Das Gesicht im Wind von Arcturus (Wichtelgeschichte für Glimmer) ================================================================================ 20. Dezember 1978, 18 Uhr, Glasgow ---------------------------------- Peters Augen wurden immer größer, während er durch die Abzüge blätterte. Remus-Minuten dehnten sich in Peter-Weilen. Außerdem war er genauso rot im Gesicht, wie Remus sich fühlte. Nur Sirius, der grinste vor sich hin, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Beine über die Sofalehne baumeln lassend. Matschige Schneeflocken klatschten gegen die Fensterscheiben und schmolzen dort genauso wie auf den Gehsteigen. Durch das nasse Glas drang schmutziges Licht in Sirius‘ Wohnzimmer und ließ die gepackten Muggelrucksäcke – Fenwicks Idee – bei der Tür zum Flur in den Schatten verschwinden. Peters blonden Haaren nahm es die Farbe und auch Remus eigener Haarschopf erschien in diesem Licht eher mausbraun. Nur Sirius konnte das nichts anhaben – der strahlte, ausgesprochen zufrieden mit sich, eine Selbstsicherheit aus, dass man ihm weder die Bilder in Peters Händen noch die anstehende, möglicherweise tödliche, Auftragsreise nach Norwegen zutrauen mochte. Und doch stand er felsenfest hinter beidem und freute sich darüber. Und über Peters entsetztes Gesicht. Vermutlich vor allem über Peters entsetztes Gesicht. Bevor Peter geklingelt hatte, hatte Sirius hatte ihn, Remus, in den Plan eingeweiht, dass er einen letzten Test mit den Bildern durchziehen wollte – Peter hingegen nicht. Der hatte zwar bereitwillig zugestimmt, für Sirius ein paar Briefe an Eulen zu binden, solang dieser weg war, doch er hatte nicht damit gerechnet, den Inhalt dieser Briefe zu Gesicht zu bekommen. Und hätte er gewusst, was darin war, er hätte ihn vermutlich auch gar nicht sehen wollen. Mit Sirius in der Gleichung ging das natürlich nicht auf. Der war zwar einer von Peters besten Freunden, aber das bedeutete auch, dass er ihm – genauso wie Remus – die Gnade erwies, ihn nicht von seinen Scherzen auszusparen. Ausgespart wurde nur James und das vermutlich auch nur, weil Sirius Lilys Zorn fürchten musste. Peters Mund indes bewegte sich wie der eines Karpfens. „Ich wusste nicht, dass ihr-“ Er beendete seinen Satz nicht. In seinem Augenwinkel sah Remus, wie Sirius den Mund zu einer Antwort – für die er ihn würde beißen müssen – öffnete und entschied spontan, ihm das Wort abzuschneiden. „Sind wir auch nicht, Wormtail“, warf er, möglicherweise etwas schärfer als nötig, ein. „Sirius brauchte nur einen … Mitspieler für die Bilder und hat mich darum gebeten, mehr nicht.“ Peters wässrige Augen richteten sich von den Bildern auf sein Gesicht, ohne dabei seinen Blick zu suchen. „Aber wenn ihr nicht … ihr wisst schon … warum machst du dann mit?“ „Ja, Moony, warum machst du dann mit?“, höhnte Sirius neben ihm. Missbilligend schlug Remus seine Hand beiseite, die gerade erneut zu seiner Schulter wanderte. „Warum wohl? ‚Komm schon, Moony! Ich tu dir den Gefallen und geh mit auf deine Mission. Damit du nicht so einsam bist, mit dem ollen Fenwick im ewigen Schnee, und passe auf, dass du nicht aus Versehen reinbeißt. Und dafür machst du mit, ja?‘, darum.“ „So habe ich das nie gesagt!“ „So hast du es gesagt. Mit deinem Blick und das weißt du.“ „Gar nicht wahr.“ Statt weiter Kontra zu geben, verdrehte Remus nur die Augen. Peter würde die Geste schon sehen und verstehen. Peter war gut darin, Gesten zu sehen und zu verstehen, besser als er selbst und sowieso besser als der Idiot neben ihm. Doch Peter las seine Geste nicht – er warf stattdessen den Rucksäcken neben der Tür einen so langen wie zweifelhaften Blick zu. „Ewiger Schnee?“, echote er schließlich leise. „Ich dachte, eure Mission...