You know, I´m Joker, but... von RaoulVegas ================================================================================ Kapitel 4: Christmasfire... --------------------------- Zwei Jahre später… Tage, Wochen, ja sogar Monate sind ins Land gezogen, bis die Ärzte Jack von seinem angeblichen Schock und dem Trauma, das daraus folgte, befreit haben. Doch glücklich ist der Junge deswegen noch lange nicht. Nachdem er für geheilt erklärt worden war, kam er erneut in ein Heim. Hier befinden sich ausschließlich Jungs, die ähnliches erlebt haben, oder so schwer erziehbar sind, dass ihre Eltern es aufgegeben haben. Aber nur weil die Jungen schreckliches erlebt haben, heißt das nicht, dass sie deswegen nett zu einander sind. Im Gegenteil. Sie sind furchtbar aggressiv und launisch und so ein entstellter Junge wie Jack kommt ihnen da gerade recht. So wird er auch hier nur beleidigt, verprügelt und verspottet. Seine Gefühle überschlagen sich. Alles was er will, ist doch nur seine Ruhe und jemanden, der ihn so akzeptiert, wie er ist… Er leidet schwer unter den anderen Kindern. Viel zu oft hört er Stimmen in seinem Kopf, die Stimmen der Kinder, die ihn schon so viele Jahre ärgern. Stimme, die ihm sagen, er müsse sich erneut rächen, um seinen Frieden zu finden. Ausgerechnet diese Stimmen werden immer stärker. Wilde Fantasien schleichen sich in seinen Geist. Doch viel zu oft werden diese von der herrisch, lachenden Stimmer seines Vaters unterbrochen, der ihn in vielen Nächten heimsucht, so wie damals im Krankenhaus. Schreiend erwacht er dann, doch da er nicht allein im Zimmer schläft, weckt er damit die anderen, die dann wieder einen neuen Grund haben, um ihn zu verprügeln. Aber wenigstens vertreibt der Schmerz die Stimme seines Vaters. Wenn er nur wüsste, dass sein Vater sich damals, nur wenige Wochen nachdem er ins Gefängnis kam, in seiner Zelle erhängt hat, ja dann könnte er wieder ruhig schlafen. Aber niemand hat sich auch nur im Entferntesten die Mühe gemacht, es ihm zu sagen. Diese, für Jack wundervolle, Nachricht hat nicht einmal die Gefängnismauern verlassen. Jack glaubt langsam den Verstand zu verlieren. Er lässt sich von all diesen Stimmen treiben, er schwebt auf einer Wolke aus all dem Hass und der Verachtung, die andere für ihn empfinden und langsam fängt er an, es zu genießen. Er sehnt sich schon lange nach den Stimmen, lauscht ihren Worten, die sich in sein Gehirn einbrennen, wie ein glühendes Stück Kohle. Er braucht sie, wie die Luft zum Atmen. Andererseits hat er auch so sehr die Kontrolle darüber verloren, dass er sie eh nicht mehr unterdrücken kann, so sehr er es auch versucht. Aber das ist alles vollkommen egal, solange er nur erneut seinen Rachegelüsten nachgehen kann. Inzwischen ist es tiefster Winter, der Schnee fällt in dicken Flocken von einem Himmel, der so stahlgrau ist, das er wie gemalt wirkt. Weihnachten steht vor der Tür und im Heim herrscht daher helle Aufregung. Die sonst so unerträglichen Knaben geben sich jetzt alle Mühe, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, damit der Weihnachtsmann sie auch ja nicht vergisst. Sie backen Plätzchen, schmücken jedes Zimmer festlich und singen sogar zusammen Weihnachtslieder. Jack hingegen interessiert sich dafür kein bisschen. Er ist zwar mit seinen 12 Jahren bei weitem nicht der Älteste hier, aber klüger als alle zusammen allemal. Für ihn gibt es keinen Weihnachtsmann – schon lange nicht mehr – alles was zählt, sind die Stimmen in seinem Kopf! Eine Woche vor Weihnachten… Der Schnee türmt sich in dicken Haufen auf den Wegen und am Straßenrand. Autos und Menschen fällt das Vorankommen schwer, dennoch sind die Meisten ziemlich gut gelaunt, in Hinsicht auf das baldige Weihnachtsfest und den Urlaub. Auch den Waisenkindern soll Freude bereitet werden und so haben die