Die Sonne von Shin Mazako von Akio21 ================================================================================ Im Tempel --------- Bis vor kurzem vor der 82jährige Wolfram von Bielefeld noch ein Prinz. Seine Mutter war die Dämonenkönigin. Zudem war er ein reinrassiger Dämon, ein ausgezeichneter Schwertkämpfer und einer der stärksten Magier im gesamten Reich. Als Mitglied der zehn Adelshäuser des Grossreiches der Dämonen wohnte er bei seinem Onkel Waltorana von Bielefeld in dessen Schloss, hatte seine eigene Leibgarde und war einer der reichesten und begehrtesten Junggesellen im ganzen Land. Seine Schönheit war schon legendär, allerdings auch sein überhebliches und schlechtes Benehmen, ganz besonders wenn es um Menschen ging. Nicht einmal seinen Bruder wollte er als solchen akzeptieren, da dieser nur ein Halbdämon war. Seine Arroganz und sein Stolz erlaubte ihm nicht, eigene Fehler einzugestehn, vielmehr war es doch so, das er das Opfer war, denn Conrad hatte ihn betrogen. Er, Wolfram hatte seinem Bruder vertraut, doch dieser hatte die Unverschämtheit besessen, einen Menschen zum Vater zu haben. Aber genau dessen Fähigkeit auch mit Menschen zurechtzukommen benötigte Wolfram jetzt mehr als alles andere. Zum Glück wusste Wolfram nicht, das ausgerechnet Conrad auch die andere Seite seines Bruders kannte. Die Seite, die sich nach einer Familie sehnte, die Kinder liebte und so unsicher war, das sie grosse Verlustängste hatte. Wolframs Seite, wegen der er seinen kleinen Bruder, trotz allen verbalen Verletzungen die er ihm zufügte, liebte. Die Dämonen des Grossreiches hatten sich 4000 Jahre lang auf ihre Stärke und Magie verlassen ohne zu bemerken, das ihre Magie immer schwächer wurde. Die Menschen hingegen hatten immer mehr an ihrer Stärke und ihrem Exorzismus gearbeitet und waren zu einer ernstzunehmenden Bedrohung geworden. Nur die ganz Alten weigerten sich, die Verschiebung des Gleichgewichts der Kräfte zugunsten der Menschen zu sehen. Wolfram dagegen war intelligent genug um zu wissen, das er seine Augen nicht verschliessen durfte, denn das hätte fatale Folgen gehabt. Vielleicht war das der Grund, weshalb er zu ihrem Urkönig gerufen wurde. Der blonde Feuerdämon war Realist. Er wusste, der Urkönig war vor 4000 Jahren verstorben, darum glaubte er, er hätte es nur mit den Priesterinnen zu tun, als er den Tempel betrat. Ulrike, die älteste mit ihren 800 Jahren und höchste der Priesterinnen führte ihn in einen kühlen Raum mitten im Tempel und hiess ihn, zu warten. Dem verzogenen Prinzen passte das nicht wirklich, und wäre er nicht zum erstenmal in diesem Raum gewesen, er wäre verärgert wieder gegangen. Aber er spürte eine seltsame Präsenz, spürte, das dieser Raum auf eigenartige Weise heilig war. So beschloss er zu warten, und sich stattdessen umzusehen. Als er an ein Becken aus Marmor mit Goldverzierungen kam und dieses musterte hörte er ein Geräusch. Instinktiv griff er nach seinem Schwert, nur um sich daran zu erinnern, das er es bei seinem treuen Schimmel draussen lassen musste, und fuhr herum. Er wollte schreien, wer ist da, kam aber auch dazu nicht, denn vor ihm stand er, der Urkönig. In voller Pracht und Grösse. Vom Aussehen ähnelte er Wolfram sehr, ein gleichmäßiges engelsgleiches Gesicht, umrahmt von dichtem goldenen Haar. Der einzige Unterschied war das Shinou etwas älter aussah, als der 82jährige, er sah fast wie 100 aus und seine Augen waren im Gegensatz zu Wolframs grünen Augen die an Smaragde erinnerten von einem klaren Blau. Er sah Wolfram ernst ins Gesicht. Lord von Bielefeld erkannte auch sofort den Ernst der Lage und riss sich weitgehend zusammen, sich tief vor seinem Idol verbeugend machte er ihm seine Aufwartung. Shinou nahm sie selbstgefällig entgegen und zeigte dann mit einer ausladenenden Bewegung zu den goldenen Stühlen die im Raum standen. Wolfram verbeugte sich wieder, und stellte sich hinter einen der Stühle, bis Shinou sich gesetzt hatte, dann nahm er selbst ebenfalls Platz. „OUT“, rief der Schiedsrichter laut, so dass jeder ihn hören konnte, über den Platz. Shibuya warf seine Maske und seine Handschuhe in alle Richtungen davon, dies war der Sieg für sein Team. Die wenigen Leute im Publikum klatschten begeistert, und Yuri war in kürzester Zeit von seinem Team umringt, das ihn zu gerne hochgehoben und in die Luft geworfen hätte. Leider wusste seine Mannschaft, das Yuri weder Umarmungen mochte, noch umjubelt zu werden, so dass sie ihm begeistert auf die Schultern klopften. Alle waren sie Aussenseiter gewesen, entweder mussten sie die ganze Zeit während der Spiele auf der Bank sitzen oder wurden erst gar nicht ins Team aufgenommen, bis der grösste Aussenseiter von allen, nämlich Yuri, an sie herantrat und fragte, ob sie Lust hätten, gemeinsam mit ihm eine neue Mannschaft zu gründen. Die meisten dachten, was soll das bringen, ist doch eh sinnlos, aber die andern, die Baseball mit Leib und Seele liebten waren voller Hoffnung und genau die suchte yuri. Er beobachtete sie genau, erkannte sehr schnell ihre Stärken und Schwächen und teilte ihnen ihre Positionen zu. Obgleich er mit der ganzen Mannschaft trainierte, fand er auch immer wieder Zeit für den ein oder anderen Ratschlag und nach kurzer Zeit holte Yuris Team einen Sieg nach dem andern. Die Profis begannen allmählich nervös zu werden, und auch wenn immer nur noch wenig Zuschauer kamen, so wurden es doch langsam aber stetig mehr. Yuri selbst war sozusagen eher unehrenhaft aus dem Team geflogen, hatte er doch seinen Trainer geschlagen, eine Ungeheuerlichkeit sozusagen. Auf der andern Seite machte ihn aber auch genau das zum Helden für alle die, die auch Ungerechtigkeit erfahren, sich aber nicht getraut hatten, sich zu wehren. Zufrieden mit dem Ergebnis schlenderte Yuri mit seinem engsten Vertrauten und Manager zum Badehaus, nicht ohne jeden noch zu loben für seinen Spieleinsatz. Murata schwieg bis Yuri sich ihm zuwandte. „Danke, Murata, das du dich um das ganze Verwaltungszeugs kümmerst, ich hasse diesen Papierkram richtig“. „Ach nee, du, lass ma, ich machs gerne, kein Problem, ehrlich.“ Das stimmte auch. Murata hatte keinerlei Probleme sich um Termine, Spielpläne und andere Dinge zu kümmern, das war wirklich ein kleiner Preis für das was er eigentlich wollte. Und das war einfach in Shibuyas Nähe zu sein. Denn im Gegensatz zu Shibuya wusste Murata wer oder besser was er war, und wer Shibuya war. Der Auftrag ----------- Tief in Gedanken versunken saß Wolfram von Bielefeld in seinem Zimmer. Vielleicht war Zimmer nicht ganz der richtige Ausdruck, es war eher ein kleiner Palast im Schloss seiner Mutter. Es wurde abends schon kühl, und ein paar seiner Soldaten hatten Holzstücke aufeinandergestapelt. Dennoch bemerkte Wolfram nicht, das es schon kälter geworden war, zu sehr beschäftigte ihn noch der Auftrag, den er von Shinou erhalten hatte. „Bring die Sonne zurück nach Shin Mazakou“. Wolfram durfte sich nur drei vertrauenswürdige Begleitpersonen aussuchen, denn die Reise sollte zu einem andern Planeten gehen, der sich Erde nannte. Und mehr als vier Personen konnten die Reise nicht antreten. Im Grunde war bereits alles vorbereitet und geplant. Sie würden in Deutschland landen, und dort sollten sie vom Maou der Erde in Empfang genommen werden. Dieser wiederum würde ihm ein Treffen mit dem Mond von Shin Mazakou verschaffen, einem extrem jungen und doch uralten Dämonen namens Murata Ken und dieser wiederum sollte angeblich wissen, wo die Sonne steckte. Es klang also eigentlich alles kinderleicht. Dennoch hatte Wolfram ein seltsames Gefühl. Die Sonne von Shin Mazakou murmelte er immer wieder. Wieso war sie überhaupt auf der Erde und nicht hier? Des weiteren beunruhigte es ihn, das sogenannte Sonne der Älteste Dämonenkönig überhaupt war, und nicht wie angenommen Shinou. Aus ihr war das gesamte Universum entstanden, alles Leben, welche Kraft musste sie besitzen, Wolfram bekam eine Gänsehaut und seine blonden Härchen auf den Armen stellten sich in die Höhe. Was, wenn die Sonne nun nicht mit nach Hause kommen wollte, was wenn sie sie kurzerhand vernichtete? Aber die Antwort kannte Wolfram. Das wäre auch das Ende seiner Welt. Wen er mitnehmen wollte, wusste er, und es machte vermutlich keinen Sinn darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn sich der Junge, der die älteste Seele überhaupt in sich trug, weigerte mitzukommen. Entschlossen stand Lord von Bielefeld auf um das Zimmer seines eigentlich verhassten Bruders aufzusuchen. Er ging zu den Unterkünften der Soldaten und ließ Lord Weller Bescheid geben, das er mit ihm reden wollte. Der Soldat beeilte sich, kannte er doch das ungestüme Temperament von Bielefelds und erschien kurz darauf mit Lord Weller. Conrad lächelte wie immer, konnte aber ein gewisses erstaunen nicht ganz unterdrücken. „lass uns ein Stück gehen“murmelte Wolfram und wandte sich ab. Conrad folgte ihm schweigend. Schließlich fragte er, „geht es um deine Audienz die du bei Shinou hattest?“ zuerst überrascht dann wütend, das ihn der ältere so einfach durchschaute antwortete Wolfram knapp, „so ist es, ich will das du mich zur erde begleitest, und mir hilfst Shinous Auftrag erfolgreich auszuführen.“ damit war Wolfram auch schon wieder verschwunden und ließ den verdutzten Conrad stehen. „nähere Erklärungen kann ich geben wenn wir alle versammelt sind“, überlegte Wolfram, der absolut keine Lust hatte, noch mehr als nötig mit Conrad zu reden. Als nächstes suchte er Gisela auf, und sagte ihr das gleiche. Der letzte im Bunde war Lord von Kleist. Wie nicht anders erwartet von Wolfram war der theatralische Mann nicht mehr anzusprechen, nachdem er erfahren hatte, das er im Auftrag Shinous eine wichtige Mission anvertraut bekam. Wolfram hatte seine drei Gefährten nicht grundlos ausgesucht. Von Shinou wusste er, das auf der Erde Dämonen und Menschen in Frieden miteinander lebten, und Conrad kam sowohl mit Dämonen als auch mit Menschen sehr gut aus. Gisela war auf dem Gebiet der Medizin eine der besten im ganzen Land, wer wusste schon, was es da unten alles für seltsame Krankheiten gab, und Gunter, genau wie Conrad ein ausgezeichneter Schwertkämpfer war ein hochgebildeter Mann mit ausgezeichneten Manieren, der zudem noch die Sprachen von anderen Welten studiert hatte. Sein Hobby. Wolfram sandte einen boten zum Tempel, um mitzuteilen, das alle Vorbereitungen getroffen seien. Seiner Mutter teilte Wolfram nur mit das er zusammen mit den andern einen kleinen Ausflug machen wollte, schließlich war die Mission streng geheim, und auch wenn sie zur zeit die Dämonenkönigin war, so war sie doch mehr an treffen mit Männern interessiert und überließ die Politik ihrem älteren Bruder. Als Wolfram zu ihr ging um sie zu informieren, war sie zwar äußerst erstaunt, als sie hörte das auch Conrad mit von der Partie war, gab aber gerne ihr Einverständnis und wandte sich dann wieder ihrem neusten Verehrer zu. Hahhhhhhhh, wie schön endlich ein Tag an dem er richtig faulenzen konnte. Weder Schule, Training, Lernen für eine Arbeit stand an, noch sonst irgendetwas. Yuri lag seit zwei Stunden in der Badewanne, ohne sich darum zu kümmern, das seine Haut allmählich blass und verschrumpelt wurde, die schwarzen Haare durch den aufsteigenden Dampf vollkommen nass waren und der Boden bereits überschwemmt. Aber was soll´s, schließlich ist man nur einmal 15. Bei dem Gedanken an sein Alter wurde ihm wieder schmerzlich bewusst, dass er noch immer keine Freundin hatte. Er ertappte sich beim Gedanken, wie er am schnellsten an eine Freundin herankäme und verdrängte diesen schnell wieder. „Nicht heute“, murmelte er. „Oh doch, natürlich heute“, rief Murata als er die Tür öffnete und ins Bad schaute. Er sah ausgesprochen gutgelaunt aus. „bitte nicht“, dachte Yuri und fragte „was soll das Murata, „du siehst doch, das ich grade ein Bad nehme“. „oh, der Herr badet nicht, er nimmt gerade ein Bad, wie vornehm“, zog Murata ihn auf. Yuri verdrehte die Augen. „was willst du“. Murata zog grinsend einen Brief aus seiner Hosentasche. „Weißt du, was das ist?“ „Nein, woher soll ich das wissen?“ Yuri wusste nicht recht, ob er genervt oder neugierig sein sollte. Möglicherweise hatte dieser Brief etwas mit Baseball zu tun. Eine Einladung vielleicht? Die Neugier siegte „Bin ganz Ohr“, rief er ungeduldig. Murata grinste wieder, kam herein, machte die Tür zu und setzte sich zu Yuri auf den Beckenrand. „Deine Klamotten werden nass“, dachte Yuri, sagte aber nichts. Murata wusste das schließlich auch so. „Ja, aber das macht nichts“, antwortete Murata zog den Briefumschlag dann ganz aus der Tasche und Yuri beobachtete ungeduldig wie sein Freund umständlich den Brief entfaltete. Wie? Moment mal. Hatte Murata eben Antwort auf seinen Gedanken gegeben. Also hör zu, sagte Ken. Sehr geehrter Herr Murata, sehr geehrter Herr Shibuya, mein Name ist Bob vielleicht haben sie schon von mir gehört. Murata blickte auf, Shibuya schüttelte den Kopf. Ein großes Tier in der Finanzwelt erklärte Murata. Dann las er weiter vor. Einige meiner Geschäftspartner sind wie auch ich selbst große Baseballfans. Es wäre uns eine ausgesprochene ehre, wenn sie mit ihrer Mannschaft ein Gastspiel bei uns in Deutschland geben würden. Murata hielt wieder inne und Shibuya tippte sich mit dem Finger an die Stirn. Zur Unterhaltung eines grosskotz sollte er nach Deutschland jetten und wieder zurück. „Schreib, er soll ein paar Tänzerinnen engagieren.“ brummte Yuri. Murata fuhr unbeirrt fort. Ihre Technik erinnert mich sehr an den großen hippo, aber auch an den leider viel zu früh von uns gegangenen hoppo. Yuri setzte sich plötzlich auf, als er die beiden Namen seiner Lieblingsspieler hörte. Selbstverständlich komme ich für sämtliche Unkosten auf, wie Flugtickets, Hotelzimmer, essen, Honorar, Taschengeld...schon gut, unterbrach Yuri. „was genau weißt du über den Mann?“ „Wie gesagt, er ist ein großes Tier in der Finanzwelt. Er unterstützt auch verschiedene Organisationen durch Spenden, interessiert sich für Kunst und Sport. Soviel ich weiß, denkt er sogar darüber nach eine eigene Fußballmannschaft oder etwas ähnliches zu kaufen.“ „a ha, und gegen wen spielen wir?“ „Gegen eine Profimannschaft“. Murata grinste, als er fragte, „Na? Möchtest du dir die Pleite ersparen?“ Insgeheim wusste er längst, das Yuri nicht nur schon angebissen hatte, sondern wenn es um eine Profimannschaft ging erst recht spielen wollte. „Welche Pleite? Glaubst du etwa wir verlieren?“ „Nein“, erhob sich Murata und wollte gehen, „warte, wann soll das denn überhaupt sein?“ „Keine Sorge, ich habe schon alles ausgehandelt und auch mit deinen Eltern gesprochen“. „?“ Der Termin ist nächste Woche, am ersten Ferientag fliegen wir rüber, ruhen uns ein bisschen aus, trainieren die Woche, machen Einkäufe Sightseeingtouren je nachdem, und sonntags spielen wir dann. Ich sag den andern Bescheid, ich wette, die freuen sich. Deine Eltern sind auch einverstanden.“ damit rauschte Murata zur Tür raus. Zurück ließ er einen doch etwas überrumpelten Shibuya. Murata ist wirklich ein guter Manager. Und Menschenkenner. Seufz, na ja gut das wir ihn haben. Gemeinsam nach Deutschland -------------------------- Wolfram von Bielefeld, Conrad Weller, Gunther von Kleist und Gisela von Kleist hatten sich in der großen Halle des Tempels zusammengefunden. Um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen hatten sie sich hier getroffen. Zu Wolframs und Gunthers Schrecken durften sie weder Kleidung noch Schwerter mitnehmen. Conrad und Gisela sahen dies gelassener. Die Zeremonie war in vollem Gange und Gunther knetete sich besorgt die Hände. „Reißen Sie sich etwas zusammen, Lord von Kleist“, meckerte Wolfram mit einer etwas zu hohen Stimme, um sich selbst zu beruhigen. Aber kaum hatte er ausgesprochen, als das riesige mit Wasser gefüllte Becken vor ihm in allen möglichen Farben zu leuchten anfing. „Es ist soweit“, flüsterte Conrad, auch seine Stimme klang nun etwas belegt und Gisela musste schlucken. Gab es wirklich wieder ein Zurück? Alle vier sahen zu Ulrike, die ihnen daraufhin zunickte. „Jetzt oder nie“, dachte Wolfram und sprang zur selben Zeit wie die anderen in das Becken. Kurz darauf waren sie verschwunden. Wolfram tauchte unter und wieder auf, in der Annahme, es sei etwas schiefgegangen öffnete er den Mund, nur um ihn danach gleich wieder zu schließen. Neben ihm tauchten die andern drei auf. Auch sie schienen einen kurzen Moment verwirrt. Sie waren eindeutig nicht mehr im Zeremonie Saal des Tempels. Ein älterer Mann stand vor ihnen. Seine Haare waren schwarzgrau, die Augen goldfarben mit schwarzen, senkrechten Pupillen. Wolfram schätzte ihn auf etwa 360 bis 400 Jahre. Er trug einen schlichten Anzug ohne irgendwelche Auszeichnungen oder Orden, nicht mal ein Schwert hatte er, aber Wolframs geschultes Auge erkannte trotzdem sofort das hochwertige Material aus Seide, aus welchem der Anzug bestand, und er vermutete den Maou der Erde vor sich zu haben. „Willkommen auf der Erde“, ertönte sein tiefer Bass. „Ich bin Bob, der Dämonenkönig“, bestätigte er Wolframs Vermutung. Lord von Kleist´s Wangen röteten sich, als er sich theatralisch auf die Knie werfen wollte, schien er doch vergessen zu haben, das sie hier ohne Kleidung standen. Ein paar Dienstboten kamen herbeigerannt mit warmen, flauschigen Umhängen um die Gäste in Empfang zu nehmen und sie darin einzuwickeln. Wolfram konnte nicht bestimmen, um welches Material es sich bei den Umhängen, die nicht mal Knöpfe hatten, handelte, aber sie waren weich, warm und angenehm. Der Dämonenkönig mit dem anscheinend schlichten Namen, aber wer wusste schon ob der Name Bob hier nicht nur von Königen getragen werden durfte, schnipste mit den Fingern und zwei Türen öffneten sich zu einem kleinen leeren Raum. Dies musste wohl das Ankleidezimmer sein, aber wo war die Kleidung? dachte Wolfram. Er räusperte sich um das Wort an den Dämonenkönig zu richten, dieser hatte ihnen aber schon den Rücken zugekehrt und verschwand in einem andern leeren Raum. Das war schon seltsam. Wolfram und die andern ließen sich von den Dienstboten, die nicht mal ihre Dienstkleidung trugen in den seltsamen Raum führen, und gerade als Wolfram den Umhang, oder sollte das seine Kleidung sein, ablegen wollte, gab es einen Ruck durch das gesamte Zimmer, so dass er fast das Gleichgewicht verlor und mit einem seltsamen Geräusch setzte sich der komplette Raum in Bewegung. Noch bevor sie sich von ihrer Überraschung erholen konnten, kam er zum stehen, die Türen öffneten sich und gaben den Blick frei auf ein riesiges Zimmer voller Kostbarkeiten, Marmor, Gold und andere Dinge, die man selbst wenn man aus einer andern Welt stammte, sofort als wertvoll einstufen konnte. „Das wird sicher mein Zimmer sein“, dachte sich Wolfram, als Gunther an ihm vorbei stürmte und juchzte. Er ging tiefer in das riesige Zimmer hinein, um eine Ecke und kam mit rotem Gesicht zurück. Fahrig deutete er auf das Nebenzimmer aus dem er gerade wieder herausgekommen war, ohne ein Wort hervorzubringen. „Was ist los mit dir?“ schnauzte Wolfram ihn an. „Ist dort die Folterkammer, oder was?“ „Vielleicht befinden sich dort gewisse *Aufmerksamkeiten* für uns“, mutmaßte Conrad. Das Kopfschütteln des Schulmeisters ignorierend betrat Wolfram unverzüglich den Nebenraum, um den Aufmerksamkeiten zu sagen, das sie verschwinden sollten. Für so was hatte der blonde Dämon nun wirklich keinen Nerv. Aber weder das eine noch das andere befand sich in diesem Zimmer, welches mindestens genauso groß war wie das Hauptzimmer. In erster Linie befand sich darin ein riesiges Bett. Also nichts Besonderes, bis Wolfram erkannte, warum der Schulmeister so seltsam reagiert hatte. In diesem Bett befand sich nicht ein Kissen, sondern vier, oder anders ausgedrückt, es war nicht für eine Person gedacht, sondern für sie alle vier. Wolfram spürte, wie auch er blass wurde. Sechzehn Stunden. Bestimmt. Oder mehr? Yuri hatte keine Ahnung, wie lange sie in diesem Privatjet unterwegs waren. Unterwegs landeten sie immer wieder. Waren am Anfang noch alle begeistert, so machte sich nun eine allgemeine Lethargie breit. Einige Freunde und Spieler Yuri ´s sahen aus dem Fenster, als wollten sie am liebsten hinausspringen und – mit einem Seitenblick auf Shibuya – sich vorher Yuri noch unter den Arm klemmen. Schließlich war er Schuld. Eines war sicher, nie wieder würde Yuri sich solange in ein Flugzeug setzen, die anderen sicher auch nicht. Am Anfang schlug er noch Spiele vor, besprach auch die Vorgehensweise und Strategie die er ausgearbeitet hatte anhand der Kassette mit den Spielen ihres Gegners, welche er bekommen hatte, aber irgendwann hatte auch er genug, er war schließlich Catcher, Spielmacher und kein Cheerleader. Wie konnte man nur derartig fertig sein vom herum sitzen? Einzig und allein Murata schien das alles weder zu interessieren noch etwas auszumachen. Murata hatte sich gleich zu Anfang seinen Platz neben Shibuya gesichert, sein Gepäck verstaut und seither – die Ruhe in Person – auf seinem Platz gesessen mit seinem Walkman und den Kopfhörern im Ohr. Als Yuri wissen wollte, was für eine Musik das ist, und einen der Kopfhörer aus Murata´s Ohr nahm, rechnete er mit einer Art Meditation oder sogar einer klassischen Musik und Oper, aber ganz sicher nicht mit einem Auffrischungskurs in Deutsch. Warum kein Deutschkurs, sondern ein Auffrischungskurs? Yuri´s Wissen nach, hatte Murata niemals Deutsch gelernt. Auf der andern Seite wusste Yuri das sein Freund manchmal etwas seltsam war und es brachte nichts sich über dessen Schrullen den Kopf zu zerbrechen. Nichts dauert ewig und so landeten sie schließlich auf dem flachen Dach eines riesigen Gebäudes. Murata erklärte, das dies der private Landeplatz auf dem Wohnsitz dieses Bobs sei. Aber das war Yuri mittlerweile auch schon egal. Er versuchte durch Übungen den Pudding aus seinen Beinen zu vertreiben um in der Lage zu sein, seine Koffer reinbringen zu können. Als er diese jedoch holen wollte, waren sie schon weg. Zufolge Murata´s Erklärungen hatten Bobs Angestellte ihr Gepäck schon auf die bereitgestellten Zimmer bringen lassen. Also, ein Hotel war das nicht. Soviel war auch Yuri klar. Seine Mannschaft wurde in je Zwei-Mann-Zimmern untergebracht und Yuri teilte sich sein Zimmer mit Murata. Sogar ein großes Bad und Fernsehen gab es in den Zimmern. Yuri und die andern schliefen erst mal nach dem anstrengenden Flug zwei Stunden, um sich dann anschließend im großen Bad zu treffen. Dort tauschten sie ihre Eindrücke aus. Offenbar ging es der Mannschaft wieder gut, sie machten Späße, tauchten sich gegenseitig unter Wasser, und kamen dann überein, das sie es auch hätten schlechter treffen können. Zurück in ihrem Zimmer fühlte Yuri sich richtig gut gelaunt, die andere Mannschaft sollte nur kommen. Entgegen Murata´s Ratschlag sich besser anzuziehen, da sie ihr essen gemeinsam mit Bob einnehmen wollten, zog Yuri seinen bequemen Jogginganzug vor. Schließlich wollte er nur etwas essen, und nicht etwa Eindruck schinden bei irgendwelchen Prinzen oder dergleichen. Bei dem Gedanken musste Yuri leise kichern. Murata kam zu ihm und zu Yuri´s Verwunderung trug dieser einen Anzug. „Übertreibst du nicht?