Prinzen des Chaos von Palmira (Alles, aber nicht glamourös) ================================================================================ Prolog: Kunst und Künstlichkeit ------------------------------- Cinnamon Lucifer. Fünf junge, attraktive Männer, vereinigt für die Musik, unter dem Banner des Pop-Rock, dem Genre, bei dem man auf möglichst viele minderjährige weibliche Fans hoffen durfte. Ein kometenhafter Aufstieg in die Top Ten war bereits vollzogen, und die Welt sah eine neue Gruppe von Helden vor sich. Eine, deren Glorie in Platin-Auszeichnungen für Plattenverkäufe und hysterisch kreischenden Menschenmassen hinter Metallabsperrungen bestand. Ein Wunder der Natürlichkeit, unverbraucht und frisch, mit Leidenschaft für die Musik, die sie verkörperten. Eine, deren Stern wahrscheinlich verglühen würde, sobald einer der Jungs den Drogen verfiel, ein Burnout erlitt oder sich ins Ehejoch zwängte. Aber noch waren sie nicht aufzuhalten, wie eine Naturgewalt. Noch standen sie eng zusammen, eine hoffnungsvolle Band auf ihrem Floß in die Zukunft, die einen reißenden Strom um sie bildete, und wo die Planken nur von Freundschaft und Kameradschaft zusammengehalten wurden… So weit die offizielle Version, die man schon hundert Mal gehört hatte. Bei der niemand mehr glaubte, dass etwas daran unerwartet oder wenigstens interessant sein konnte. Doch zumindest eines war sicher. Cinnamon Lucifer hassten sich. „Du Arsch! Das hast du mit Absicht gemacht!“ „Wenn du zu dämlich bist, rechtzeitig einzusetzen, ist das nicht meine verdammte Schuld, hm!“ „Ihr ward beide zu früh.“ „Halt die Fresse, wir wissen alle, dass du dein Scheiß-Geklimper absichtlich in die Länge ziehst!“ „Mach dir endlich die Mühe, die Noten zu lernen, du Idiot.“ „Fick dich einfach, hm!“ Das Stimmengewirr wogte zornig hin und her und verschönerte die Atmosphäre des Probenraums. Teure Ausrüstung und ein Tisch mit Kaffee und Erfrischungen täuschten nicht über die Spannung hinweg, die in der Luft lag. Ein einsames Keyboard spielte unbeeindruckt vor sich hin, bis eine schiefe Gitarrensaite quäkte. „Lass den Scheiß! Tu uns allen den Gefallen und halt deine Wichsgriffel 'ne Sekunde still, Zwerg!“ „Oh, ich bewundere das Ausmaß deiner Kreativität. Würdest du dir so viel Mühe beim Spielen geben, müssten wir nicht alles hundert Mal machen.“ Das würde ewig so weitergehen. Kabuto lächelte schwach und rückte seine Brille zurecht. Er war stark kurzsichtig, doch in Momenten wie diesen machte es ihm nichts aus, wenn die Menschen im Raum zu schwammigen Silhouetten schmolzen. Das machte es nämlich irgendwie erträglicher. Aber man hatte ja nicht den ganzen Tag Zeit. „Jungs“, warf er versöhnlich ein und setzte sich gerade hin, um seinen Blick mit buddhagleicher Geduld auszustatten. Das war auch nicht ganz leicht bei so vielen Nervensägen auf einem Haufen. „Haltet euch bitte an unsere Abmachung. Unsere Reporterin ist gleich hier, und wir haben vereinbart, dass es so aussieht, als wärt ihr bei einer Probe unterbrochen worden.“ Kabuto injizierte mit einer gewissen Anstrengung einen freundlich-verständnisvollen Tonfall in seine Stimme. Als fände er es irgendwie verständlich, warum diese Kleinkinder sich keine fünf Minuten professionell benehmen konnten, wenn keine Kamera auf sie gerichtet war. CL. Eine Abkürzung für Champion’s League. Chlor. Cum laude. Child lover. Aber für Kabuto war es vor allem das: Chalk Losers, eine Truppe kreidefressender Versager. Was ein Glück, dass er sie so hasste wie sie ihn. Und dass sie alle den Bandnamen hassten. „Deidara, zieh‘ bitte die Jacke wieder aus.“ Das Gift in dem Blick hätte ein Pferd töten können, aber Kabuto war immun dagegen. Er starrte so lange, bis der blonde junge Mann mit finsterer Miene aus seiner Kapuzenjacke schlüpfte und sie über einen Verstärker warf. Wenn Kabuto hätte sagen müssen, wen Deidara in diesem ganzen Zirkus am meisten hasste, war das vermutlich der Stylist. Der Sänger einer Boygroup durfte nicht zu viel Geschlechtsambiguität aufweisen. Das hieß, die Augen wurden mit Kajal geschminkt, die Haare offen gebürstet, und außer hautengen schwarzen Fummeln durfte er nichts tragen. „Es ist scheißkalt hier, hm.“ Deidara verschränkte die Arme vor seinem Bondage-Shirt (es hatte eine Viertelstunde gedauert, ihn allein in das hineinzukriegen) und schmollte. Sein Schmollen war seine einzige Angewohnheit, die man ihm nicht erst hatte eindrillen müssen. „Schätzchen, bei deiner Stimme läuft’s mir auch kalt den Rücken runter. Wenn du dein Maul hältst, wird’s hier gleich ein paar Grad wärmer.“ Deidara und Hidan hassten sich. Eine natürliche Reaktion, denn Hidan war einfach zu hassen, fand Kabuto. Mit seiner blöden E-Gitarre unterlag er keinem so peinlichen Dresscode, dafür musste er seine Haare gelen. Was, wie er betonte, unglaublich schwul aussah. Mal davon ab, dass es stimmte, war ‚schwul‘ Hidans ultimative Beleidigung für alles. Der Bass brummte leise, als dessen Spieler sich hinsetzte. Hidan lachte grollend. „Du hast einfach kein Stehvermögen, wir sollten wir mal einen Ständer besorgen, Mary Poppins?