Second World von Koenigsberg (pRussia - Wenn du nicht mehr weißt, welche Welt die wahre ist.) ================================================================================ Kapitel 4: Zwei Wege -------------------- „Du hast es doch gar nicht anders verdient.“ Wieder sah er die Faust auf sich nieder sausen. Mit einem Schrei fuhr Gilbert aus dem Schlaf. Langsam wurde das echt zu viel. Er hielt das nicht mehr lange aus. Und wie sollte er sich Ivan gegenüber verhalten? Er war dem Mann aus seinen Träumen so ähnlich, so ähnlich, dass er ihn immer öfter mit ihm verwechselte, immer wieder vor seinem Freund wegzuckte. Dabei sah er dann immer den verletzten Ausdruck in Ivans Augen. Das schmerzte ihn auch. Doch er konnte nichts dagegen tun, immer wieder träumte er, immer wieder verletzte dieser andere Ivan ihn, immer wieder küsste er ihn einfach, nur um ihn im nächsten Moment wieder zu schlagen. Dabei war es in der letzten Woche besser geworden. Er hatte gehofft, es würde aufhören. Ivan war auf einer kleinen Reise gewesen, er hatte seine kleine Schwester besucht, da wollte Gilbert gar nicht mit, außerdem musste jemand in der Werkstatt bleiben. Aber gestern war er wieder zurückgekommen und mit ihm diese Träume. „Du kannst dich nicht vor mir verstecken, Pru-chan. Ich finde dich. Ich finde dich überall.“ Schon hörte er diese kindliche Stimme durch die Gänge schallen. Er musste ruhig bleiben, dann würde er ihn auch nicht finden, vorerst zumindest nicht. Natürlich konnte er sich nicht ewig verstecken, aber vielleicht ja so lange, bis Russland sich ein wenig beruhigt hatte. Gilbert wusste zwar nicht, warum er schon wieder so extrem seltsam drauf war, aber er wollte nicht, dass er es an ihm ausließ. Das hatte er schon zu oft mit sich machen lassen. Er wollte hier einfach nur weg, aber zu Fuß kam man hier nicht weit. Leise seufzend lehnte er sich an das Holz hinter ihm. Es war verdammt unbequem in diesem blöden Schrank, so eng. Wenigstens war hier kein Geschirr, sondern Tischdecken und so Zeug, drin. Ein wenig drehte er sich. Blödes Haus, es war so groß, aber Orte, an denen man sich verstecken konnte, gab es kaum welche. Gilbert lauschte angespannt. Es war leise geworden draußen. Hatte Russland aufgegeben? Eine ganze Zeit lang war es still. Dann hörte er etwas klirren, nur einen winzigen Augenblick später ein herzzerreißender Schrei. Wieder einen Moment Stille, dann war leises Schluchzen zu vernehmen. Es war als würde ein Kind weinen. Das war ja unerträglich. Schnaubend schloss er die Augen, versuchte die Geräusche auszublenden, was leider kaum machbar war, immerhin durfte er ja selber keine Geräusche machen. „Ach verdammt…“, murrte er nach einer Weile, dann kam er aus seinem Versteck. Er konnte doch nicht blöd rumsitzen, wenn dieses Riesenbaby so heulte, so herzlos war er nicht. Suchend ging er durch die Gänge, folgte den klagenden Geräuschen. Schließlich fand Gilbert ihn. Er kniete in einem Zimmer auf dem Boden, vor ihm Scherben eines zerbrochenen Spiegels. Was wohl der Grund dafür war, dass der Russe so fertig war? Zögerlich kam er näher, legte ihm eine Hand auf die Schulter. „H-hey… Was hast du denn?“ Nur leicht drehte Russland den Kopf, sah ihn aber nicht wirklich an. „Niemand kann die Zeit zurück drehen.“, murmelte er leise und klang dabei so unglaublich traurig. „Was jetzt ist, kann niemand mehr ungeschehen machen.“ Immer wieder schluchzte er noch leise. „Nein… das stimmt schon, aber das Leben geht weiter. Es werden bessere Zeiten folgen.“ Gilbert war noch nie gut ihm Trösten, aber er würde es einfach mal versuchen. Vielleicht besserte das ihre seltsame Beziehung ja auch auf. Vielleicht verstand er dann endlich mal, warum er hier war und so behandelt wurde. „Bessere Zeiten…? Nachdem was passiert ist?“ Nun wäre es wohl gut zu wissen, was passiert war. „Naja, ähm… man kann doch nicht ewig dem Vergangenen nachtrauern.