Ha cessato di piovere von Schangia (Es hat aufgehört zu regnen) ================================================================================ Kapitel 5: Una lettera (ein Brief) ---------------------------------- Es war eine dumme Idee, furchtbar dumm und kindisch. Unreif, infantil, all das und vermutlich noch viel mehr. Und sobald Xanxus davon erfuhr, würde er ihn entweder auslachen und dann umbringen, oder sein Hass würde größer sein als die Schadenfreude und er knallte ihn sofort ab. Nur würde Squalo dann nicht mehr da sein. Diesen Entschluss hatte er vor einigen Stunden gefasst, und was er einmal beschlossen hatte, zog er für gewöhnlich auch bis zum bitteren Ende durch. Deswegen stand er nun in Xanxus' Schlafzimmer, den ganzen Körper angespannt und genau darauf bedacht, den Boss der Varia nicht aufzuwecken. Die Uhr hatte vor kurzem vier Uhr nachts geschlagen, und Squalo musste sich sputen, wenn er seinen Plan noch in die Tat umsetzen wollte. Leisen Schrittes ging er auf den Schreibtisch an der Wand zu, hatte Xanxus dabei stets im Blick. Ihm den Rücken zuzukehren missfiel Squalo zwar, doch den Schreibtisch umzustellen würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Vorsichtig zog er den Stuhl zurück, warf einen letzten Blick über die Schulter auf seinen schlafenden Freund. Dann setzte er sich, kramte einen Stift und einen Bogen Papier hervor, der im schwachen Schein der Schreibtischlampe ein wenig zu schimmern schien. Kurz schloss er die Augen, atmete einmal tief durch. Der Stift glitt leicht über das Papier, schwarze Tinte auf goldglänzendem Untergrund, als Squalo alles niederschrieb, was er Xanxus je hatte sagen wollen: ›Ich bin eine schreckliche Rechte Hand, und ein noch schrecklicherer Freund.‹ Zugegeben war das nicht der beste Anfang für einen Brief. Aber dieser Satz spukte ihm schon seit Jahren im Kopf herum, und so war es selbstverständlich, dass er ihn als erstes zu Papier brachte. ›Obwohl ich dir vor etlichen Jahren meine Loyalität geschworen habe, konnte ich kein einziges meiner Versprechen einlösen. Ich habe zugelassen, dass‹ Squalo musste schlucken; die nächsten Zeilen waren ein Eingeständnis seiner Schuld, fielen ihm alles andere als leicht. Für einige Augenblicke verharrte der Stift dicht über dem Papier, ehe er weiterschrieb. ›Vongola Nono dich für acht Jahre in Eis eingeschlossen hat. Und nachdem wir dich befreien konnten, habe ich im Kampf um die Ringe erneut versagt. Ich wollte sichergehen, dass du den Titel des Vongola Decimo trägst, nicht der Hosenscheißer aus Japan. Aber nicht einmal das habe ich geschafft. Es tut mir leid.‹ Der letzte Satz hatte ihn viel Überwindung gekostet, denn Squalo vermied es wie jedes andere Mitglied der Varia seine Fehler offen zuzugeben. Allerdings war ihm auch von Anfang an bewusst gewesen, dass diese nur eine von vielen Entschuldigungen war, die er diese Nacht aufschreiben würde. ›Obwohl ich dir so Vieles sagen will, weiß ich nicht, womit ich fortfahren soll.‹ Er unterdrückte ein ratloses Lachen; mittlerweile war er wirklich nutzlos geworden. ›Weißt du noch, als wir bei deinem Alten Silvester feiern sollten und du mich allein mit ihm hast sitzen lassen? Verdammt, war ich wütend auf dich. Am liebsten wäre ich dir hinterher geeilt, um mich nicht mit ihm unterhalten zu müssen. Ich mag ihn nicht. Immerhin war er mit Schuld daran, dass du gelitten hast. Doch im Laufe des Abends haben wir über einige Dinge gesprochen, die du wissen solltest. Dabei geht es nicht um seinen Wunsch, dass ich auf dich achten soll. Dazu bist du viel eher in der Lage als ich. Aber‹ Sollte er den Satz wirklich beenden? Squalo haderte mit sich, wusste nicht, wie Xanxus darauf reagieren würde. Ob er es überhaupt wissen wollte, oder ob es ihm bereits klar war und er es gerade deswegen verdrängen wollte. ›er liebt dich, wie seinen eigenen Sohn, auch wenn er nicht dein leiblicher Vater ist. Und ich denke, das solltest du in Zukunft berücksichtigen, wenn ihr aufeinander trefft.