“, ätzte er. Itachi sah an ihm vorbei. Warum Hidan und er sich hassten, musste nicht erklärt werden. Deidara hasste ihn von der ersten Sekunde an, und Itachi hatte offenbar entschieden, dass er gegen dieses mysteriöse und wunderbare Gefühl von Instant-Abneigung nicht kämpfen würde. Er goss heißes Wasser drüber und ließ es ziehen. Erst jetzt fiel Kabuto auf, dass Deidara merkwürdig still geblieben war, er hatte auch nicht auf die Kritik an seiner Stimme reagiert. Und man musste wissen, dass das Ausbleiben eines Streits hier immer ein Grund zum Misstrauen war. Die Spitze einer Zigarette glomm auf, noch bevor Kabuto etwas sagen konnte. Er schluckte daraufhin eine Menge Beleidigungen herunter, an der ein weniger hart gesottener Mensch erstickt wäre. „Mach bitte die Zigarette aus. Du weißt, dass das offiziell nicht sein darf.“ Deidara zog auf diese enervierende Art eine Augenbraue hoch und zog an dieser Kleinkinder-Droge. Rauchen war absolut tabu – weniger wegen der Stimme, Deidara hatte zwar ein gutes, tiefes Timbre, aber das war sicherlich kein Grund, vor Begeisterung auszuflippen. Stattdessen hatte eine Boygroup klinisch sauber zu sein, und während es Kabuto nicht scherte, was für Drogen die Idioten sonst einnahmen (und sie taten es sicherlich, solange es in Maßen blieb), waren Zigaretten ein rotes Tuch für dümmliche Eltern. Und man roch sie, im Gegensatz zu vielen anderen Drogen. Deidara das Rauchen abzugewöhnen war leider die schwerste Hürde überhaupt. Kabuto würde sie trotzdem nehmen, und wenn es ihn umbrachte, diesen Schnösel zu einem Kunstprodukt zu machen. „Bist du taub, Zwitter? Mach sie aus, das stinkt.“ „Dann halt die Luft an, Püppchen, hm.“ Sasori – alias Püppchen wegen seiner schwerlidrigen Augen, die immer einen schläfrigen Eindruck vermittelten, eher ein kleines Licht im Ranking der kreativen Beleidigungen – belohnte das mit einem eisigen Blick. Deidara und Sasori hatten sich schon vor ihrer ersten Begegnung gehasst. Und was Itachi anging, so könnte man meinen, dass stille Wasser sich untereinander tolerierten, doch aus irgendeinem verworrenen Grund waren sie zu dem Entschluss gekommen, dass wenn zwischen ihnen nicht die große Liebe herrschte, auch keine irgendwie geartete Liebe ans Werk musste. Außerdem mochte Sasori es nicht, dass er das Keyboard spielen musste, ein Instrument, das er ohnehin für überflüssig erklärt hatte. „Ich sagte, mach sie aus“, wiederholte Sasori, diesmal schwang in seiner leisen Stimme eine Drohung mit. Hidan produzierte das nächste Kreischen auf einer unschuldigen Saite. Kabuto war sicher, dass seine Brillengläser davon einen Sprung bekommen würden. „Los, kloppt euch! Oder muss einer von euch erst seine Mami um Erlaubnis fragen?!“ Was ungemein witzig war, da Sasoris Eltern nach einem Autounfall im Koma lagen. Kabuto seufzte leise. „Jungs, das muss jetzt nicht sein. Wir wissen, er meint es nicht so.“ Und wie Hidan das so meinte, aber das wiederum war allen klar. Sasori ließ sich diesmal allerdings nicht provozieren, sondern gähnte hinter vorgehaltener Hand. Er nahm Tabletten zum Schlafen, solange nichts dazukam, ließ Kabuto ihm das durchgehen. „Meine Mami hat nichts dagegen, wenn ich eure Zahnärzte glücklich mache. Was ist mit dir, Itachi, hat dir deine endlich erlaubt, irgendwen zu vögeln, oder musst du die immer noch einzeln zu Hause vorstellen?“ Klar, wenn nichts zu tun war, schoss man wieder auf Zivilisten. Itachis Eltern waren gegen seine Beteiligung bei CL, und ihr Stimmrecht rangierte auf einem Platz mit dem von Sasoris Eltern. Die Welt war gerecht. „Lass ihn doch Jungfrau bleiben, Graf Dracula. Eines Tages kannst du ihn beißen, und dann sieht er genauso schwul aus wie du.“ Kabuto fragte sich, warum er den Fünften im Bunde eigentlich für intelligenter gehalten hatte. Das Schlagzeug ging an Kisame, einem Menschen, der irgendwie zu jovial wirkte, um irgendwen zu hassen. Doch er tat es. Vielleicht hatte er Itachi mal früher nicht gehasst, zumindest wussten sie das ein oder andere voneinander (dass Itachi Jungfrau war und verdammt noch mal bis vierzig eine bleiben würde, gehörte übrigens nicht dazu, das wusste jeder). Kisame war der Knackpunkt dieser ganzen Band. Denn im Gegensatz zu seinen verfeindeten Mitstreitern konnte er wirklich singen. Sicher, die anderen hatten allesamt angenehme Stimmen und waren nicht schlecht. Sie waren gewissenhaft ausgebildet und holten aus dem, was die Natur ihnen gegeben hatte, einiges raus. Aber Kisame hatte Talent. Mehr als eine Facette, er hatte echten Ausdruck. Das Problem war, ganz banal: zu hässlich. Ja. Die Adlernase, die kantigen, schroffen Gesichtszüge, die weit auseinanderstehenden, kleinen Augen, die hünenhafte Körpergröße, so sah kein Boygroup-Barde aus. Bis jetzt waren die Lieder äußerst geschickt getimed, sodass seine Stimme sich mit Deidaras überlappte und sie ergänzte. Kabuto wusste nicht, ob Kisame das wusste, oder ob Deidara es tat. Oder ob alle es wussten. Ob einer von ihnen nur auf den richtigen Moment wartete, um die Bombe platzen zu lassen, oder ob sie Grips genug hatten, um das niemals zu tun. „Was soll das, häh? Hast du so viel Ahnung davon, Schwuchtel?!