“ „Weißt du...“ Peters Augen wurden ganz langsam immer größer. Remus konnte ihnen dabei förmlich zusehen. Und, vielleicht war das auch nur seine Einbildung oder aber tatsächlich sein Werwolfblut, er konnte praktisch riechen, wie der Stress in dem jungen Mann wuchs. Genauso, wie er sich einbildete beobachten zu können, wie sich seine Haltung versteifte und sich seine Nackenhaare aufstellten. An dieser Stelle schüttelte er endlich den Kopf und vertrieb damit seine Jagdinstinkte. Er konnte Peters Nacken nicht einmal sehen. Es ging nicht, allein schon wegen dem roten, flauschigen Schal um seinen Hals. Peters Nackenhaare konnte er deshalb noch viel weniger sehen. Er blinzelte, um auch das Bild zu vertreiben, das seine Sinne ihm vorgaukelten. Sirius musste das Ganze bemerkt haben, denn Remus spürte seinen Blick auf sich ruhen. Dieses Mal veräppelten ihn seine Sinne nicht. Kurz trafen sich ihre Blicke, dann beugte sich sein Mitbewohner zu ihm hinüber. Dieses Mal ganz ohne anzügliche Hintergedanken. „Kleines, haariges Problem?“ Remus zuckte mit den Achseln. „Sollte sich demnächst bessern. Übermorgen ist Halbmond.“ „Dann hoffen wir, dass wir bis übermorgen Zeit haben, bevor die Probleme richtig losgehen, hm?“, murmelte Sirius zurück. „Das letzte, was wir brauchen, ist ein Moony, der komplett den Weg des Werwolfs geht, wenn wir mit den Todessern kuscheln.“ Remus schnaubte belustigt. „Ich glaube, in so einem Fall willst du, dass ich komplett den Weg des Werwolfs gehe, Padfoot.“ Vor ihnen räusperte sich Peter verhalten und lenkte ihre Blicke wieder auf ihn. Er sah nicht mehr zu dem Gepäck, vermied es lieber ganz dorthin zu sehen und zog stattdessen angespannt beide Augenbrauen hoch, um sie kritisch zu mustern. „Ich will euch Turteltäubchen ja wirklich nicht stören –“ „– Hörst du, Remus, jetzt nennt selbst Wormtail uns schon Turteltäubchen, Zeit dass du es endlich einsiehst –“ „– Halt den Mund, Padfoot –“ „– aber könntet ihr bitte für einen Moment aufhören, euch mit euch selbst zu beschäftigen und damit beginnen meine Phantasien und Ängste zu zerstreuen? Bitte? Wisst ihr, ich sehe gerade ziemlich viel Schnee und Blut vor meinem inneren Auge und einen lachenden Lucius Malfoy noch dazu, und eigentlich möchte ich das nicht vor meinem inneren Auge sehen.“ Remus‘ Phantasie war generell nicht sonderlich blühend. Nur wenige Dinge schafften es, seine Vorstellungskraft so sehr anzustacheln, dass sie Peters übertraf. Oder die von Sirius, allerdings selbige nur dann, wenn diese gerade an bestimmte, zwischenmenschliche Aktivitäten dachte. Eines dieser Worte war das Wort mit B: Blut. Die Phantasie seines inneren Werwolfes machte Freudensprünge. Dummerweise durfte Remus es ausbaden. Schlagartig sah auch er Blut und Schnee – ja, in dieser Reihenfolge – vor seinem inneren Auge. Als er die Lider aufeinander presste, um das Bild loszuwerden, wurde es nur noch intensiver. Dunkelheit umfing ihn, durchbrochen nur von hellen, weißen Flocken, die nicht gegen die Fensterscheiben klatschten, um dort zu schmelzen. Sie sammelten sich vielmehr zu einer dichten Schneedecke und die war, nun, durchtränkt von Blut. Viel Blut. Rosafarbene Schlieren zogen sich durch das Weiß des Schnees und konzentrierten sich in ihren Zentren zu einem leuchtenden Rot. Warum auch immer Peter sich Lucius Malfoy vorgestellt hatte – Remus hatte ihm keine Namen der betreffenden Todesser nennen können, da er sie selbst nicht kannte – wusste er nicht. Fakt aber war: Remus sah ihn auch. Nur lachen tat er in seinem Bild nicht. Würde er vermutlich auch nie wieder. Dafür spürte er in sich selbst eine überschäumende Genugtuung aufsteigen, die dafür sorgte, dass ihm schlecht wurde. Seinem inneren Werwolf nur leider nicht. Ruckartig drehte Malfoy ihm das Gesicht zu. „Siehst du mich auch oder nur den ollen Schnösel? Seh ich gut aus? Wie viel habe ich an?