Die Geflügelte Schlange - Aufstieg von Erzsebet (* * make love, not war * * - Teil 1) ================================================================================ 28. Bekenntnisse ---------------- Nefut räumte mit Oremars Hilfe in aller Eile den großen Zeltraum frei, der sonst wohl der Priesterschaft des Ungenannten als Versammlungsraum diente, dann stellte er auf Amemnas Befehl einen Klappstuhl als Thron für ihren unirdischen Birh-Melack auf. Er war mit wunderbaren Schnitzereien verziert, die zum Teil vergoldete Szenen aus den Gärten der Freude darstellten, und stand nun an der Stirnseite des Zeltes vor einem prächtig bestickten Tuch, das sehr passend die Kinder des Ungenannten in Lebensgröße zeigte, die mit ihren Flügeln den Ungenannten abschirmten, damit die Sterblichen hier im Zelt des Ungenannten nicht von seinem Anblick geblendet wurden. Während dessen hatte Derhan den Jungen in den kostbaren Gewändern untersucht. Anscheinend war er unverletzt, wenn auch nicht ganz bei sich. Hamarem hatte ihn gesäubert und in der linken Zeltecke hinter dem Thron zwischen Decken gebettet. Auf Nefuts Wink nahmen die Mawati schließlich als Amemnas Leibwache Aufstellung neben dem Thron, während Amemna sich darauf niederließ. Sie hatte den Helm des ehemaligen Melack neben sich auf den Boden gestellt, vermutlich, damit ihre weißen Haare zu sehen waren. Und nun nahm sie huldvoll die Treueschwüre der Befehlshaber von Reitern und Fußtruppen der Söldnerschar entgegen. Nefut bezweifelte, daß sie die Tragweite ihres Amtes voll erfaßte, da sie so bereitwillig die Akklamation, die von dem bisherigen Birh-Melack angestiftet worden war, angenommen hatte. Falls es ihr nicht gelang, die Lage der Söldner zu verbessern, würde der Mob als nächstes sicher versuchen, sie dem Ungenannten zu opfern. "Ich danke euch allen fürr euerr Vertrrauen in meine Führrung", sagte sie schließlich und erhob sich von ihrem Thron. "Setzt euch, damit wirr überr das weiterre Vorrgehen berraten können." Sie selbst wandte sich zu Nefut um: "Besorrge Tee fürr meine Rratgeberr", befahl sie Nefut und setzte sich dann vor ihrem Thron auf den Teppich. "Laßt uns berraten." Nefut gab den Befehl an die Mawati weiter, blieb selbst neben dem Thron stehen, eine Hand mit verschorften Knöcheln auf dem Schwertheft. Die Mawarim und Wunakim des Söldnerheeres setzten sich, ausgehend von ihrem Birh-Melack, zögernd in einem annähernd ovalen Rund auf den Boden und Hamarem und Oremar beeilten sich, den Städtern, die nicht an die Lebensart der Oshey gewöhnt waren, Kissen zur Bequemlichkeit zu bringen. Dann verteilten sie Teeschalen und Derhan kam endlich mit zwei Kannen, deren Inhalt er und Hamarem verteilten. Der ehemalige Birh-Melack hatte sich rechts neben Amemna gesetzt und begann: "Wir müssen versuchen, die Verhandlungen mit den Tetraosi fortzuführen. Noch steht unser Leben hier auf Messers Schneide." Die anderen Männer nickten dazu. Die Situation für die Söldner hatte sich durch den Wechsel in der Führerschaft nicht im Geringsten geändert. Nur waren die Erwartungen an den Birh-Melack wohl gestiegen, da es sich bei Amemna ja um einen Unirdischen mit Zauberkräften handelte. "Und wir müssen dafür sorgen, daß die Ruhe im Lager erhalten bleibt", warf ein Mawar der Fußtruppen ein. "Dafür sollte man wieder Lagerwachen einsetzen." Auch dazu nickten die Befehlshaber wieder. "Die Männer wollen ihr Geld. Wir sollten versuchen, bei den Tetraosi eine Anstellung zu erhalten und uns nicht mit freiem Abzug abspeisen lassen", ließ sich ein Wanack schließlich vernehmen. * Nach kurzer Zeit waren die Lagerregeln der Hannaiim ausdrücklich wieder in Kraft gesetzt und eine Lagerwache, die zur Hälfte aus Fußtruppen und zur Hälfte aus Reitern bestand, aufgestellt worden. Und Amemna diktierte dem ehemaligen Melack ein von den Befehlshabern gemeinsam verfasstes Schreiben an den König von Tetraos, in dem um weitere Verhandlungen gebeten wurde, da