“, fauchte Hidan und riss sich den Gurt seiner Gitarre über den Kopf, sodass ein paar Strähnen aus ihrer Gelfassung rutschten. „Wenn du nicht dermaßen viel Schiss hättest, dein Hetero-Hengst-Image zu verlieren, hätten wir alle weniger zu lachen, hm“, warf Deidara hämisch ein und ließ Asche auf den Boden rieseln. Hidan sah aus, als wollte er seine Gitarre auf dem Kopf des anderen zertrümmern, doch in diesem Moment öffnete sich die Tür. Kabuto stand auf, bereit, jede Woge zu glätten, falls die Reporterin ihre Kamera gezückt hatte, doch sie war es nicht. Es war wesentlich unerfreulicher. Zuerst schlüpfte eine zarte Gestalt im dunklen, sackartigen Pullover und ausgebeulter Jeans hinein, wo jegliche weibliche Rundung sich verlor. Der Dresscode für Frauen, die eng mit einer Boygroup arbeiteten. Besser war es, alles Feminine in der Truppe gleich zu eliminieren, aber auf diese konnten sie nicht verzichten. Wäre sie keine Frau, wäre Konan wohl in die Band gekommen. Sie beherrschte nicht nur einen Haufen Instrumente, sondern hatte auch eine Marketing-Ausbildung und sähe hübsch aus, wenn es ihr erlaubt wäre. So war sie nur die Komponistin und Texterin, die brillant darüber hinwegtäuschte, dass Itachi den Bass erst seit knapp ein paar Wochen spielte, Kisame besser singen konnte und Hidan seinen Einsatz ständig verpasste. So war das Business. Konan sagte nie mehr als ein Wort am Stück zu den Jungs, das hatte so zu sein. Unter ihren ungeschminkten Lidern sah sie sich kurz um, erwählte Sasori, weil er friedlich aussah, wie er an einem Stück Nagelhaut herumzupfte, und drückte ihm den Bogen mit Fragen und Notizen in die Hand. Und weil diese dumme Kuh nicht allein sprechen durfte, hatte sie männliche Begleitung der übelkeitswürdigsten Sorte. „Mach die aus. Wenn wegen dir der Feueralarm und damit der Sprinkler anspringt, setze ich dir die Ausrüstung in Rechnung.“ Deidara sagte nichts und drückte die Zigarette auf dem Futter von Itachis Gitarrenkasten aus. Es stank nach angebranntem Samt, und Kisame riss wortlos das Fenster auf, um durchzulüften. Ein kalter Wind zog, doch Deidara machte keine Anstalten, sich seine Jacke wieder anzuziehen. Kabuto hasste es, wie diese Kleingeister gehorchten, sobald der Bastard in der Nähe war. Madara Senju vertraute ihm nicht und ließ es ihn spüren. Dass Kabuto diese lausige Band zusammengekleistert hatte und sie zu einem Dauerbrenner machen würde, interessierte ihn nicht, und er machte es ihm so schwer die möglich, sie zu managen. Wenn der wüsste. „Wie ich sehe, hast du alles unter Kontrolle.“ Madaras Stimme war frei von Ironie und drückte dennoch das genaue Gegenteil aus von dem, was er sagte. Kabuto lächelte künstlich und nickte. Er würde dieses Rudel unter Kontrolle bekommen, und wenn es bedeutete, ihnen allen eigenhändig die Schwänze abzuhacken. Wenn etwas noch schlimmer für eine Boygroup war, als sich auf ihr Groupies zu stürzen, dann war es, wenn sie sich aufeinander stürzten. Sie hassten sich untereinander; sie wollten Macht, Dominanz und Sex. Bis auf Itachi vielleicht. Aber die stillsten Wasser waren andererseits immer die dreckigsten. Kabuto fing Madaras wärmefreies Halblächeln auf, bevor dieser sich abwandte. Konan folgte ihm wie ein gelangweilter Schatten. „Na dann!“ Kabuto zwang Enthusiasmus in seine Stimme. „Können wir noch mal beginnen?“ Hidan schnippte sein Plektron grinsend nach oben und fing es auf. „Alles hört auf mein Kommando, Ladies. Haltet eure Hymen fest!“ Deidara verdrehte die Augen und fuhr sich durch sein sorgsam drapiertes Haar. „Unsere was, hm?“ „Jungfernhäutchen – sei so gut und tu so, als wärst du beeindruckt vom Fachbegriff“, brummte Kisame und drehte seine Sticks zwischen den Fingern (diese nervige Geste hatte man ihm erst beibringen müssen). „Mir war nicht bewusst, dass wir so was haben – außer Itachi.“ Sasori legte die Notizen weg, ohne sie zu genau gelesen zu haben. Hidan grinste ihn an. „Kennt ihr Wichser auch nicht, so was kriegt ihr nicht vor die Lanze.“ „Irgendwie hast du Recht, nicht jeder muss sich auf Frauen beschränken, die dein bisschen Gestöhne nur geil finden, weil sie keinen Vergleich haben“, höhnte Kisame. Kabutos Lächeln fror immer mehr an seinem Gesicht fest. „Jungs, bitte. Deidara?“ „Damen haben den Vortritt“, murmelte Itachi, offenbar würde er wegen der Beschädigung seines Kastens heute den ganzen Tag beißende Bemerkungen machen. Noch einer weniger, der zumindest die Fresse hielt. „Fick dich endlich, hm!“ „Wenn wir darauf warten, haben wir in zwanzig Jahren noch nicht angefangen, Frontschwuchtel.“ „Sasori, du verletzt Kopierrechte. Bist du armselig.