenster. Und wieder sah ich ihn. Ein Traum von einem Mann. Ich sah, dass er mich ansah. Immernoch oder schon wieder? Sollte ich mich wieder zu ihm umdrehen? Oder ihn ansprechen? Warum eigentlich nicht. Ihn anlächelnd brachte ich heiser ein freundliches “Hi...” heraus, vermied es aber in seine Augen zu sehen. Nicht, dass sie mich nochmal aus dem Konzept brachten. “Hi!”, antwortete er mir mit dunkler Stimme. “Wie... wie gehts?” Nervös fuhr ich mir durch meine kurzen Haare, die ich mit Gel geschickt in Form gebracht hatte. Es sollte mir einen leichten Out-of-Bed-Look geben. “Kann mich nicht beklagen und dir?” Seine Stimme war total ruhig. Er war scheinbar das komplette Gegenteil von mir. Er gelassen, ruhig, zurückhaltend und ich hingegen aufgedreht und nervös. Ich biss mir auf die Lippe. “Mir geht es fabelhaft!” Fieberhaft überlegte ich, was ich noch sagen sollte, um das Gespräch in Gang zu halten und seine melodische Stimme nochmal zu hören. Ich brabbelte also einfach drauf los: “Bist du oft hier? Also ich fahre jeden Tag mit dem Zug und hab dich noch nie gesehen. Kann ja sein, dass du sonst immer zu anderen Zeiten unterwegs warst. Was machst du eigentlich? Ich studiere an der Uni in Düsseldorf...” Ich sah ohne zu überlegen doch auf und begegnete seinem Blick. Seine eisigen blauen Augen funkelten mich amüsiert an. “Bin vor kurzem nach Essen gezogen”, antwortete er kurz angebunden, aber immerhin. Entweder er war sehr zurückhaltend oder er wollte nicht mit mir reden. Wobei ich bei dem Grinsen im Gesicht eher auf das erste tippte. “Wo hast du denn vorher gewohnt?” War ich zu neugierig? Es ging mich ja nichts an. Trotzdem sah ich auffordend zu ihm. “In Köln. Vier Stationen vom Dom entfernt.” Ob er da immer noch studiert? Zumindest sah er wie ein Student aus. “Ich bin noch dieses Semester da an der Uni und hab dann einen Job in Essen.” “Was studierst du denn?”, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen. “BWL.” “Achso...”, sagte ich und zuckte überrascht zusammen, als die Zugdurchsage meine Station ankündigte. “Ich muss hier raus...”, sagte ich zerknirscht und stand auf. “Vielleicht sehen wir uns ja nochmal.” Hoffentlich hätte ich wohl eher sagen sollen. Er nickte mir freundlich zu. Dann stolperte ich nach draußen auf den Bahnsteg und blickte dem davon fahrenden Zug hinterher. *~♥~* Kapitel 2: Sicht 2 ------------------ *~♥~* Die Landschaft rauschte vorbei. Schnell, sodass sie verschwommen wirkte. Ich bin selten S-Bahn gefahren. Eigentlich habe ich mich wenn überhaupt nur mit Bussen und U-Bahnen fortbewegt. “Düsseldorf - Hauptbahnhof.” Ich habe nie gedacht, dass es so weit von Köln nach Essen ist. Dabei musste ich nur zu einem Randgebiet von Essen. Noch neun Stationen. Nächstes mal werde ich das Auto nehmen. Der Zug hielt an, die Türen öffneten sich, Menschen strömten hinein, besetzen die letzten freien Plätze. Türen schlossen sich, der Zug fuhr los. Gelangweilt ließ ich meinen Blick wandern. Ein paar Anzugträger hatten sich in den Vierer gegenüber gequetscht. Dahinter saß eine junge Frau, Anfang zwanzig, eine Zeichenmappe in der Hand. Mein Blick wanderte wieder zum Fenster zurück. Rasch fuhren wir weiter. Es wird immer schneller immer dunkler. Die Häuser wurden zu einer dunklen Wand, nur unterbrochen von vereinzelten Lichtern. Noch drei Wochen, dann werde ich mir den einstündigen Weg von der Uni nach Hause sparen können. “Düsseldorf - Wehrhahn.” Der Zug fuhr in den beleuchteten Bahnhof ein. Türen öffneten sich, die Frau mit der Zeichenmappe stieg aus und stöckelte mit ihren Stöckelschuhen über den Bahnsteig. Ein kurzer Rock und das bei der Kälte? Der Zug fuhr weiter, hielt zwei Minuten später in Düsseldorf Zoo, Leute stiegen ein und andere aus. Eine junge Frau, ihre langen, blonden Haare zu einem Zopf gebunden, setzte sich zu den drei Anzugträgern. Mein Blick striff die ältere Frau mir gegenüber. Dann sah ich den nächsten Bahnhof am Fenster. “Düsseldorf - Rath Mitte.” Die Frau stieg aus. Draußen schlang sie sich ihren Schal um den Hals und knöpfte ihren Mantel hastig mit ihren behandschuhten Fingern zu. Ich sah mich weiter um. Das