“ Abrupt öffnete Remus die Augen. Ein toter und trotzdem sprechender Malfoy? Das war zu viel Phantasie für ihn. Sirius‘ Wohnung erschien wieder in seinem Blickfeld und überlagerte sich mit der Phantasie. Er blinzelte. Die Vorhänge mit den blauen und grünen Blumen auf orangem Grund – die Remus nur noch nicht weggeworfen hatte, weil sie von James waren und er diesem den Triumph nicht gönnte – traten wieder deutlicher hervor. So deutlich, dass ihm von dem Farbkontrast die Augen tränten. Noch heftiger blinzelnd sah er weg und erkannte den Katalysator dicht bei der Flurtür. Ihre gepackten Rucksäcke daneben. Die Halde. Der Teppich, dessen Flecke mittlerweile echt waren. Und Peter, der wie ein Häufchen Elend auf einem der Küchenstühle, die Remus in der Küche vermisste, saß und überlegte, wie ernst er Sirius nehmen sollte. Nun, wenigstens achtete er nicht auf Remus. Schließlich schürzte Peter die Lippen zu einem schmalen Grinsen und sah gar nicht mehr so elend aus. „Ja. Nein. Du hast sogar Teile deiner Haut ausgezogen.“ Den Druck von Sirius Hand auf seiner Schulter bemerkte Remus erst, als dieser ihn löste, um sie stattdessen für eine Geste anzuheben. Nicht, dass Remus diese Geste erkennen konnte. Für ihn sah es einfach nur so aus, als wolle Sirius seine Nase erschlagen. Vorsichtshalber hob er daher die eigene Hand zwischen seiner Nase und Sirius fuchtelndem Körperteil. Sirius bellendes Lachen spürte er sogar über die Rückenlehne. „Dass die olle Winselbacke mich einmal so weit bringen würde!“ „Er ist eben ein richtiger Charmeur“, antwortete Peter nickend. Sein Grinsen wurde breiter, erlosch dann aber schlagartig. „Also? Was macht ihr auf eurem … Ausflug wirklich?“ Der Themenumschwung kam so abrupt, er wischte Sirius das Lachen aus dem Gesicht – kurzzeitig zumindest – und trat dem erhebenden Gefühl, das immer noch in Remus Brust lauerte, die metaphorischen Beine weg. Irgendwie war er darüber nicht so unglücklich, wie er es sein sollte. Die Grimasse, die er für das, was nun kam, brauchte, zog sein Gesicht da fast von selbst. Er schluckte bedeutungsschwer und ergriff das Wort, bevor Sirius den Mund aufbekam. „Die Kurzfassung genügt? Nun, Dumbledores Augen und Ohren haben ihm offenbart, dass Voldemort eine Expedition in den Norden Europas entsenden will. Seine Vorbereitungen sollten – wie die unseren – abgeschlossen sein, weshalb er davon ausgeht, dass es nur eine Frage von Tagen ist, wann seine Todesser starten. Dumbledore hat beschlossen, den Orden ebenfalls zu entsenden, um genauere Informationen einzuholen und, wenn möglich, die Pläne der entsandten Todesser zu vereiteln oder zumindest der Verstärkung den Weg zu ebnen.“ Nachdenklich nickte Peter und sah von Sirius zu ihm, wieder zu Sirius und schließlich auf seine Fingerkuppen. In einer nervösen Geste schlug er Daumen und Mittelfinger immer wieder gegeneinander, während er das Gesagte in seinem Kopf hin und her zu wälzen schien. Jäh hielt er inne und sah auf. „Zusammenfassung: Ihr wisst weder, wonach ihr sucht, noch wo genau ihr suchen sollt. Richtig?“ „Richtig“, antwortete Sirius, doch Remus fiel ihm kopfschüttelnd ins Wort. „Tatsächlich vermute ich, dass Dumbledore eine recht genaue Vorstellung davon hat, was uns erwartet.“ „Also erzählt er euch nur nichts, damit ihr nicht panisch die Flucht ergreift?“ Remus zuckte mit den Achseln. „Möglich. Fenwick hat er, soweit ich dessen Geplapper richtig verstanden habe, einen magischen Gegenstand überlassen. Mir ebenfalls.