insbesondere angesichts des drohenden Wassermangels die Lage im Heerlager nicht als dauerhaft stabil anzusehen sei und um die zurückgelassenen Besitztümer der Priester und Kaufleute gefürchtet werden müsse. Viele der Männer verabschiedeten sich mit einem Handkuß bei ihrem unirdischen Birh-Melack, die sich geweigert hatte, das Untergewand mit den blutbespritzten Ärmeln gegen ein sauberes zu tauschen, wohl um alle daran zu erinnern, welchem Umstand sie ihr Amt verdankte. Und endlich waren die Mawati und der schlafende Junge allein im Zelt des Ungenannten. "Herr, laßt euch zum Zeichen meiner Treue auch von mir die Hand küssen", ließ Oremar sich plötzlich vernehmen und kniete sich vor Amemna auf den Boden, senkte die Stirn bis auf die Teppiche. "Ist deine Furrcht vorr mirr verrgangen, Orremarr?" fragte Amemna sanft. Oremar hob den Kopf und nickte. "Ihr habt das dem Ungenannten geweihte Opfermesser in der Hand gehalten, und ihr habt auf dem Stuhl des Hohepriesters des Ungenannten gesessen. Da ihr das alles unbeschadet getan habt, könnt ihr kein Dämon sein." Amemna reichte Oremar ihre Rechte, und vor Ehrfurcht ein wenig zitternd nahm Oremar die Finger Amemnas zwischen seine Finger und senkte die Lippen auf ihren Handrücken. "Was auch immer ihr befehlt, Birh-Melack, ich werde euch folgen, bis in den Tod", wiederholte er dann den Treueschwur, den die Anführer früher am Abend geleistet hatten. Amemna lächelte ihn fast zärtlich an. "Ich danke dirr, Orremarr", erwiderte sie. Nefut spürte einen leichten Stich der Eifersucht, als Oremar Amemnas Hand länger hielt, als es Nefut nötig erschien, aber er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. "Laßt uns in unserre Zelte zurrückkehrren", befahl Amemna dann. "Hamarrem, kümmerrst du dich weiterr um den Jungen, bis wirr ihn seinem Vaterr nach Hannai zurrückschicken können?" "Herr, dieser Junge ist nicht der Sohn unseres ehemaligen Feldherrn", warf Hamarem leise ein. Amemna zog die Augenbrauen zusammen. "Und wen habe ich da fürr dich gerrettet, Hamarrem? Fürr wen habe ich mirr dieses undankbarre Amt aufbürrden lassen, das unserr ehemaliger Melack nurr zu gerrn wiederr losgeworrden ist?" Was hatte das Ganze mit Hamarem zu tun? Hatte wirklich Hamarem Amemna zu dieser folgenschweren Rettungsaktion veranlaßt? Und nach ihren Worten war Amemna sich der möglichen Folgen wohl doch bewußt gewesen. Hamarem hatte den Blick schuldbewußt gesenkt. Wahrscheinlich wurde ihm selbst gerade erst klar, was er wirklich von seinem Wanack verlangt hatte, als er sich um das Leben dieses Jungen Sorgen machte. Wenn es nicht der Sohn des Feldherrn war, sondern irgend ein Junge aus dem Troß, wie es wohl Dutzende gegeben hatte, war der Preis, den Amemna dafür gezahlt hatte, bei weitem zu hoch. "Sprrich, Hamarrem", verlangte Amemna mit einer ungewohnten Strenge in der Stimme. Hamarem sah auf und schaute Amemna gerade ins Gesicht. "Herr, der Junge ist der Sohn der Amapriesterin, die hier im Heerlager diente", antwortete er mit fester Stimme. "Das Kind einerr Dienerrin derr Göttin, sagst du?" fragte Amemna erstaunt. Sie sah hinüber zu dem schlafenden Knaben, machte mit den Fingern ein Zeichen vor ihrer Brust und flüsterte eine Art kurzes Gebet in der Südländersprache, von dem Nefut nur 'Hawat' verstand. "Hamarrem, kümmerre dich um ihn, solange err bei uns ist. Und schweigt alle überr seine Herrkunft." * Hamarem ließ nicht zu, daß Amemna ihn auf eines der Pferde hob. "Davon wird er aufwachen, Herr", wandte Hamarem ein. Er ließ Derhan sein Pferd führen, während er die Arme des Kindes um seinen Hals legte und die eigenen Arme um die Oberschenkel des Knaben schlang. Der Junge murmelte etwas Unverständliches und schlief, die Nase in den Stoff von Hamarems Mantel vergraben, weiter, während sie durch das Lager zurück zu den Mawati-Zelten gingen. Dort angekommen kümmerte Oremar sich um die Pferde, Derhan bereitete neben Hamarems Lager eine Bettstatt aus den