“ Kabuto fühlte die Apokalypse, wie sie einen Moment über ihm schwebte, als die Türklinke sich erneut regte. Das Zusammenbrechen seines Konstrukts, seiner Band. Seiner perfekten Zusammenstellung, die nur noch eingenordet werden musste. Eine junge, hübsche Frau mit dem Teint von Kaffee mit ein bisschen Sahne und dunkelroten Haaren trat ein und lächelte ein so natürliches Lächeln, dass es einstudiert sein musste. „Ein paar Minuten Zeit, ihr Süßen? Ich bin Karui, hab‘ ein paar Fragen für’s-“ „Lass mich zuerst. Arabische Nächte werden wahr, wenn du meine Lampe reibst, Lady…“ Hidan rollte die Schultern, um seine Muskulatur unter dem dünnen Shirt zu demonstrieren. Ein ungläubiger Moment. Bevor das sorglose Gelächter einsetzte, in das Karui ohne Zögern einfiel, während Kisame einen unbenutzten Styroporbecher nach Hidan warf, um die jungenhafte Atmosphäre zu stärken. Deidara zwinkerte Karui amüsiert zu, und Itachi drehte beiläufig eine Haarsträhne um den Finger. Sasori schob einen Stuhl zurecht, und Karui errötete reizend. Kabuto atmete aus. Deswegen würden sie nicht untergehen, bis sie an der absoluten Spitze waren. Weil Cinnamon Lucifer eine Band war, die vielleicht nicht gut singen konnte, den peinlichsten Namen überhaupt hatte und die sich untereinander hasste – aber sie wussten, wie man schauspielerte. Das hier würde der Erfolg des Jahrtausends. Kapitel 1: Glammed Up --------------------- „Was war das denn, hm?!“ Deidara klemmte sich den Filter seiner Zigarette unter den Eckzahn und wühlte gereizt nach einem Feuerzeug – nur, um festzustellen, dass er es in seiner Jacke vergessen hatte und mittlerweile bestimmt Kabuto dafür gesorgt hatte, dass so etwas nicht in seiner Kleidung zu finden war. Er fluchte hässlich und schlang die Arme um seinen Oberkörper, um der Kälte eines noch eher frostigen Morgens zu trotzen. Zwischen seinen Brauen hatte sich eine mürrische Falte eingegraben, doch die sah man aus der Distanz nicht. „Bei deinem Be-Bi-Image sollte dich das eigentlich nicht wundern, aber ich vergesse immer wieder, wie beschränkt du bist.“ Sasori schob die Hände in seine Hosentaschen und gähnte. Dass sie zusammen vor die Tür gegangen waren, wirkte kameradschaftlich, allerdings brauchte auch niemand zu wissen, dass Sasori nur hier draußen war, um etwas wacher zu werden. Denn er hasste es, wenn ihm jemand sagte, dass er niedlich war. Dafür nahm er auch diese Gesellschaft in Kauf, solange nicht geraucht wurde. Und er bereicherte sie sogar um ein paar lehrreiche Bemerkungen, während er gelangweilt in den schwach bewölkten Himmel hinaufschaute. „Nächstes Mal solltest du zurückzwinkern.“ „Zwinkern, hm?!“, fauchte Deidara aufgebracht und spuckte seine Zigarette in die Hand. Sie brannte nicht, er tat das jedoch auch, wenn sie schon angezündet war. Sasori war sich nicht sicher, ob es Pyromanie oder Masochismus war. In jedem Fall war es sowieso Dummheit. Und die hatte er seiner Band en masse attestiert. „Das war kein Zwinkern, das waren mittelschwere Zuckungen von einem Spasti-Reporter, hm!“ „Die dein Anblick bewirkt hat. Erstaunlich, was Ekel fertigbringt, oder?“ Political Correctness war an Wortgefechte wie diese verschwendet. Sasori streute eine weitere Beleidigung mit der Nonchalance ein, mit der Taxifahrer eine rote Ampel überfuhren – und Deidara war umso einfacher zu reizen, wenn er nicht rauchen konnte. Er war müde. Wirklich. Sasori zog eine Hand aus der Wärme seiner Hosentasche, um sich die Augen zu reiben. „Das nächste Mal leite ich an dich weiter, dann kannst du ihn ja tiefer in die Bedeutung des Wortes einführen, hm…“ Sasori ächzte leise. „Hoffen wir, dass die Neigung zu dümmlichen Zweideutigkeiten alles ist, was du dir bei Hidan eingefangen hast.“ Die silbrige Kette an Deidaras Hosenbund klirrte glockenhell, wie das Rasseln einer Klapperschlange im einundzwanzigsten Jahrhundert. Einen Moment war Sasori sicher, dass Deidara die Hand heben und ihm die Fingerknöchel in die Augenhöhlen rammen würde. Er hatte den anderen das schon mal tun sehen. Sasoris andere Hand schloss sich in seiner Hosentasche, er schob die Füße auseinander, um sich einen besseren Stand zu sichern. Das warme Metall drückte gegen seine Finger. Just in diesem Moment rauschte ein kleiner Schwarm von Frauen durch dieselbe Tür nach draußen, durch die die beiden Wunder der Musik vorhin gekommen waren. Ihr Tempo verlangsamte sich prompt, und es war gut, dass Deidara ihnen den Rücken zukehrte, seine zornige Miene ihnen verborgen blieb. Dieser Ausdruck schmolz ohnehin. Sasori nahm an, dass Deidara über eine lebhafte Fantasie verfügte, die ihn die Vorstellung genießen ließ, wie er den Absatz seiner latent lächerlichen Stiefel in Sasoris Nase rammte – das, oder es gab einen Kern von Selbstdisziplin hinter dieser blonden Fassade. Eins wie das andere. Fakt, er hatte keinen hässlichen Stiefel in der Visage und schenkte den Frauen ein knappes Nicken, während Deidara ihnen zuwinkte. Die Zornesröte in seinen Wangen wirkte umso anziehender und ließ selbst die Konservativen unter den Frauen verlegen werden. Sasori gähnte wieder. Was war er froh, dass er nicht diese Aufgabe hatte… „Weitergehen.