“, fragte Yuri verblüfft. Seit wann interessierte es Murata denn, was andere, zum Beispiel ein Bob, von ihm dachten, der war ja schließlich kein König, ein reicher Schnösel vielleicht, aber … Murata blinzelte ihn an durch seine Brillengläser. „ich übertreibe nie“, meinte er mit der Hand diese offensichtlich absurde Idee weg wedelnd. Nicht jeder kann eine Sonne sein, dachte er. „Dein Outfit ist okay, Shibuya“, fügte er noch hinzu. Sollte er das als Ironie verstehn, Yuri war sich nicht sicher. Er ging nochmal zurück zum Spiegel. Nein, es sollte okay sein. Seinen Jogginganzug hatte er sich auf Murata´s drängen gekauft bei einem der vielen Zwischenlandungen, es war ein Markenanzug, den er sonst nie kaufen würde, aber er musste zugeben, der schwarze Anzug hatte was, er sah gut aus und war bequem. Yuri griff nochmal nach der Bürste und kämmte sich durch die Haare. Sie gingen ihm jetzt knapp über die Schulter. Können Haare innerhalb von 16 stunden 16 cm wachsen ging es ihm durch den Kopf. Wohl kaum. Wachsen sie in Europa schneller..nein das konnte auch nicht sein....irgendetwas stimmte hier nicht, Murata´s Haare sind doch auch nicht gewachsen...Yuri entschied zum wohle seiner geistigen Gesundheit diese Sache zu ignorieren und folgte Murata der gewartet hatte, und sich offenbar hier auskannte. Murata kannte sich aus in diesem Irrgarten? Ging es Yuri durch den Kopf. „Ein Glück, das es hier lauter Schilder gibt, sonst würde man sich glatt verlaufen in dem Irrgarten, hab ich recht Shibuya?“, sagte er und deutete auf ein Schild auf dem Besteck und ein richtungsweisender Pfeil zu sehen war. Yuri sagte nichts. Er hatte die Schilder nicht gesehen lagen sie doch irgendwie versteckt, Murata hatte für solche Details wirklich ein gutes Auge. Die andern Spieler hatten sicher auch keinen Anzug dabei, vermutlich kamen sie in Shirt und Jeans. Also kein Grund zur sorge. Reise zurück ------------ Eine irrwitzig große Tür führte in den Speisesaal. Zu Yuris Überraschung saßen dort aber nicht seine Leute, sondern irgendwelche Ausländer und starrten ihn an. „Die andern essen im Zimmer“, erklärte Murata. WIE? wäre es Yuri beinahe herausgerutscht, aber er konnte sich eben noch beherrschen. Schließlich war er der Spielführer. Die vier andern Anwesenden waren wohl für das andere Team zuständig, denn ein blonder, extrem gutaussehender Junge, der etwa in Yuris Alter sein musste, vielleicht sogar etwas jünger, fragte, „Ist sie das?“ „Jawohl“, ertönte der Bass des älteren Mannes. Das musste dieser Bonzen Bob sein. Allerdings lag hier offenbar ein Missverständnis vor, und Yuri wurde wieder an seine langen Haare erinnert. Die grünen Augen des blonden Jungen fingen sogar schon an zu glänzen, und ließen ihn nicht los. Höchste Zeit klarzustellen, das er keine sie war. „Hi, ich bin Yuri Shibuya, DER Teamleiter von “ Zufrieden, das er das Missverständnis so schnell und ohne Peinlichkeiten aus dem Weg räumen konnte, setzte sich Yuri an den Tisch. Murata hielt es anscheinend nicht für nötig sich vorzustellen, er nickte den Anwesenden nur zu und setzte sich dann auch. Außer dem Schönling und Bob saßen noch drei weitere Personen am Tisch. Ein Mädchen mit lila Haaren, also gefärbt, die einen sehr netten Eindruck machte, ein junger Mann mit braunem Haar der ihm seltsam vertraut vorkam. Yuri sah ihn genauer an. Seine Augen waren vom gleichen Braun wie die Haare und von silbernen Sprengeln durchzogen, und auch er sah Yuri irgendwie überrascht an, fast als ginge es ihm wie Yuri, als habe man jemanden lange nicht gesehen und plötzlich wiedergefunden. Warum nicht getroffen, dachte Yuri, nein gefunden war das passende Wort. Ein leises Grollen kam vom Platz wo der Blondschopf saß. Yuri sah zu ihm, aus irgendeinem Grund schaute dieser ihn wütend an. Ein entzückter Seufzer lenkte Yuris Aufmerksamkeit aber auf den letzten im Bunde. Noch so ein Schönling, allerdings um die 30, auf dessen blasse Haut sich ein zartes Rosa gelegt hatte, während er Yuri anschmachtete. Hatte er das Missverständnis nicht bereits aufgeklärt? Und überhaupt, er hatte doch keine Mädchenfigur, gewiss bei dem Anzug mag man nicht alles deutlich erkennen - aber trotzdem. Nun faltete der Mann gar andächtig die Hände. Irgendwas stimmt hier nicht, hau ab, warnte ihn eine Stimme in seinem Kopf. Oja, dieser Stimme hätte er nur allzu gerne Folge geleistet. Aber wie hätte das ausgesehen, er war doch kein kleines Kind mehr. Wollten sie ihn irritieren um das Spiel leichter gewinnen zu können? „Shibuya“, ergriff jetzt Murata das Wort. Irgendwie klang seine Stimme heiser und bitter. „Das ist Wolfram von Bielefeld, neben ihm sitzt sein Bruder Lord Weller, das hier ist Gisela von Kleist und ihr Vater Lord Gunther von Kleist“. Oha, lauter Adlige. Aus welchem Grund auch immer tönte der mit Lord Gunther von Kleist vorgestellte plötzlich, Gisela ist meine Adoptivtochter, ich bin nicht verheiratet.“ Was sollte das denn jetzt? Wollte er wissen, ob Yuri noch ledig war? Konnte man sich das nicht denken? „Und das“, Murata ignorierte Gunther von Kleist, „ist Bob“. Ich sah zu Bob, um mich nochmal vorzustellen und um mich für die Einladung zu bedanken, aber als ich ihm in die Augen sah, brachte ich kein Wort mehr heraus. Die eben noch dunklen Augen waren plötzlich golden schimmernd, und dem nicht genug, seine Pupillen zogen sich zusammen wie bei einer Katze, die ins Licht sah. Nicht nur das ich nichts mehr sagen konnte, ich konnte auch meinen Blick nicht von seinen Augen abwenden. Kontaktlinsen? Schoss es mir durch den Kopf, wie aus weiter ferne, zu spät zum weglaufen, ein anderes Gedankenfragment erreichte mich, und ein weiteres, irgendwo in weiter Ferne. schau weg, ich kann nicht. Dann wurde alles schwarz um mich herum. Ich lag im Bett als ich zu mir kam. Gisela von Kleist hielt meine Hand um den Puls zu fühlen. Wie peinlich. Einfach umzukippen. Vermutlich der Zeitunterschied. Außerdem hatte man mich in ein anderes zimmer gebracht. Auch gut, so würde ich wenigstens Murata nicht stören. „mir geht’s gut“, sagte ich zu dem Mädchen. „Ja, zum Glück habt ihr die Reise gut überstanden“. Gut überstanden dachte ich, das war wohl leicht übertrieben, ich war sicher der einzige der in Ohnmacht gefallen war. „Ich bin Militärärztin, keine sorge“, fuhr sie fort. Irgendwie bereitete mir eben das Sorge. Dieses junge Mädchen behauptete Militärärztin zu sein? „Du hast dich verhört,“ schalt ich mich selbst. Trotzdem wollte ich mich vergewissern. „Sie kümmern sich also um das Team?“ Zuerst sah sie mich etwas überrascht an, dann lächelte sie jedoch und sagte, „so kann man es ausdrücken, ja“. „Wie geht es ihm?“, fragte eine Stimme die ich dem Blonden zuordnete, Wolfram. Gisela lies mein Handgelenk los und erhob sich. „Er ist bei Bewusstsein und hat auch die Reise gut überstanden. Alles in Ordnung“. Schon wieder die Reise. Nein, hier war gar nichts in Ordnung, irgendetwas um mich herum ging nicht mit rechten Dingen zu. Wolfram erschien in der Tür, betrat aber nicht den Raum. Immer mehr Köpfe erschienen, und blieben wo sie waren. Drei davon waren mir bekannt, die andern sahen mich an und tuschelten. Ich verstand nur Bruchstücke „wunderschön...schwarz...sonne....“unterbrochen von begeisterten rufen. Wunderschöne schwarze Sonne. Das ergab keinen Sinn, und warum sahen sie mich dabei an. Und wo war Murata? Licht und Dunkelheit -------------------- Murata lag auf seinem Bett und war mehr als nur besorgt. Mein Gott, was hatte sich Shinou nur dabei gedacht. Sein Blick fiel auf das leere Bett von Shibuya. Das konnte unmöglich gut gehen. Damals vor langer Zeit hatte Shinou die Quelle des Ganzen gefunden, den allerersten Maou, und seine Seele verwahrt. Aus ihm war das Universum geboren worden, die Dunkelheit, sogar die Planeten. Und sein Gegenpart, das Licht, hatte das Leben erschaffen, in seinen verschiedensten Formen. Es herrschte das Gleichgewicht wie es sein sollte. Dunkelheit und Licht wechselten sich ab. Die Sonne wurde geboren. Schon vor 4000 Jahren, als Shinou diesen geheimnisvollen Tempel entdeckt und dort die Quelle der Dunkelheit gefunden hatte, schon seit dieser Zeit hatte Murata nur noch Angst. Er hatte so eine Ahnung, was Shinou erreichen wollte. Warum sonst auch kämpfte er sich bis zu dieser Seele durch unter Lebensgefahr, um sie mitzunehmen. Das was Murata befürchtet hatte und wofür er in jedem seiner Leben gebetet hatte, es würde niemals passieren war eingetroffen. Shinou hatte auch die Quelle des Lichts gefunden. Viertausend Jahre hatte Shinou mit Seelen experimentiert, nur für diesen Tag. Er vereinte Licht und Dunkelheit in einer einzigen Seele. Und setzte zur Sicherheit ein Siegel ein, das die beiden trennte. Aber dieses Siegel sollte nun gelöst werden. Was dachte sich Shinou nur dabei? Man durfte Licht und Dunkelheit nicht vereinen. Murata hatte große Angst um Yuri. Der Junge war ihm sehr ans Herz gewachsen. Als er hörte, was passiert war, nahm er sich sogar das Leben, sein vergangenes Leben, als sein Name noch Christine war, um mit der Seele des andern zu reisen, ihn zu beobachten, auf ihn aufzupassen, und während dieser Zeit mochte er Yuri mehr und mehr. Hätte er nicht damals ein Versprechen gegeben, hätte er alles nur erdenkliche daran gesetzt, Yuri zu beschützen. Aber so waren ihm die Hände gebunden. Was würde nun mit Yuri passieren? Was wenn das Siegel gelöst wurde? Was wenn Dunkelheit und Licht vereint wurden? Murata wälzte sich auf die andere Seite. Das durfte einfach nicht geschehen, es war ein elementares Naturgesetz. Man konnte auch nicht Leben und Tod sein, zur gleichen Zeit. Im besten Fall würden sie sich gegenseitig zerstören, sobald sie aufeinandertrafen. Und damit alles was jemals existiert hatte. Und das war eben der beste Fall, der passieren konnte. Yuris Sicht Dann hörte ich „... Dämonenkönig...“ das ergab überhaupt keinen Sinn mehr. „Wo bin ich, wo ist Murata, wo ist Bob, wer seid ihr alle?“ in meiner Panik dachte ich, meine Stimme würde schrill klingen, so wie sonst auch wenn ich mich aufregte, stattdessen klang sie dunkel und bestimmend. Keine Wiederworte duldend. Okay, das war zu viel. Ich sprang aus dem Bett und lief auf die Tür zu. Irgendwie wusste ich, das alle zurückweichen würden. Ich schlug die Tür zu, verkroch mich in mein Bett, oder das Bett, um zu schlafen. Wenn ich wieder aufwache , wird dieser komische Traum vorbei sein, dachte ich. Und nicht nur der komische Traum. Ich fühlte mich auch komisch. Irgendwie zerrissen. Als ich wieder aufwachte, ging es mir tatsächlich wesentlich besser. Ich hatte wieder einen klaren Kopf und daher auch meine Panik unter Kontrolle. Durch außerordentlich scharfes Nachdenken begriff ich, das das vorher nur dieses sogenannte falsche Aufwachen war. Ein Traum im Traum sozusagen. Mir war jetzt klar, dass es sich nur um eine Entführung handeln konnte. Und ebenso scharfsinnig schloss ich aus dieser Entführung, tja Murata, nicht nur du bist ein schlauer Kerl, das es nicht um Geld ging. Auch wenn mein Vater Banker war, wir waren nicht sooo reich, und sowohl Bob als auch die andern sahen nicht so aus, als ob sie´s nötig hätten, jemanden zu entführen um an Geld heranzukommen. Kurz, die Sache war ganz einfach. Ich war vom früheren Bank-wärmer zu einem derart guten Spieler mutiert, das die Konkurrenz vor Angst zitterte und sich nicht anders zu helfen wusste, als mich, den Kapitän zu entführen, in der Hoffnung, mein Team würde dann nicht spielen. Das Zimmer war riesig, genau wie in einem der Schlösser in die ich bei den Schulausflügen geschleppt worden war. Also würde man mich gut behandeln. Diesen Leuten ging es nur darum, mich bis nach der Baseballsaison aus dem Verkehr zu ziehen. Okay, das war ärgerlich, aber mir würde nichts passieren. Ich beschloss mich umzusehen, und Ausschau nach einer Fluchtmöglichkeit zu halten. Nicht auszudenken, was meine Mutter von mir halten würde, wenn ich mich hier einfach gefangen halten ließ. Die Möbel waren rustikal, und leider nicht vom Fleck zu bewegen, so das es mir unmöglich war, nach einem Geheimgang dahinter zu suchen. Alte Schlösser hatten so was sicher. Allerdings gabs in Schlössern auch Gespenster und...ich entschied mich diesen Gedanken nicht zu ende zu denken und suchte stattdessen unter dem dicken schweren Teppich nach einer Falltür oder ähnliches. Ahnungslos ---------- Yuris Sicht Nach etwa einer Stunde dämmerte es mir, dass ich so einfach doch nicht verschwinden konnte. Außerdem war mir noch aufgefallen, dass es hier kein Telefon gab, natürlich nicht, aber auch sonst keine lebensnotwendigen Geräte wie etwa Fernsehen. Vermutlich wollten sie nicht, dass ich in den Nachrichten sehe, wie ich von der Polizei fieberhaft gesucht wurde. Vielleicht bietet diese dicke Eichentür doch eine Möglichkeit und das Schloss war zu knacken, dachte ich ohne große Hoffnung und ging hin. Ich drückte die Klinke runter und …. die Tür war offen. Wie von der Tarantel gestochen schloss ich sie wieder rannte zum Bett, um so zu tun, als würde ich noch schlafen, falls einer der Ganoven der Wache hielt, was bemerkt hatte und reinkam, würde er glauben sich getäuscht zu haben. Außerdem, das war ein echter Schrecken, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Wieso ließen sie die Tür offen? Aus Versehen? Nein, sicher nicht. Schlagzeilen wie Erschossen auf der Flucht schossen mir durch den Kopf. Das kannte ich aus irgendwelchen uralten Fernsehfilmen. „Darf ich eintreten, Majestät“, riss mich die seltsam helle Stimme von diesem Wolfram von Bielefeld aus den Gedanken. Komplett meinen Plan vergessend, den ahnungslosen Schlafenden zu spielen, schreckte ich hoch. Das sich dieses reiche Bürschen wer weiß was auf sich selber einbildete, war mir schon vorher klar. Jetzt meinte er anscheinend auch noch, sich lustig machen zu müssen, und bestätigte diesen Gedanken als er ohne auf meine Antwort zu warten einfach herein stolzierte. Nur nicht einschüchtern lassen, erst recht nicht von dem da, ich bemühte mich um eine gefasste Haltung und einen ruhigen Ton als ich sagte, „Damit kommt ihr nicht durch, ihr Verbrecher“. Der Schönling zog die Augenbrauen zusammen. „Verbrecher?“ echote er. „Entführungen sind strafbar“, klärte ich den Snob auf. Meine Güte, wie viele Schönheitsoperationen hatte er wohl hinter sich, um so auszusehen, konnte ich mir nicht verkneifen zu denken. Offenbar glaubte er, wegen seines Geldes ungeschoren davonzukommen, oder Moment mal, hatten sie vor mich zu bestechen. Nicht mit mir Freunde, warte, ich könnte einfach zum Schein drauf eingehen. Genau Shibuya, das ist genial, spiel einfach mit, und hau bei der nächsten Gelegenheit ab. Ich lachte „nur ein Scherz“. „Ach so, du hast einen seltsamen Humor.“ Prima, er ist reingefallen. Ich kratzte verlegen meinen Hinterkopf und sagte, „och das hör ich öfters. „ Eine unangenehme Pause entstand, irgendwie hatte er einen seltsamen Ausdruck in den Augen, a ja, der gleiche wie am Esstisch, als er noch glaubte, ich sei ein Mädchen. Ich bekam den unwiderstehlichen Drang mich nochmal als Junge zu beweisen, stützte mich mit den Händen auf dem Bett ab, um meine Brust zu strecken, allerdings war das Bett zu weich und machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ich sank bis zu den Ellbogen in der Matratze ein. Soviel dazu. Aber dem nicht genug, sagte er auch noch allem Übel zum trotz und mit rotem Gesicht, „du hast ja vorher schon gut ausgesehen, aber nach deiner Verwandlung ….“ er stockte und sah angestrengt auf irgendeinen Punkt an der Decke. Anstatt zu fragen, was er mit Verwandlung meinte, schlug mein Herz schneller und ich spürte, wie mein Gesicht und vor allem meine Ohren heiß wurden. Ich musste knallrot sein. Extrem peinlich, ich hatte daher keine Lust ihn anzusprechen. Aber während ich noch dabei war mit mir selber zu schimpfen, wegen meiner idiotischen, körperlichen Reaktion, komm wieder runter, man hört eben nicht jeden Tag so ein Kompliment, schon gar nicht von einem, der selber jeden Schönheitswettbewerb locker gewinnen würde, nur deshalb … fuhr er fort, „du wirst dich schnell an das Großreich der Dämonen und diese Welt gewöhnt haben, nur keine Sorge.“ Keine Sorge? Dann zögernd, „wenn du willst, zeige ich dir alles.“ Ich bekam plötzlich Kopfschmerzen. Denk an deinen plan, geh drauf ein. Also ignorierte ich das nicht so ganz verstehende und jubelte stattdessen enthusiastisch, „aber gern, ich kann’s kaum erwarten.“ Erfreut sah er mich jetzt wieder an. „Wirklich? Dann hol ich dich in einer Stunde zum Essen ab“. Ich bemühte mich möglichst normal zu wirken und nickte. Das Blondchen machte auf dem Absatz kehrt und eilte zufrieden wies schien zur Tür. Dort drehte er sich nochmal kurz um, und schenkte mir eine Art Wimpernaufschlagblick, bevor er endlich ging. Vielleicht war das ja seine Art bis dann zu sagen, schließlich konnte er nichts dafür, dass er längere Wimpern hatte, als jedes Mädchen, das ich kannte. Im Grunde war er wirklich nicht zu beneiden, aber ich hatte keine Zeit mich länger damit auseinanderzusetzen, ich musste mir meine nächsten Schritte überlegen. Im Bad ------ Ich hatte vorher schon das Wort Dämonenkönig gehört und jetzt gleich ein Reich voller Dämonenkönige? Es gab Sekten, die Vampire verehrten, sich sogar falsche Zähne einsetzen und – ja auch Blut tranken diese Leute. Jedem das seine, meine Eltern haben mich tolerant erzogen, hier schien es sich also um eine Sekte von Dämonen Königen zu handeln. Oder hieß ihr Baseball Team so? Reich der Dämonen oder so und ich sollte nicht nur bestochen werden, sondern sogar der neue Spielleiter, also quasi der Dämonen König werden. Ja, das war’s, endlich machte die Sache mal wieder Sinn. Alles kein Problem, wenn er mir nach dem Essen das Team vorstellen würde, würde ich mich als neuer Dämonen König vorstellen und die Mannschaft trainieren, zum Schein, bis sich eine Gelegenheit zur Flucht ergab. Mein Magen fing plötzlich an zu knurren und ich fragte mich, was mir diese Leute wohl als Mahlzeit anbieten würden. Blut eher nicht, was essen Dämonen? Kurz spielte ich mit dem Gedanken die Beine in die Hand zu nehmen und einfach abzuhauen, aber verwarf ihn gleich wieder. Hier kannte ich mich nicht aus, die hätten mich schnell geschnappt. Blieb nach wie vor nur einfach mitspielen. Ohne es wirklich zu realisieren fing ich an, vor mich hinzudösen und sah vor meinem inneren Auge lauter kleine Teufel, die ihren Schwanz als Schläger benutzten und ihre Hörner, um den Ball zu fangen, oder besser gesagt, um ihn aufzuspießen. So wusste ich nicht wirklich wie viel Zeit vergangen war, als Wolfram zur Tür reinkam, um mich zum Speisesaal zu geleiten, wie er sagte. Da ich weiß, was sich gehört, ließ ich mir das Badezimmer zeigen, das sehr raffiniert im gleichen Raum versteckt lag, ich hatte die Tür auf meiner Erkundungstour zuvor nicht bemerkt, um mich vor dem essen noch ein wenig frisch zu machen. Gerade als ich das Wasser andrehen wollte, fiel mein Blick in den Spiegel der über dem Waschbecken hing. Wolfram von Bielefeld eilte zur Tür und rief nach einer ganzen Armee von Soldaten, die zu Hilfe kommen sollten, um den durchgedrehten Dämonenkönig festzuhalten. Dieser zerlegte nämlich gerade das Bad in seine Bestandteile. Auf dem Gang hörte er die Schritte der Soldaten die herbeigerannt kamen, während er zum Bad schaute, zu sehen war nur eine Staubwolke, zu hören dafür dunkle Schreie, die er nicht einzuschätzen wusste. Wut, oder was war das. Er hatte Yuri auf dessen Bitte hin das Bad gezeigt, als dieser plötzlich anfing loszubrüllen. Allein dadurch zersprang der Spiegel schon in seine Einzelteile, aber Wolfram wartete nicht solange, er handelte sofort. Die Soldaten waren endlich da, Wolfram zeigte zum Bad und befahl ihnen, „haltet ihn fest, damit er sich nicht selbst verletzt“. Anstatt wie sonst seinen Befehl sofort auszuführen, zögerten die Soldaten, einer räusperte sich und sagte, „Lord von Bielefeld, sagten sie, er würde sich verletzen? Wäre es nicht eher umgekehrt wenn wir...