“ Der Russe antwortete nicht. „Du hast doch selbst gesagt, man kann die Vergangenheit nicht ändern. Aber, hey Kopf hoch, die Zukunft kannst du so gestalten, wie du es willst.“ Mit einem aufmunternden Lächeln sah er auf ihn herab. Der Russe antwortete immer noch nicht. „Also… es wird schon wieder alles gut.“ Das Schluchzen klang ab. „Sie sind tot… ganz viele meiner Leute sind tot und du sagst, es wird alles gut?“ Nun sah er ihn endlich an. Es glitzerten zwar noch ein paar Tränen in seinen Augen, doch von Trauer keine Spur mehr. Die violetten Augen funkelten ihn voll von unendlichem Zorn an. „Äh… nein… ich meine…“ Nun geriet Gilbert ziemlich in Erklärungsnot. Zumindest hatte er nun verstanden, dass es wohl um diesen Krieg ging, den Russland ihm zum Vorwurf machte. Da konnte man wirklich nicht einfach sagen, es würde alles wieder gut, das brauchte Zeit, eine Menge Zeit. „So einfach geht das natürlich nicht… trotzdem… äh… trotzdem sollte man versuchen das Beste zu machen.“ Da hatte er sich doch nochmal gut gerettet. Innerlich lobte er sich selber. „Das Beste, da?“ Gilbert nickte und grinste dabei. „Ich kann die Vergangenheit nicht ändern… aber ich kann mich an dem Verantwortlichen rächen.“ Das Grinsen schwankte ein wenig. Machte Russland nicht ihn dafür verantwortlich? Gerade noch rechtzeitig wich er einem Schlag aus. „Bleib ruhig und nimm deine Strafe hin, Pru-chan!“ Dem nächsten Schlag konnte er nicht mehr ausweichen. Keuchend landete er auf seinem Hintern. „Zum Teufel, ich wollte doch nur helfen!“ Doch das schien dem Größeren egal zu sein. „Du bist schuld, also musst du leiden!“ Gilbert wich zurück. Er hätte ihn einfach alleine heulen lassen sollen. Dann hätte dieser russische Idiot selber sehen können, wie er wieder hoch kam. Dann wäre er auch nicht in diese blöde Situation gekommen. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie Russland nach einer Scherbe griff, bevor er aber damit zustechen konnte, hatte sich Gilbert zur Seite gerollt. „Herrje, was mach ich denn falsch?“ Wütend wurde er mit den Augen fixiert. „Allein deine Existenz ist ein Fehler!“ Mit den Worten stach er wieder zu, zielte direkt auf sein Gesicht. Aus Schutz hielt der Kleinere sich den Arm vors Gesicht, schrie auf, als ihn der scharfe Gegenstand die Haut aufschlitzte. Blut tropfte auf sein Gesicht und nur zögerlich öffnete er die Augen wieder, zog den Arm weg. Über den violetten Augen lag ein dunkler Schatten und der Mund des Russen hatte sich zu einem miesen Grinsen verzogen. „Ich werde dafür sorgen, dass du deine gerechte Strafe erhältst und kein Unheil mehr bringen kannst!“ Mit tiefen Augenringen werkelte der Deutsche an einem Auto rum. „Gilbert~“ Mit einem liebevollen Lächeln kam sein Freund auf ihn zu. „Ich freu mich, wieder bei dir zu sein. Natascha ist immer so anstrengend.“ Leise lachte Gilbert. Er hatte schon so einiges gehört. Kennenlernen wollte er sie daher sicher nicht. Sie würde ihn eh nicht mögen, da war er sich sicher. Ivan war nicht ganz so glücklich über diese Tatsache. Er wünschte sich, sie würden sich alle gut verstehen und friedlich zusammen leben können. Aber das war nur ein Wunsch, der wohl nie in Erfüllung gehen würde. Gilberts Bruder Ludwig mochte Ivan ja auch nicht. Es war auch ziemlich offensichtlich, dass er ein Problem damit hatte, dass Gilbert etwas mit einem Mann hatte, aber er versuchte es so weit es ging zu ignorieren. Am besten redete man mit ihm einfach nicht über Ivan. Für Ludwig war er einfach nur ein Scheißrusse, der einen schlechten Einfluss auf ihn hatte. Einmal hatte er ihm sogar gesagt, es wäre besser, sie würden sich trennen, doch Gilbert wollte das nicht. Am Abend saßen sie zusammen in Ivans Wohnung. Mit gefüllten Mägen und müde vom Tag saßen sie zusammen auf dem Sofa. „Du bist so still, stimmt etwas nicht?