‹ Kurz überlegte er, diese Passage nicht lieber durchzustreichen, entschied sich aber dagegen. ›Nicht, dass ich dir Vorschriften machen will. Ich befinde mich nicht einmal in der Position, dir irgendwelche Ratschläge zu erteilen. Nur vergiss bitte nicht, dass du nicht allein bist. Selbst, wenn ich gleich verschwinden werde.‹ Seufzend lehnte er sich zurück. Verschwinden. Das war eine schöne Umschreibung für den Verrat, den Treuebruch, den er heute Nacht begehen würde. Ihm kam die ganze Idee darüber hinaus ziemlich kitschig und überzogen vor, wenn er sich den letzten Absatz besah. Natürlich war es Squalo ernst, was er geschrieben hatte. Gleichzeitig bezweifelte er allerdings, dass Xanxus seine Mühen zu schätzen wissen würde. ›Kannst du dich noch daran erinnern, warum ich mir für dich die linke Hand abgeschlagen habe?‹ Allmählich bekam er das Gefühl, er hätte damals in der Schule besser aufpassen sollen, als sie über eine gelungene Briefstruktur gesprochen hatten. Dann würde er jetzt bestimmt nicht von einem zum nächsten Thema springen. ›Weil ich dir beweisen wollte, dass ich jederzeit mein Leben für dich geben würde. Weil ich nicht wusste, wie ich dir sonst von Nutzen sein könnte. Weil du mich so fasziniert hast, dass ich wahrscheinlich alles getan hätte. Wie mir später klar geworden ist auch, weil ich...‹ Alles in ihm schrie danach, die nächsten Worte nicht niederzuschreiben. Sie waren ein Geständnis, und wer etwas gestand machte sich im Gegenzug immer verwundbar. Ferner wollte er keine Last zurücklassen, wenn er heute Nacht ging. Doch gerade das würde sein Geständnis sein: eine unnötige Last, mit der Xanxus allein weiterleben musste. ›Ti amo, bastardo, und das dürftest du auch ziemlich gut wissen, du Egomane.‹ Er spürte, wie das Blut in seine Wangen schoss. Innerlich verfluchte er Xanxus dafür, dass er ihn dazu brachte, sich wie ein verliebtes Weib zu fühlen. ›Und was da mit dem Schwertbengel gelaufen ist, das war‹ Die Idee, seinen nächsten Gedanken mit Großbuchstaben mehr Ausdruck zu verleihen, verwarf er schnell. ›absolut bedeutungslos. Verdammt, wieso sollte ich jemals jemand anderen wollen, wenn du selbstverliebtes Arschloch daheim auf mich wartest?! Du hast es vielleicht für einen Scherz gehalten, aber ich habe meine Worte ernst gemeint. Es tut mir aufrichtig leid. Und sollte es dich dazu bringen, mir meine unzähligen Fehler zu verzeihen, würde ich mir jederzeit auch meine rechte Hand für dich abschlagen. Für dich würde ich durch die Hölle gehen, immer und immer wieder, bis du mir vergibst. Das weißt du, hast es immer gewusst.‹ Seine Mundwinkel zuckten nach oben, als er sich an ihre Kindheit erinnerte. ›Ich weiß noch, wie du früher warst, bevor dein Alter dich für acht Jahre eingefroren hat. Aufbrausend, dauerhaft angepisst, emotional, gehässig – eigentlich hat sich nicht viel geändert, aber früher hast du häufiger gelacht. Darüber, wie der dämliche Cavallone regelmäßig gegen Bäume gerannt ist, oder über die dummen Witze, die ich irgendwo aufgeschnappt hatte. Heute bist du ruhiger, reservierter. Du packst mich nicht mehr so häufig am Hinterkopf und rammst mich dann mit dem Gesicht zuerst in einen Tisch oder Schrank. Du wirfst weniger häufig Gegenstände nach mir. Du funkelst mich nicht mehr so böse an, wenn ich etwas tue, das dir nicht in den Kram passt. Gegen das Nervenbündel von damals bist du heute fast schon liebenswert.