vielen überzähligen Decken der in die Gärten der Freude eingezogenen Mawati, und Hamarem legte den schlafenden Jungen nieder, kniete sich neben ihn, deckte ihn zu und strich ihm die wirren Haare aus dem Gesicht. Dann drehte er sich zu Amemna um, die mit einem rätselhaften Ausdruck im Gesicht ebenfalls zu dem Kind herabblickte. "Herr, kann ich seiner Mutter mitteilen, daß er noch lebt?" Amemna schüttelte nach einem Moment des Schweigens den Kopf. "Wirr können heute nacht keine Boten losschicken, die nicht eine Nachrricht für die Tetrraosi trragen. Du mußt warrten. Zunächst brrauchen wirr eine Zusage fürr Verrhandlungen." "Ich werde warten", versicherte Hamarem und hockte sich neben das Lager des Knaben. Amemna bedeutete Nefut und Derhan, ihr aus dem Mawatizelt nach draußen zu folgen und führte sie in das Wanackzelt. Dann schloß sie den Zelteingang, entzündete eine Lampe und befahl den beiden Männern, sich zu setzen. Sie nahm das Täfelchen von dem niedrigen Tisch, das aus der Schreibstube des geflohenen Feldherrn stammte, aber sie hielt sich nicht damit auf, den Inhalt zu lesen, anscheinend war er ihr bekannt. Sie wischte nur die Schrift aus und schrieb mit einem Zweiglein Holzkohle langsam eine neue Nachricht. Da ihre Schreibbewegungen nicht so flüssig waren, wie bei ihren Einträgen in ihre Schriftrolle, verwendete sie anscheinend andere Schriftzeichen, vermutlich die der Oshey und der Nordstädte. Aber Nefut konnte aus seiner sitzenden Position keinen Blick auf das Täfelchen erhaschen. Und dann bemerkte er schließlich, daß Derhan ihn betont ausdruckslos ansah. Es war zu erwarten, daß ihr Wanack - nein, ihr Birh-Melack - nun die Erklärung für ihr Verhalten am Nachmittag verlangte, wie sie ja bereits angekündigt hatte. Nefut würde zugeben, daß ihm die Kontrolle entglitten war, weil er Derhan gegenüber unbeherrscht gewesen war. Wenn er begann, sein unverantwortliches Verhalten zu rechtfertigen, konnte er die Situation nur verschlimmern. Und wenn es nach ihm ging, mußte Derhans Verhangenheit oder sein Ungehorrsam gegen den Zweiten nicht zur Sprache kommen, falls es das war, was Derhan fürchtete. "Ich werde die Verantwortung für meine Verfehlungen übernehmen", raunte Nefut Derhan daher zu. Amemna sah auf. "Ja, das wirrst du tun, Nefut", bestätigte sie kalt. Wie hatte sie Nefut während ihrer offensichtlichen Konzentration auf das Schreiben nur hören und verstehen können? "Derrhan", befahl Amemna dann, klappte das Täfelchen zusammen, "brring meine Nachrricht zu Wanack Narrif Perrdinim." Und auf Derhans ratlosen Blick lächelte sie. "Das ist unserr ehemaligerr Melack. Und danach kommst du mit seinerr Antworrt wiederr hierrherr." Derhan nickte, nahm das Täfelchen und drückte sich zwischen den geschlossenen Zeltbahnen nach draußen. "Und nun zu dirr, Nefut. Was hast du mirr zu sagen?" Nefut war plötzlich ratlos. Wie sollte er seiner Geliebten nur sagen, daß er unter ihrer männlichen Natur litt? Wie konnte er es sagen, ohne den Zugang zu ihrer weiblichen Natur zu verlieren? Amemna ließ ihrem Zweiten Zeit, obwohl sie offensichtlich ungeduldig wurde. Aber schließlich fragte sie: "Was ist los mit dirr, Nefut? Du hast dich so verränderrt in den letzten Tagen. Wo ist deine Entscheidungsfrreudigkeit geblieben, deine unbedingte Ehrrlichkeit? Und vorr allem, wo ist deine starrke Hand gegenüberr derr Wannim geblieben?" Nefut seufzte. Das Licht der Lampe ließ Amemnas Gesichtszüge plötzlich so weich, so weiblich aussehen. Die Begierde stieg in Nefut auf und begann, seinen Verstand zu verdrängen. Er sah zu Boden. "Amemna, ich habe nichts zu meiner Entschuldigung vorzubringen. Ich habe die Kontrolle über die Wannim verloren. Derhan und Hamarem machen, was sie wollen, und Oremar war ohnehin fast ständig abwesend... Vielleicht brauchst du einfach einen anderen Zweiten, oder einen anderen Liebhaber." Jetzt war es heraus. Und wie immer Amemna sich wegen der Wannim entschied, Nefut hoffte, daß