einzig spannende hier waren die veschiedenen Leute... Meine Musik hatte ich ja auch vergessen. Als wir wieder los fuhren, löste ich meinen Blick vom Fenster und sah direkt in grün-graue Augen, die musternd über mich wanderten. Ich warf ihm einen Amüsierten Blick zu und sah, wie sich seine Wangen leicht röteten, könnte aber auch von der Kälte draußen kommen. “Kann ich... also darf? Weil, die ganzen Leute...”, seine Stimme war zögernd, unsicher und mit leicht zitternder Hand deutete er auf den Sitzplatz mir gegenüber. Verstehend nickte ich und sah zu, wie er sich mehr als nervös fallen ließ, seine Tasche auf den leeren Platz neben sich stellend. Ich strich mir ein paar meiner kinnlangen, schwarzen Stähnen zurück und betrachtete ihn. Seine rötlichen Haare waren kurz und modisch geschnitten, dann sorgsam mit Gel zurecht gemacht. Scheinbar legte er viel Wert auf sein Äußeres. Seine Jacke war eindeutig Figurbetont und die ebenfalls schwarze Hose war so eng, dass ich angst hätte mir etwas abzuschnüren. Sein Blick war kurz zum Fenster gewandert, fokussierte dann wieder mich. “Hi...”, sagte er und klang dabei unsicher. “Hi”, erwiederte ich höflich, wie ich nunmal war. “Nächster Halt: Düsseldorf - Rath. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts!”, riss mich kurz aus meinen Gedanken. Der Zug hielt und der junge Mann vor mir sah immer noch etwas verlegen auf seine Hände. Er fragte nach meinem Befinden und zerstörte, ohne es recht zu merken, seine Frisur. Aber so viel gab es da nicht zu zerstören. “Kann mich nicht beklagen und dir?”, antwortete ich grinsend. Er zögerte, biss auf seine Lippe und sagte dann mit viel zu hoher Stimme: “Mir geht es fabelhaft!” Ich schmunzelte. Er erfüllt jegliche Klischees, dachte ich. Dann fing er an zu reden, mir schien es fast so, als wollte er das Gespräch unbedingt in Gang halten: “Bist du oft hier? Also ich fahre jeden Tag mit dem Zug und hab dich noch nie gesehen. Kann ja sein, dass du sonst immer zu anderen Zeiten unterwegs warst. Was machst du eigentlich? Ich studiere an der Uni in Düsseldorf...” Ich würde darauf wetten, dass er Modedesign studiert. Ein bisschen abweisend murmelte ich: “Bin vor kurzem nach Essen gezogen.” Doch mein Grinsen blieb präsent in meinem Gesicht. Ich hab selten so jemanden wie ihn getroffen, der so offensichtlich schwul war. “Wo hast du denn vorher gewohnt?”, fragte er und klang interessiert und neugierig. Ich sagte ihm, dass ich aus Köln komme und da auch studiert habe, jetzt aber in Essen einen Job gefunden hab. Seine Augen blickten wieder interessiert in meine und er wand schnell den Blick wieder ab. Mir hat mal jemand gesagt, dass meine blauen Augen so eisig und durchdringend sind, dass man nicht lange in sie gucken kann. Vielleicht ist da ja was wahres dran. “Ratingen Ost!”, unterbrach die Zugansage meine Gedanken erneut. “Was studierst du denn?”, wollte er sichtlich interessiert wissen und ich dachte, dass ich ihn wohl enttäuschte, als ich: “BWL.”, antwortete. Erstaunt blickte er mich an. Ich sah eher wie ein Künstler aus, das wusste ich. Er überspielte seine Überraschung, indem er das Ganze mit einem gleichgültigen: “Achso...”, herunterspielte und zuckte zusammen, als: “Kettwig - Stausee. Ausstieg links!”, durch das Abteil hallte. “Ich muss hier raus... Vielleicht sehen wir uns ja nochmal”, sagte der hochgewachsene Mann und warf mir einen teils fragenden und teils hoffnungsvollen Blick zu. Ich nickte ihm einfach nett zu, dann stolperte er ein paar Schritte rückwärts und verließ den Zug durch die sich gerade öffnenden Türen. Immer noch schmunzelnd sah ich aus dem Fenster und sah den Rothaarigen am Bahnhof stehen. Er schenkte mir ein vieldeutiges Lächeln. Dann fuhr der Zug weiter. Kurze Zeit später hielten wir in Kettwig, dann in Werden. Ich bekam kaum mit wie wir Villa Hügel passierten. In Gedanken war ich noch immer bei der interessanten Begegnung von vorhin. Essen Süd und Stadtwald muss ich wohl verträumt haben, denn die S6 hielt schon im Hauptbahnhof. Ich stieg aus und schüttelte über mich selbst den Kopf. *~♥~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)