“ „LOS“, brüllte Wolfram von Bielefeld jetzt wütend. War das zu fassen? „SEID IHR AUSGEBILDETE SOLDATEN ODER NICHT?“ Daraufhin stürmten die Soldaten zum Bad. Von Bielefeld verschränkte verärgert die Arme vor der Brust, während er zusah, wie die Soldaten immer wieder durch Yuris Magie aus dem Bad durch die Luft flogen und irgendwo verstreut im Zimmer lagen, sich wieder aufrappelten, zum Bad rannten, um gleich danach wieder durch die Luft zu fliegen. Das ganze hatte etwas Irrationales. Ähnlich einem immer wiederkehrendem Déjà-vu in dem man gefangen saß. Es hatte keinen Sinn hier herum zu stehen, also beschloss er, Yuri seiner Leibgarde, zu der er vollstes Vertrauen hatte, zu überlassen und machte sich auf den Weg zum Schulmeister. Irgendwie erinnerte ihn Yuri plötzlich an die verrückte Anissina und er bekam einen Klos im Hals. In der Bibliothek, in der sich der Schulmeister sehr oft aufhielt fand er diesen nicht wie sonst über einem Buch sitzen, sondern er sah mit entrücktem Gesichtsausdruck aus dem Fenster. Seine Hände hatte er wie zum Gebet gefaltet und hielt sie gegen seine Brust gedrückt. Auf dem Schreibtisch, dem er den Rücken zugewandt hatte, lag ein dickes Buch mit Zeichnungen und Skizzen. Eher an dem langen schwarzen Haar, der auf dem Papier dahingekritzelten Figur konnte man den König erkennen, als an Gunters Malkünsten. Verächtlich schnaubte Wolfram von Bielefeld. Aber für Kritik war jetzt keine Zeit. Er musste Gunter fünfmal anrufen, bis dieser aus welchem Traum auch immer erwachte und ihn bemerkte. Als sich Wolfram schließlich doch noch Gunters Aufmerksamkeit gewiss war, äußerte er seine Bedenken und wie man wohl am besten mit dem launenhaften und unberechenbaren neuen König umgehen sollte. Zuerst hatte er verständnislos und verängstigt ausgesehen, dann wieder konnte er es kaum erwarten seinem Volk vorgestellt zu werden, und nun wiederum bekam er einen Anfall nur weil das Wasser kalt war? Das neue Gesicht ---------------- Ich saß erschöpft auf dem Boden, und wurde überall von zitterten Händen festgehalten. Gerne hätte ich sie abgeschüttelt, aber ich war einfach viel zu kaputt und hatte zudem fürchterliche Angst, den Verstand verloren zu haben. Das Ding da im Spiegel war nicht ich gewesen. Dieses Gesicht, das mir entgegensah, hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen und es hatte mich vollkommen aus dem Konzept gebracht. Das konnte eigentlich nicht sein. Ich wollte mich noch mal vergewissern und griff nach einer Scherbe, die neben mir lag, aber sofort wurde sie mir aus der Hand geschlagen. „Majestät, Selbstmord ist doch keine Lösung“, kreischte mir die schrille Stimme eines Uniformierten ins Ohr. Wieso Selbstmord, dachte ich. Ich stand auf, und die Leute, die um mich herumstanden und irgendwie alle gleich aussahen wichen entsetzt zurück. Ja, das konnte ich gut verstehen. Bei dem Aussehen. Ich wunderte mich über mich selber, als ich ganz ruhig und königlike sagte, „ich wünsche im Zimmer zu speisen“. Die Uniformen wunderten sich auch, fingen sich aber schnell wieder und beeilten sich meinem Wunsch nachzukommen. Noch mehr beeilten sie sich aus dem Zimmer zu kommen. Einer wurde zur Beobachtung abgestellt. Obwohl ich eigentlich mehr mit mir selbst zu tun hatte, konnte ich nicht anders, ich hatte Mitleid mit dem zitternden Häufchen Elend. „Wie heißt du?“, fragte ich ihn. Er nahm eine stramme Haltung an und brüllte laut „Darcascos, Sir“. Mein Schädel brummte noch mehr, und ich bereute sogleich wieder, überhaupt gefragt zu haben. Das Gesicht im Spiegel mochte einem Jungen meines Alters gehören, der aus einem Fantasymanga heraus gesprungen war. Sein Gesicht war länglicher als mein eigenes, die Position der Augenbrauen waren weiter unten. Seine Augen waren wie die einer Katze. Nicht nur von der Form her, auch die Pupillen waren die Gleichen. Senkrechte Schlitze. Seine Augenfarbe war Schwarz, und er hatte auch langes, schwarzes Haare locker über den Schultern hängen. Sein Anzug dagegen war der Gleiche, den auch ich trug. Ob das ein Zauberspiegel war? Oder war ich das wirklich? War nicht die Rede von einer Veränderung oder Verwandlung gewesen? Ich konnte nicht genau sagen warum, denn man konnte diesem Gesicht eine gewisse Schönheit und Attraktivität nicht abstreiten, aber es machte auch Angst. Ich sah zu meiner Schulter, ja, so hatten sie ausgesehen. Die Haare. Das erinnerte mich wieder daran, dass sie so unnatürlich schnell gewachsen waren, auf dem Flug nach Deutschland. Gunter und Wolfram stritten gerade heftig miteinander, als die Tür zur Bibliothek aufging. Gunter wollte ihn einfach nicht verstehen, den Ernst der Lage nicht einsehen. Dazu hatte er sogar noch die Frechheit besessen, zu behaupten, er Wolfram, sei doch unübertroffen, wenn es um Launen und Wutanfälle ging. Den Kopf herein streckte Konrad. Er hatte noch mitbekommen, um was es bei dem Streit ging und musste schief lächeln. Aber da er Wolfram kannte, hatte er längst bemerkt, wie es um dessen Gefühle stand, er wusste wie er ihn zu nehmen hatte, und sagte, „Gunter hat nicht ganz unrecht“, und fügte während Wolfram mit rotem Kopf scharf die Luft einsog, um seinem älteren Bruder wie ein Maschinengewehr die Meinung sagen zu können, hinzu, „ich finde der König und du, ihr beide passt wirklich ausgezeichnet zusammen“. Die Luft entwich wieder hörbar, seine Wangen färbten sich zartrosa, als er hoffnungsvoll fragte, „findest du?“ Conrad nickte. „W..W..wie?“ japste Gunter, aber Conrad ignorierte ihn und erklärte, „der König braucht noch ein wenig Zeit um sich an alles hier zu gewöhnen. Schließlich ist das alles vollkommen neu für ihn“. Wolfram nickte, nicht völlig überzeugt. „Oh, bevor ich es vergesse, der König wünscht in seinem Zimmer zu speisen, außerdem lässt er fragen, ob du ihm dabei nicht Gesellschaft leisten möchtest“. Das letzte war zwar gelogen, verfehlte aber seine Wirkung nicht. „Nun ja, das ist verständlich, und eigentlich habe ich gar keine Zeit, aber ich möchte dem König seine Bitte nicht abschlagen“, antwortete Wolfram selbstbewusst und machte sich zufrieden auf den Weg zu Yuris Gemach. Während Gunter in Ohnmacht fiel, ordnete Conrad an, das Abendessen für zwei Personen in das Schlafzimmer Yuris zu bringen. Es konnte dem Jungen nicht schaden, Gesellschaft zu haben, selbst wenn diese Gesellschaft Wolfram hieß. Das Licht in Gefahr ------------------- Muratas Sicht Murata hatte den anderen Spielern vom Team erzählt, dass Shibuya keine gefährliche aber sehr ansteckende Krankheit hätte, und das Spiel daher ausfallen würde. Sie würden noch eine Woche bezahlten Urlaub machen, und sobald es Shibuya besser ging, nach Hause fliegen. Die anderen hatten sich damit zufrieden gegeben. Zwar bedauerten sie, dass ihr Teamführer krank war, und sie ihr Talent nicht unter Beweis stellen konnten, aber ein Ausflug nach Deutschland, dazu noch völlig umsonst, bekam man auch nicht alle Tage. Murata sah wieder zu Yuris leerem Bett, man konnte noch den Abdruck sehen, wo er gelegen hatte. Er stand auf und legte sich in Yuris Bett. Als ob ich ihm dadurch näher wäre, dachte er sarkastisch. Nie hätte er gedacht, das Yuri schon beim ersten Augenkontakt davon driftete. Geht es dir gut, Yuri? Verdammt. Murata setzte sich auf. Er konnte hier nicht herum sitzen, seine Freunde anlügen, und seinen besten Freund alleine lassen. „Ich muss zu ihm, und wenn mir Shinou nicht hilft, dann muss mir Bob helfen“, dachte er. Entschlossen stand er auf, und machte sich auf den Weg zu Bob. Der war überhaupt nicht überrascht, als er Murata sah. Im Gegenteil, noch bevor Murata etwas sagen konnte, sagte er mit seiner tiefen Stimme, „Du willst ins Großreich, nicht wahr, Daikenja?“ „So ist es." „Hm, aber das ist nicht so einfach." „Das interessiert mich nicht länger. Ich habe lange genug gemacht, was andere wollten, Shibuya bedeutet mir etwas, er ist mir nicht egal, ich will an seiner Seite sein, komme was da wolle." „Komme, was da wolle“, sagst du. „Wenn das so ist, dann werde ich dich nicht aufhalten." „Nicht aufhalten“, rief Murata erregt, „sie wissen genau, dass ich ihre Hilfe brauche." „Hm, und du wirst sie bekommen." „Wirklich?“ Bob nickte. „Willst du sofort aufbrechen? Dann komm mit." Er führte Murata auf das Dach zu einem kleineren Swimmingpool. Ein paar andere Dämonen standen dort, verbeugten sich vor Murata und Bob, als hätten sie sie bereits erwartet. „Ich habe die Vorbereitungen schon getroffen." Murata war nur kurz überrascht und ließ es sich kaum anmerken. Schließlich kannte er Bob schon aus einigen seiner früheren Leben. Er war nicht umsonst der Erbe derer von Wincott und der Maoh der Erde. Bob nahm seine Brille ab, seine Augen strahlten golden als er seine Magie freisetzte und den Zugang der ins Dämonenreich führte öffnete. Murata wartete nicht lange, als das Wasser schimmernde, sprang er mit einem Satz hinein, und war verschwunden. Prustend tauchte er auf. Er sah sich kurz um, ja wie erwartet, er war im Brunnen im Shinoutempel, und dieser stand mit verschränkten Armen vor Murata. „Ich freue mich sehr dich nach so langer Zeit wieder zu sehen, mein Stratege." „Shinou, was genau hast du vor?“ „Oh, keine Begrüßung, keine Wiedersehensfreude, gar nichts, nach all der Zeit?“ „Ich bin nicht zum Tee trinken gekommen, Shinou." Dieser war nun verärgert. „Was hast du mit Yuri gemacht? Hast du das Siegel gelöst?“ „Nein, ich habe gar nichts mit ihm getan." „Aber du hast es vor, oder?“ Shinou wandte sich ab. „Du weißt doch, warum, Daikenja." Ja, Murata wusste warum. Das Universum stand kurz vorm Untergang. Die Antimaterie in der Milchstraße, das schwarze Loch dort, breitete sich immer weiter aus, drohte alles zu verschlingen, weil die Menschen der Erde, ständig sinnlose und kostspielige Raketen ins Weltall schossen. Zwar nicht mit Absicht, aber dadurch hatten sich alle Planeten in den verschiedenen Universen in einer Kettenreaktion in ihren Umlaufbahnen verschoben. Das Licht erreichte sie nicht mehr, und sie waren dabei zu erlöschen. Einer nach dem anderen. Nur die geballte Macht des wahren Urkönigs konnte das verhindern. Aber das bedeutete auch...“Ich will trotzdem hier sein, wenn es passiert." Shinou, der ihm immer noch den Rücken zu wandte, nickte nur und ging zurück in seinen Tempel. Er wusste, egal wie viel seinem Strategen dieser Junge auch bedeuten mochte, am Ende würde er nach dem Verstand handeln. Yuris Sicht Es blieb mir keine andere Wahl, als die Realität zu akzeptieren. Ich war immer noch ich, aber auch wieder nicht. Und ich war in einem fremden Land. Langsam aß ich, es schmeckte überraschend gut. „Prince Charming“, wie ich ihn heimlich nannte, leistete mir Gesellschaft. Es kam mir seltsam normal und vertraut vor. Und wer hätte mir besser meine Fragen beantworten können, als dieser Möchte gern prinz? „Ich bin hier also im Reich der Dämonen, nicht wahr?“ „Ja, das hier ist nicht die Erde, es ist eine andere Welt." „Hm, eine andere Welt also, und warum bin ich hier?“ „Auf Shinous Befehl hin, du bist die Sonne dieses Reiches, die schwarze Sonne." „Ja, das habe ich schon gehört, aber was genau bedeutet das?“ „Genau weiß ich es nicht, ich weiß nur, das alle Kraft in dir ist." „Was meinst du damit?“ „Die Kraft die alles geschaffen hat, sie ruht in dir." Und nach einem Zögern fragte er mich „ Wie fühlst du dich?“ „Schwer zu beschreiben, ich fühle einen seltsamen Drang in mir, den ich nicht beschreiben kann." „Einen Drang?“ Ich sah durch das Fenster in die Dunkelheit. „Es ist vielleicht wie ein Drang nach Freiheit, ich weiß nicht, wie ich dir das beschreiben soll." Wolfram nickte und kaute langsamer. Das Licht war beschädigt. Also wollte die Dunkelheit es zerstören, aber was bedeutete das genau für sie und für ihr Reich, für ihre Welt und auch für die anderen Welten. Der Spiegel ----------- Shinou und Murata standen im Tempel. Außer der ehrwürdigen Ulrike, die höchste Tempelpriesterin war keiner im Raum. Ulrike zitterte am ganzen Körper. Mit ihrer Magie hatte sie einen Spiegel aktiviert, der zuvor durch einen Vorhang verdeckt worden war. In diesem Spiegel sah man die Schwärze des Universums. Auch die Sterne waren zu sehen, es war wie ein Feuerwerk, ein Stern nach dem andern explodierte und sauste davon bis er vollständig verglüht war. Nach einer ganzen Weile waren sämtliche Sterne erloschen. Zurück blieb die Schwärze. Murata sah Shinou an. „Das es so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht“, aber Shinou antwortete nicht, er sah immer noch auf den Spiegel und deutete Murata mit einem Kopfnicken an, auch hinzusehen. Murata hatte das ungute Gefühl, das er es lieber nicht sehen wollte, aber man durfte die Augen nicht vor der Realität verschließen, was blieb einem auch schon anderes übrig. Er wandte sich wieder dem Spiegel zu, diese Schwärze war unglaublich, aber sie schien sich zu verändern. Murata rückte seine Brille zurecht und kniff die Augen zusammen. Es schien so, als würde diese Schwärze anfangen sich wie eine Spirale zu drehen, in eine Art Mittelpunkt, oder in sich selbst hineinzudrehen, sie fing an immer schneller zu rotieren, immer dichter in einem einzigen winzigen Punkt zu werden, dann hörte Murata ein Geräusch, wie das Knirschen von Glas, wenn man darauf trat und die Dunkelheit war verschwunden. Übrig blieb das Nichts. Murata schwanden die Sinne. „Wenn es nichts gibt, gibt es etwas, wenn es etwas gibt, gibt es nichts, das ist das Gesetz, also gibt es etwas." „Nein, es gibt nicht mal etwas, es gibt überhaupt nichts“, hörte er Shinous Stimme. „Was?“ „Du wurdest ohnmächtig und hast geredet, als du wieder zu dir gekommen bist“, erklärte er ihm. „Es gibt überhaupt nichts“, wiederholte Murata Shinous Worte monoton. „Ich dachte, du würdest es ertragen, ohne den Verstand zu verlieren“, sagte Shinou. Murata versuchte sich zusammen zu reißen. „Also so schlimm steht es schon?“ „Ja, und es scheint immer schneller zu gehen“, antwortete Shinou. Murata stand unter Schock und er stockte kurz bevor er fragte,“ die wievielte Galaxie war das?“ Shinou seufzte.“ Ich habe keine Ahnung, ich habe irgendwann aufgehört zu zählen." „Gibt es noch Galaxien im äußeren Ring." „Nein." „Nein? Unmöglich." „Ich hoffe, du begreifst endlich, wie ernst die Lage ist." „Was ist mit Yuri?“ Shinou senkte den Kopf. „Was ist mit Yuri, wenn ich das Siegel nicht löse? Ist es romantischer, wenn wir alle zusammen sterben, und verschwinden?“ „ Aber etwas muss es geben. Es kann nicht sein, das es nur das Nichts gibt." „Vielleicht gibt es Etwas, und vielleicht wird aus dem Nichts und dem Etwas irgendwann wieder etwas entstehen. Und wie bringt uns das jetzt hier und heute weiter? Nebenbei, hälst du mich für ein Monster?“ „Wie kommst du da drauf?“ „Yuri wollte es doch so." „Ich verstehe nicht." „Der helle Yuri, das Licht Yuri wollte es so.“ „Er wollte es so? Soll das heißen, sie wusste es?“ Shinou nickte. Konrad und Julia (Vergangenheit) -------------------------------- Konrads Sicht Ich hatte mir den ganzen Tag Gedanken gemacht. Ich wusste, wie sehr meine geliebte Julia Krieg und Gewalt jeder Art hasste. Und ich verdiente unser Geld als Soldat Als Sohn der Königin war es normal, das ich genau wie meine beiden Brüder zum Soldaten ausgebildet wurde. Seit 100 Jahren hielt ich ein Schwert in der Hand um mein Land, meine Familie und in erster Linie Julia zu beschützen. Aber Julia …Ein betrunkener Soldat hatte stolz berichtet, dass er eine Menschenfamilie getötet hatte, die sich zu nah an die Grenze gewagt hatte. Vermutlich wusste sich der Mann nicht anders zu helfen, und suchte an der Grenze nach Nahrung für seine Familie. Der Soldat von uns Dämonen hatte ihn entdeckt und obgleich er unbewaffnet war, und seine Familie dabei hatte, hatte er ihm den Kopf abgeschlagen. Damit nicht genug, hatte er auch gleich noch seine Frau und seine beiden Kinder ermordet. Und davon erzählte er voller Stolz, einige schlugen ihm sogar anerkennend auf die Schulter. Noch bevor ich Julia aufhalten konnte, ging sie in die Kneipe. Natürlich verstummten alle. So wie immer, wenn sie auftauchte. Julia war blind, sie konnte kein Schwarz sehen. Trotzdem wusste sie immer, wo sie hinlief. Und diesmal lief sie auf den Betrunkenen zu, der sich voller Angst immer mehr in die Ecke quetschte. Aber nicht dieser Soldat war ihr Ziel, sondern sein Schwert. Julia kniete nieder und nahm das Schwert in die Hand. "Du armes Ding, ich spüre wie sehr du leidest." Sie streichelte es und es schien zu leuchten. Dann nahm sie es in die Arme, als wäre es ein Baby. Dabei war es doch nur ein Schwert, ein Gegenstand, ein Werkzeug. Ich beschloss einzugreifen, drückte dem Soldaten einige Münzen in die Hand und kaufte ihm das Schwert ab. Auf dem Rückweg zum Wincottanwesen hielt Julia die ganze Zeit das Schwert in den Armen, schaukelte es und summte ihm ein Lied vor. Ich hoffte, sie konnte den Schmerz des Schwertes lindern. Vielleicht hätten andere Leute die Julia nicht kannten geglaubt sie sei verrückt, aber jeder der sie kannte, wusste das sie es nicht wahr. Am Abend lag das Schwert bei uns im Bett, aber das wunderte mich nicht. „Geht es ihm besser?“ fragte ich sie, während ich mich auszog. Julia lächelte „Ja, ich habe ihm versprochen, dass es nie wieder jemanden töten oder verletzen muss." Ich musste auch lächeln und legte mich zu ihr. Sie reichte mir ihre Hand, um mir zu zeigen, dass ich sie küssen durfte. Also nahm ich ihre zarte Hand in die meine, und küsste zärtlich die Fingerspitzen, die Knöchel, die Handinnenfläche, die zarte Haut zwischen ihren Fingern. Es war ein einziger Genuss und ich war glücklich, dass sie mich zum Mann genommen hatte, denn auch wenn sie alles und jeden liebte, ihr Ja-Wort und ihre Erlaubnis sie zu küssen, waren mir Beweis genug, das ich ein klein wenig mehr von ihr geliebt wurde, als alles andere. Yuris Sicht „Das Heneko schmeckt ehrlich gut“, sagte ich. „Mh“, stimmte mir Wolfram zu, der gerade den Mund voll hatte. Ich nahm mir vor, Effie dafür später zu loben. Oder besser gleich. Gleich nach dem Essen wollte ich die Treppen zum Küchenpersonaleingang runtermarschieren und es ihr persönlich sagen. Natürlich, es war ein ganz schönes Stück zu laufen, und ich hätte sie auch rufen lassen können, aber ich wollte ihr eine Freude machen, ich wusste ja, wie sehr sie sich angestrengt hatte. Also was machten mir die paar Treppen da schon aus. Schließlich war ich durchtrainiert durch das Baseball…Moment mal. Woher wusste ich, wie man dieses Essen nannte, mehr noch, ich wusste, was darin war, ich hätte es selber machen können, und woher wusste ich, wer es gekocht hatte, und wo der Trakt war, in dem das Personal lebte? Das konnte ich doch überhaupt nicht wissen, und trotzdem…trotzdem wusste ich alles. Ich kannte jeden Winkel dieses verdammten Schlosses, ich wusste plötzlich wer Wolfram war, der jüngste Sohn der letzten Dämonenkönigin, und …und…da war doch was, er war …Wolfram war der Bruder von…Konrad. „Yuri“, hörte ich Wolfram aus der Ferne schreien. Dann hörte ich gar nichts mehr. „Und?“ fragte Murata. „Das erste Siegel ist gelöst." Ohne Hoffnung ------------- „Yuri“, brüllte Wolfram von Bielefeld los. Auch als er ihn am Kragen packte und ordentlich durchschüttelte, passierte nichts. Das war ja nicht auszuhalten mit diesem König. Ständig war etwas mit ihm. Wolfram rannte auf den Gang und sprang vor die nächstbeste Wache, der er begegnete. „Los, hol Gisela. Der König ist ohnmächtig.“ „Oh, aber ich muss im Auftrag eurer werten Frau Mutter Blumen schneiden.“ Wolfram traute seinen Ohren nicht. War es möglich, das der Mann da nicht wusste, wen er vor sich hatte? Nein, das konnte nicht sein. Es war ein Soldat, also musste er ihn auch kennen. Nicht zu vergessen, er hatte Wolframs Mutter erwähnt. Offensichtlich war es ein Verrückter oder einfach ein Lebensmüder. „DER KÖNIG IST OHNE BEWUSSTSEIN UND ICH BRAUCHE KEINEN DER ES WAGT MIR WIEDERWORTE ZU GEBEN. Hol Gisela. SOFORT.“ Der gestandene Soldat, der zitternd immer kleiner geworden war, stotterte:“J-Jawohl.“ Wolfram eilte ins Zimmer zurück und kniete sich neben Yuri nieder. Er nahm seine Hand, die sich so heiß anfühlte wie seine eigene. War Yuri etwa auch ein Feuerdämon? Nein, er war König und an kein Element gebunden. „Yuri, wach auf!“ „Jetzt müssen wir warten“, sagte Murata bestimmt. „Je länger wir warten, desto mehr geht zugrunde“, entgegnete ihm Shinou. „Es bringt dir aber auch nichts, oder uns allen nichts, wenn du die Siegel alle gleichzeitig löst.“ Murata sah Shinou ernst und wütend in die Augen. „Die beiden Seelen die du in einer gefangen hast, würden sich nur gegenseitig zerstören.“ „Warum sollten sie das tun? Du lässt dich von deinen persönlichen Gefühlen leiten, Daikenja.“ „Weil es Gegensätze sind und weil sie nicht anders können.“ Shinou holte tief Luft. Auch wenn er schon vor 4000 Jahren gestorben war, brauchte er sie zum reden. „Ich dachte du hättest verstanden. Wir müssen das Risiko eben eingehen. Sonst ist alles verloren. Und – das Licht war schließlich einverstanden.“ „Natürlich war sie das. Was sollte die Sonne sonst sein, außer einverstanden? Aber bestimmt hat Julia nicht gedacht, das du so dumm sein könntest, und alle Siegel gleichzeitig lösen würdest.