‹ Auf einmal realisierte Squalo, was er da geschrieben hatte. Hastig schüttelte er den Kopf, wollte nicht solche Dinge über einen der gefährlichsten Männer der Welt schreiben, nicht einmal denken. ›Also, manchmal zumindest. Wenn du schläfst oder so.‹ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor er einen kurzen Blick über die Schulter warf. Xanxus schien immer noch tief und fest zu schlafen, murmelte unverständliche Dinge. Er wollte nicht gehen, vor allem nicht jetzt, doch allmählich musste er zu einem Ende kommen. Sein Griff um den Stift festigte sich, während er die letzten paar Zeilen schrieb. ›Wie dem auch sei; ich wiederhole mich zwar, aber bitte merk dir eines: seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, lebe ich nur noch für dich. Daran wird sich nichts ändern, niemals. Das bedeutet auch, dass ich erst dann sterben werde, wenn du es mir erlaubst.‹ So leise wie möglich räusperte er sich, versuchte krampfhaft, gegen das aufkommende Brennen in seinen Augen anzukämpfen. ›Dass ich heute Nacht gehen werde, bedeutet nicht, dass wir uns niemals wiedersehen. Ich hoffe, du kannst mir hierfür verzeihen; es tut mir aufrichtig leid, mein Freund.‹ Die letzten zwei Worte schrieb er mit geschlossenen Augen, hastig, ungelenk, um nicht von seinen verfluchten Emotionen übermannt zu werden, die so gar nicht zu einem Assassinen passten. ›Ti amo.‹ Ohne sich den Brief noch einmal durchzulesen stand Squalo auf, faltete das Blatt mehrere Male und näherte sich Xanxus' Bett. So lautlos wie möglich trat er bis an das Kopfende heran, legte den Brief auf den Nachttisch. »Und jetzt werde ich dich verlassen«, murmelte er, ohne den Blick von seinem Freund abzuwenden. »Addio.« Ein letztes Mal wollte er über die Narben des anderen streichen, doch ehe seine Finger auf dessen Wange trafen, griff eine Hand nach seinem schmalen Handgelenk. »Denk nicht einmal daran.« Xanxus war hellwach, seine dunkelroten Augen blitzten gefährlich. »Bist du wirklich so dämlich anzunehmen, ich würde dich gehen lassen?«, raunte er, während Squalo der Mund vor Entsetzen offen stand und sein Körper ihm nicht mehr gehorchen wollte. Mehr als ein erstauntes ›Was?‹ brachte er nicht zustande, als Xanxus ihn zu sich ins Bett zog und die Arme um ihn schlang. Squalos Herzschlag verdreifachte sich, all seine Muskeln spannten sich an. Seine Sinne waren nicht in der Lage, in dieser Situation schnell genug zu reagieren und entschlossen deshalb, sich vorerst ganz zu verabschieden. Alles, was er wahrnehmen konnte, war Xanxus' Stimme dicht an seinem Ohr, nicht mehr als ein tiefes Grollen. »Mir egal, ob du dich für überflüssig hältst.« Starke Arme zogen Squalo näher an einen harten Oberkörper. »Du gehörst mir. Und ehe ich es dir nicht erlaube, darfst du mich nicht verlassen.« Wie töricht von ihm, etwas anderes anzunehmen. Ein Lächeln schlich sich auf Squalos Züge, als er zufrieden die Augen schloss. Vielleicht zweifelte er zu viel. Vielleicht setzte Xanxus seine Prioritäten einfach anders als er selbst. Und vielleicht musste man in einer Beziehung nicht immer nur Opfer bringen. Viele Erkenntnisse für eine Nacht. Doch ob Xanxus seinen Brief je gelesen hatte, wusste er bis heute nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)