Betreuer sie heute mit in die Stadt genommen. Dort besuchen sie ein Theaterstück, dessen Einnahmen dem Waisenhaus zu Gute kommen. Die Jungen langweilen sich dabei tierisch, so auch Jack. Ihm ist das Ganze viel zu kindisch und zu dumm. So lehnt er sich in seinem Stuhl zurück und lauscht den Stimmen in seinem Kopf, die verlockend nach ihm rufen. Nach gut zwei Stunden ist das Ganze dann endlich vorbei und sie machen sie wieder auf den Heimweg. Als sie an der Bushaltestelle aussteigen, fällt Jack eine Baustelle auf, die bei ihrem Ausbruch noch nicht da gewesen ist. Wie auch immer die Arbeiter es bei dem Schnee geschafft haben, in so kurzer Zeit, das alles aufzubauen… Die Baustelle ist etwa zwei Straßen vom Heim entfernt um ein altes Bürogebäude errichtet worden. Ales ist mit einem Zaun abgesperrt und Warnschilder aufgestellt. Diese verkünden unteranderem, dass das Gebäude nach den Feiertagen gesprengt und an dessen Platz dann ein Einkaufszentrum errichtet werden soll. Die Baustelle zieht Jack fast schon magisch an. Irgendetwas ist dort, was nach ihm ruft und die Stimmen in seinem Kopf zerren an seinem Verstand. Durch eine Lücke im Zaun schaut er auf das Gelände. Schwere Maschinen stehen dort verteilt. Das Gebäude ist mit einer Folie verkleidet, damit der entstehende Staub den Verkehr nicht behindert. Jede Menge Schutt liegt in riesigen Containern. Und mitten zwischen einen Dixiklo und einem Blechschuppen, in dem sich die Arbeiter zurückziehen können, stehen dutzende Kisten mit Dynamit. Einfach so, ohne das sie irgendwie gesichert sind! Kaum zu glauben! Jacks Augen beginnen zu leuchten. Ein Meer aus Faszination du Vorfreude breitet sich in den braunen Seen aus. ‚Jack, komm näher!‘, scheint es zu rufen. Seine Hände verkrampfen sich um die Metallstangen des Zauns, der auf der Innerseite mit Brettern halbherzig verkleidet worden ist. Jacks Augen weiten sich noch mehr. Nur zu gern würde er jetzt das Dynamit in den Händen halten. „JACK!“ Der scharfe Ton reißt ihn aus seinem Traum. Die Anderen sind schon fast um die Ecke und warten nun ungeduldig auf ihn. Mit finsterer Miene mustert der Betreuer ihn. Nichts als Flausen im Kopf der Bengel! Nur schweren Herzens kann sich Jack von dem Zaun lossagen und eilt zu den anderen. Doch er weiß schon jetzt, das s diese Trennung nicht für lange sein wird… Am Abend… Es ist spät, es ist dunkel und das Waisenhaus liegt vollkommen friedlich da. Es hat wieder angefangen zu schneien. Die Luft ist schneidend kalt, die Nacht mondlos und düster. Die Straßenlaternen spenden kaum Licht, der Schnee schluckt es, wie ein Verhungernder. In den Schlafräumen ist das leise Schnarchen der Jungen zu hören. Ab und zu leises Murmeln, wenn jemand im Schlaf spricht. Nur einer liegt hellwach in seinem Bett. Die schokoladenfarbenen Augen suchen ziellos die Zimmerdecke ab. Kaum kann er es abwarten, dass der richtige Moment gekommen ist und er endlich aufbrechen kann. Jack spürt all die höheren Mächte, die an ihm zerren, ihn fast entzwei reißen. In seinem Kopf schreien die Stimmen regelrecht und die Qual ist fast unerträglich. Schließlich kann er es nicht mehr ertragen. Langsam schlägt der Junge die Decke beiseite, schnappt sich seine Sachen und schleicht ganz vorsichtig Richtung Tür. Bei jedem Geräusch, das die anderen von sich geben, zuckt er zusammen. Die Angst entdeckt zu werden, breitet sich in ihm aus, wie ein Lauffeuer. Adrenalin schießt durch seinen zitternden Körper und eine Welle ungeahnter Energie durch den zierlichen Leib. Leise fängt er an zu keuchen. Seine Finger verkrampfen sich um die Klinke. Jack muss sich einen Moment sammeln, bis die wilde Erregung sich so weit in seinem Körper verteilt hat, dass er endlich die Tür öffnen kann. Vorsichtig sieht er auf den Flur hinaus. Dunkel, nichts zu sehen. Gut! Auf Zehenspitzen