“ Murata schloss die Augen. Er musste sich beruhigen. Sachlich argumentieren. Er riss sich zusammen, und sah fest in die blauen Augen, die von ihrer eigenen Überzeugung nichts eingebüßt hatten. „Sieh mal“, Murata hatte den Tonfall angenommen, mit dem ein Erwachsener einem Kind etwas erklären möchte. „Es ist doch das gleiche Prinzip, wie wenn du eine Katze zusammen mit einer Maus in einer Kiste einsperrst, und eine Wand dazwischen stellst. Entfernst du die Wand, frisst die Katze die Maus. Lässt du erst mal den Geruch durch, gewöhnen sich beide daran. Dann tauscht du die Wand gegen Glas, damit sie einander sehen. Am Ende kannst du das Glas entfernen.“ Aber das ändert auch nichts daran, das die Katze die Maus dennoch frisst, dachte Murata. Shinou dachte nach. „Du hast wahrscheinlich recht. Also gut. Soll er sich seiner eigenen Dunkelheit stellen, oder seinem Licht, und sich daran gewöhnen.“ Murata atmete auf. Es spielte keine Rolle, wer von beiden die Oberhand gewann. Aber das eine der beiden noch schlafenden Kräfte stärker sein würde als die andere, war für Murata absolut sicher. Ob Licht oder Dunkelheit, solange eine existierte und von der anderen wenigstens ein kleiner Punkt übrig blieb, war alles in Ordnung. Dann konnte es irgendwann wieder neue Planeten geben und Leben. Aber für jetzt und für diese Welt gab es keine Hoffnung. Die eingeschüchterte Wache lief kreuz und quer durch das Schloss auf der Suche nach der Heilerin. Wo konnte Gisela nur sein, um Shinous Willen. Er durfte auf keinen Fall ohne sie zurückkommen, sonst würde nur noch Asche von ihm übrigbleiben. Abgehetzt kam er zur Küche. „Gisela, schnell, ist sie hier?“ keuchte er völlig außer Atem. Konrad saß mit einer Tasse Tee bei den Dienstmädchen. „Was ist denn los?“ In Gedanken ging er schon einige Möglichkeiten durch. Anissiana vielleicht? Wollte sie ein Opfer für ihre Experimente? Aber dann hätte er eher nach Gwendal gerufen. „Seine Majestät ist krank. Graf Wolfram schickt mich.“ „Ah, Wolfram, verstehe.“ Gelassen nahm er wieder einen Schluck, während der Soldat die Dienstmädchen ansah. Die zuckten aber nur bedauernd mit den Schultern. „Nur keine Sorge.“ Konrad stellte die Tasse ab und stand auf. „Wolfram übertreibt. Der König hat eine schwere Reise und die Verwandlung in den Dämonenkönig hinter sich. Es ist nicht überraschend, das er sich unwohl fühlt.“ „Er ist ohne Bewusstsein.“ Konrad runzelte die Stirn. „Vielleicht sollte ich mir das doch mal ansehen. Du ruhst dich hier aus, Sangria wird dir einen Tee zubereiten. Doria.“ „Ja?“ „Du suchst nach Gisela. Schick sie dann zu uns.“ „Jawohl, Graf Konrad.“ Ein Wiedersehen --------------- Konrad betrat das prachtvolle Zimmer seines neuen Königs. Lächelnd blieb er stehen. Er lag in seinem Bett, auf dem Rücken. Der junge König war wirklich sehr schön. Das musste er neidlos zugeben. Das schwarze Haar so dicht und lang, das es praktisch das weiße Kopfkissen völlig bedeckte. Ohne zu wissen warum eigentlich, sah Konrad genauer hin. Ja, er konnte kein Weiß durch die Fülle des schwarzen Haars erkennen. „Julia, die Weiße.“ Konrads Lächeln gefror. Was war das? Eine Stimme? Ein Gedanke? Wieso jetzt? Er schüttelte den Kopf. Wolfram saß neben seiner Majestät, und hielt seine Hand. Besorgt sah er ihm ins Gesicht. Mit einem solchen Ausdruck hatte Konrad seinen jüngeren Bruder noch nie gesehen. „Der Kleine wird erwachsen“, dachte er. „Nun, wie geht es unserem König?“ Erschrocken fuhr Wolfram hoch. Er hatte Konrad nicht bemerkt. „SIEHST DU DAS NICHT? Und – was machst DU hier?“ „Konrad!“ flüsterte plötzlich eine leise Stimme. Beide unterbrachen ihren Streit und starrten auf das Bett. Yuris Augen waren nach wie vor geschlossen. Unsinn, war etwas in diesem Tee? Er war ihm wohl nicht bekommen, zuerst die Stimme, die den Namen seiner geliebten Frau nannte, nun sein eigener Name. Der König kannte weder ihn noch seinen Namen. Sie hatten sich nur kurz getroffen, und zu dem Zeitpunkt war er nur ein Junge gewesen, der Baseball liebte. Es war also nur Einbildung gewesen. Konrad entspannte sich wieder. Vielleicht sollte er Gisela bitten, ihn zu untersuchen, wenn sich das wiederholen sollte. Als Befehlshaber musste er einen klaren Verstand haben, sonst brachte er seine Männer in Gefahr. Aber das Wohl des Königs ging nun selbstverständlich vor. Allerdings war Konrad immer noch überzeugt davon, das der Junge lediglich erschöpft war. Oder das ungewohnte Essen nicht vertragen hatte. Er warf einen Blick auf die beiden halbleeren Teller. „Konrad!“ Konrad schreckte herum. Yuri hatte ihm sein Gesicht zugewandt und sah ihm geradewegs in die Augen. „Yuri? Bist du wach? Wie geht es dir?“ fragte Wolfram sofort. Yuri sah immer noch Konrad an. Der hatte sich wieder gefangen. „Majestät? Ich freue mich sehr, das ihr wieder bei Bewusstsein seid. Offenbar war alles ein wenig zu anstrengend? Aber sehr verständlich. Also macht euch keine Sorgen.“ Konrad trat an das riesige Bett. „Ich bitte euch, Majestät, regt euch nicht zu sehr auf. Außerdem wird Gisela gleich hier...“ „Ich bin nicht aufgeregt, Konrad“, erwiderte der Junge. „Wie ich sehe, trägst du das Schwert?! Ich hoffe, du behandelst es gut.“ „Meine Güte, was faselst du da, Yuri? Träumst du?“ Wolfram beugte sich vor. „D-das Schwert, ich, ja ich behandele es gut. Selbstverständlich tue ich das“, stammelte Konrad. Was wusste dieser König? „Verstehe, dann ist es gut.“ Yuri hob seine Hand, und gab damit sein Einverständnis, das Konrad sie küssen durfte. „Bist du das, Julia?“ fragte Konrad ihn, aber kein Laut kam über seine bebenden Lippen. Zu sehr war er erschüttert. Wolfram schlug Yuris Arm nach unten. „Yuri, was machst du denn da? Kennst du die Bedeutung dieser Geste nicht? Was frage ich überhaupt, natürlich nicht, du bist ja auf der Erde aufgewachsen. Pass auf, ich erkläre es dir.“ „Das wird nicht nötig sein“, unterbrach Konrad ihn schnell. Wie und warum? War das möglich, konnte es wirklich sein? „Majestät, entschuldigt, als ich hörte, ihr seid ohnmächtig geworden, bin ich sofort losgelaufen.“ Gisela stürmte ins Zimmer. „Ah Gisela. Schön dich wieder zu sehen, ich freue mich.“ „Wie meinen, Majestät?“ fragte sie verwirrt. Verdammt. „Entschuldigt mich.“ Er musste hier raus. Fluchtartig verließ Konrad das Zimmer. Wolfram lehnte mit verschränkten Armen an der Wand. Es gefiel ihm überhaupt nicht, wie Yuri Konrad angesehen hatte. Und schon gar nicht, das er ihm erlaubt hatte, seine Hand zu küssen, auch wenn er nicht gewusst hatte, was es bedeutete. Und Konrad sie nicht ergriffen hatte. Trotzdem. Es war auch unverschämt, das er Gisela die ganze Zeit anlächelte, während sie ihn untersuchte, und nach dem Befinden ihrer Familie fragte. „Grrr.“ Gisela stand auf und wandte ihm ihr Gesicht zu. Die grünen Augen blickten ihn besorgt und verwirrt an. Sein Ärger war vergessen. „Was? Ist es etwa ernst?“ Gisela schüttelte den Kopf. „Ich kann nichts finden, was mit seinem Körper nicht stimmen würde.“ Wolfram war keineswegs beruhigt. „Er muss sich ausruhen und schlafen“, fügte sie schnell hinzu, senkte den Kopf und wandte sich zum Gehen. Wolfram lief schnurstracks zu Yuri. „Du hast vielleicht Nerven. Einfach vor mir in Ohnmacht zu fallen, und das ganze Schloss vor Sorge komplett verrückt zu machen.“ warf er Yuri vor, und überging die Tatsache, das eigentlich er alle nervös gemacht hatte. Yuri legte den Kopf schief und lächelte. „Komisch. Das bist du,“ empörte sich Wolfram. Im Tempel standen Murata und Shinou vor der Seelenkugel. Beide hatten sich halb abgewandt und hielten sich die Arme vor das Gesicht. Zu sehr wurden sie von dem Licht geblendet, das grell weiß leuchtete, und alle Regenbogenfarben spiegelte. „Ist das richtig so? Ich merke nichts von Gewöhnung.“ „Das braucht ja auch noch Zeit“, brüllte Murata zurück, um sich durchzusetzen gegen die lauten hellen Töne, die von der Kugel kamen. Das Licht hat im Moment also die Oberhand, aber hör nur, wie es schreit, dachte Murata. Heilung ------- „Komisch findest du mich?“ „Nein“, antwortete Wolfram und drückte Yuri zurück in das Kissen. „Ist doch auch egal. Gisela sagte, du musst dich ausruhen. Also mach das auch.“ Er runzelte misstrauisch die Stirn. „Na ja, bei dir kann man nie wissen, ich bleibe lieber hier und behalte dich im Auge.“ Wolfram setzte sich ans Fußende und sah Yuri besorgt an. Es war, als wäre er ein ganz anderer. Was – wenn er in dieser Welt nicht leben konnte? Musste er dann etwa zur Erde zurück? „Mach dir keine Sorgen.“ „Wie bitte? Warum sollte ich mir wohl Sorgen machen?“ Yuri entgegnete nichts, stattdessen schlug er die Decke wieder zurück und hielt seine recht Hand über die Brust. „Ähm, was tust du da?“ fragte Wolfram überrascht. „Heilen, was sonst.“ Eine blaugelbe Lichtkugel bildete sich unter seiner Handfläche, schwebte einen Augenblick lang über seiner Brust, und verschwand dann im Inneren seines Körpers. Überrascht beugte sich Wolfram über ihn. „Was? Aber Gisela sagte doch, mit deinem Körper sei alles in Ordnung?!“ „Ja, das stimmt auch. Geh mal von mir runter, ja? Ich will mich zudecken.“ Jetzt klingt er wieder normal, dachte Wolfram. Gisela musste etwas übersehen haben. „Also, - willst du dich jetzt doch ausruhen?“ „Hatte nie was anderes vor. Ich bin müde. Los, beweg dich.“ Wolfram stand auf und sah verwirrt zu, wie Yuri sich in die Decke wickelte und zur Seite drehte. Es dauerte nicht lange, und er war eingeschlafen. Irgendetwas stimmte hier doch nicht. Das lag nicht an Yuri. Aber er konnte schlecht zu Shinou gehen, und ihn fragen. Vielleicht wusste Konrad mehr? „Soviel zu deiner Strategie der Gewöhnung“, meinte Shinou. „Er hat das Siegel wieder geschlossen. Einfach mal so.“ Murata sagte nichts. „Also gut, dann machen wir es auf meine Weise.“ „Nein, warte noch.“ „Warten? Worauf denn? Das noch mehr Planeten sterben?“ „Warte einfach mal kurz“, erwiderte Murata gereizt. Als ob er nicht selbst wüsste, was für ein Chaos grade im Gange war. Aber – vielleicht konnte oder sollte er mit Yuri darüber reden. Murata drehte sich um und verließ den Tempel. Shinou sah ihm ausdruckslos hinterher. Murata ließ sich von einer Tempeljungfrau ein Pferd geben und ritt zum Schloss. Was sollte er Yuri nur sagen? Hi Alter, wie geht’s denn so? Also folgendes, wir müssen deine Seele mal eben in zwei Hälften reißen, eigentlich sind sie ja auch eigenständig, weißt du, sicher willst du wissen, wieso, also das ist deswegen weil – verdammt. Konrad saß auf der Treppe und knetete nervös seine Hände. Je länger er hier saß, desto absurder erschien es ihm. Wie ein Traum, den man langsam vergaß. Am liebsten wäre er noch mal zurück gegangen, um sich zu vergewissern, dass er sich geirrt hatte. Fast unbemerkt war Gisela an ihn heran getreten und setzte sich neben ihn auf die Treppe. Ihr Blick ging in die Leere. Konrad musste einfach mit jemandem sprechen, vielleicht konnte Gisela ihm erklären, was das eben gewesen war. Da oben, im Schlafzimmer des Königs. „Gisela, auf die Gefahr hin, dass du mich für verrückt erklärst, und das wirst du ganz sicher tun, wenn ich dir erzähle, was ich eben geglaubt habe, also – wie soll ich es sagen...“ Konrad suchte nach den passenden Worten. „Ich habe es auch gemerkt“, sagte Gisela nur. Konrad starrte sie an. „Hast du vergessen, wie nahe Julia und ich uns standen?“ „Oh.“ Das hatte er tatsächlich vergessen. Es war Gisela gewesen, die bei Julia geblieben war, als sie starb. „Aber – das kann doch nicht sein.“ „Du weißt doch, das wir solange wiedergeboren werden, bis wir oder besser unsere Seelen vollkommen sind?“ Sie sah wieder nach vorne. „Und trotzdem ist es seltsam.“ Gisela dachte also, Yuri wäre Julias Reinkarnation? Nein, der König. Ja, es war seltsam. „Du hast recht, wenn es tatsächlich so ist, dürfte er sich nicht an sein früheres Leben erinnern, natürlich immer vorausgesetzt, dass es so ist.“ Konrad konnte es oder wollte es nicht glauben. „Natürlich. Aber das habe ich nicht gemeint.“ „Was dann?“ Gisela schloss die Augen und schüttelte traurig den Kopf. „Gisela.“ Was war los mit dem König, war er etwa todkrank? „Da ist noch etwas anderes“, sagte sie so leise, als hätte sie Angst, jemand würde sie belauschen. „Hm?“ „Etwas Dunkles, Mächtiges und Böses.“ Julia und Böse? Konrad schüttelte den Kopf. Unmöglich. Eher konnten Pferde fliegen. Sie hörten beide ein Pferd wiehern und sahen auf. Als sie Murata erkannten, standen sie auf und grüßten ihn angemessen. „Hallo“, Murata beachtete sie kaum und ging an ihnen vorbei die Treppenstufen hinauf. „Verzeihung.“ Murata drehte sich um und sah in Giselas flehende Augen. Sie hatte beschlossen nicht um den heißen Brei herum zu reden. „Aber was ist mit Julia? Ich meine, mit dem König? Eine reine Seele, wie die von Julia kann nicht – so dunkel sein. Ist sie, ist es möglich, das sie besessen ist?“ Murata grinste schwach. „Sie haben es also bemerkt. Nicht schlecht. Aber von einer ehemaligen Schülerin von Julia nicht anders zu erwarten.“ Zwei Siegel ----------- Murata drehte sich um und sah in Giselas flehende Augen. Sie hatte beschlossen nicht um den heißen Brei herum zu reden. „Aber was ist mit Julia? Ich meine, mit dem König? Eine reine Seele, wie die von Julia kann nicht – so dunkel sein. Ist sie, ist es möglich, das sie besessen ist?“ Murata grinste schwach. „Sie haben es also bemerkt. Nicht schlecht. Aber von einer ehemaligen Schülerin von Julia nicht anders zu erwarten.“ „Also – stimmt es!?“ bemerkte Sir Weller mit seltsam beklommener Stimme. Gisela sah ihn unbehaglich von der Seite an. Sie hatte es zwar auch gespürt. Aber da war noch etwas anderes. „Nein, es stimmt nicht. Yuri ist nicht Julia“, antwortete Murata und lächelte schief, er hasste es zu lügen, aber in diesem Fall war es noch nicht mal gelogen. Jedenfalls nicht richtig. „Wie?“ Konrads Gesichtsausdruck zeigte deutliche Verwirrung. Er hatte sogar vergessen, Murata korrekt anzureden. „Wie ich schon sagte“, meinte der kurz angebunden, drehte sich wieder um und ging die restlichen Stufen hoch zum Eingang. Shinoutempel Eigentlich hätte man sich denken können, dass das Licht in der Lage ist, sich zu heilen. Generell zu heilen. Nicht umsonst sagten Mütter ihren Kindern, es sei gesund nach draußen zu gehen und das taten sie nicht in der Nacht. Laut seines Strategen hegte dieser die Befürchtung, das Licht und Dunkelheit sich gegenseitig zerstören könnten, wenn einer von ihnen die Oberhand gewann. Allerdings war nur die Dunkelheit zerstörerischer Natur, das Licht hingegen nicht. Und demnach, musste er zwei Siegel gleichzeitig öffnen. Eines für die Dunkelheit und eines für das Licht. Das würde bedeuten, das Licht konnte sich zur Wehr setzen. Im Grunde ganz einfach. Auf seinen Strategen wollte Shinou nicht warten. Der wurde ganz eindeutig von seinen Gefühlen beeinflusst. Shinou stellte sich vor die Kugel, in der deutlich in Schwarz und Weiß getrennt Yuris Seele zu sehen war und setzte seine Magie frei. Löse zwei Siegel und öffne das Tor doch ich warne euch, sieht euch vor Oben das Dunkel unten das Licht vereinigt euch, bekämpft euch nicht Trotzdem wollte Wolfram Yuri jetzt nicht einfach sich selbst überlassen. Es war schließlich seine Pflicht, auf ihn aufzupassen, nicht wahr? Ja, genau. Vielleicht waren seine Sorgen auch vollkommen unbegründet. Er rief nach einer der Wachen und befahl ihm, ein Buch zu bringen. Dann zog er sich einen der protzigen Sessel näher an Yuris Bett. Nur für alle Fälle. Falls der einen Anfall bekam, oder so etwas. Wolfram von Bielefeld setzte sich in den bequemen Sessel und seufzte. Ein Glas Wein dazu wäre auch nicht schlecht. Sein Blick fiel auf den Schlafenden. Wie konnte man nur so gut aussehen, das war schon fast eine Beleidigung. Immerhin war er der Bestaussehende gewesen in ganz Shin Makoku, vielleicht sogar auf der ganzen Welt. Ob das ein Grund war, einen kleinen Streit mit dem Schwarzhaarigen anzufangen? Nein, besser nicht. Sonst hätte der, naiv wie er war, noch angenommen, Wolfram wäre ein Narzisst. Es würde ihm schon noch ein anderer Grund einfallen. Die Wache klopfte leise an, und Wolfram bat ihn einzutreten. „Ich hoffe, du hast mir ein interessantes Buch mitgebracht?“ fragte Wolfram ihn lauernd. Der arme Mann wand sich hin und her bevor er gestand, dass die werte Frau Mutter des Grafen und ehemaligen Prinzen das Buch herausgesucht hatte. „Oh - gut.“ Wolfram nickte und bemühte sich, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. „Gib es her und bring mir noch ein Glas Wein, am besten lässt du den auch aussuchen.“ Die Wache kam näher und legte mit zitternden Fingern das dicke in Leder eingebundene Buch in Wolframs ausgestreckte Hände. Wolfram nickte ihm gnädig zu und schloss seine smaragdgrünen Augen. Der Soldat atmete hörbar erleichtert auf und sagte dann eifrig: „Ich bringe euch sofort den Wein.“ „Ja, beeile dich mal, du unfähige Schildkröte.“ „Jawohl,“ salutierte der Angesprochene sofort. Mit einem herablassenden Wink wurde er entlassen. Wolfram sah nochmal kurz zu Yuri, oder vielleicht auch etwas länger, immerhin war er ja der neue König. Dann wandte er sich dem Wälzer auf seinen Beinen zu. „Hochzeitsanzüge für Herren“ stand auf dem Einband. „Oh Mutter“, stöhnte Wolfram, blätterte dann aber doch in dem Buch. Man konnte ja nicht wissen, was so alles auf einen zukam. Gute Vorbereitung war das A und O für jeden Soldaten. Der in den Krieg zog. Oder in die Ehe. Die Bindung ----------- Murata ging durch die Gänge des Schlosses und wurde überall mit Verbeugungen begrüßt. Angenehm war das nicht gerade, dazu war er einfach zu bescheiden. Damals, vor viertausend Jahren hatte er die Welt ja nicht gerettet um dafür Dankbarkeit zu ernten. Er hatte nur getan, was er tun konnte und tun musste. Aber jetzt – jetzt stand nicht nur diese Welt auf dem Spiel. Er wollte mit Yuri ganz ehrlich und offen reden. Als Julia hatte er sich aufgegeben, wenn es nötig war würde er die gleiche Entscheidung wieder treffen. Schon der Erde zuliebe. Endlich kam er zum Gemach des Dämonenkönigs. Erleichtert atmete Ken Murata aus. Am liebsten wäre er sofort hineingegangen, bevor noch jemand kam, ihn sah und sich verbeugte. Aber – das ging wohl nicht. Er klopfte an. „Wer ist da?“ schrie eine helle Stimme. Es klang nach „verschwinde du störst.“ Wobei? „Murata Ken“, antwortete er nur knapp. „Ah, Eminenz,“ das war doch unverkennbar von Bielefeld Wolfram. Warum öffnete er nicht und bat ihn herein? Wie viel wusste Graf Wolfram wohl von der schwarzen Sonne? Von drinnen hörte Murata ein resigniertes Seufzen, dann laute energische Schritte und die Tür wurde aufgerissen. Gut, dass sie so schwer war, ansonsten wäre sie zweifellos aus den Angeln gerissen. „Ja bitte?“ Murata hatte das Gefühl, Wolframs Augen würden ihn Mord lüstern an blitzen. „Ich muss mit Yuri reden, es ist sehr wichtig.“ „Yuri schläft.“ Wolfram machte noch immer keine Anstalten, den Weg freizumachen. Muratas Blick fiel auf ein Buch, welches er in der Hand hielt. Es war extrem dick, nun ja, hier gab es eben kein Fernsehen oder ähnliches, die Leute lasen also Bücher und – Moment – war das - „Also?“ Murata schreckte auf. „Was?“ „Ich sagte, Yuri schläft.“ Er nannte ihn Yuri, und das was er da in der Hand hielt, war kein Buch sondern ein Katalog. Für Bräutigamsanzüge. Aber das nahm Murata nur nebenbei war. Langsam wurde er ungeduldig. „Ja, aber es ist wichtig, sehr wichtig.“ Wolfram bedachte ihn mit misstrauischen Blicken von oben bis unten. „Lebenswichtig.“ Endlich zeigte er eine andere Reaktion als, - als was – Eifersucht etwa? Innerlich stöhnte Murata, noch ein Problem mehr. Er schob sich an Wolfram vorbei. Yuri schlief tatsächlich. Murata konnte seine Lebensenergie spüren. Aber – viel kraftvoller als sonst. Hatte Shinou etwa eine Dummheit begangen und nochmal das Siegel des Lichtes gelöst, oder das der Dunkelheit? Das Ergebnis wäre doch nur wieder das Gleiche. Wolfram wollte er nicht fragen, also zog sich Murata selbst einen Stuhl an Yuris Bett. „Willst du warten, bis er wach ist? Du kannst ruhig gehen, ich rufe dich, wenn er aufwacht“, sagte Wolfram. Es war ziemlich offensichtlich, dass er hier unerwünscht war. Mit ernstem Gesichtsausdruck sah er Wolfram in die Augen. „Das ist nicht nötig. Ich habe eine ganz spezielle Bindung zum Dämonenkönig.“ Wolframs Mund verzog sich und er zeigte weiße, blitzende Zähne. „Genau wie mit Shinou“, beeilte sich Murata die Situation zu entschärfen. „Ich kann die Kraft des Königs verstärken, aber ich kann auch seine Gedanken lesen.“ Wolfram entspannte sich ein wenig. Immer noch misstrauisch wollte er aber wissen, welche Beziehung Murata und Yuri hatten, als beide noch auf der Erde waren. Murata lachte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. „Wir gingen in die gleiche Klasse. Yuri hat mich vor ein paar miesen Typen gerettet und als Dankeschön habe ich ihm bei seinem Baseballteam geholfen.“ Wolfram nickte zufrieden. Es schien ihm absolut einzuleuchten, das Yuri Murata gerettet hatte, und Murata fragte sich unwillkürlich, ob auf seiner Stirn vielleicht „Verlierer“ stand, oder „Opfer“. Egal, es funktionierte. „Nun, da ich gehört habe, dass es Yuri nicht so gut geht...“ „Natürlich geht es Yuri gut. Schließlich bin ICH bei ihm.“ „Ja, das wird es sein, darum geht es ihm viel besser. Dennoch – natürlich nur mit deiner Erlaubnis – und auch zu Yuris Wohl – wollte ich gerne mit ihm reden, ist aber nicht möglich er schläft haha. Nun ja, ich könnte eine telepathische Verbindung aufbauen.“ „Tele – was?“ „Es ist eine Art Übertragung von Gedanken.“ Wolframs Augenbrauen zogen sich nach unten. „Ich wäre dadurch in der Lage zu sehen was er träumt und von – Murata machte eine bedeutungsvolle Pause – WEM er träumt.“ „Ehrlich, so etwas gibt es? Worauf wartest du dann noch?“ Murata nickte lächelnd. Dieser Wolfram war ja gemeingefährlich. Dann wandte er sich Yuri zu und nahm dessen Hand. „Augenblick mal, seine Hand musst du nicht halten, das kann ich machen.