“ Die Frauen hatten den Zugang blockiert, und plötzlich stoben sie auseinander, obwohl die Stimme leise und ohne Nachdruck war. Konan schien von dem überstürzten Gehorsam ebenso gelangweilt wie von der Anwesenheit von zwei Pop-Ikonen, eine Raufasertapete hätte bei ihr vermutlich dasselbe Maß an Begeisterung geweckt. Hidan hatte bereits die biologische These aufgestellt, dass ihre Eierstöcke aus Stahl bestanden und sie unter diesem unförmigen Sack aus ausgeleiertem Baumwollstoff Reizwäsche mit roter Spitze trug. Wenn man diese allerdings jemals zu Gesicht bekam, wurde man sofort von einem Todesfluch getroffen, und einem fiel der Schwanz ab (in dieser Reihenfolge). Sasori hasste Hidans Vorliebe für Aberglauben. Nicht nur, dass es für alles eigentlich eine logische Erklärung gab, diese mit Satanismus gepaarte Paranoia konnte jeden vernünftigen Menschen auch in den Wahnsinn treiben, weil man nicht durch diesen Panzer von Dummheit durchdrang. Zu seinem Geburtstag nächstes Jahr wünschte Sasori sich ein paar Gummihandschuhe, um in diesen Gelschopf zu packen und ihn in eine Toilettenschüssel zu drücken. Möglichst in einem Bahnhofsklo. Keine der Frauen sah mehr hoch, als sie den Hof überquerten und in einen anderen Teil des Gebäudes eintraten. Konan war stehen geblieben; auch sie war größer als Sasori, obwohl ihre zusammengesunkene Körperhaltung das ein wenig kaschierte. Er mochte sie trotzdem nicht. Sie arbeitete für Madara, was vermutlich auch der Grund war, weshalb die Feindseligkeiten zwischen ihm und Kabuto nicht eskaliert waren. Kabuto hatte den Wagen und Madara das Benzin. Ein Auto fuhr eine Weile auf Reserve, aber es verreckte nach kürzerer Zeit irgendwo, und der herangeschleppte Treibstoff reichte selten bis zur nächsten Tankstelle. „Beeilung“, sagte sie und wandte sich ab. In ihren Ein-Wort-Sätzen gab es keinen Platz für Floskeln oder Höflichkeit, und sie schien auch keine Lust zu haben, sich mit den beiden zu unterhalten oder ihre Aufforderung zu bekräftigen. Frauen gingen Sasori ganz besonders auf die Nerven. Deidara drehte seine Zigarette geschickt zwischen den Fingern, als er Konan nachsah. Sie schlurfte in dieselbe Richtung davon wie die Frauen, die Schultern zusammengezogen, der Dutt auf ihrem Kopf sah aus wie ein filziges Wollknäuel. „Was passiert, wenn man die mit Itachi in einen Raum sperrt und den Schlüssel wegwirft, hm?“, sinnierte Deidara nachdenklich. „Das Universum wird aus seinen Angeln gehoben und Ninja-Tunten auf Beutelratten werden uns alle töten, bevor wir zu Regenbogenstaub werden“, unterbrach sie jemand und fügte im selben trockenen Tonfall hinzu: „Schwingt eure Ärsche rein. Du erkältest dich noch, Prinzessin.“ Deidara verdrehte die Augen. Er schien die Beleidigung zu ignorieren, das war allerdings ein gängiges Phänomen, wenn man sich gerade auf jemand anders eingeschossen hatte. „Ich meine, bleibt er Jungfrau, hm?“ Kisame hob eine Augenbraue und scheuerte sich über den kurzgeschorenen Haaransatz in seinem Nacken. Sasori, der ihn nicht kannte, fand, dass er abgelenkt wirkte. Die Aufforderung zum Gehen wurde weiterhin freundlich mit Nichtbeachtung beschenkt. Sasori streckte sich und unterdrückte ein Gähnen, sodass ihm Tränen in die Augen traten. „Wahrscheinlich verwandelt er sich in ein Seepferdchen und kriegt ihre Kinder“, schloss Kisame nach einem Moment des Schweigens und zuckte mit seinen breiten Schultern. Deidara lachte – für Sasori klang es genauso schnaubend und pfeifend wie bei jedem Menschen, mit einem Wort, unästhetisch. Und er konnte Deidara nicht besser dadurch leiden, dass dieser dabei den Kopf nach hinten warf, bar jeglicher Scham. „Wir benennen sie alle nach dir.“ „Na hoffentlich – bei deiner hässlichen Fresse würden die armen Viecher sich nie trauen, sich fortzupflanzen, hm.“ Kisame schien nicht interessiert an einer Fortführung des Geplänkels, und wenn es hieß, dass er Deidara den Sieg ließ. Dabei waren sie alle heute nicht besonders in Form. Sasori sah schon wieder weg, als Kisame sich nach einem kurzen Aufblitzen seines Mittelfingers wieder in Bewegung setzte. In dieselbe Richtung wie Konan. Sasori hätte gelogen, wenn er das als interessant bezeichnete. Vielleicht konnte Kisame ihnen demnächst Aufschluss über Konans Unterwäsche geben, wahrscheinlicher war es, dass er auf dem Weg zu einem Date war, für das Kabuto eine ganze Eifersuchtsszene springen lassen könnte. Leider machte der Wichser ihnen wohl nicht die Freude. „Hey.“ Deidara blickte nur kurz auf, dann spuckte er auf seinen Daumen und rieb damit energisch über seinen Lidstrich. Er erinnerte irgendwie an ein missmutiges Kätzchen, das sich zu putzen versuchte. Mit Speichel. Sasori verzog angewidert das Gesicht. Zweitausend Jahre Zivilisation zogen an diesem nordischen Primaten einfach vorbei. Es klickte leise, als die Flamme eines Feuerzeugs sich entzündete. Sasori hatte es aus seiner Hosentasche gezogen, das warme Metall lag bequem in seiner Hand. Deidaras Miene erhellte sich etwas, blieb jedoch überschattet von Misstrauen. In CL gab es keine grundlosen Nettigkeiten, und man schenkte sich nichts. Wie um das zu unterstreichen, ließ Sasori die Flamme verlöschen. Ein schwaches Lächeln zupfte an seinen Lippen und trieb einen Mundwinkel leicht nach oben. Deidara packte seine Hand, die kalten Finger umschlossen Sasoris Handgelenk fest und unnachgiebig. Sasori ließ sich ungern anfassen – wenigstens vertrieb die Kälte an seinen Pulsadern etwas die Schläfrigkeit. Provokant ließ er das Feuer eine Sekunde aufflackern, doch Deidara ließ sich diesmal nicht davon ködern. „Was willst du, hm?