“ Bevor Sirius sich darüber beschweren konnte, dass Remus ihm noch mehr Dinge vorenthielt – und ja, Remus wusste, dass sein Freund genau das im Sinn hatte – griff er in seine Hosentasche und zog das kleine, rechteckige Päckchen heraus, das Dumbledore ihm mit der Auftragsbeschreibung anvertraut hatte. Wie immer, wenn er es aus der Tasche zog, lag es überraschend schwer und warm auf seiner Hand. „Ich soll es erst in Tromso öffnen, also bittet mich erst gar nicht darum, es hier-“ Zu spät. Sirius war natürlich schneller. Bevor Remus überhaupt realisierte, dass er nach dem Päckchen schnappte, hatte sein Mitbewohner es längst in der Hand. Papier knisterte bedeutungsschwer, als Sirius die Verpackung von der kleinen Kiste riss. „Sirius!“ Die Ermahnung brachte nichts. Statt des Päckchens erwischte er nur Sirius Pullover, als dieser sich von ihm abwandte. Mit einem „Wird so gefährlich schon nicht sein!“ öffnete er die kleine Schatulle, die er aus dem Papier zog. Remus Blick fiel auf einen Anhänger an einer schlichten Goldkette. Der in das Metall eingelassene Edelstein leuchtete in orange, rot und braun. Seine Farben erreichten eine Tiefe, die sie pulsieren ließ. Remus spürte, wie sich seine Atmung dem ruhigen Strahlen unterwarf. Langsam und stetig sog er die Luft ein. Genauso bedächtig atmete er aus. Angenehm warm legte sich eine unmerkliche Brise über seine Haut und ließ ihn sich weiter entspannen. Die Luftfeuchtigkeit stieg langsam. aber nicht unangenehm, an und kündete von einem Wind, der bald auffrischen würde. Dann erreichte er das Kästchen mit den Fingern und schlug den Deckel zu. Bevor Sirius „Hey!“ über dessen Lippen kommen konnte, nahm Remus die Schatulle wieder an sich. Er schluckte hart. Mit dem nächsten Atemzug fiel ihm das Luftholen schwerer, so, als hätte er plötzlich eine Sauna betreten. Die Temperatur in Sirius Wohnzimmer stieg nicht weiter, doch mit einem Mal war alles Angenehme verflogen. Die Luft drückte auf ihn, wie ein bevorstehendes Gewitter. „Sirius?“, knurrte er. „Tu das nie wieder.“ „Aber ich will auch ein magisches Spielzeug.“ Sirius Blick fiel erneut, nichts Gutes versprechend, auf die Schatulle in seiner Hand. Doch dieses Mal war Remus vorbereitet. Ohne viel Federlesen steckte er sie unzeremoniell wieder zurück in seine Tasche und beließ seine Hand vorsichtshalber ebenfalls dort. Darauf, von Sirius wegzurücken, verzichtete er. Es würde ohnehin nicht viel bringen. Für einen Moment wusste er, dass Peter eine Frage stellen würde, bevor dieser überhaupt den Mund geöffnet hatte. Im nächsten wurde ihm klar, dass Peter sich die Frage mühsam verkniff, weil er wusste, dass weder Sirius noch Remus ihm eine Antwort geben konnten. Die Frage hing dennoch einen weiteren Augenblick stumm zwischen ihnen, blieb aber unausgesprochen und unbeantwortet. Schließlich fuhr Peter fort, so als hätten sie die stille Konversation tatsächlich geführt. „Was auch immer das war, wenn Fenwick auch so eines hat, seid ihr–“ „Ich will auch eins!“ Keiner von ihnen beachtete den Zwischenruf. Peter schüttelte nur den Kopf und brach seine Vermutung ab – möglicherweise um kein unnötiges Unheil heraufzubeschwören. „Egal. Ihr werdet Glück brauchen, Jungs. Also: Viel Glück. Wann seid ihr wieder hier?“ Remus zuckte mit den Achseln. Er spürte Sirius‘ Blick auf sich, woraufhin sich sein Griff um das Kästchen fast automatisch verstärkte. „Das werden wir erst wissen, wenn es so weit ist.“ Peter nickte. „Okay. Meldet euch, verstanden? Zumindest zu den Feiertagen.“ Natürlich wusste Remus nicht, wie er das bewerkstelligen sollte, mitten im norwegischen Winterwunderland, aber er nickte dennoch zustimmend. Sirius erneuten Einwurf blendete er, genauso wie das weitere Gequengel, aus. „Werden wir.“ „Und ich soll diese Photos wirklich an eine Eule binden?