“ Murata war mit seiner Geduld allmählich am Ende. „Graf Wolfram von Bielefeld, würden sie mich bitte meine Arbeit machen lassen?!“ Wolfram hob mit großen Augen den Kopf. Ihm schien plötzlich einzufallen, wen er da eigentlich vor sich hatte. Wütend sah er dann Murata an, und wandte mit einem „Hmpf“ seinen Kopf zur Seite. Mit beiden Händen umfasste Murata Yuris Hand, dann konzentrierte er sich auf ihn. Kaum war die geistige Verbindung zustande gekommen wurde er von einer dunklen Macht wieder hinaus gestoßen mit solcher Wucht, das er vor Schmerzen aufschrie. „Was ist?“ Murata hatte Yuris Hand losgelassen und hielt sich den schmerzenden Arm. Es fühlte sich an, als sei ein heftiger Stromschlag hindurch gefahren. Seine Finger waren taub. Shinou hast du ernsthaft das Siegel der Dunkelheit gelöst? „Was ist? Stimmt etwas mit Yuri nicht?“ „Ah, doch alles in Ordnung es ist nur – er hat die Verbindung nicht zugelassen, das ist alles“, versuchte er Wolfram zu beruhigen, aber der nickte nur zufrieden mit dem Kopf. Was jetzt? Sollte er warten, bis Yuri erwachte oder in den Tempel zurückgehen, um Shinou von weiterem Tun abzuhalten? „Sir von Bielefeld, könnten sie einen Boten zum Tempel schicken, sobald Yuri wach ist?“ Erleichtert nickte Wolfram. Wahrscheinlich war er froh, Yuri wieder für sich alleine zu haben. Armer Kerl. „Es wäre besser, sie würden nicht alleine hier mit Yuri im Zimmer sein. Holen sie sich bitte ein paar Soldaten hinzu.“ „Warum?“ Murata sah auf Yuris schlafendes Gesicht. Nichts deutete von außen auf diese dunkle Kraft hin. „Nur so. Wenn Yuri aufwacht, ist er oft schlecht gelaunt, und – ähm, er hat große Kräfte.“ Wolfram sah ihn nur merkwürdig an. Warum sollte Yuri ihm etwas tun wollen, und – natürlich hatte er große Kraft, wie jeder Dämonenkönig das war doch klar aber was interessierte das den Daikenja? Der wollte ihn doch nur nicht alleine mit Yuri lassen. Irgendetwas mit Tele bei ihm machen, aber Yuri hatte es ihm gezeigt, ha. Laut sagte er: „Gut.“ Der Heiratsantrag ----------------- Murata wusste, Wolfram würde nicht auf ihn hören. Hoffentlich ging das gut. Er stand auf, verabschiedete sich und schloss die Tür hinter sich. Diesmal war er froh, den Soldaten zu begegnen. Er wies sie an, bei seltsamen Geräuschen das Zimmer zu stürmen und Graf Wolfram zu retten. Dann machte er sich auf den Weg zurück zum Tempel. Endlich weg, dachte Wolfram, legte das Buch mit dem Ledereinband auf seinen Stuhl, und schob das andere schwere Möbelstück wieder beiseite. Trotzdem, vielleicht muss ich ihm noch mal klar machen, wer zu Yuri gehört, überlegte er weiter. Dann warf er einen letzten Blick auf den Schlafenden, setzte sich und begutachtete den Anzug, den er ins Auge gefasst hatte. Vor der Störung. Königsblau mit weißen Rüschen. Je länger er ihn ansah, desto besser gefiel er ihm. Hoffentlich gefällt er Yuri auch, dachte Wolfram versunken in den Anblick, als er leise Geräusche hörte. Ein Glück, Yuri wachte endlich auf. Yuri stützte sich mit den Vorderarmen auf das Kissen, seine langen, schwarzen Haare schienen noch länger und dunkler geworden zu sein. Seltsam, das musste Einbildung sein. „Yuri, hast du gut geschlafen?“ „Hm. Hm.“ Er gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Wolfram lief zum Bett, umklammerte Yuris Handgelenk und rief: „Yuri, lernt man auf der Erde nicht, dass man sich beim Gähnen die Hand vor den Mund hält?“ Er sah Yuri ins Gesicht. Seine Katzenaugen fixierten ihn und Wolfram spürte, wie er rot wurde. Schnell ließ er Yuris Handgelenk los. „Also, was ich meine ist, natürlich steht es mir überhaupt nicht zu, dir ich meine euch, dem Dämonenkönig, irgendwie oder in irgendeiner Form zu kritisieren und“, Wolfram stotterte verzweifelt herum. Klatsch. Die Ohrfeige war so heftig gewesen, das Wolfram auf den Boden gefallen war. Er wagte es nicht, Yuri anzusehen. Oje, oh du lieber Shinou. Er hat – er hatte ihm wirklich und tatsächlich - Zögernd sah Wolfram auf. Yuri saß jetzt auf seinen Füßen und sah ihn immer noch so seltsam an, wie vorher. Shinou stand vor der Kugel, als Murata in die Halle rannte. Völlig außer Atem betrachtete er ebenfalls die Kugel. „Oh nein, das ist jetzt nicht wahr, oder? Du hast ZWEI Siegel gelöst? Bist du nicht mehr ganz bei Trost?“ „Oh doch, absolut. Auf dich kann ich mich nicht verlassen, wenn es um Yuri geht, habe ich Recht?“ Shinou sah ihn nicht an, als Murata ihn verwirrt anblickte. „Doch. Doch du kannst dich auf mich verlassen, ich versuche doch nur...“ Yuri zu retten, dachte er. Shinou hatte wohl doch Recht. Resigniert sah Murata wieder auf die Kugel. Wie Nebel war Yuris Seele jetzt. Der Nebel bewegte sich in der Kugel, Teile waren weiß, andere Teile grau und manche ziemlich dunkel. Immerhin, nicht völlig schwarz. Und der graue Nebel bedeutete wohl, das sich dort Dunkelheit und Licht vermischt hatten. „Ist – äh – es zu seltsamen Vorfällen gekommen? Bei seiner Seele?“ Oder besser gesagt bei beiden Seelen, schließlich waren es im Grunde zwei. Shinou schüttelte den Kopf. „Ich habe ein Siegel oben und eines unten gelöst. Das Ergebnis siehst du hier.“ Er sah verträumt gerade aus. „Es ist alles in bester Ordnung.“ Nein, gar nichts war in Ordnung. Wenn er oben und unten eines gelöst hatte, dann konnte es noch zu Schwierigkeiten kommen. Shinou krempelte die Ärmel hoch. „Moment mal, was hast du vor?“ fragte Murata alarmiert. „Na, die nächsten Siegel lösen, was sonst?“ gab der unbesorgt zurück. „Das darfst du nicht“, Muratas Stimme überschlug sich fast. So hatte Shinou ihn noch nicht erlebt. „Das ist zu früh, wir müssen abwarten.“ „Worauf?“ fragte ihn Shinou ahnungslos. „Du siehst doch selbst, dass alles in Ordnung ist.“ „Siehst du nicht die dunklen Stellen hier unten?“ Murata zeigte mit zitterten Fingern darauf. „Was passiert, wenn sie die hellen Stellen oben treffen? Wir wissen es nicht, oder?“ „Und siehst du die grauen Stellen, dort wo sich Licht und Dunkelheit in Frieden vereinigt haben?“ „Nein, nein“, Murata schüttelte energisch seinen Kopf. „Das bedeutet noch lange nicht, dass sich nicht genau jene Dunkelheit gegen das Licht stellen wird.“ Shinou spürte langsam Ärger in sich aufsteigen. Gerade als er den Mund aufmachen wollte, fuhr ihm Murata darüber. „Ja, ja es stimmt, ich mag Shibuya. Aber selbst wenn, ich weiß auch das wir alle sterben, wenn wir diese Kräfte nicht entfesseln. Auch er. Und trotzdem, trotzdem müssen wir vorsichtig sein, sonst geraten sie außer Kontrolle. Und noch etwas Shinou – wenn du es wärst, dessen Seele sich hier spiegelt, würde ich mich für dich genauso einsetzen wie für Shibuya.“ Shinou war einen Moment lang verblüfft aber dann lächelte er. „Verstehe.“ Deine Antwort ------------- Wolfram wusste nicht genau, wie er sich verhalten sollte. Auf der einen Seite übermannte ihn fast ein Gefühl des Glücks, auf der anderen Seite war er auch stolz und durfte das nicht zeigen, als was war zu tun. „Ähm, nun – König Yuri“, begann er. „Sag Yuri.“ Seine Stimme klang angenehm dunkel und männlich. Erotisch und sinnlich und – Wolfram schüttelte den Kopf, um sich von diesen Gedanken zu befreien. „Also, was ich sagen wollte war ähm ist... ahhh.“ Die Bewegung war zu schnell gewesen, als das Wolfram sie gesehen hätte. Plötzlich lag er nicht mehr auf dem Boden, sondern bei Yuri im Bett. Nach dem ersten Schrecken hatte sich Wolfram schnell wieder gefasst. Wolfram hob die Hand, die zur Faust geballt war zum Mund und räusperte sich. „Euer Antrag ehrt mich sehr, Majestät – ich meine – Yuri.“ Yuri hatte recht, ihn mit König, Majestät oder sonst wie anzusprechen fühlte sich irgendwie falsch an. „Natürlich. Das ist doch selbstverständlich.“ „Wie?“ Wolfram war verwirrt, hatte Yuri seine Gedanken gelesen? „Selbstverständlich ist mein Antrag eine Ehre für dich. Das wäre er für jeden, meinst du nicht? Wolfram.“ „Ach so, ja. Ganz sicher. Aber...“ „Aber? Willst du mich zurückweisen?“ „Nein, um Shinous Willen es ist nur – wir kennen uns noch nicht lange...“ „Er würde dir sehr gut stehen.“ Wolfram war wieder verwirrt. Yuri zeigte mit einem Finger auf das aufgeschlagene Buch mit dem königsblauen Anzug. Wolfram wurde rot. Das war – jetzt wirklich peinlich. Und bisher war doch immer Wolfram es gewesen, der seine Verehrer und Verehrerinnen in Verlegenheit brachte. Was lief hier denn anders? Yuri schob sein Gesicht plötzlich ganze nahe an das von Wolfram. Er hatte das Gefühl in den schwarzen Augen zu versinken. „Also, wie lautet deine Antwort?“ Shinou und Murata hatten sich darauf geeinigt, das Geschehen in Yuris Seele noch eine Weile zu beobachten, bevor die nächsten beiden Siegel gelöst wurden. Ein besonders dunkles nebelartiges Gebilde erhob sich langsam vom Grund, stieg höher und umwickelte plötzlich einen weißen Nebel. Beide hielten den Atem an, vor Anspannung. Murata betete das es grau würde, und Shinou hoffte, dass der weiße Seelenteil nicht völlig vernichtet wurde. „Meine Antwort, Yuri - „ Wolfram musste lächeln. Egal was man an seiner Art auszusetzen hatte, er war ehrlich. „Meine Antwort lautet natürlich – oh.“ Diesmal fand sich Wolfram unter Yuri wieder. So gern er den warmen Körper auch auf seinem spürte, es gab nun mal die Etikette, an der sie sich auch, sogar der Adel besonders, zu halten hatten. Wolfram hatte leider keine Ahnung wie er sich gegen Yuris Küsse wehren sollte, geschweige denn wehren wollte. Aber – klar, das war es, er wollte seine Antwort haben, er tat das nur, um Wolfram zu zeigen, welche Leidenschaft er besaß. Die dunkle Schwade versuchte die helle zu zerstören, kein Zweifel. Shinou legte beide Hände auf die Seelenkugel und setzte seine Magie frei, langsam brachte er das dunkle Gebilde dazu, das helle, das schon recht zerfranst aussah loszulassen. Auf seiner Stirn erschienen Schweißperlen. Ein Zeichen dafür, wie stark diese Kräfte waren. Aber Shinous Macht brachte das kleine Teil dennoch dazu, loszulassen und wieder nach unten zu sinken. „JAAAAAA“, schrie Wolfram, der sich nicht mehr zu helfen wusste. Yuri ließ ihn erschrocken los, was war überhaupt passiert? Die Tür wurde aufgestoßen, und Soldaten trampelten herein, packten den sich sträubenden Wolfram und schleppten ihn nach draußen. „He...Hey, was macht ihr da? Sofort loslassen.“ „Wir retten euch, Exzellenz. Befehl von Eminenz.“ „WAS? Dieser – dieser – ich habe es doch geahnt, der Betrüger. LOSLASSEN.“ Unter Protest wurde Wolfram davongetragen. Zurück blieb ein ahnungsloser Yuri , der überhaupt nicht wusste, was gerade passiert war. Trennung -------- „Vielleicht geht es so,“ sagte Shinou. Murata schwieg. Mit seiner Magie hatte Shinou ein wenig Dunkel daran gehindert, das Licht zu verschlingen, aber – wenn die Dunkelheit frei war, dann... „Nein“, seufzte Murata. „Du hast Großes geleistet, kein Dämon ist stärker als du, aber du hast selbst gesehen, die Dunkelheit – frisst – das Licht.“ „Warum?“ „Ich sagte es dir, beide sind Gegensätze. Und – es ist ihre Natur.“ Shinou schaute Murata wütend an. „Wozu dann dein Geschwätz?“ Er schoss einen goldenen Magiestrahl gegen die Wand, und Murata konnte wieder die Sterne sehen, die erloschen. Angespannt und auch irgendwie wütend sah Shinou Murata an. Der hob nur die Schultern. Resigniert sagte er: „Ich hätte nur so gerne nochmal mit Shibuya gesprochen.“ „Yuri hat sich bereits verwandelt. Deine – Freundschaft? - lässt ihn nur noch länger leiden.“ Murata atmete tief durch bevor er leise sagte: „Ja, du hast Recht. Dann – löse die Siegel.“ Und selbst, wenn wir alle sterben, wird es eines Tages ein neues Universum und neues Leben geben, dachte er. Shinou hat Recht. Ich wollte von Anfang an nicht, dass die Siegel gelöst werden. Alles – alles was ich sagte, waren nur Ausreden um Yuri zu retten. Shinou nickte zufrieden. „Gut, dann leih mir deine Kraft. Zur Lösung und Befreiung beider Seelen, damit sie getrennt werden.“ Yuri schaute noch immer dem Ja-schreienden Wolfram und den Soldaten hinterher, die ihn gegen seinen Willen aus dem Zimmer entfernten. Das war eigentlich nicht in Ordnung. Wolfram hatte auch nichts getan, jedenfalls nicht, dass Yuri wüsste. Er wollte grade aufstehen um hinauszugehen und zu fragen, was hier gespielt wurde, als er einen fürchterlichen Schmerz in seiner Brust spürte. Er fing beim Herzen an und breitete sich dann in seinem ganzen Körper aus. Es war – als würde er auseinandergerissen, aber kein Ton kam über seine Lippen, nicht einmal atmen konnte er. Es wurde immer schlimmer und endete in einer Explosion. So fühlte er sich an. Dann war der Schmerz vorüber, die Umgebung wurde verschwommen und weiß. Er starb. Er spürte, wie er starb. Wenigstens die Augen, mach sie wenigstens zu, war sein letzter Gedanke. Dann sank er zurück ins Bett. Eine schwarzgekleidete Gestalt erhob sich vom Bett. Sie betrachtete verwirrt ihre Hände. Lebte sie? Nachdem er bisher nur existiert hatte? War das möglich? Er sah an sich herab, ja er hatte einen Körper. Einen atmenden Körper und ein Herz, welches schlug. Aber etwas war anders, als bisher. Er wandte den Kopf. Auf dem Bett auf dem er saß lag eine Gestalt, die sein Zwillingsbruder hätte sein können. Regungslos. Schließe wenigstens die Augen, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Seine weiße schmale Hand glitt über das Gesicht des anderen und schloss dessen Augen. Er blieb sitzen und starrte ihn an. Es fühlte sich so merkwürdig an. Als ob ein Teil fehle, aber auch, als wäre er endlich frei. Ja, endlich frei, er wandte sich von dem toten Körper ab und stand auf. Langsam und geschmeidig wie eine Raubkatze ging er zum Fenster. Menschen. Nein, Dämonen. Sie rannten dort unten herum, wie Ameisen, und manche wie aufgescheuchte Hühner. Mit denen hatte er nichts gemein, das wollte er auch nicht. Allerdings, der andere dort – er drehte sich um zu der Gestalt, die nach wie vor auf dem Bett lag, - bei dem war es anders. Irgendetwas war da anders. Er fühlte sich auf eine eigenartige Art und Weise zu dem Leichnam hingezogen und das lag ganz bestimmt nicht daran, dass er ihm recht ähnlich sah. „Aber was soll´s , er ist tot.“ Die schwarze Gestalt wandte sich wieder zum Fenster, aber diesmal sah sie zum Himmel. „Wer bin ich? Und was tue ich hier?“ „Hörst du mich, Kurayami?“ Wem gehörte diese Stimme? „Ich bin der Daikenja. Also – bist du es tatsächlich, Kurayami.“ „Ich kenne dich nicht.“ „Was hast du mit ihm gemacht?“ Kurayami antwortete nicht. „Was hast du mit Akashi gemacht?“ Die Stimme war lauter und vorwurfsvoll. Was erlaubte sie sich? Kurayami verbannte sie gewaltsam aus seinem Kopf. „Akashi also“, sagte er und ging zum Bett, auf dem der Leichnam lag, der Leichnam von Akashi. Es klopfte. „Heika, darf ich hereinkommen?“ „Wer ist da?“ fragte Kurayami mit dieser unendlich dunklen Stimme, die dennoch nicht anders klang als zuvor, und trotzdem, es war seine Stimme und eine andere. Es kam keine Antwort. Kurayami bewegte sich nicht mal, als er die Tür öffnete, um zu sehen wer da nach ihm rief. Ein braunhaariger Mann. „Yuri, ein Glück, es geht dir g...“ Der Blick des Mannes fiel auf Akashi , er verstummte erschrocken und wurde weiß im Gesicht. Kurayami ließ ihn nicht aus den Augen. Der Mann gewann seine Fassung zurück und sah ihn aus schmerzerfüllten Augen an. „Was ist passiert, Yuri, wieso - er zeigte auf das Bett, fand aber keine Worte. Kurayami schloss die Augen. „Yuri ist tot.“ Der Mann taumelte zurück, dann zog er plötzlich sein Schwert. „Hast du ihn getötet?“ „Du wagst es?“ flüsterte Kurayami und brachte das Herz des Mannes zum Stillstand. „Stopp, Aufhören Kurayami“, wieder diese Stimme. Wie konnte er sie loswerden? Und dann sagte sie: „Hast du etwa Graf Weller getötet?“ Woher wusste er das? „Du Monster. Wie konntest du nur. Er hat Julia geliebt.“ „Sei still, oder ich töte Dich.“ Die Stimme zog sich endlich zurück . Kurayami ging zur Tür. „Du - komm her.“ Verwirrt zögerte die Wache. Grund genug, sie in der Dunkelheit seiner Augen aufzusaugen. Verärgert wandte sich Kurayami an den nächsten Soldaten. „Jawohl, Heika. Was kann ich für euch tun?“ Er verbeugte sich tief. Kurayami gab den Weg frei so dass die Wache eintreten konnte- scharf sog er die Luft ein, als er Konrad und Yuri sah. Aber er wagte nicht zu fragen, was passiert sei, noch dazu, der König sah genauso aus, wie der König auf dem Bett, was war hier nur los? „Ich werde dir sagen was du tun kannst. Kurayami trat gegen den Körper von Graf Weller. „Schaff das hier aus meinen Augen.“ Sprachlos starrte die Wache ihren König an. „Willst du ihn also nicht vergraben? Soll ich ihn zu nichts verdampfen lassen?“ „Nein“, bebte die Stimme des Soldaten. „Vielen Dank, dass wir ihn begraben und uns verabschieden dürfen.“ Kurayami nickte. Dann wandte er sich der Gestalt auf dem Bett zu. „Wir gehen zur Erde damit sich seine Anghörigen verabschieden können.“ Er nickte sich selbst zu. „Und nun verschwinde und nimm den Mann dort auf dem Boden mit.“ „Jawohl.“ Conrads Rettung --------------- „Mist“, fluchte Murata. „Ich muss sehen, was da los ist.“ Ohne sich nach Shinou umzudrehen rannte er los, Richtung Schloss. Als er endlich angekommen war, sah er jede Menge Soldaten aufgeregt umher rennen, und den rothaarigen, königlichen Spion an der Wand lehnen mit verschränkten Armen. Er sah mit finsterer Miene zu Boden. Man konnte ihm ansehen, dass er Mordpläne schmiedete. „Wo ist Conrad?“ fragte ihn Murata. Überrascht sah Jozak auf. Er schien in Gedanken wirklich sehr weit weg gewesen zu sein. „Bei Gisela“, antwortete er ihm endlich. „Okay, ich weiß Bescheid.“ Murata rannte weiter den Gang entlang auf eine Treppe zu. Wenn er nur wüsste, wie er diesen Leuten begreiflich machen könnte, was passiert war. Um was es ging. Vielleicht eine Art Meeting? Ein Treffen mit allen. Er kam an einem Zimmer vorbei, dessen Tür offenstand. Anscheinend hatte es Wolfram geschafft, sie zu öffnen. War dann aber aufgehalten worden. Ein Glück, dachte Murata nur und hörte noch Wolfram, wie er herum schrie, er verlange, dass man ihn sofort zu seinem Verlobten lasse. „Armer Kerl“, dachte Murata. „Vermutlich wird er sein Leben verlieren, wenn er der Dunkelheit mit Liebe und Heirat kommt, oder etwas ähnlichem. Ja, ich muss es alle wissen lassen.“ Endlich war er bei dem Raum, das der rothaarigen Gräfin als Labor diente. Hier war Conrad Weller nicht. Kam er zu spät? Murata hörte Stimmen, eine davon erkannte er als die von Gisela. In diese Richtung lief er, jetzt langsamer, weiter. „Ich habe so etwas noch nie gesehen“, sagte Gisela gerade. „Kannst du ihm helfen?“ fragte Conrads Bruder Gwendal. „Wie konnte das überhaupt passieren?!“ „Durch die Spaltung einer Person mit zwei Seelen in zwei Personen mit je einer eigenen Seele.“ Wie auf Kommando drehten sich alle zu Murata um, der in der Tür stand. Aber Murata nickte nur Gisela zu weiterzumachen. Erklärungen hatten Zeit bis später. Es kostete Gisela viel magische Kraft, Conrads Herz wieder schlagen zu lassen. Murata half selbst dabei mit. Auch er musste bis an seine Grenzen gehen. „Er lebt, es ist geschafft. Ja wir haben es geschafft,“ jubelte Gisela. Sämtliche Anwesende atmeten erleichtert auf und gratulierten ihnen. Murata dagegen hatte einen ernsten Gesichtsausdruck. Sie hatten alle ihre Kräfte verbraucht, und das, obwohl Kurayami gar keinen Einfluss mehr auf Conrad nahm. Das war übel. Aber was hatte er erwartet, von dieser Macht? Spät am Abend, als der Himmel sich schon rot färbte, hatte Murata alle wichtigen Anwesenden aufgeklärt. Alle Personen die im Schloss waren. Die anderen Aristokraten würden durch die Knochenbanditen aufgeklärt werden, die schon unterwegs waren. Ihre Reaktionen würden sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. Schweigen hatte sich im Raum ausgebreitet. Auch Conrad war gekommen, obgleich er immer noch angeschlagen war. Gwendal stand am Fenster. Wolfram sah ungläubig zu Boden. Baron von Kleist war seit langer Zeit sprachlos. Es war schließlich Conrad, der das Schweigen brach. „Es gibt nichts, was wir tun könnten. Ich habe seine Kraft gespürt. Aber – ist Julia tot?“ Murata sah zum Himmel. „Julia starb schon vor – Akashi, das Licht, es ist nicht tot, nein. Sonst würde Kurayami auch nicht leben. Es ist nur...“ Murata suchte nach den passenden Worten. „Ist Yuri tot?“ fragte Wolfram tonlos. Murata sah ihn an. „Ja.“ Von einem Moment zum anderen traten Tränen in die Augen des blonden Dämons und liefen seine Wangen hinab, sammelten sich bei seinen schönen Lippen zu größeren Tropfen, die anschließend der Schwerkraft gehorchten und auf seine Brust fielen. Es war irgendwie gespenstisch, denn Wolfram gab weder einen Mucks von sich, noch wurde sein Körper von Schluchzern geschüttelt. Murata fühlte sich irgendwie schuldig. „Wir – mussten es so machen, sonst wäre alles verloren.“ „Und dieses Wesen da oben – Kurayami – es hat Conrad einfach getötet. Ohne Grund. Was wird es dann erst mit diesem Land vorhaben?“ Gwendals Stimme wurde immer lauter. Das wusste Murata auch nicht. „Ich weiß es nicht,“ antwortete er wahrheitsgemäß und kurz. „Aber – Akashi schläft, sozusagen. Und solange das der Fall ist, wird Kurayami seiner zerstörerischen Seite unterliegen, fürchte ich. Trotzdem gibt es Hoffnung.“ „Hoffnung für wen?“ Gwendals Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. „Worauf läuft es denn hinaus, wenn dieses Monster seiner zerstörerischen Seite nachgeht? Doch nur auf unseren Untergang, ist es nicht so?“ „Ja. So ist es. Hoffnung, für neues Leben. Irgendwann.“ „Können wir Akashi nicht wieder erwecken? So wie wir Conrad gerettet haben?