schleicht er sich aus dem Zimmer und schließt behutsam die Tür hinter sich. Ungeduldig betritt er den Waschraum am Ende des Flures. Als die Tür hinter ihm leise ins Schloss fällt, fällt eine ganze Ladung Steine von ihm ab. Er atmet tief durch. Dann zieht er sich schnell seine Sachen an und öffnet das Toilettenfenster. Unsicher blickt er nach draußen. Schnee schlägt ihm kalt in sein erhitztes Gesicht. Der Schnee, der sich an der Hauswand auftürmt, gaukelt ihm von, dass er sich hier nicht im zweiten Stock befindet. Allerdings wird er ihm auch dazu dienen, seinen Sprung aus dem Fenster zu dämpfen. Mit vor Aufregung zitternden Händen, klammert er sich am Rahmen fest und setzt sich aufs Fensterbrett. In seinem Rücken spürt er die eisige Nachtluft. Er schließt die Augen und lässt sich einfach aus dem Fenster fallen. Mit dem Rücken voraus landet er im Schnee, oder besser gesagt, verschwindet er im Schnee. Außer einem Loch in dem ganzen Weiß ist nichts mehr von ihm zu sehen. Einen Augenblick später taucht er wieder auf und klettert etwas mühselig aus dem weißen Berg. Geduckt schleicht er sich zum Tor. Wie zu erwarten war, ist es verschlossen. Doch davon lässt sich ein richtiger Junge doch nicht aufhalten, erst recht keiner, der so eine verlockende Aufgabe vor sich hat. Er blickt noch einmal hinter sich, dann klettert er über den Zaun. Geschafft! Das Schwierigste hat er fürs erste hinter sich. *In einer dunklen Kamer seines Gehirns meldet sich jetzt ein so starkes Verlangen, dass Jack es nicht mehr unterdrücken kann. Er hat das Gefühl, als rufen alle Geister der Armen und Namenlosen, die Seelen der Betrunkenen, die nachts in den verlassenen Gassen schlafen, seinen Namen… ~Jack~ Magisch angezogen von dieser Stimme, stapft Jack durch den Schnee. Es ist mühsam und kalt. Die Angst im Nacken, dass ihn jemand sehen könnte, wächst und wächst. Das Verlangen allerdings auch! Nach endlosen Minuten erreicht er die Baustelle. Sein Herz schlägt wie wild. Niemand ist zu sehen, nicht mal Autos fahren jetzt, bei dem Wetter nur all zu verständlich. Dennoch sucht sich Jack einen Platz im Schatten, wo kein Licht hinkommt und klettert über den Zaun. Als er auf der anderen Seite im Schnee landet, fällt wieder ein Teil seiner Angst von ihm ab. Wie ein kleines Wiesel blickt er sich dennoch scheu um und huscht von einem Versteck zum nächsten. Um seine Spuren im Schnee macht er sich überhaupt keine Gedanken, es schneit so stark, dass sie bis zum Morgen nicht mal mehr ansatzweise zu sehen sein werden. Langsam tastet er sich zu der Kiste mit dem Dynamit vor. Mit vor Aufregung zitternden Fingern wischt er den Schnee von der obersten Kiste. Eigentlich rechnet Jack damit, dass die Kisten verriegelt und vernagelt sind, allein schon aus Sicherheitsgründen. Aber wenn es um Sicherheit geht, scheinen es die Firmen, die hier arbeiten ja eh nicht so ernst zu nehmen, sonst würde der Sprengstoff hier ja nicht so leicht zugänglich rumstehen. Und somit, stellt Jack fest, dass die obere Kiste unverschlossen ist und auch scheinbar schon ein paar Stangen Dynamit entnommen worden sind. Perfekter kann es kaum noch sein, so fällt wenigstens nicht auf, wenn eine Stange mehr fehlt. Langsam sinkt seine Hand in die Kiste. In freudiger Erwartung leckt er sich keuchend über die Lippen. Als sich seine Finger um die rote Außenhülle der explosiven Stange schließen, jagt ein wohliger Schauer durch seinen Körper. Er hebt die Stange aus der Kiste und riecht daran. Der scharfe Geruch steigt ihm in die Nase und vernebelt seine Gedanken. Für einen Moment fühlt er sich vollkommen schwerelos. Dann steckt er die Stange unter seine Jacke und verschließt die Kiste wieder. Kurz blickt er sich um, doch Jack ist immer noch ganz allein im tiefen Schnee. Beruhigt von dieser Tatsache macht er sich auf den