“ Sirius schüttelte den Kopf und wurde dann zu aufdringlich, um ihn zu auszublenden. „Nein Wormtail. Du sollst sie an zwei Eulen binden. Eine für Walli Black und eine für Heulsuse Black. Du weißt schon, die eine terrorisiert den Grimmauld Place, die andere Hogwarts. Nicht zu verfehlen.“ Nein, diesen Einwurf konnte Remus nicht überhören. Und Peter ganz sicher auch nicht. So blieb Remus nichts weiter übrig, als zu hoffen, dass Peter seine Geste des Augenrollens verstand. Diese Bilder waren nicht lustig, besonders nicht für ihn. Am besten, sie verschwanden irgendwo in der Themse. Peter sollte die Geste wirklich verstehen. Er kannte Remus schließlich. Dem dünnen Grinsen nach zu urteilen, das sich auf sein Gesicht stahl, kannte er Remus tatsächlich – und entschied sich dennoch dafür, die Geste zu ignorieren. Kleine, miese Ratte. „Verstanden.“ Peter nickte und salultierte, als sei er ein standhafter Soldat im Anblick des unausweichlichen Todes. „Ich nehme an, dass ich mich mal umhören soll, welcher Gryffindor zufällig in der Nähe sein möchte, wenn die Eule die Heulsuse erreicht?“ „Wenn Karen dir genug Zeit zwischen Tannenbaum beschmücken und Karen entschmücken lässt, wäre das ein hervorragender Schachzug von dir. Natürlich würde ich verstehen, wenn sie das nicht tut.“ Peters Wangen wurden rot. Vermutlich waren sie wieder so rot, wie Remus sich beim Anblick der Photographien fühlte, die Peter zwischenzeitlich wirr auf den Tisch vor sich hatte fallen lassen. Sein Blick fiel auf eine Abbildung seines Rückens – mit Pullover, weil er ihn genauso festgehext hatte, wie die Hose, noch bevor Sirius den Gedanken äußerte, er könne ihn ausziehen – von dem er glücklicherweise nicht allzu viel sah, weil Sirius‘ anzügliches Grinsen ihn halb verdeckte. Peters Hand legte sich darauf und schob die Bilder zusammen. Unwillkürlich atmete Remus auf, während sie in einem der Pergamentumschläge verschwanden. Viel deutlicher als die Rückenansicht wurden die Bilder zwar nicht, denn Remus hatte sich erfolgreich geweigert – und Sirius hatte die Klebeflüche nicht lösen können – doch peinlich waren sie definitiv genug. Was folgte, war eine schnelle Verabschiedung. Die sonst so wortreichen Herumtreiber – zumindest drei der vier – verabschiedeten sich leise. Keine ausufernden Reden auf ihre Tapferkeit, keine Klapse auf Sirius Hinterkopf und auch keine übersentimentalen Umarmungen. Sie tauschten Blicke, wünschten einander viel Glück und dann schloss sich hinter Peters Rücken die Tür. „Das war einfach“, murmelte Remus leise, ohne den Blick von der Wohnungstür zu nehmen, von der er nun nur noch Holz und den Türspion sah. Neben ihm grinste Sirius und zuckte mit den Achseln. „Er rennt uns möglicherweise hinterher.“ „Oder er rennt Dumbledore hinterher und beschwert sich.“ „Oder James.“ „Oder James, ja.“ Remus schluckte. Der Druck, diese Expedition überleben zu müssen, war während des Gespräches um diverse Sprossen nach oben geklettert. Wenn er starb, würde Peter ihnen folgen. Möglicherweise mit James im Schlepptau. Selbst, wenn er James nicht mitnahm, würde der ihm nachfolgen. Und James wiederum folgte Lily. Unweigerlich. Und wenn es ihr nur darum ging, Remus wiederzubeleben, nur um ihn dann noch einmal umzubringen. Jemanden von den Toten wiederzuerwecken war nicht möglich, das wusste er, aber Lily traute er es zu. Lily traute er alles zu. Die Herumtreiber waren nicht ohne, doch keiner von ihnen war tollkühn genug, den Zorn der Lily E. nicht zu fürchten. „Denkst du auch gerade an Lils?“ Remus nickte stumm. Seine Nackenhaare stellten sich auf. „Was machen wir jetzt?