“ fragte Gunther von Kleist. Murata schüttelte den Kopf. Nach einigen Minuten in denen niemand mehr etwas zu sagen hatte, meinte er schließlich: „Wir werden tun, was Kurayami gesagt hat. Und Yuri – ich meine Akashi – zur Erde zurückbringen.“ „Was, wenn wir das nicht tun“, wollte Conrad von ihm wissen. „Es besteht keine Notwendigkeit, schneller zu sterben, als nötig.“ Murata verbeugte sich. „Ich gehe zurück zum Tempel. Wir werden alles für die Heimreise, ich meine für die Reise zur Erde vorbereiten.“ Auf der Erde ------------ Murata und Shinou hielten sich im Hintergrund, als Conrad, Gisela und Wolfram gemeinsam mit Kurayami den Sarg mit Yuri zur Erde transportieren wollten. Er hätte das auch mit seinen eigenen Kräften gekonnt, aber er sah immer wieder aggressiv zu Murata und Shinou hinüber, offensichtlich konnte er sie trotz der magischen Barriere sehen. „Er sieht uns als Rivalen.“ meinte Murata knapp. Zu gerne hätte er die Gruppe begleitet. „Ja. Eigentlich sollten wir das als Ehre betrachten, nicht wahr?“ „Mh.“ „Na gut. Dann los.“ Mit Shinous Hilfe sandte das königliche Medium Ulrike die vier Personen zur Erde. Eigentlich hätten sie direkt bei Yuri ankommen sollen, aber Kurayami störte den Transport unbewusst allein durch seine Anwesenheit und so landeten sie in einem Schwimmbad in der Schweiz. Murata schloss die Augen um von Shin Makako Kurayami und Akashi zu orten. „Wie erwartet.“ „Wo sind sie?“ „In der Schweiz.“ „Schweiz?“ „Ein Land in Europa, Shinou, sie haben ihr Ziel weit verfehlt.“ Mehr wollte er nicht sagen, er hatte weiß Gott andere Probleme, als Shinou über die geographischen Verhältnisse auf der Erde aufzuklären. „Gut, dann werde ich jetzt los und nach Japan gehen. Keine Ahnung, wie ich das Yuris Eltern erklären soll. Am besten gar nicht.“ „Na nu. Das sieht dir ja gar nicht ähnlich“, Shinou war überrascht. Seit wann drückte sich der Daikenja vor Verantwortung? Er wusste zwar, das dieser kein Freund großer Worte und Erklärungen war, aber seinen Pflichten und seiner Verantwortung war er immer nachgekommen. Bereits seit viertausend Jahren. „Ich kenne die Familie sehr gut, und ich weiß wie sehr sie Shibuya geliebt haben. Ich – kann das nicht. Ich kann´s einfach nicht.“ Murata nickte Ulrike zu, als Zeichen dafür, dass er bereit sei. Sie nickte zurück legte die Hände gegeneinander und sammelte ihren Geist. Murata ging währenddessen unter Shinous aufmerksamen Blick auf die Stelle zu, von wo aus er zur Erde geschickt würde. Zum ersten mal hatte Shinou das seltsame Gefühl, einen Fehler begangen zu haben. Aber – er hatte keine andere Wahl gehabt. Oder? Hätte es vielleicht auch noch einen anderen Weg gegeben, wenn sie darüber gemeinsam nachgedacht hätten? Hatte er, als er Kurayami entdeckte vielleicht zu schnell gehandelt, weil er das als ein Wink des Schicksals gesehen hatte? Was hätte er denn denken sollen, wenn ihm beide Schöpfer einfach so in den Schoß fielen. Nein, er konnte sich nicht geirrt haben. Es war seine Bestimmung gewesen, diese Welt zu retten und nun würde er eben alle Welten retten. Damals hatte es ja auch Opfer gegeben – trotzdem – irgendetwas stimmte nicht. Er sah Muratas Gesicht, der sich plötzlich auflöste und verschwand, er dachte an Wolfram, dem er die ganze Mission Schwarze Sonne aufgetragen hatte, er war so entsetzlich still und ruhig gewesen. Irgendwie – fühlte es sich falsch an. Alles fühlte sich falsch an. Er hatte etwas Entscheidendes übersehen, aber was? Und die Sterne und Planeten starben immer noch. Gemeinsam mit dem auf ihnen existierendem Leben. Nicht einmal die Geschwindigkeit hatte sich verlangsamt. Ein Fehler. Irgendwo gab es einen Fehler in seinem Plan. Unglaublich, aber es musste so sein. Schwungvoll, so dass sein langer Umhang flatterte drehte sich Shinou um und ging in einen seiner Räume. Er musste den Fehler finden. Um jeden Preis. Und ausgerechnet jetzt war der Daikenja schon wieder weg. Murata tauchte prustend in der Badewanne der Shibuyas auf. Hoffentlich hatte ihn niemand bemerkt. Klatschnass kletterte er heraus, und überschwemmte den Boden. Shibuyas Kleider würden passen, dachte er, und schlich sich in das Zimmer seines ehemaligen besten Freundes. Nein, nicht nur der beste Freund, auch sein einziger Freund. Oder noch besser gesagt, den den er als einzigen an sich herangelassen hatte. Die Erinnerungen an so viele Leben, so viele Menschen die man geliebt und verloren hatte, die man wieder traf, aber die sich nicht mehr an einen erinnerten, egal wie stark man geglaubt hatte, das die Gefühle gewesen waren, er hatte wenigstens ihre Nähe, ihre Freundschaft gesucht, und er war von ihnen nur als aufdringliche Nervensäge empfunden worden. Nichts war übriggeblieben. Das war hart. Und schmerzhaft. Unsäglich schmerzhaft. Besonders am Anfang. Als er es noch nicht wusste, als er noch glaubte, zumindest ihre Seelen würden ihn erkennen. Aber bei Shibuya war es anders gewesen. Na ja, bei Yuri, bei Yuris Seele war es allerdings auch ein gewaltiger Unterschied im Vergleich zu den anderen. Murata stand an Yuris Kleiderschrank und öffnete ihn. Er sah die Kleidung durch und musste leise lachen. Lauter bedruckte T-shirts. So etwas war eigentlich schon längst aus der Mode. Aber – das war typisch für Yuri, wenn er nach Hause kam würde er ihn ein wenig damit ärgern – aber – dann fiel es ihm wieder ein. Wie hatte er es nur vergessen können, auch wenn es nur für einen Moment war. Yuri würde nicht wiederkommen. Plötzlich wollte Murata nur noch weg. Er rannte zum Fenster und sein Herz schlug ihm so qualvoll in der Brust, als wäre seine eigene Seele zerrissen worden. Mit einem Sprung, ein gewagter Sprung, der ihm gar nicht ähnlich sah, sprang er hinaus, in den Garten und rannte davon Richtung Park. Bob ist nicht mehr in der Schweiz, was wirst du tun, Kurayami? Bob ist nicht mehr in der Schweiz, was wirst du tun, Kurayami? Schon wieder. Er hasste diese Stimme. Diese Stimme, die sich ständig zwischen ihn und Yuri drängen wollte. Ich sollte ihn töten. Ich hasse ihn, ich hasse alle. Und ich hasse es, wie sie mich ansehen, als hätte ich ihn getötet, aber das habe ich nicht. Das würde ich nie. Jeden, außer ihn. Diese arroganten Narren. Sie glaubten, Yuri zu kennen, als er noch mit Akashi verbunden war, sie glaubten Akashi zu kennen und sie glaubten ihn zu kennen, aber das taten sie nicht. Kurayami ballte die Fäuste. „Du hast Yuri getötet, du und Shinou, ihr beide habt ihn getötet.“ schrie er ihm entgegen mit seinem ganzen Schmerz und Hass. Murata hörte Kurayami schreien, es war so intensiv, dass ihm die Sinne schwanden, aber bevor er bewusstlos wurde, wurde ihm zum ersten mal wirklich bewusst, das es stimmte. „Wir fahren zum Flughafen, und von dort aus fliegen wir nach Japan.“ Alle starrten ihn an. Damit hatte keiner gerechnet. Natürlich kannte Kurayami Zug und Flugzeug. Japan und Schweiz. Die Erinnerung war da. Murata erwartete sicher, dass er Magie einsetzen würde, und genau deshalb wollte er das nicht tun. Zur Grenze ---------- „Wir fahren zum Flughafen, und von dort aus fliegen wir nach Japan.“ Alle starrten ihn an. Damit hatte keiner gerechnet. Natürlich kannte Kurayami Zug und Flugzeug. Japan und Schweiz. Die Erinnerung war da. Murata erwartete sicher, dass er Magie einsetzen würde, und genau deshalb wollte er das nicht tun. Conrad kannte sich am besten aus auf der Erde. Auch mit der Sprache hatte er keine Probleme. Dank einer Nasaerfindung hatte er fließend Englisch und auch etwas Französisch gelernt, als er zum ersten Mal hier war. Mit verschränkten Armen saß er auf einem Stuhl, tief in Gedanken versunken. Julia war tot, ja. Aber warum musste nun auch noch Yuri sterben? Oder spielte das ohnehin keine Rolle mehr? Wolfram von Bielefeld lief mit energischen Schritten im Zimmer auf und ab. Gelegentlich warf er seinem lethargischen Bruder missmutige Blicke zu. Das Universum interessierte ihn nicht im Geringsten. Er war sicher, dass Shinou jedes Problem irgendwie in den Griff bekommen würde. Was Wolfram ärgerte war vor allem, das er sich seines Verlobten beraubt fühlte. Am liebsten wäre er zu diesem Kurayami gegangen und hätte ein ernstes Wort mit ihm gesprochen. Und hatte er sich wirklich so in diesem Waschlappen Yuri getäuscht? Hatte er sich tatsächlich einfach so töten lassen? Die beiden besaßen doch die gleiche Kraft, oder nicht? Mehr noch, sie konnten ohne einander doch gar nicht sein. Immer häufiger gab er ein abfälliges Brummen von sich. Tatenlos hier herumzustehen lag dem blonden Feuerdämon überhaupt nicht. Gisela rief ihn mit sanfter Stimme zu sich. Wolfram tat, als gehorche er nur widerwillig, in Wirklichkeit war er aber ganz froh, dass sie eine Ärztin bei sich hatten, die sich um ihn kümmern würde. Sie hieß ihn auf einen Stuhl zu setzen und hob dann ihre Hand über Wolframs goldblondes Haar. Dort ließ sie ihre Hand ein paar Minuten schweben, bis sie bemerkte, dass ihre Magie auf der Erde keinerlei Wirkung hatte. Verärgert schlug Wolfram ihre Hand weg, was ihm einen tadelnden Blick von seinem Bruder einbrachte. Der Satz, ihr seid noch allesamt nutzlos, der ihm schon auf der Zunge lag, schluckte er mit Mühe wieder unausgesprochen hinunter. Gisela hatte schließlich nur helfen wollen. Kurayami sah aus dem Fenster. Er spürte, das es gleich soweit war. Geschmeidig stand er auf, ging zum Bett und nahm den unhandlichen Sarg so gut es ging unter den Arm. Mit einem schleifenden Geräusch verließ er das Zimmer und lief den Gang entlang, als eine auch schon eine blonde Schönheit herbeigerannt kam, um ihm mitzuteilen, dass die Limousine, die ihn zum Zug brachte, bereit stand. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, das er keinen Sarg spazieren tragen konnte, aber sie war zu froh den unheimlichen Gesellen loszuwerden, dass sie lieber schwieg. Wenn er nur schon weg wäre. Dieser Frau würde ein Sarg auch gut stehen, dachte er, als ihn eine helle Stimme unterbrach. „Lass sie. Sie hat Angst.“ Beim Klang dieser Stimme veränderte sich Karayamis zerstörerische Dunkelheit in die schützende Dunkelheit. In die, die zum Schlafen zum Träumen und zum Ausruhen einlud. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er sogar gelächelt. „Sorge dich nicht um diese Menschenfrau, Akashi. Wir werden bald wieder alleine sein. Nur du und ich.“ Er schleifte den Sarg weiter den Gang hinunter, hörte wie hinter ihnen eine Tür aufgeschlagen wurde, aber setzte unbeirrt seinen Weg weiter fort. Am Ausgang war eine Treppe also nahm er den Sarg auf beide Arme, als trage er einen kostbaren Schatz und stieg die Stufen hinunter. Mittlerweile waren die drei anderen stumm an seine Seite getreten und hielten wortlos die Tür auf. Im Zug selbst wurde er angewiesen, den Sarg im Gepäckraum zu verstauchen. Während Gisela, Conrad und Wolfram den Atem anhielten tat Kurayami einfach, wie man es ihm gesagt hatte. Mit unsichtbaren Schnüren band er sein zweites Ich fest und ging zurück in das ihm zugewiesene Abteil. Niemand und niemals würde man sie trennen können. Schon gar nicht, wenn man so schwach war, wie ein Shinou, ein Daikenja oder gar sonst jemand. Er setzte sich lächelnd auf die gepolsterten Sitze und sah aus dem Fenster. In etwa drei Stunden würden sie die Grenze erreichen. Bis dahin war noch viel Zeit. Genug Zeit, um das zu tun, was er von Anfang an vorhatte. Eine Kraft ---------- Mit verschränkten Armen stand Murata vor dem Brunnen im Park. „Es geht nicht“, dachte Murata. Egal, wie oft er in Gedanken nochmal durchgegangen war, was er den Shibuyas sagen könnte, es war viel zu verworren. Yuri wurde mit zwei Seelen geboren. Nachdem sie getrennt wurden, wurde er selbst auch geteilt. Es gibt Yuri nicht mehr, es gibt nur noch Kurayami und Akashi, und Akashi ist tot?! Sie würden ihn vermutlich für verrückt halten und ihm ohnehin nicht glauben. Und – oh ach ja, auch wenn Yuri nicht mehr existiert, so gibt es doch noch ein kleines Licht, das weiterhin in seinem Körper existiert. Ansonsten...Zwecklos. Davon abgesehen müsste er ihnen auch sagen, dass das komplette Universum wieder in der Dunkelheit verschwindet, aber mit der Hoffnung auf neues Leben. Irgendwann einmal. Shinou sah weiterhin zu, wie ein Stern nach dem andern starb. „Shinou Heika. Dies scheint das Ende zu sein, nicht wahr?“ Ulrikes Stimme klang gefasst. „Nein. Ich habe die beiden unterschätzt. Aber – es liegt jetzt nicht mehr in meiner Hand. Das lag es nie.“ „Was meint Ihr damit?“ fragte sie überrascht den blonden Urkönig. „Ich dachte, sie seien natürliche Feinde. Ich dachte, die Dunkelheit würde das Licht zerstören. Aber es würde sich irgendwie retten. Das war ein Fehler.“ Shinou schwieg und starrte weiterhin auf den Bildschirm. Das königliche Medium verstand nicht, was ihr Herr meinte, aber so wie es aussah war es besser keine Fragen mehr zu stellen. Auf der Erde waren mittlerweile mehr als zwei Stunden vergangen. Sie würden ihr Ziel bald erreichen. Es wurde Zeit. Kurayami stand zur Überraschung aller Anwesenden auf und verließ das Abteil. Niemand wagte es, zu fragen wohin er gehen würde. Das war auch besser, denn er hatte kein Interesse an diesen Lebewesen. Es wurde Zeit, Akashi zurückzuholen. Wortlos ging er an der Aufsicht zum Gepäckraum vorbei. Die beiden Wachmänner standen wie erstarrt auf ihrem Platz. Sie fühlten instinktiv, dass hier eine Gefahr war, die alles übertraf. Der Schweiß trat ihnen aus allen Poren und ihr Blutdruck stieg schlagartig. Erst als Kurayami ohne jede Mühe die verschlossene Tür öffnete und hinter sich schloss, wagten sie es, einander anzusehen. Normalerweise hätten sie Verstärkung rufen müssen, ihn aufhalten müssen, zumindest ansprechen sollen. Aber auch jetzt waren beide nicht in der Lage sich überhaupt zu bewegen. Zu groß war der Schock, der allein von seiner Präsenz ausgelöst worden war. Kurayami ging auf den Sarg zu. Mit der rechten Hand strich er fast zärtlich darüber. „Es ist gegen unsere Natur zu uns zu vereinigen. Wir treffen uns kurz und trennen uns dann wieder. Aber jetzt...könnten wir für immer zusammen sein, wenn du es nur willst, Akashi.“ „Du weißt, ich liebe dich. Es ist uns nicht erlaubt, immer zusammen zu sein. Ganz egal, was wir fühlen, es wird niemals genug sein.“ „Dann lass uns gemeinsam untergehen.“ „Nein. Nein, das kann ich nicht zulassen. Die Verantwortung die wir tragen ist zu groß. Du warst damit einverstanden. Erinnerst du dich nicht mehr?“ „Nur weil ich dachte, das es keine andere Möglichkeit gibt.“ „Die gibt es auch nicht. Wir sind Brüder und doch, können wir niemals unsere Fesseln lösen und zueinander kommen, als für einen kurzen Augenblick. Sei damit zufrieden, Kurayami.“ Die Finsternis schloss kurz die Augen. Akashi hatte ja recht, das wusste er selbst nur zu gut. Und trotzdem – wenigstens davon träumen zu dürfen, das Ziel war so nahe und dennoch unerreichbar. Kurayami entfernte den Deckel des Sargs, indem Yuris Körper lag, der nach wie vor Akashi beherbergte. Zärtlich nahm er ihn in die Arme. Wenigstens einen Augenblick lang wollte er das Gefühl haben, das sie zwei verschiedene Persönlichkeiten waren und nicht nur eine. „Ich dachte, es sind zwei,“ sagte Shinou leise. „Das war ein Fehler. In Wirklichkeit ist es nur einer. Kein Wunder, das sich die beiden Seelen ohne Probleme zu einer fusionieren ließen. Kein Wunder, das Yuri so ausgeglichen und zufrieden war. Das Tragische war nie, das ich sie gezwungen hatte, sich zu einer Seele zu vereinen. Sie haben sich irgendwann entschlossen, in einer Seele zwei Persönlichkeiten zu bilden. Und sich zu trennen. Zum Wohle aller. Von Anfang an – war es nur eine Kraft.“ Vereinigung ----------- Kurayami legte seine Lippen auf die kalten Lippen Yuris. Yuris Körper fing an den Füßen an zu leuchten und sich zu erwärmen. Sowohl diese Wärme und das Leuchten, die beide zu den Eigenschaften Akashis gehörten, krochen langsam die Beine hoch, über den Bauch und die Brust, wo sie das Herz wieder schlagen ließen und hoch zu den Lippen, die sich erwärmten. Akashi war bereit, sich mit Kurayami wieder zu vereinigen. „Was zum Teufel...“, flüsterte Wolfram bei diesem Anblick. Er war so entsetzt, dass er nicht mal eifersüchtig werden konnte. Conrad war ebenfalls kalkweiß geworden und griff automatisch nach seinem Schwert. Es war eine reine Reflexreaktion, denn er hatte kein Schwert mitnehmen dürfen. „Wo bleibt er? Diese – Kreatur“, fragte Wolfram aufgebracht. Er wusste sehr wohl um die Kraft von Kurayami aber er hatte sich unter Kontrolle. Conrad auch, obwohl oder vielleicht auch weil er von ihm schon einmal getötet worden war. Das hier war ein Himmelsfahrtkommando, das wussten sie alle drei. Es wäre gelogen, zu behaupten, das sie keine Angst hätten. Es fühlte sich so an, als wäre man mit einer Bombe in einem Raum, von der man nicht wusste, wann sie explodieren würde, nur so viel war klar, sie würde es ganz sicher und nicht in allzu ferner Zukunft. „Lass uns nachsehen. Und – falls notwendig – die Toten verschwinden lassen.“ „Die Toten?“ „Ich kann mir nicht vorstellen, das wir auf dem Weg zu ihm keine finden.“ Wolfram nickte nachdenklich. Sein Bruder hatte recht. „Glaubst du, Shinou sucht nach einer Möglichkeit ihn zu vernichten? Ich hoffe doch, er findet bald eine.“ „Ich weiß es nicht, Wolfram, aber ich bin überzeugt, er versucht ihn zu versiegeln. Seine Kraft. Die Frage ist eigentlich nur, ob Shinous Kraft ausreicht, um ...“ „Du bist wohl verrückt geworden? Das du es wagst, so etwas auch nur zu denken. Anscheinend hast du dir den Kopf härter gestoßen, als gedacht. Selbstverständlich findet unser Urkönig eine Lösung. Er wird diese Katastrophe namens schwarze Sonne rückgängig machen. Und natürlich wird dann auch Yuri zurückkommen. Und dann können wir endlich heiraten. Natürlich wird er König sein...“ Wolfram verlor sich in seinen Träumen. „Wie auch immer. Sehen wir nach.“ Conrad stand auf. Gisela hatte sie nur schweigend angesehen. „Soll ich mitkommen?“ „Wie?“ Mit großen Augen sah Wolfram sie an. „Warum zum Teufel solltest du mitkommen?“ „Falls jemand lebt, kann ich ihn behandeln.“ „Niemand wird mehr am Leben sein,“ Conrads Gesichtsausdruck zeigte keine Verzweiflung mehr. Nur noch pure Wut. „Selbst wenn, du bist doch nutzlos. Deine Magie wirkt an diesem Ort nicht,“ hetzte Wolfram. „Wolfram,“ rief Conrad seinen jüngeren Bruder scharf zur Ordnung. Das hätte ihnen jetzt gerade noch gefehlt. Das sie sich gegenseitig fertig machten. Die Situation war schlimm genug. Und im Gegensatz zu Wolfram war Conrad Shinou nicht bedingungslos ergeben, nicht seit Julias Tod. Er hielt es angesichts Kurayamis Kraft für durchaus möglich, das Shinou und sein Berater scheiterten. Conrad sah aus dem Fenster in den mittlerweile sternenklaren Nachthimmel. Nicht nur, das sie keine Ahnung hatten, was Kurayami plante, es konnte auch jederzeit möglich sein, das dieser Planet hier verschwand. Oder, das sie wenn sie nach Hause kamen, falls dieses zuhause noch existierte, dort ums Leben kamen. Von hier aus war aber noch nichts zu stehen. Kein Stern verglühte am Himmel. Die Auswirkungen hatten sie noch nicht erreicht. Was war nur die Ursache? War es wirklich die Vereinigung von Dunkelheit und Licht? Conrad grummte unbewusst vor sich hin. „Was murmelst du da in deinen nicht vorhandenen Bart? Ich warne dich.“ Wovor mochte ihn Wolfram nur warnen? Egal, so einfach wie er es aussehen lassen wollte, nahm sein kleiner Bruder die ganze Sache nun mal doch nicht. Wenn es ihm half, seine Wut an ihm, Conrad aus zu lassen, sollte es ihm recht sein. Aber... „Lass uns gehen, Wolfram. Ich habe ein seltsames Gefühl.“ „Von dir lasse ich mir nichts befehlen, du … dreckiger Mensch.“ Wolfram hatte immer lauter gesprochen und Gisela sah ihn erschrocken an. Es war wirklich besser, wenn sie jetzt nachsahen. Conrad schob die Abteiltür zur Seite und trat auf den Gang. Verlassen lag er vor ihm. Er spürte plötzlich, wie Wolfram sich eng hinter ihn drängte. „Glaubst du, das Monster hat seine Opfer – gefressen?“ Hier, wo sie alleine miteinander waren, zeigte Wolfram seine wahren Gefühle. „Ich ähm, das weiß ich nicht.“ Ich glaube nicht, hätte Conrad gerne gesagt und seinen Bruder beruhigt, aber Tatsache war, das er keine Ahnung hatte, von diesem Etwas, das der Schöpfer, nein die Dunkelheit selbst war, geschweige denn, was sie essen mochte. Die Dunkelheit verschlingt alles, nicht wahr? Sie waren seiner Spur gefolgt. Seiner pechschwarzen Magie. Ein Gefühl, bei dem man am liebsten davongelaufen wäre. Und jetzt standen sie im Gepäckraum, mit diesem Anblick vor Augen. Yuri lebt --------- Kurayami und Akashi wurden von einer natürlichen Barriere geschützt. Jeder, der sich ihnen näherte, würde auf der Stelle nur noch Asche sein. Und Conrad spürte einen unwiderstehlichen Drang auf den dunklen König zu zu rennen, um ihm Yuri aus den Armen zu reißen. Es war unerträglich mitansehen zu müssen, wie er Yuri´s Leiche entehrte. Wäre Wolfram nicht gewesen, hätte er nicht seinen schreienden und tobenden Bruder festhalten müssen, Conrad wäre auf sie zugelaufen. Julias Reinkarnation bedeutete ihm zu viel, als das er schweigend hätte zusehen können. Aber anders, als sein temperamentvoller Bruder konnte er sich beherrschen. Und sei es nur, um wenigstens diesen zu beschützen. Vielleicht sollte er Wolfram einfach niederschlagen und dem schändlichen Treiben Kurayami´s ein Ende bereiten? Egal, um welchen Preis. Aber Wolfram trat um sich, kratzte und biss ihn sogar, so dass er alle Hände voll zu tun hatte, ihn überhaupt aufzuhalten. Akashi gab dem sanftem Kuss nach und ließ sich hinüber in den stärkeren Körper ziehen. Kurayami hielt es zwar für unnötig, aber Akashi wusste, wie viel Yuri so vielen Leuten bedeutete. Er spaltete einen kleinen Teil von sich ab, und ließ ihn zurück. „Warum Akashi? Was bedeutet dir dein alter Körper? Er ist schwach und nutzlos,“ dachte Kurayami. „Er bedeutet mir nichts. Aber er bedeutet anderen so viel. Spürst du es nicht? Mehr als ihr Leben. Das allein ist der Grund.