“, knurrte er ungeduldig, machte keine Anstalten, Sasori das Feuerzeug wegzunehmen. Bloß keine Rangeleien, wo man sie beobachten könnte. „Schlaf‘ über mir.“ Deidara blinzelte verwirrt, aber er klemmte die Zigarette zwischen seine von der Kälte blassen Lippen. „Willst du also unbedingt unter mir liegen, hm?“, schnurrte er mit einem kühlen Unterton. Sasori drückte auf den Gasschalter des Feuerzeugs und ließ zu, dass Deidara seine Hand nach oben drückte, damit die Spitze der Zigarette entzündet wurde. Er wich dem Blick des anderen dabei nicht aus. Desinteresse zu heucheln war der einfachste Weg, sofort verdächtig zu sein. „Du hast ja keine Ahnung…“ Madara war allgemein kein besonders durchsichtiger Mensch. Das fing schon bei seinem Alter an. Es war kaum zu bestimmen, seine Haare hatten ein unnatürliches, stumpfes Schwarz, das schon immer so gewesen war – wenn es mittlerweile von Grau durchsetzt war, konnte jede noch so billige Tönung es abdecken. Um seine Augen lag ein feines Netz von Falten, die weder zu- noch abnahmen. Sie schienen in seinem Gesicht platziert zu sein, um ihn nicht freundlich wirken zu lassen(die Augen und die Falten gleichermaßen). Kisame hatte auch keine Lust auf jemanden, der freundlich aussah. Nett grinsende Drecksäcke waren noch unangenehmer als normale Drecksäcke. Man hatte ihm als Kind beigebracht, dass etwas, mit dem ständig herumgewedelt wurde, eigentlich eine Aufforderung war, es demjenigen wegzunehmen. Das galt auch für blinkende Schneidezähne. „Kannst du damit umgehen?“ In Kisames kräftigen Händen wirkte das Gerät ziemlich klein, und er widerstand der Versuchung, es mal kräftig zu schütteln. „Denk‘ schon.“ Für diese lapidare Antwort traf ihn ein eiserner Blick. Kisame machte sich nicht viel daraus – die Welt war immer der Meinung, dass ihn so was kratzen müsste. Wie ein Elefant, dickhäutig, aber sensibel. Und was ein schöner Vergleich an sich, so richtig scheiße. Kisame stellte sich dumm. „Das ist der Auslöser, oder?“ Er drehte die Polaroid-Kamera und drückte den Knopf. Es gab einen kurzen Lichtblitz, und Madaras verschlossene Miene wurde auf Papier gebannt. Ein echter Schnappschuss! Den würde er sich über’s Bett hängen. Sollte er es vorher noch wagen, das Foto signieren zu lassen? Sicherheitshalber sollte er seine Hände nie wieder waschen! „Lass den Unfug.“ Dann eben nicht. Kisame warf das Zettelchen auf Madaras Schreibtisch und stellte die Kamera wieder ab. Das Büro war kahl und roch nach gar nichts. Es roch, wie Wasser aus dem Wasserspender schmeckte, steril und mit diesem Hauch von Plastik. Kisame sah sich nicht als Künstlerseele, doch er assoziierte meist irgendetwas mit seiner Umwelt. Und mit CL, weil das irgendwie nicht ausblieb. Seitdem waren so niedliche Metaphern mit Katzen, Blümchen und Backwaren irgendwie in der Häufigkeit abgerutscht. „Warum gerade ich?“, erkundigte er sich und sah sich um, weil er wusste, dass Konan den Raum nicht verlassen hatte. Sie schob einen kleinen Stoß Blätter in einen schwarzen Ordner und schien seinen Blick sofort zu spüren. Und sie stand wirklich neben einem Wasserspender, zu allem Überfluss deutete sie seine Aufmerksamkeit wohl so, dass er etwas trinken wollte. Pflichtschuldig brachte sie ihm einen Plastikbecher mit kaltem Wasser. Reizend. Er hasste das Zeug. Vielleicht spürte sie das ja auch. In jedem Fall war sie tadellos dressiert, wo bekam man solche Weiber her?! Er wollte wenigstens mal den Katalog sehen! „Du wirst die Dokumentation eures Ausflugs übernehmen.“ In Madaras Sprachgebrauch gab es keine Konjunktive. Kisame hatte keine Ahnung, von welchem Ausflug der Kerl sprach, aber er schenkte sich die Frage. Vermutlich etwas, was ihr brillanter Manager ausgeheckt hatte, und Madara mischte sich ein, einfach um zu zeigen, dass er es konnte. Schön. Aber eine Antwort auf Kisames Frage war das nicht. Er würgte einen Schluck Wasser herunter und wünschte sich eine Brausetablette. Brausetabletten fand er widerlich, und die Male, in denen er sie herstellungskonform konsumiert hatte (erst ins Wasser, auflösen und dann trinken) konnte er an einer Hand abzählen. Die Male, wie oft er davon fast gekotzt hatte, hingegen nicht. Jedoch: nichts gegen die Fähigkeit von Brausetabletten, einen zu nerven. Mit ein, zwei Tabletten konnte man eine ganze Sportmannschaft auf die Palme bringen. „Und der Bonus ist, dass ich das da“, er deutete auf die Kamera, als sei das nicht offensichtlich, „in benutzbarem Zustand zurückbringe? Irgendwelche Lieblingsmotive?