“ Schnaubend sah er nun doch von der Tür fort und erwiderte Sirius‘ Blick. Ihr Blickwechsel dauerte nicht lange, doch er verhieß unendlich viele, angenehme Möglichkeiten. Die meisten von denen, die in Sirius‘ Augen glänzten, waren nicht jugendfrei. Kopfschüttelnd wandte Remus sich schließlich ab. „Tu uns beiden und deiner Wohnung den Gefallen und räum‘ deine Halde auf. Ich koche – falls ich noch etwas totes im Kühlbehälter finde.“ Sirius schob die Unterlippe vor, doch er fügte sich dem K-Wort. Vor einem halben Jahr hatte Sirius den Fehler gemacht, ihn für einen dieser ‚Köche‘ zu halten – einen von denen, die kochten, weil es feminin war und sie gerne feminin wären – zumindest hatte er ihn damit aufgezogen. Doch nach diesem halben Jahr des Zusammenlebens hatte er nicht nur begriffen, dass Remus nicht hinter ihm her räumte, wie ein artiges Weibchen, sondern auch, dass er nicht kochte, wie ein artiges Weibchen. Überdies hatte er verstanden, dass es keinen Nerven – weder denen von Remus noch seinen eigenen – gut tat, wenn er ihn in der Küche störte. Zumindest glaubte Remus das. Vielleicht hatte es Sirius auch einfach nur traumatisiert, mit anzusehen, wie er den Hasenbraten für Peters Geburtstag zubereitete. Das, oder die bittere Erkenntnis, das Fleisch nicht auf Bäumen wuchs. Widerstandslos ließ er Remus passieren. Der wiederum würdigte weder ihn noch seine Plakate, die er in den Flur gehangen hatte, eines Blickes. Dafür beäugte er die hässlichen Vorhänge, den Katalysator und die Halde. Vornehmlich in der Hoffnung, dass das Zelt, welches sie sich teilen würden, nicht binnen kürzester Zeit ähnlich aussehen würde. Das Wohnzimmer durchquerte er unbehelligt. Erst, als er die Klinke der Küchentür bereits hinuntergedrückt hatte, hörte er ein „Moony?“ hinter sich – doch da war er bereits weit genug entfernt, um bedenkenlos in die Küche zu treten und die Tür hinter sich schließen zu können. Der Rest von Sirius‘ Frage drang nur noch dumpf durch die Tür und ließ sich gut ignorieren. Mit einem Wink seines Zauberstabs ließ er die Flammen der Kerzen und der illegalen Feuerstelle auflodern, um den Raum zu beleuchten. Bedächtig schritt er an der Anrichte vorbei. Vielleicht fand er ja noch ein paar Steaks im Kühlbehälter. Wenn er sich das Wetter in Glasgow so ansah und sich dann vorstellte, was ihn möglicherweise in Norwegen erwartete, stand ihm der Sinn nach Steaks. Blutigen Steaks. Bevor er sich zu der Holztruhe, die, mit diversen Kühlzaubern versehen, ihre Lebensmittel frisch hielt, hinab beugte, warf er einen Blick aus dem Fenster, um sich das Elend noch einmal vor Augen zu führen und sich auf die Steaks einzustimmen. Noch immer klatschten nasse Schneeflocken gegen die Scheiben, verharrten dort nur kurz, um dann zu schmelzen und in Schlieren das Glas hinab zu rinnen. Mittlerweile war es dunkel geworden. Draußen schien das Licht der Straßenlaternen auf eine feine Schneedecke, die sich auf dem Gehweg gesammelt hatte und die kaum liegen bleiben würde, während sich drinnen das Licht der Kerzen in der Scheibe spiegelte. In seinem Augenwinkel verzerrte es sich zu seltsamen Schemen, die selbst wie Flammen tanzten, als er sich schließlich hinab beugte. Andere Zauberer, mit einer Phantasie, die nicht nur auf bestimmte Schlüsselworte reagierte, vermochten vielleicht mehr zu sehen. Er nicht. Er sah nur Schneeflocken, die Lichtreflexe der Kerzen und ein Paar hell glänzender Augen über einen schmalen Nase. Sein Kopf ruckte hoch, so heftig, dass Remus sich beinahe an einem der Küchenschränke stieß. Unter der Nase lächelte ein zarter Mund. Helle Haare flatterten um die feinen Gesichtszüge des Mädchens, das nicht so undurchsichtig war, wie sie es hätte sein sollen, und umspielten ihre schmalen Schultern. Er blinzelte irritiert. Dann war sie fort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)