“ Kurayami wusste nichts dazu zu sagen. Wenn es Akashi´s Wille war, dann sollte es eben so sein. Wissend, das noch ein Teil des Lichts in Yuri war, blieb ihm nichts anderes übrig, als dessen Körper so sanft wie möglich aus dem Sarg zu heben. Er spürte, das Akashi sich noch nicht wirklich mit ihm vereinigen wollte, auch wenn er hinüber zu ihm gewechselt war, so hielt er sich doch im Hintergrund. Wie immer, dachte Kurayami etwas traurig. Mit Yuri auf den Armen ging er an dem Bündel der beiden Menschen, die kämpfend auf dem Boden lagen vorbei und trug ihn in ihr Zugabteil. Was hast du vor Akashi? Willst du etwa wieder ganz zurück? Mich wieder alleine lassen, obwohl wir noch Zeit haben? Kurayami hatte keine Antwort erwartet und bekam auch keine. Er hatte längst gespürt, das Akashi sich in den hintersten Winkel seines Unterbewusstseins zurückgezogen hatte. „Shinou Heika,“ Ulrikes Stimme bebte leise. Shinou sprang auf. Er hatte den Stern schon leuchten sehen, und gleich darauf würde er verglühen, wie die anderen zuvor, aber diesmal geschah es nicht. Das Leuchten verschwand. Er spürte zwar kein Leben mehr, aber – der Stern starb nicht. Und auch keine weiteren. „Es – hat aufgehört. Es hat endlich aufgehört.“ Shinou ließ sich wieder schwer zurückfallen. „Sie haben sich vereinigt. Und trotzdem hat das Sterben aufgehört. Aber wieso?“ „Ihr sagtet es selbst, Heika. Weil es nur eine Kraft ist.“ „Ja. Eine Kraft. Eine die sich geteilt hat. Eine, die ich zusammen gebracht habe, und die ich geteilt habe, als das Sterben anfing, um ihm ein Ende zu machen. Aber – wieso? Wieso begann das Sterben der Galaxien, wenn ich Unrecht hatte?“ Murata hatte es auch gespürt. Er sah in den jetzt so friedlich erscheinenden Nachthimmel empor. „Das Sterben fing an, weil die Dunkelheit nur noch vor sich hin existierte. Du hast sie aufgeweckt, Shinou. Es mag von Beginn an eine einzige Kraft gewesen sein, die das alles erschaffen hat, und sich danach teilte. Aber – ohne Akashi hat Kurayami – es war das Gleiche, als ob er tot wäre. Du hast ihn aufgeweckt, indem du die beiden wieder vereint hast. Und dann getrennt. Kurayami konnte diese Trennung nicht ertragen, er musste aktiv werden. Darum – darum ist es wieder wie zu Anfang.“ Und vielleicht würden die schon zerstörten Galaxien, nein ganz sicher würden sie wieder aufs Neue entstehen. Murata wusste, das Shinou hin hören konnte. Auch Akashi. Kurayami würde ihn auch hören, aber er wollte ihn nicht hören. Yuri lebt. Akashi willst du zurück in seinen Körper? Willst du Kurayami wieder verstoßen und sich selbst überlassen für die nächsten mehreren Millionen von Jahren? Ist es das, was du vor hast? Was du vielleicht tun musst? Murata wusste es nicht. Aber – Yuri lebt. Er hätte nie geglaubt, dass er darüber so glücklich sein würde. Mehr noch, als darüber, das beide – Licht und Dunkelheit - wieder im Gleichgewicht waren. Conrad war so verblüfft, als Kurayami mit Yuri auf den Armen an ihnen vorüber ging, das er nicht aufpasste und Wolfram losließ. Aber zum Glück erging es seinem Bruder nicht anders. Was hatte das zu bedeuten? Und überhaupt, irgendetwas war anders an Kurayami. Sein braunen Augen mit den silbernen Sprengeln trafen auf smaragdgrüne, die ihn ratlos ansahen. Conrad wurde bewusst, das sein Ausdruck der Gleiche sein musste. Ich muss mich zusammen reißen, dachte er. Denn er hatte es deutlich gesehen. Für beide. Für Wolfram und für Yuri. Auch wenn er vor Erleichterung am liebsten weinend zusammengebrochen wäre. „Wolfram. Yuri lebt.“ Der süße Mund seines Bruders öffnete sich, als wolle er etwas sagen, aber es kam kein einziger Ton über seine Lippen. Wolfram sprang auf. „Yuri lebt,“ wiederholte er leise. Bedeutete das, Kurayami hatte ihn wieder erweckt? Er musst fragen. „Conrad, Dunkelheit und Licht sind Feinde. Wieso sollte die Dunkelheit dem Licht das Leben zurück geben?“ „Ich – das weiß ich nicht. Aber, er hat es getan. Und da ist noch etwas.“ „Wie? Noch etwas? Was meinst du?“ Ungeduldig sah Wolfram zu seinem Bruder, der immer noch am Boden lag herab. Er hatte keine Zeit. Er musste hinter seinem Verlobten her. Nicht, dass dieser sich nochmal küssen ließ. Vor allem nicht von einem anderen, egal wer das sein mochte, solange es nicht er selbst, Wolfram, war. „Das weiß ich selbst nicht.“ „Pah!“ Conrad hatte ihn nur unnötig aufgehalten. Wolfram rannte hinter Yuri und Kurayami her. Erinnerung ---------- Kurayami hörte die Worte und Gedanken. Es war nichts Neues oder Besonderes für ihn, missverstanden zu werden und es kümmerte ihn auch nicht. Solange es Akashi gab, war alles in Ordnung. Und sollte es ihn irgendwann nicht mehr geben, dann war es beruhigend, zu wissen, dass es auch ihn nicht mehr geben würde. Flashback „Wir müssen uns trennen, Geliebter.“ Akashis Stimme klang traurig, aber bestimmt. Damit hatte Kurayami schon gerechnet. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Und obwohl er es wusste, fragte er dennoch: „Wieso?“ „Als ob du es nicht wüsstest. Hast du vergessen, dass ich ein Teil von dir bin? Ich fühle und weiß das Gleiche wie du.“ „Wenn wir uns trennen, dann – wird es anders sein. Dann können wir nie wieder zusammen sein, Akashi. Du sagst, du fühlst wie ich. Dann muss es dir doch genauso unmöglich sein wie mir, dich von mir zu trennen.“ „Die Bäume, die ich zum Blühen erbringe, sterben sofort, sobald sie von deiner Kälte berührt werden. Selbst die Sonne wird kalt. Wir hatten so viel Arbeit, sie aus Feuer zu erschaffen. Und ich rede nur von einem Planeten. Die Sonne ist gestorben. Und mit ihr fast alles Leben.“ „Dann war es eben nicht wert, gelebt zu werden. Die Sonne wurde zum Mond. Na und? Tod und Leben ist das Gleiche. So wie du und ich.“ „Ich denke trotzdem anders.“ „Wieso? Ich verstehe es nicht. Wann hast du angefangen, anders zu denken, als ich? Fühlst du auch anders?“ „Nein, ich fühle die gleiche Liebe zu dir, wie du zu mir, das hat sich nicht geändert. Aber andere Gefühle haben sich verändert. Und auch mein Denken, ja. Das Leben sollte hochgehalten werden.“ „Ich verstehe nicht, wieso? Eben habe ich dir doch gesagt – du weißt es doch selbst, Akashi.“ „Schon. Und trotzdem, das Leben ist kurz, der Tod lang. Darum hat sich meine Ansicht geändert. Außerdem, ich sehe die Schönheit, im Licht. Du kannst sie nicht erkennen in der Dunkelheit. Wir sind nun mal Gegensätze. Wenn du Wasser bringst, bringe ich Dürre. Wo du Dunkelheit hinschickst, sende ich Licht. Es geht nicht. Wir müssen es getrennt tun.“ Kurayami schwieg. Er wusste, Akashi hatte recht. Ihre Existenz war sinnlos, solange alles was sie taten sich wieder in Nichts auflöste. Durch ihre Gegensätzlichkeit. Und trotzdem - „Wir haben eine Sache gemeinsam. Unsere Liebe. Lass uns zusammen bleiben, der Rest kann uns egal sein.“ Akashi seufzte. Warum machte es ihm Kurayami so schwer? „Auch wir werden vergehen, wenn wir nichts mehr tun.“ „Nein, wir sind unsterblich.“ „Mit vergehen meinte ich nicht sterben. Aber wir – werden nur noch vor uns hin vegetieren.“ Er sah zur Erde. „Genau wie die Pflanzen dort.“ „Vegetieren und Existieren. Aber ich kann ohne dich nicht sein, Akashi, das weiß ich. Ich habe Angst.“ Akashi lachte. „Das ist das, was du als Dunkelheit verbreitest, wenn es dir schlecht geht. Angst.“ Kurayami schwieg. Nach einer Weile sprach Akashi weiter. „Es gibt eine Möglichkeit. Eine kleine Chance uns zu treffen. Auch wenn wir nie mehr zusammen sein können. Wenigstens – können wir uns dann sehen. Wenn auch nur einen Augenblick, aber es ist besser, als gar nichts.“ „Erklär es mir.“ „Wenn du dich zur Ruhe begibst, werde ich aktiv werden. In dieser Sekunde können wir uns wenigstens aus der Ferne sehen.“ Kurayamis Herz wurde schwer und noch dunkler. „Einverstanden.“ Flashback Ende Wie viel Zeit war vergangen? Er wusste es nicht. Und was sollte er mit Yuris Körper? Sein Blick glitt zum Fenster. War es nicht egal, ob er ihn auf den Armen trug oder hinauswarf? „Was soll das? Du hast dich wirklich verändert.“ „Und? Wessen Schuld ist das?“ „Ich bin doch hier. Ich war niemals weg. Aber anscheinend hast du das niemals wirklich verstanden. Yuris Körper würde am Fenster zerschmettert werden, wenn du versuchst ihn raus zu werfen.“ „Ist das wirklich der einzige Grund?“ „Kurayami, du vertraust mir nicht mehr?! Ich übernehme. Gib her.“ Kurayami zog sich zurück. Er wollte Akashi ja gerne vertrauen, und er wusste, das er ihn liebte. Aber er wusste auch, dass Akashi ihn wieder verlassen würde. - Ich war niemals weg. - Wenn er das nur auch so empfinden könnte. Akashi, der jetzt Kurayamis Körper steuerte, klappte mit seinem Willen die Lehnen zwischen den Sitzen im Abteil hoch und legte dann Yuri darauf. Dann befestigte er ihn mit unsichtbaren Seilen. Zuallerletzt zog er noch einen Schutzkreis um ihn. So würden normale Menschen ihn nicht sehen können, und alle die ihn sehen konnten, konnten ihm dennoch, oder besser seinem Körper nichts tun. Er brauchte ihn noch. Akashi wusste, wie sehr Kurayami unter ihrer Trennung litt. Er selbst hatte sich damit aber abgefunden. Das Leben auf den verschiedensten Planeten war schön. Er sah ihm gerne zu. Und immer wenn der Tod auftauchte, dann war Kurayami in seiner Nähe. Akashi war damit zufrieden und glücklich. Aber Kurayami war es nicht. Trotzdem durften sie deshalb nicht egoistisch sein. Letztendlich wäre das auch ihr eigener Untergang, selbst wenn es Kurayami nicht interessierte. Wolfram kam ins Abteil gestürzt. Sofort fiel sein Blick auf Yuri und er rannte auf ihn zu und nahm seine Hand. Wolfram wollte Yuri nichts Böses, darum konnte er ohne Probleme die magische Grenze passieren. Erleichtert seufzte er auf, als er die Wärme spürte. „Yuri, Yuri wach auf,“ forderte er energisch und schüttelte dessen Hand. „Ich weiß, das Geduld nicht deine Stärke ist. Wolfram. Aber es wird dir nichts anderes übrigbleiben. Du musst noch etwas warten.“ Wolfram warf Kurayami einen finsteren Blick zu und riss dann erstaunt die Augen auf. Kurayami lächelte warmherzig. Die Kälte und Gnadenlosigkeit war aus seinen schwarzen Augen verschwunden, mehr noch, als das – es waren – Yuris Augen, oder nicht? Conrad und Gisela, die sich vor dem Abteil aufgehalten hatte, kamen nun ebenfalls herein. „Yuri?!“ flüsterte Wolfram so leise, das nur Akashi ihn hören konnte. Verwirrt sah Wolfram auf Yuris Körper und wieder in Akashis Augen. Stark genug ----------- Wolfram nickte nur und setzte sich wortlos auf die Bank, wo er Yuris Kopf in seinen Schoß bettete. „Wir werden die Grenze bald erreicht haben,“ sagte Akashi ruhig und setzte sich ihnen gegenüber. „Von dort aus fliegen wir nach Japan.“ Auch Gisela und Conrad hatten die Veränderung des Königs bemerkt. Sie beobachteten ihn schweigend, wie er die Augen schloss und sich im Sitz zurücklehnte. „Du wirst mich wieder allein lassen. Das ist es, was du vorhast, habe ich recht, Akashi? Zum Wohle aller, nur nicht zu meinem.“ „Es ist seltsam, wirklich seltsam, das man am meisten die verletzt, die man liebt, die die man am allerwenigsten verletzen möchte,“ antwortete Akashi mehr zu sich selbst. „Die, die man beschützen möchte, vor Verletzungen.“ „Also bleibt mir keine andere Wahl, als mich damit abzufinden,“ resignierte Kurayami. „Nein. Du irrst. Hast du es nicht bemerkt? Hast du nicht gemerkt, das wir immer stärker geworden sind? Aber alles was wir getan haben war, neue Galaxien, Universen und Sterne zu schaffen. Dabei – ist es längst genug. Es war schon lange genug.“ „Was genau – planst du?“ Kurayami wagte kaum zu hoffen. Schon zu lange hatte er mit seinem mit ihrem Schicksal leben nein vegetieren müssen. „Wir trennen uns wieder. In Licht und Dunkelheit. Aber ein kleiner Teil von uns ...“, Akashi sah liebevoll auf Yuris Körper, „..wird wieder zu Yuri werden. Es wird genug sein. Genug um das Gleichgewicht zu halten. Genug, um zusammen zu sein. In ihm. So wie vorher. Und ganz egal wie klein dieser Teil auch sein mag, es wird trotzdem genug sein.“ „Wir werden die Grenze und somit unser Zielort in etwa zwanzig Minuten erreicht haben, Majestät,“ wurde Akashi von Conrad informiert, der beschlossen hatte, sich etwas vorzuwagen. „Ausgezeichnet. Steht der Privatflieger bereit? Wissen Sie das, Conrad?“ Conrad entspannte sich und sah Wolfram an, der immer noch nicht die Augen von dem dunklen König abwenden konnte und bisher kein Wort gesagt hatte, was sehr ungewöhnlich für seinen kleinen Bruder war. „Jawohl. Selbstverständlich. Es wird alles so sein, wie ihr es befohlen habt,“ antwortete ihm Conrad und sah ihn dabei wieder an. Es gehörte sich schließlich nicht, in eine andere Richtung zu sehen, wenn man sich mit jemandem unterhielt. Besonders nicht, wenn es der oder die Erschaffer von Allem waren. „Sehr gut. Conrad,“ meinte Akashi plötzlich mit einem sanften Tonfall. „Du kannst von dort aus wieder zurückkehren. Mit meiner Kraft ist das kein Problem.“ Conrad war irritiert. „Warum sollte ich das tun? Majestät?“ „Du könntest etwas sehen, was du vielleicht lieber nicht sehen willst.“ „Und – was wäre das?“ Aber Akashi antwortete ihm nicht mehr. „Wo wird unser Zielort sein,“ mischte sich endlich Wolfram wieder zu Wort. „Du willst nicht nach Tokyo oder? Also ...“ Fassungslos starrten Gisela und Conrad ihn an. Wie konnte er es wagen, den dunklen König einfach zu duzen? Aber der schien das gar nicht zu bemerken. Als sei nichts Besonderes gewesen antwortete: „Wir fliegen nach Kyoto.“ „Nach Kyoto? Aber warum?“ „In Kyoto sammelt sich die größte spirituelle Kraft. Dort wird es sehr viel einfacher für uns sein. Das zu tun, was wir tun wollen. Nein. Was wir tun müssen,“ antwortete Akashi einfach und doch geheimnisvoll. Seine schwarzen Haare verbargen nun seine Augen. „Conrad,“ wandte er sich wieder an den Schwertkämpfer. „Wenn du dich entscheiden solltest, zurück zu kehren, dann sage Shinou folgendes, wage es nie wieder etwas Heiliges zu berühren. Wage es nie wieder, dich in Kräfte einzumischen, die so viel stärker sind, als deine eigenen.“ Conrad nickte leicht. Er hatte aber schon lange entschieden, nicht von Yuris Seite zu weichen. Auch wenn dies sein Tod bedeutete. Er würde es dem König später mitteilen. „Ich weiß, was du denkst,“ flüsterte Akashi leise. Dann sah er auf. Direkt in Conrads Augen. „Ich habe auch nichts anderes von dir erwartet, wenn ich ehrlich sein soll.“ „Mein einziger Wunsch ist es, an Yuris Seite zu sein und ihn zu beschützen, bitte gewährt ihn mir,“ sagte Conrad ebenso leise. „Dann soll es so sein,“ seufzte Akashi. Wolfram sah seinen Bruder scharf an. „Glaubst du, ich könnte Yuri nicht glücklich machen? Er hat um meine Hand angehalten, ich bin sein Verlobter, schon vergessen?“fragte er provokativ. Conrad lächelte. „Das weiß ich. Ich werde euch beide beschützen.“ „Pah, als ob wir deinen Schutz bräuchten. Ich allein werde Yuri beschützen, das ist meine Pflicht.“ Wolfram schnaubte mit Genugtuung. Er hatte die Dinge nun klargestellt. Schmunzelnd sahen Gisela und Conrad ihn an. Alles würde gut werden, da waren sie sich sicher. „Du hast es gehört, Shinou. Oder?“ Murata sah in den Sonnenaufgang. „Ich finde, Akashi hat recht.“ „Das finde ich auch,“ antwortete Shinou so, das nur der Daikenja ihn hören konnte. „Ich habe schon viel zu lange an diesem Leben festgehalten.“ „Was soll das heißen?“ Murata war alarmiert, aber insgeheim konnte er nicht anders, er musste Shinou zustimmen. „Keine Sorge. Ich bleibe noch etwas. Ich möchte zu sehen, wie Yuri das Land regiert.“ „Aber wirst du dich auch raus halten.“ Murata bezweifelte, das Shinou das überhaupt konnte. „Ja. Ich bin besiegt. Ich werde mich nicht mehr einmischen, in gar nichts mehr, was die Lebenden oder auch die Toten betrifft, das verspreche ich.“ Murata schwieg eine Weile, dann dachte er: „Ich werde auch nach Kyoto gehen.“ „Ist das so einfach?“ Murata musste schmunzeln. „Aber sicher doch. Du bist wirklich ein Fossil geworden, Shinou. Ich werde mich mit Bob in Verbindung setzen. Alles wird gut.“ „Ja.“ Treffpunkt Kyoto ---------------- Das altmodische Telefon klingelte auf dem protzigen Schreibtisch im Büro, aber Bob ging nicht dran. Er überließ es lieber seiner Angestellten. Stella wusste Bescheid, ohne dass ihr Chef ihr einen Befehl geben musste. Sie ging auf den Schreibtisch zu und hob den Hörer ab. „Hier bei Bob. Hallo,“ sagte sie kurz aber energisch. „Murata Ken. Kann ich mit Bob sprechen? Ich habe eine Bitte!“ Normalerweise hätte Stella die Person nach ihrer Bitte genauestens befragt, aber es war der Daikenja. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren reichte die blonde Schönheit Bob den Hörer. Auf seinen fragenden Blick hin, antwortete sie: „Murata Ken.“ Bob nickte. „Hm.“ Dann nahm er den Hörer. „Ja, Ken?“ „Bob, ich muss so schnell wie möglich nach Kyoto.“ „Hm. Verstehe, also ist er dorthin unterwegs.“ Nachdenklich rieb er sein Kinn. Von einem Informanten und gleichzeitig einem seiner Untergebenen bei der NASA wusste er, dass das Sterben der Sterne aufgehört hatte. Die Menschen glaubten, es wären einfache Meteoritenschauer, die in der Ferne zu sehen waren. Von der tatsächlichen Gefahr hatten sie keine Ahnung. Die Hochintelligenten, die dort arbeiteten. Im Gegenteil, fasziniert und ohne jeden Argwohn hatten sie dem Geschehen zugesehen und es sogar aufgezeichnet. „Ja. Können Sie mir helfen, Bob?“ Bob überlegte wieder. Er war kein Mann, der spontane Entscheidungen traf, dazu hatte er schon viel zu lange gelebt. Und gearbeitet. „Was ist mit Yuri Shibuya,“ wollte er wissen. Bob wusste, wenn Yuri etwas passiert war, gab es für dessen Bruder keinen Grund mehr, sein Nachfolger zu werden. Solange es Yuri gab, würde Shori jede Kraft nehmen und haben wollen, oder sich erarbeiten, egal wie schwer sie erlangen war, um Yuri zu beschützen. Murata zögerte kurz. Er wusste es selbst nicht genau. Was genau hatten Kurayami und Akashi vor? Mit Yuri. „Er lebt.“ antwortete er schließlich. Sein Zögern beunruhigte Bob. „Gut. Geh zum Flughafen, dort steht ein roter Jet der Marke Dämonenflug. Gib dich einfach zu erkennen, ich rufe an und sage, das du kommst.“ „Ich danke Ihnen sehr,“ Murata war erleichtert. Aber er hatte auch nicht wirklich mit einer Absage von Bob gerechnet. „Keine Ursache. Ich hoffe, alles geht gut.“ „Ja. Ich auch. Schließlich ist Yuri mein bester Freund.“ Murata wollte das eigentlich gar nicht sagen, aber jeder kam ihm so verdammt egoistisch vor, das er es einfach sagen musste. Man hatte von ihm verlangt, seinen Freund stillschweigend zu entführen und bei seiner Opferung zuzusehen. Aber keiner hatte sich oder ihn selbst, wirklich gefragt, wie es ihm damit ging. Und nun spürte Murata eine kurze aber heftige Wut in sich aufsteigen. Ken legte den Hörer auf und machte sich auf den Weg. Am anderen Ende hielt Bob noch nachdenklich den Telefonhörer in der Hand. „Alles in Ordnung, Chef?“ „Ja.“ Bob legte den Hörer zurück auf die Gabel. „Alles in Ordnung Doktor.“ Er hoffte wirklich, das es so war. Das Telefon klingelte wieder. Die Sekretärin warf einen Blick auf das neumodische Display, mit dem der altmodische Apparat verbunden war. „Es ist Shori Shibuya, soll ich...“ „Noch nicht.“ Shori wusste, irgendetwas stimmte nicht. Und Bob konnte er nicht erreichen. Genauso wenig, wie den Freund seines Bruders. Aber er hatte niemanden sonst, den er fragen konnte, also würde er auch nicht aufgeben, und solange anrufen, bis er Antworten auf seine Fragen bekam. Akashi wollte eigentlich selbst Yuri tragen, aber als er in Wolframs besorgtes Gesicht sah, musste er lächeln. Nein, er konnte dem blonden Feuerdämon Yuri nicht wegnehmen. Nicht jetzt, nachdem dieser ihn endlich wieder zu haben glaubte. Er war sicher bei Wolfram. Akashi vertraute ihm. Dann sollte es eben so sein. Begleitend links und rechts von Gisela und Conrad schritt der schwarze König auf das Flugzeug zu. Wolfram trug Yuri auf den Armen und schritt energisch voran. Auch mit der Last auf seinen Armen, wollte Wolfram kein Anzeichen von Schwäche zeigen. Dazu war er einfach zu stolz. Akashi blieb dicht hinter ihm. Für alle Fälle. Nur zwanzig Minuten später hob der Privatjet seine kostbare Fracht in die Höhe. Auch hier blieb Akashi in Yuris Nähe. Die Höhe wäre kein Problem für ihn. Falls es einen Notfall geben sollte, und das war das letzte was er jetzt gebrauchen konnte. Die Grenze und die Wachen am Flughafen waren kein Problem gewesen. Akashi hatte sie nur kurz angesehen. Sie wussten nicht mal, das und geschweige denn wer an ihnen zuerst vorbeigefahren und dann gelaufen war. „Wir sind bald da, Kurayami. Halte dich bereit.“ „Natürlich.