“ Gilbert sah auf. Er war in Gedanken wieder bei diesen Träumen und fragte sich, ob die eine Bedeutung hatten. Fakt war, sie machten ihn noch wahnsinnig. Und nicht nur ihn, sondern auch seinen Freund, immerhin merke er, wie er sich anspannte, wenn er eine falsche Bewegung machte oder ihn ein klein wenig grober anfasste. „Ich hab nur nachgedacht.“ Konnte man die Träume nicht irgendwie verhindern? Als Ivan nicht da war, hatten sie doch auf aufgehört. Ob das im Zusammenhang stand? „Worüber?“ Neugierig sah der Größere ihn an. „Ach… über dies und das…“ Er würde es nicht verstehen, wenn er es ihm erzählte. Eher würde er sich unnötige Sorgen machen. Ivan brummte leise, gab ihm dann einen Kuss auf die Stirn. Ein wenig zog er ihn näher und stich ihm über die Arme. „Es ist schön, wenn du mal ruhig bist, aber irgendwas stimmt doch nicht…“ Langsam hob Gilbert die Hand, legte sie auf die von Ivan. Unter ihren Händen zierte eine Narbe seinen Arm. „Ich denke an… vergangenes.“ Etwas verwundert wurde er nun angesehen, dann wanderte der Blick zu dem Arm und Ivan zog ihre beiden Hände zur Seite. „Deswegen?“ Langsam nickte er. „Ich frag mich wirklich, wie es mit uns weiter gehen soll.“, meinte er leise. „G-Gil! Ich verspreche dir, sie wird dir nicht noch einmal wehtun. Ich pass auf dich auf. Natascha ist zwar meine Schwester, aber du bist mir wichtiger. Wenn ich sie besuche, musst du nicht mit und sie kommt mich hier einfach nicht besuchen, ja?“ Nun war es an Gilbert verwirrt zu schauen. „Warum Natascha?“ Was hatte seine Schwester denn damit zu tun? Okay, sie hatte einen Knall, aber er hatte sie doch noch nie getroffen. „Sie hat dich doch damals angegriffen…“ Ivan war das sichtlich unangenehm. Gilbert dagegen verstand immer noch nicht. Langsam setzte er sich auf, befreite sich aus der Umarmung. „Das war doch gar nicht Natascha… das warst du.“ Seufzend stand Gilbert in seiner Wohnung. Was war das gestern Abend gewesen? Ivan hatte ihn total geschockt angesehen. Die ganze Zeit hatte er behauptet, seine Schwester hatte ihn verletzt, aber das stimmte doch überhaupt nicht. So konnte das echt nicht weiter gehen. Egal, was nun stimmte, Gilbert machte ihre Beziehung kaputt, weil er nicht mehr wusste was wahr war und was nicht. Noch dazu diese Träume, er wurde noch verrückt… oder war er es schon? Erneut seufzte er und brachte etwas in sein Auto. Ob Ivan es verstehen würde, wenn er es ihm erklärte? Wahrscheinlich würde er es sogar verstehen, doch Gilbert konnte es ihm nicht sagen. Er wollte es ihm einfach nicht sagen. Es tat ihm leid, wie er Ivan behandelte, nur weil er Probleme hatte, litt er nun. Und dann erklärte er es ihm nicht mal. Ob er sich entschuldigen sollte? Aber brachte das was, so ganz ohne Erklärung? Wohl kaum… Kurz lachte er bitter auf. Was sein Bruder wohl dazu sagen würde? Sicher würde er wieder behaupten, Ivan hätte einen schlechten Einfluss. Naja, aber anscheinend hatte er ja Recht. In seiner Nähe wurde er verrückt. Es machte sie doch beide verrückt. Wieder seufzte er und verschwand noch einmal im Haus. Kurze Zeit später aber saß er im Auto. Es tat ihm Leid, wie er Ivan behandelte, aber er konnte nicht anders. Eine Erklärung hätte er eigentlich verdient, immerhin war er ein toller Mann. Er war der Mann, den er liebte… und der ihn verrückt werden ließ. Gilbert startete den Motor und der Wagen setzte sich in Bewegung. So konnte es mit ihnen nicht weiter gehen, Gilbert musste etwas unternehmen. Es ging einfach nicht anders. Mürrisch starrte er jede rote Ampel an, die ihn aufhielt, als er dann aber auf der Autobahn war drückte er das Gaspedal nur so durch. Die Tachonadel schoss regelrecht in die Höhe und er die Straße entlang. Es gab nur diesen einen Weg für ihn, keinen Zweiten, und den würde er gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)