Heimweg. Als er wieder am Waisenhaus ankommt, zwängt er sich durch eines der Kellerfenster, das er für diesen Zweck präpariert hatte. In dem Kellerraum ist es dunkel und muffig, doch Jack weiß genau, wo er lang muss. Er tastet sich zum Heizungsraum vor. Die Tür ist nicht abgesperrt. Da dieser Raum keine Fenster hat, macht er das Licht an, da es ja niemand sehen wird. Als sich seine Augen an die plötzliche Helligkeit gewöhnt haben, geht er zum Gasbrenner hinüber. Dieser hat bestimmte, vorprogrammierte Zeiten, zu denen er anspringt. Dabei wird das Gas mit einem Funken entzündet und diese Flamme erhitzt dann das Wasser in den Rohren. Der junge Joker manipuliert das Gerät nun so, dass es morgen zu einer ganz bestimmten Zeit anspringt. Vorsichtig legt er das Dynamit in die Brennkammer. Als dies erledigt ist, macht er sich schnell auf den Weg in sein Zimmer und legt sich unbemerkt wieder in sein Bett. Am nächsten Abend… In ein paar Tagen ist es endlich soweit, das langersehnte Weihnachtsfest, zum Greifen nahe! Die Aufregung der Jungen steigt von Stunde zu Stunde an. All der Zank und Streit der letzten Monate scheint vergessen zu sein. Friedlich sitzen sie alle im großen Gemeinschaftssaal beisammen, bewundern den Weihnachtsbaum, der eine Spende des Bürgermeisters ist, und singen Weihnachtslieder. Jack blickt auf die Uhr an der Wand. In fünf Minuten wird das Feuerwerk beginnen – Zeit zu verschwinden. Langsam steht er auf und entschuldigt sich, er müsse auf die Toilette. Aber es scheint kaum einen zu interessieren. Sie singen einfach weiter. Mit einem durchtriebenen Lächeln öffnet Jack die Tür und verlässt den Saal. ‚Singt, singt solange ihr noch könnt! Vielleicht haben ja ein, zwei Glück von euch und hören noch die Engel singen, bevor ihr zur Hölle fahrt!‘, denkt er, während er den Flur entlang geht. Da sich alle Kinder und Betreuer im Saal befinden, sieht auch niemand, dass Jack durch die Vordertür verschwindet und den Hof betritt. Jack lässt das Tor hinter sich, überquert die Straße und zieht sich in eine kleine Gasse zurück. Gerade noch rechtzeitig, um den Beginn der Show zu erleben. Zuerst ist nur ein leiser Knall zu hören, als das Dynamit von der Zündflamme des Brenners entfacht wird, doch dann entzündet sich das Gas durch die Explosion und eine Kettenreaktion kommt in Gange. Das Waisenhaus wird förmlich in Stücke gerissen und eine riesige Gasflamme schießt in den Himmel, erhellt die Umgebung wie ein Scheinwerfer. Die Bäume auf dem Grundstück verbrennen, das Glas der Bushaltestelle in der Nähe zerspringt durch die Druckwelle, sowie einige andere Fenster im Umkreis von fast hundert Metern. Die Alarmanlagen parkender Autos fangen an zu schreien, die Straße bricht auf, als wäre die auf einem Vulkan gebaut worden. Überall fliegen Trümmer herum und in der Ferne sind schon die ersten Sirenen der Feuerwehr zu hören. Der Himmel glüht orangerot, als würde die Sonne aufgehen und der Schnee schmilzt schon in der Luft und regnet in heißen Tropfen zu Boden. Die Flammen und als das Elend spiegeln sich in Jacks Augen und ein warmes, zufriedenes Lächeln breitet sich auf seinem gezeichneten Gesicht aus. Ein paar Augenblicke genießt er den Anblick – sein Werk! – noch, dann öffnet er einen Kanaldeckel im hinteren Teil der Gasse und verschwindet von der Bildfläche, noch bevor der erste Rettungswagen eintrifft… _______________________________________________________________________________ *In einer dunklen Kamer seines Gehirns meldet sich jetzt ein so starkes Verlangen, dass Jack es nicht mehr unterdrücken kann. Er hat das Gefühl, als rufen alle Geister der Armen und Namenlosen, die Seelen der Betrunkenen, die nachts in den verlassenen Gassen schlafen, seinen Namen… Stephen King´s Menschenjagd 1982 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)