“ Wenn er auf eine dumme Frage keine Antwort bekam, stellte er eben noch dümmere. Er war kein Fotograf, momentan verdiente er noch gut genug, um sich nicht als Papparazzo verdingen zu müssen. Und Kunst interessierte ihn erst recht nicht. „Wie viele Aufnahmen wirst du brauchen?“ Madara ignorierte seine Fragen und stellte eine eigene. Er duzte Kisame immer, obwohl sie kein vertrauliches Verhältnis hatten. Innerhalb eines Plattenlabels tat man zwar immer so, als sei man maßlos kollegial, doch zu Madara passte das nicht. Selbst ohne seine Aura von ‚Ihr könnt mich alle mal‘ wirkte er wie ein Gentleman, der sich nie wie einer verhalten würde. Kisame wurde das Frage-Keine-Antwort-Spiel allmählich leid. Der Kerl wollte was von ihm und nicht umgekehrt, und sie tanzten hier Konversationstango. Madara führte übrigens. Die Tür des Büros klickte leise, und Kisame fiel auf, dass Konan gegangen war. Er hatte erwartet, dass sie bleiben würde, immer in Madaras Nähe, allerdings hatte sie immer das Hobby, ruhelos herumzuwandern. Das machte sie noch unheimlicher. „So viele, wie es braucht, um meine Kollegen in einigermaßen schmeichelhaften Lebenslagen zu erwischen, also plus minus zweihundert. Pro Person.“ Ein trockenes Lächeln huschte über Madaras Gesicht, die erste klare Regung, seit er seine Katalog-Frau losgeschickt hatte, um dieses wirklich flauschige Treffen zu arrangieren. Kisame war nicht sicher, ob es ein Ansatz von Humor war oder ein Zeichen von Herablassung. „Dir leuchtet also ein, warum du die Fotos machen wirst.“ Kisame trank einen Schluck Wasser, eher aus Gewohnheit als aus Durst. Natürlich machte er keine peinlichen Fotos von sich. Völlig einleuchtend. Oder auch nicht, denn er hatte die Lizenz zum Blamieren, im Gegensatz zu Deidara, dessen Design und Auftreten so was nicht zuließen. „Warum nehmen wir nicht einfach einen Fotografen mit?“, fragte er, um seine Überraschung zu überspielen. Madara hasste Kabuto viel zu sehr, um es ihm leicht zu machen. Ein Fotograf war eine fremde Person, und so was hieß, dass Kabuto immer in der Nähe sein musste, um jeden Ausrutscher zwischen seinen Schützlingen zurechtzubiegen. Erst recht bei dieser antiquierten Fototechnik. „Weil dessen Meinung irrelevant ist.“ Madara ließ in der Luft hängen, wessen Meinung es stattdessen war. Kisame hatte nicht vergessen, dass er allein in diesem Büro war. Er wünschte sich irgendwie, er hätte etwas Anderes zum Trinken als diese Pissbrühe. Madara öffnete eine Schublade und zog zwei kleine Packungen mit Papier heraus, die er neben den Fotoapparat legte. In fast derselben Bewegung nahm er das ausnehmend gut gelungene Portrait seiner Selbst und legte es obenauf. „Dreißig Bilder“, sagte er ruhig und lehnte sich wieder zurück. „Ich will jedes von ihnen sehen.“ Kisame fand es anstrengend, nicht zu grinsen. Nachdem er das Gefühl bekam, dass er lachen würde, sobald er diesen Stapel mit diesem lieblichen Foto drauf ansah, gab er endlich nach. „Und wenn sie nichts werden?“ „Das Papier ist markiert“, erwiderte Madara statt einer Antwort. Paranoia zum Frühstück? Jetzt fand Kisame es entschieden schwierig, nicht loszulachen. Er ertränkte seine Heiterkeit im Rest des Wassers und warf den Plastikbecher in den Papierkorb. Obwohl jeder gute Wasserspender einen Becherhalter für diesen Müll hatte. Für eine Popgruppe war dieses Maß an Rebellion ja schockierend! „Wann ist Einsendeschluss?“ Kisame bemühte sich redlich um einen ernsthaften Tonfall. Vielleicht war der Wasserspender ja mit irgendwelchen Stimmungsaufhellern versetzt – wenn das so war, war Madaras Toleranz entweder ziemlich hoch, oder er wollte das Zeug lieber nicht. Wie zur Bestätigung lächelte Madara knapp, die Falten um seine Augen zogen sich leicht zusammen. In diesem Moment schwang die Tür des Büros erneut auf – mit mehr Wucht, als Konan jemals freisetzen würde. „Da bist du ja.“ Kabuto bediente sich dabei des Tonfalls, der besagte: Hab ich dich, du kleiner Schlingel. Komm zu Mama und lass dir den Arsch versohlen! Kisame hatte irgendwie keine Lust dazu, aber ihn fragte ja keiner. Er steckte die Papierpackungen samt Foto ein und nahm die Polaroid-Kamera an sich, ohne sofort aufzustehen. Es war immer amüsant, erwachsenen Männern bei ihren Revierkämpfen zuzusehen – ein wenig kam er sich vor wie ein Scheidungskind, die waren auch nur Mittel zum Zweck. Eigentlich hatte Kabuto niemanden einfach aus einer Besprechung zu zerren, schon gar nicht bei Il Cheffe, doch er musste seinen Job machen dürfen. Mama hatte schließlich den ganzen Ärger am Hals mit ihrer zusammengecasteten Familie. „Du erlaubst? Ich muss etwas mit den Jungs besprechen“, wandte Kabuto sich mit einem Süßstoff-süßen Lächeln an Madara, wobei er das ‚Du‘ ein winziges bisschen mehr dehnte als unbedingt nötig. Madaras gelassene, leicht selbstgefällige Miene deutete darauf hin, dass er ohnehin im Bilde war, ob Kabuto das nun wollte oder nicht. Papa ruinierte Mama die Überraschung. Kisame biss sich auf die Wangeninnenseite und stand auf, wog den Fotoapparat in der Hand. Er hätte zu gern ein Foto von dieser Szene gemacht, aber er strapazierte seine Eltern besser nicht, sonst schickten sie ihn ins Heim und ersetzten ihn durch ein braveres Kind. Madara segnete das Unterfangen lediglich mit einem Nicken ab und nahm den schwarzen Ordner, den Konan vorhin befüllt hatte, und schlug ihn auf. Aus keinem besonderen Grund sah Kisame über die Schulter, als er hinter Kabuto das Büro verließ. Madaras schwer deutbarer Blick ruhte nicht auf seinen Unterlagen, sondern auf ihm. Pauschal gesagt. Konkreter, auf seiner Kehrseite. Kisame grinste kopfschüttelnd. Apropos Arsch. Lass uns drüber reden, Papa… „Da bist du ja endlich!