sie Verstand genug besaß, für die Birh-Mellim den ehemaligen Melack als Zweiten einzusetzen. Amemna schwieg, so daß Nefut endlich wieder aufsah, ihrem forschenden Blick begegnete. Sie hob die Hand, als wollte sie nach Nefut greifen, doch dann ließ sie sie wieder sinken. "Nefut, ich brrauche Leibwächterr, fähige Berrater und wenigstens einen verrtrrauenswürrdigen Schrreiberr an meinerr Seite. Und fürr jedes dieserr Ämterr fällt meine erste Wahl auf dich. Aberr nach deinen Worrten wage ich nicht dich zu frragen, ob du alle Ämter übernehmen würdest. Welcherr Posten also würde dirr am besten gefallen?" 'Der als Liebhaber', lag Nefut auf der Zunge, aber er konnte die Worte gerade noch zurückhalten. Und stimmte das denn überhaupt? Sie war so wunderschön, er begehrte sie so sehr, aber tatsächlich war Amemna ebenso ein Mann wie eine Frau. Und jedes Mal, wenn er während ihrer Intimitäten daran erinnert wurde, versetzte es ihm einen Schlag. Und auch ihr unirdischer Zauber änderte daran nichts. Nefuts Ekel davor, mit einem Mann das Lager zu teilen, war einfach stärker als alles andere. Amemna sah ihn fragend an, und veranlaßte Nefut damit, nun endlich doch eine Antwort zu geben. "Amemna, ich will dir ein guter Zweiter sein und bin es nicht. Ich will dich beschützen und weiß nicht, ob ich es kann. Vielleicht solltest du mich als Schreiber in Erwägung ziehen, dann wäre wenigstens meine kalligraphische Ausbildung von Nutzen für dich." "Nefut, du klingst nicht wie derr Mann, derr du gewöhnlich bist", antwortete Amemna nun leise. "Was ist mit dirr passierrt?" Nefut schluckte. "Du vermißt meine unbedingte Ehrlichkeit, Birh-Melack? Deine unirdische Magie macht mich ganz verrückt. Ich will dich - und ich will dich nicht. Wenn du mit einem anderen Mann sprichst, werde ich eifersüchtig bis zum Wahnsinn. Und wenn deine Männlichkeit erregt ist, möchte ich sie am liebsten abschlagen. Es hat sicher seinen Grund, warum sich in den Geschichten die Unirdischen jedem Sterblichen nur ein einziges Mal nähern." Amemna schluckte. "Also ist es meine Schuld, weil ich meine Begierrden nicht surrückkehalten habe", flüsterte sie so traurig, daß Nefut es kaum aushalten konnte. "Es ist meine Schuld, weil ich meinen Begierden nachgegeben habe", flüsterte er zurück. "Nefut, ohne dich werrde ich keinen Tag als Birrh-Melack überrleben. Ich brrauche dich", und sie senkte den Blick auf den Teppich, "und ich liebe dich." Nefut zog es das Herz zusammen. Wie konnte sie ihm sagen, daß sie ihn liebte, nach dem, was er ihr an den Kopf geworfen hatte? "Ich bin wieder da", erklang es von außen, dann schob Derhan die Zeltplane vor dem Eingang beiseite und trat ein. Als Amemna bei Derhans Eintreten den Kopf hob, sah Nefut Tränen in ihren Augen glitzern. Warum mußte Derhan gerade jetzt zurückkommen? Nefut hätte Amemna noch in den Arm nehmen können, sie trösten, ihr gestehen, daß auch er sie liebte, denn nur die Liebe konnte seine Verzweiflung über die Situation erklären. Und gerade jetzt brauchten sie einen zuversichtlichen Birh-Melack, keinen in Tränen aufgelösten. "Die Antwort des Wanack lautet 'Ja'", sagte Derhan, ohne auf Amemnas offensichtlich aufgewühlte Gefühle Rücksicht zu nehmen. Amemna riß sich sichtlich zusammen. "Das ist gut. Werr von euch Mawati kann schrreiben?" Derhan sah zu Nefut. "Nefut natürlich, Hamarem vermutlich und ich." Amemna nickte. "Ihr Mawati werrdet meine Leibwache und im Bedarrfsfall meine Schrreiberr sein. Nefut, ich weiß nicht, ob du dein Amt als Zweiterr derr Mawati fortführren willst. Du hast bis morrgen frrüh Zeit, es dirr zu überrlegen oder mirr einen anderren Vorrschlag zu machen. Und jetzt geht und schickt mirr Hamarrem." Derhan nickte, schlug den Zelteingang ganz auf und ging. Nefut folgte ihm ohne ein weiteres Wort. Ja, er liebte Amemna wohl, doch konnte er das offen bekennen, ohne sich Hamarem noch mehr zu entfremden? * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)