“ Murata war ganz schlicht mit der U-Bahn gefahren. Er war kurz aufgehalten worden, als die Aufsicht am Flughafen nach seinen Eltern fragten, aber Murata hatte einfach gesagt, sie wären schon vorausgegangen, ein Privatflug mit der Linie Dämonenflieger. Die Aufsicht wusste, dass das nur privilegierten Leuten erlaubt war und hatten ihn durchgelassen. Murata bat den Pilot alles zu tun, damit sie mit den anderen zur gleichen Zeit in Kyoto landen würden, wenn schon nicht früher. Im Tempel --------- Endlich ertönte die Stimme des Flugkapitäns, dass sie sich anschnallen sollten. In wenigen Minuten würden sie im Itami Airport landen. Akashi hatte die Beine übereinander geschlagen und kümmerte sich nicht weiter um die Ansage. Auch von den anderen Fluggästen war keiner daran interessiert den Anweisungen des Kapitäns Folge zu leisten. Die Stewardess hielt sich schon lange im Hintergrund und kam nur noch, wenn man ausdrücklich nach ihr verlangte. Wolfram hatte Yuris Kopf auf seinem Schoss liegen und streichelte dessen Haar und Conrad wusste nicht genau, was ihn erwartete. Also saß er auch bewegungslos da und ließ nur den rechten Fuß wippen. Ein Glück, das Wolfram nur seekrank und nicht auch noch flugkrank wurde. Das Flugzeug senkte sich ungewöhnlich sanft, fast spürte man nichts. Irritiert sah Conrad zu Akashi. Ob der bei der Landung vielleicht mithalf? Es war bei weitem nicht Conrads erster Flug. Sogar das helle nervige Geräusch fehlte. Fast wie ein Vogel, dachte er und sah wieder aus dem Fenster. Langsam konnte man immer besser die Landebahn erkennen. Auch andere Flugzeuge, allesamt Privatflieger. Oder lag es an dem Privatflugzeug? Conrad sah wieder zu Akashi, aber der hatte nur die Augen geschlossen und lächelte sanft. Hätte er anders ausgesehen – ja, das war die gleiche Haltung wie die von Julia. Conrad fühlte sich in Sicherheit. Auf der einen Seite, auf der anderen Seite hatte er jetzt schon Angst davor, wenn die beiden wieder ihre Plätze tauschen würden und Kurayami auftauchte. Lieber nicht anstarren. Womöglich beschwöre ich ihn sonst noch herauf. Die Landung ging ohne Zwischenfall vonstatten. Natürlich auch alles weitere. Niemand sprach sie an, niemand schien sie überhaupt zu sehen. Vermutlich eine magische Barriere. Andernfalls konnte sich Conrad nicht erklären, weshalb nicht wenigstens mal einer zu ihnen hersah, als Wolfram Yuri auf den Armen aus dem Flughafengebäude trug. „Es ginge viel schneller, wenn wir alleine wären,“ meinte Kurayami. „Ja. Aber wer kümmert sich um Yuri wenn wir weg sind?“ „Ich verstehe nicht, was uns das angehen sollte.“ „Sehr viel. Mehr als du jetzt denkst. Du weißt doch, was wir vorhaben, oder immer noch nicht?“ Ein Brummen kam als Antwort, dann Schweigen. „Von hier aus fahren wir mit dem Taxi zum Bahnhof...,“ wollte Akashi gerade erklären, als er laute und schnelle Schritte hinter ihnen hörte. Alle drehten sich um und sahen einen jetzt schon verschwitzten Daikenja auf sich zu gerannt kommen. Als er sie endlich erreicht hatte legte er beide Hände auf die Oberschenkel und schnappte vornübergebeugt nach Luft. „Ein Glück. Ich hab es geschafft und euch gefunden,“ keuchte er abgehakt. „Was machst du hier?“ fuhr Wolfram ihn an. Ken hatte sich wieder erholt. „Helfen.“ „Helfen? Wie?“ Auch Conrad war misstrauisch. „Hat Shinou dich geschickt?“ „Nein,“ Murata schüttelte den Kopf. „Schon vergessen? Yuri ist mein bester Freund.“ Conrad funkelte ihn böse an. „Vergessen! Davon habe ich nie etwas bemerkt.“ „Beruhigt euch. Sofort. Es ist gut, das der Daikenja da ist,“ meinte Akashi bestimmt und ging auf ein Taxi zu. „Hm, am besten wir nehmen zwei.“ Murata und Wolfram gemeinsam mit Yuri setzten sich auf die Rückbank während sich Akashi neben den Fahrer setzte. Das zweite Taxi würde ihnen sicher folgen, und wenn nicht war es auch nicht schlimm. „Zum Kintetsu Nara Bahnhof,“ sagte Akashi knapp und schnallte sich an. Conrad saß mit Gisela im zweiten Taxi. Die Fahrt von ihnen als auch die Fahrt von dem Taxi vor ihnen war ziemlich abenteuerlich. Entweder ließ Akashi den Fahrer einfach machen, oder die beiden hatten schon getauscht. Beim Bahnhof stieg Akashi aus, er kümmerte sich keinen Deut um die Bezahlung. Conrad wollte das schon übernehmen als er sah, dass Murata bezahlte. Er bezahlte seinen eigenen Fahrer und sah sich nach Akashi um. Wolfram stand in seiner Nähe und hatte mittlerweile sichtlich Mühe, Yuri noch länger mit sich herum zu tragen. Aber das musste er auch nicht. Akashi ging auf einen Bus zu und stieg ein. Wolfram folgte ihm und belegte die gesamte Hinterbank. Ken setzte sich vor Wolfram und hinter Akashi und Conrad hatte beschlossen, endlich zu fragen wohin es eigentlich gehen sollte und warum. Also setzte er sich neben Akashi. „Wohin fahren wir?“ „Zum Tempel.“ „Ja, aber zu welchem und wozu?“ Akashi antwortete nicht sofort. Schließlich sagte er: „Zum Horyuji Tempel. Eine der besten historischen Stätten in Japan. Sogar der weltweit Älteste mit hölzerner Struktur. Wir werden zwei Stunden unterwegs sein.“ „Und was tun wir dort?“ „Ihr werdet gar nichts tun, sondern vor dem Tempel warten bis die Sonne untergeht.“ An Akashis Tonfall konnte man hören, dass er nichts weiter darüber sagen würde. Und – ob es Yuri danach gut gehen würde, das wagte Konrad nicht zu fragen. Zwei Stunden später standen sie vor jenem Tempel. Er war tatsächlich aus Holz und man konnte sehen, das er nach der alten Tradition gebaut war. Akashi sah ihn seltsam verträumt an. Minutenlang bewegte er sich nicht. Dann schnipste er mit den Fingern und Yuri löste sich wie von Zauberhand aus Wolframs Klammergriff und schwebte in der Luft. „Ihr werdet hier warten.“ Es waren zwei Stimmen. Und sie klangen wie ein Echo. Eine Stimme klang wie das Echo der anderen. Total unheimlich. Der Protest auf Wolframs Lippen erstarb. Das hier war nicht der richtige Zeitpunkt für Besitzansprüche oder Eifersuchtsszenen. Der blonde Dämon spürte das. Akashi/Kurayami und Murata liefen Seite an Seite zu dem Gebäude, in der Mitte schwebte Yuri. Ein bizarrer Anblick. „Wieso darf der mit, aber ich nicht?“ murrte Wolfram, kaum das sie außer Hörweite waren. „Ich glaube, Akashi sagte vorhin etwas davon, das der Daikenja hilfreich sein könnte.“ „Pah.“ Das Tor wurde ihnen von zwei Kitsune geöffnet. Beide hatten menschliche Gestalt angenommen, zumindest zur Hälfte und waren schneeweiß. Ein Zeichen dafür, das sie einem Gott dienten. Sie hatten nur einen Schweif, wie Murata feststellte, aber das hatte nichts zu bedeuten. Es konnten genauso gut neun sein. Er hoffte nur, das es keinen unangenehmen Grund hatte, dass sie nur einen zeigten. Nachdem sie eingetreten waren, schlossen die beiden verzauberten Wesen wieder das Tor, drehten sich um und gingen voraus. Akashi/Kurayami und Murata folgten, immer noch Yuri in ihrer Mitte schwebend. Vor einer Tatamimatte blieben sie stehen, griffen nach Yuri und zogen ihn sanft auf die Reismatte. Akashi/Kurayami ließ Yuri los. „Gut fangen wir an.“ Der Körper, der ihnen beide gehörte, streckte seine Arme aus. Zurück ins Leben ---------------- Im Tempel Murata wusste, das es besser war zu schweigen. Akashi/Kurayami musste sich konzentrieren, um das Verhältnis zwischen Dunkelheit und Licht auch wirklich 1 zu 1 herzustellen. Er sah ihnen zu, wie ihr Körper mit der linken Hand eine schwarze Kugel und mit der rechten Hand eine weiße Kugel formte. Eigentlich brauchten sie ihn nicht wirklich. Vielleicht waren sie unsicher? Immerhin war es das erste Mal, das sie einen Seelenanteil von sich abspalteten. Im Vorgarten Wolfram rannte nervös auf und ab. „Wieso darf er rein und ich nicht. Immerhin bin ich mit Yuri verlobt. Es ist meine Pflicht auf ihn aufzupassen. Wer weiß, was die mit seinem Körper treiben, ja genau, im Moment ist er hilflos, o je. Und ich lasse ihn auch noch alleine mit denen da. Warte Yuri, ich komme und rette dich.“ Wolfram wollte schon los spurten, als er sich festgehalten fühlte. „Nein du bleibst hier. Wenn du jetzt reingehst – vielleicht ...“ „Loslassen, sofort,“ schrie Wolfram seinen Bruder an. Gerade jetzt, in diesem Augenblick hasste er ihn richtig. „Bitte kommen sie zur Vernunft, Exzellenz,“ versuchte Gisela Konrad zu unterstützen. „Ihr beide – ihr wisst etwas, hab ich recht.“ Mit leicht paranoidem Gesichtsausdruck sah Wolfram fassungslos von Konrad zu Gisela und wieder zurück. „Ihr steckt mit denen unter einer Decke.“ Nachdem er zu dieser Einsicht gekommen war, wehrte Wolfram sich noch mehr gegen den Klammergriff seines leicht geschockten Bruders. Konrad, der nicht damit gerechnet hatte, auf so viel Widerstand zu stoßen passte einen Moment nicht auf, den Wolfram nutzte um sich zu Boden fallen zu lassen und damit seinem Griff zu entkommen. Sein temperamentvoller Bruder sprang zurück und rannte auf den Eingang des Tempels zu. Im Tempel „Setz dich mit Shinou in Verbindung und schaff uns die drei vom Hals.“ Das war Kurayamis Anweisung. Murata war überrascht. Plötzlich hörte er an der Tür des Tempels ein geräuschvolles Rütteln. Es gab kein Schloss an diesem Tor, dennoch war es so fest verschlossen wie ein Banksafe. „Aufmachen,“ schrie jemand lautstark und Murata erkannte sofort die helle Stimme des Blonden. „O je. Verstehe. Aber – wieso vom Hals schaffen?“ Er bekam keine Antwort. „Wir brauchen die drei nicht mehr.“ Sogar Akashi sprach in dieser Art von den drei Begleitern, die ihnen die ganze Zeit geholfen hatten. Murata fürchtete um ihr Leben, es war besser zu tun, was die beiden Götter wollten. „Shinou, kannst du dich um Wolfram, Konrad und Gisela kümmern, ist das möglich?“ Es war fast schon eher ein Gebet als eine Frage. „In Ordnung, ich werde sie zurückholen, mit Ulrikes Hilfe wird es möglich sein.“ Murata atmete erleichtert auf und sah wieder zu Kurayami/Akashi, deren Kugeln mittlerweile die Größe einer Murmel angenommen hatten. Lange würde es nicht mehr dauern. Und immer noch waren beide gleich groß. Taten sie das Yuri zuliebe oder eher damit sie selbst zusammen bleiben konnten. „Eine Frage.“ Murata musste es wissen. Im Dämonenreich Wolfram brach die Tür auf. Aber anstatt im Tempel auf der Erde landete er in Shinous Grabmal. Durch das plötzliche Nachlassen des Widerstandes war er so überrascht, das er der Länge nach hinfiel. „Was...was hat das zu bedeuten, wo ist Yuri?“ Auch Konrad und Gisela waren entsetzt. „Yuri befindet sich noch im Tempel auf der Erde,“ erklärte Ulrike und kam näher. Wolfram hatte sich wieder gefasst und war aufgesprungen. „Bring mich sofort zurück, Ulrike,“ rief er aufgebracht und ballte die Hände zu Fäusten. „Das Universum ist wieder im Gleichgewicht, die Sonne kehrt zurück, wo sie herkam. Und Yuri kehrt ebenfalls nach Hause zurück.“ „Ich – ich bin Yuris Verlobter. Er ist mir versprochen. Er war bei klarem Bewusstsein, als er mich geohrfeigt hat, er wusste was er tat.“ Zu Wolframs Überraschung kam ihm Konrad zu Hilfe. „Wolfram hat recht. Yuri konnte sich erinnern, darum hat er Wolfram geschlagen. Er hat seine Entscheidung getroffen. Was soll das?“ Ulrike sah zu Boden. „Es tut mir leid.“ Im Tempel auf der Erde Mittlerweile waren die beiden Kugeln groß genug. Licht und Dunkelheit vereinten sie, so dass sie die Größe eines Tennisballs hatten. Dann ließen sie sie los und sie schwebte nach unten auf Yuri zu. War er hier nur gebraucht worden, um die drei Dämonen zurückschicken zu können? Aber im Moment war das ohne Bedeutung. Fasziniert sah Murata zu, wie die Kugel die sich vermischt hatte aus Weiß und Schwarz ganz nach unten schwebte und irgendwie zaghaft in Yuris Körper eindrang. Yuri schnappte nach Luft und hob die Hand. Aufgeregt sah Murata zu Kurayami/Akashi, deren Gesichtsausdruck schon nicht mehr von dieser Welt zu sein schien. Sie sahen zur Decke und Murata hob unwillkürlich den Arm vor sein Gesicht, wie zum Schutz, als er die Kraft spürte, die aus dem Körper zu entweichen schien. Ihr Körper selbst schien zu zerbersten in tausende von golden funkelnden Lichtern, die sich auf Yuris zubewegten. Zurück in ihren ursprünglichen Körper. „Eine Art Astralkörper?“ fragte sich Murata. Von den beiden Schöpfern spürte er nichts mehr, stattdessen setzte sich Yuri mühsam stöhnend auf der Matte auf. Murata half ihm. „Yuri?“ Yuri sah ihn an. „Murata? Wo – wo sind wir?“ „In Japan, in einem Tempel, wie geht es dir, Yuri?“ „Ähm... Kopfschmerzen. In einem Tempel, sagst du?“ „Yuri, woran kannst du dich noch erinnern?“ fragte Murata schnell. „Mh, wir sind in die Schweiz geflogen. Haben uns mit dem Kerl getroffen und dann … dann...weiß ich nichts mehr.“ „Verstehe.“ Alles beim Alten? ----------------- Schon seit drei Wochen war Yuri wieder zuhause und heute zum ersten mal wieder in die Schule gegangen. Ständig fühlte er Muratas besorgten Blick auf sich ruhen. Das nervte. Er lag auf seinem Bett und sah zur Decke. Murata hatte ihm erzählt, das er beim Spiel in der Schweiz einen Ball an den Kopf bekommen hatte und fast eine ganze Woche lang weggetreten gewesen war. Yuri sah zur Schreibtischschublade. Dort lagen die Krankenhausunterlagen, die ihm Murata gegeben hatten, aber mit diesem Medizinerlatein konnte er nichts anfangen beziehungsweise verstehen. Ganz zu schweigen von der ausländischen Sprache. Jedenfalls war er sofort in einem Schweizer Krankenhaus behandelt worden auf Bob´s Kosten. Und als es ihm besser war, zurück nach Japan geflogen worden. Sogar in einem Privatflieger. Aber – er konnte sich nicht erinnern. Außerdem war da noch Muratas seltsames Verhalten, als er gefragt hatte, wieso er in einem Tempel liegt. Er, Yuri, hätte einfach nicht sein Bewusstsein wieder erlangt, also seien sie zum Tempel gegangen, wo Murata gebetet hatte und – oh Wunder – Yuri war tatsächlich zu sich gekommen. Irgendetwas verschwieg ihm Murata, das hatte er im Gefühl. Vielleicht hatte er einen Gehirntumor und nicht mehr lange zu leben oder etwas in dieser Art. Aber mehr als alles andere – es war diese merkwürdige Leere in ihm, von der er nicht wusste woher sie kam und was sie zu bedeuten hatte. Fast jede Nacht schlich er sich aus dem Haus und lief durch die Gegend, suchte nach irgendetwas ohne zu wissen nach was. Das belastete Yuri am Meisten. „Hi, Mama-san,“ rief Murata fröhlich. Er ging hier schon ein und aus ohne Anzuklopfen. „Oh, hallo Ken. Du kommst gerade zum richtigen Zeitpunkt. Hier. Probier mein neues Rezept aus,“ wurde er von Jennifer begrüsst. „Hm, riecht nach Schokolade?“ „Ein neuer Kuchenteig. Selbst zusammengestellt.“ Murata nahm den Löffel, der ihm hingehalten wurde und probierte ein wenig. Eine Weile ließ er den Teig im Mund, dann schluckte er ihn und probierte noch einmal. „Hm, ich glaube etwas Zimt fehlt noch.“ „Ja, nicht wahr. Genau das Gleiche habe ich auch gedacht. Aber ich war mir nicht ganz sicher.“ Yuris Mutter nahm den Löffel wieder zurück den sie Murata gegeben hatte und legte ihn in die Spülmaschine. Singend machte sie sich am Gewürzschrank zu schaffen. „Yuri ist oben.“ „Danke.“ Ken ging um die Theke herum auf die Treppe zu. „Du schon wieder,“ wurde er von Shori unfreundlich begrüßt, der gerade die Treppe hinunter stieg. Murata lächelte freundlich. „Ich wollte Yuri sehen.“ „Vielleicht will er dich nicht sehen.“ „Vielleicht. Sag mal, bist du jetzt erst aufgestanden?“ Shori ärgerte sich. Wäre er nur zuerst ins Bad gegangen aber wer konnte schon ahnen, dass dieser aufdringliche Kerl nun jeden Tag kam? Ohne ein weiteres Wort mit ihm zu wechseln beschloss er ihn einfach zu ignorieren und ging an ihm vorbei in die Essecke. Murata sah ihm lächelnd hinterher. Dann stieg er die Treppe nach oben. Er hatte noch keinen Entschluss gefasst, ob er Yuri einen Teil der Wahrheit sagen sollte, weiterhin ruhig bleiben oder eine andere verdrehte Wahrheit auftischen sollte. Aber er wusste, dass es seinem Freund im Moment nicht gut ging. Das hatte wohl mehrere Ursachen. Vermutlich. Aber welche davon seinem Freund am meisten zu schaffen machte, das wusste er nicht. Im neuen Dämonenkönigreich Wolfram saß vor seiner Leinwand und versuchte sich Yuris Gesichtszüge so genau wie möglich ins Gedächtnis zu rufen. Er hatte schon lange nicht mehr nach den Methoden der klassischen Kunst gemalt, sondern seine Begabung und Begeisterung für die abstrakte Kunst entdeckt. Aber jetzt wollte er ein Foto von Yuri, sozusagen. „Wolfram malt?“ fragte Gwendel kurz angebunden, als Konrad sein Büro betrat. „Ja. Ein Bild von Yuri zu malen ist das Einzige was ihn im Moment trösten kann.“ Gwendel nickte verstehend. „Haben wir mittlerweile eine Nachricht vom königlichen Medium?“ Konrad zögerte. Gwendel sah auf. Mit seinen dunkelblauen Augen fixierte er seinen jüngeren Bruder. „Unser Volk braucht einen König.“ „Das – das weiß ich selbst. Aber für mich und auch für die anderen ist immer noch Yuri der König.“ Tief atmete Gwendel ein und aus. „Und?“ „Nein, keine Neuigkeiten von Shinou.“ Nervös stocherte Gwendel mit seinem Federkiel in dem Tintenfass herum. „Ich frage mich, was das soll. Ein Volk ohne Anführer ist schwach. Was ist wenn wir angegriffen werden? Wer sagt uns dann, was wir tun sollen, wer beschützt uns dann? Keiner. Wir werden wie aufgescheuchte Füchse die ein Huhn sehen in der Gegend umher rennen,“ brummte er und schnaubte anschließend. Konrad konnte ihn verstehen und er wusste selbst nicht, wieso noch kein neuer König ernannt worden war. Aber er selbst würde nur Yuri dienen wollen. Vielleicht war das der Grund für seine leise Hoffnung. Träume ------ „Hey. Du liegst noch im Bett?“ Ken betrat Yuris Zimmer ohne anzuklopfen und stützte empört die Hände in die Hüften. „Herein. Nein, ich liege wieder im Bett.“ „Oh Mann, du bist so langweilig. Seit du einen Schlag auf den Kopf bekommen hast, bist du wie ein alter Mann,“ meckerte Murata ging auf Yuris Bett zu und setzte sich. Seine schwarzen Augen bohrten sich so tief in Yuris Augen, als wolle er bis auf den Grund seiner Seele sehen. „Hör auf so zu glotzen. Sag mir lieber was du willst,“ forderte ihn Yuri auf und setzte sich selber auf. „Dich mal wieder hier heraus holen.“ Murata zückte zwei Karten. „Hier. Die sind fürs Spiel hanki gegen yanki. Vip-Plätze,“ zwinkerte er Yuri zu. „Vip-Plätze, wie?“ Normalerweise wäre er jetzt an die Decke gesprungen. „Hm, nein lass mal. Ich hab keine Lust.“ „Aber wieso denn nicht? Komm schon, sag mir was los mit dir ist. Liebeskummer? Ein Pubertätsding? Was ist es? Deinem alten Freund kannst du es doch sagen. Ich lach bestimmt nicht.“ „Es sind - diese Träume. Und dieses Gefühl, das ich ständig habe.“ Murata horchte auf. „Träume?“ Yuri nickte nur stumm. „Was genau träumst du denn?“ Vielleicht erfuhr er durch Yuris Träume endlich mal etwas Brauchbares. „Na ja, ich weiß es selbst nicht so genau. Immer wenn ich aufwache verschwindet die Erinnerung daran. Und je mehr ich versuche mich zu erinnern, desto schneller verschwindet auch noch der letzte Rest, an den ich mich erinnern kann.“ „Versuch es. Egal an wie wenig du dich erinnerst,“ ermunterte ihn Murata. „Na ja. Ein Gesicht kommt immer wieder vor.“ „Ein Gesicht?! Kannst du es beschreiben?“ „Nicht wirklich. Es ist ein Junge glaube ich. Er sieht aber aus wie ein Mädchen, na ja, nicht wirklich wie ein Mädchen, es ist nur – er sieht sehr gut aus.“ „Oh, sind wir schwul geworden?“ „Natürlich nicht,“ erwiderte Yuri sofort erbost. „Ich wusste es, ich hätte es dir erst gar nicht sagen sollen.“ Eigentlich gibt es nur einen, der so ein Gesicht hat, dachte Murata. „Hab dich nicht so, ich hab doch nur Spaß gemacht.“ „Das ist nicht komisch.“ „Nein, anscheinend nicht,“ Muratas Stimme klang nun auch ernst, so dass Yuri ihn erstaunt ansah. „Kannst du ihn ungefähr beschreiben? Vielleicht war es ja ein Spieler der Schweizer Mannschaft?“ Langsam schüttelte Yuri den Kopf. „Um ehrlich zu sein, ich kann mich an dieses Spiel überhaupt nicht erinnern. Nicht an eine Sekunde. Und auch an das davor, da ist so gut wie alles weg. Ich weiß noch, wie wir dort angekommen sind, und wie wir zum Essen gegangen sind, aber ab dort ist alles nur noch schwarz. Und das Gesicht, ich kann es nicht beschreiben, aber es war kein Japaner. Blonde Haare.“ „Na ja, es gibt auch ein paar blonde Japaner,“ witzelte Murata. „Ha ha. Er ist kein Japaner.“ „Und weiter?“ „Ich sagte doch, ich kann es nicht beschreiben.“ „Ich meinte nicht das Gesicht. Gibt es sonst noch was, woran du dich erinnerst.“ Sehr zögerlich nickte Yuri endlich. „An was?“ fragte Murata angespannt. „Wir streiten uns. Ich habe ihn sogar geschlagen.“ „Du hast ihn verprügelt?“ „Nein, ich hab ihn geohrfeigt. Aber – es ist alles so verschwommen. Es ist so komisch. Es ist, als ob diese Ohrfeige – wie soll ich das sagen, als wäre sie – in Ordnung gewesen. Ich weiß, wie abgedreht das klingt, aber – na ja.“ Yuri schwieg. „Eine Ohrfeige?“ fragte Murata nach in der Hoffnung, Yuri würde weiter reden. Aber der nickte nur. Anscheinend kam er hier nicht mehr weiter. „Na schön, gibt es noch andere Träume?“ „Nein, es ist immer der gleiche Traum.“ „Und wegen eines Traumes bist du so deprimiert?“ „Murata, du bist mir keine Hilfe.“ Yuri legte sich wieder hin und drehte ihm den Rücken zu. „Hey, was ist mit dem Spiel. Was glaubst du, was diese Karten gekostet haben?“ Murata hatte vermutlich recht. Wahrscheinlich hatte er sein ganzes Taschengeld dafür ausgegeben. Nur um ihn, Yuri, etwas aufzuheitern. Ich sollte mich echt mal zusammen reißen, dachte sich Yuri. „Schon gut. Tut mir leid, ich komme ja mit.“ Aber es gelang ihm beim besten Willen nicht, so zu tun als würde er sich darüber freuen. „Na prima, dann hol ich dich morgen ab, okay?“ Murata ließ sich nicht anmerken, ob er enttäuscht über Yuris mangelnde Begeisterung war oder nicht. „Ja, gut.“ „Fein. Dann bis morgen,“ rief Murata gut gelaunt und sprang auf. Draußen auf dem Flur blieb er stehen. Konnte es wirklich sein, das Yuri Wolfram vermisste? Das war nun das letzte womit er gerechnet hatte. Und er hatte noch etwas gespürt. Etwas, was er persönlich für viel gefährlicher hielt. Yuri hatte auch ganz eindeutig einen Magiestau. Murata musste einen Weg finden, um Yuris Magie abzubauen. Aber eigentlich ging das auf der Erde nicht. Auf der Erde konnte es für Yuri schlimm enden, wenn er Magie einsetzte in diesem Zustand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)