“ So einen freundlichen Gruß war Kabuto nicht gewohnt. Hieß, diese Idioten hatten etwas ausgefressen. Keine fünf Minuten konnte man sie allein lassen, und darüber hinaus hoppelten sie ständig herum wie hyperaktive Eichhörnchen. Kabuto schob seine Brille das Nasenbein hinauf und bedeutete Kisame, sich hinzusetzen. In Ermangelung von besseren Möglichkeiten hatte er seine Jungs wieder in den Probenraum geschleppt, und während er Kisame nachgerannt war, waren ihm zwei seiner dümmlichen Versuchskaninchen wieder ausgebüxt. Also fing er Sasori und den Lieblingszwitter wieder ein (Letzterer war wieder ruhig, war also zum Rauchen gekommen, was Kabuto lieber noch verhindert hätte) und stellte prompt fest, dass Hidan in der kurzen Zeit wieder ein Problem entwickelt hatte. Wie hielten Kindergärtnerinnen das aus, ohne den Blagen mal gelegentlich ein Lineal auf die Finger zu donnern?! „Was ist?“ Aus den Augenwinkeln beobachtete er argwöhnisch Kisame, der eine Sofortbildkamera mit mäßigem Interesse untersuchte, bevor er seine Aufmerksamkeit auf Hidan richtete. Der Kerl war mit Sicherheit auf mehreren Ebenen durchgeknallt, aber ein kompletter Idiot konnte er nicht sein. Wenn man bedachte, wie viele Kerle mit Schmalzlocken und Gitarren auf dieser Welt herumrannten, und ausgerechnet dieses Exemplar war hier. Hidan war nicht die Antwort auf die Gebete einer Jungfrau, wie man so schön sagte. Jedenfalls bezweifelte Kabuto, dass Itachi für ihn gebetet hatte, so wie die beiden sich beharkten. Sie waren im Probenraum zurückgeblieben – es war die Antwort auf Kabutos Gebete, dass derweil nichts zu Bruch gegangen war. Ein Badboy mit Grips war schon nicht drin, und es juckte Kabuto für keine fünf Cent, ob Hidans charmantes Grinsen wirklich Mädchenslips tauen ließen. Solange der Kerl sein Maul aufriss, alles in Ordnung. „Streichen wir den E-Bass, okay?“ Kabuto unterdrückte ein Seufzen. Demnächst sagte Hidan noch nett ‚bitte‘. Er riskierte einen Blick auf Itachi, der so tat, als bemerke er nicht, wie man von ihm sprach, als sei er nicht da. Geduldig zupfte er Tonleitern, präzise, immer dieselbe. F-Dur. Itachi war der unmusikalischste Mensch, dem Kabuto in seiner Karriere je begegnet war. Dem Kerl fehlte jedes Quäntchen Leidenschaft, und bis jetzt war es Kabuto nicht gelungen, in ihm irgendeine Begeisterung für CL zu erwecken. Mittlerweile hatte Kabuto außerdem vertuscht, dass Itachi Vegetarier war, Süßigkeiten interessanter fand als ein Gitarrensolo, seine Haare nur zum Waschen und Kämmen öffnete und seine Schulakte ein leichtes, beharrliches Fehlverhalten in der Mittelstufe hergab. Ja, streichen wir den E-Bass. Weniger Stress und kein Scheiß mit diesen dämlichen Puritanern, die Itachi Familie nannte. Aber so leicht war Kabuto nicht kleinzukriegen. Das Schicksal hatte ihm eine neunzehnjährige Jungfrau mit Sexappeal geschenkt, und er würde das ausschlachten. „Wir haben das schon besprochen, Hidan. Etwas mehr Zusammenhalt wäre wünschenswert.“ Fresse halten und mich machen lassen, du Einzeller. Hidan zeigte sich von der verbalen und der nonverbalen Botschaft unbeeindruckt und kratzte sich das Ohrläppchen, durch das mehrere silberne Dreiecke gestochen waren. Hatte irgendwie den Charme eines Tackers, fand Kabuto. „Ich sag‘ ja nicht, dass Virginia gehen muss. Brauchen wir nicht noch 'ne Kesselpauke oder 'ne Triangel, irgendwas Idiotensicheres?“ „Gönn‘ ihm wenigstens ein Tamburin“, warf Sasori ein. Kabuto lächelte dünn – warum harmonierten diese Dumpfbacken nur, wenn sie sich beleidigten?! Und gerade Sasori, der den Bass wahrscheinlich auch gewollt hatte, aber Itachi ein Keyboard näher zu bringen, hätte noch länger gedauert. „Sehr witzig. Lass dich nicht irritieren, Itachi“, tröstete Kabuto mit wenig Mitgefühl, eher mechanisch. Er war nicht die Mutter der Kompanie. Itachi hatte seinen Namen offenbar gehört und hielt inne. Für einen wahnwitzigen Moment schien es, als wollte er so etwas wie Dankbarkeit ausdrücken, als er den Kopf hob und seine Hand ans Ohr legte. Und dann zog er einen Kopfhörer heraus. Schönen Dank, Arschloch. Kabuto hätte ihm das als Verdrängungstaktik durchgehen lassen, wenn er nicht dank seiner Brillengläser diese Andeutung eines süffisanten Grinsens bei diesem Bastard gesehen hätte. Warum redete er überhaupt mit diesen Menschen. Kabuto räusperte sich und goss Kaffee in einen Styroporbecher. Andere Menschen klammerten sich an Mantras, wenn ihnen die Kraft ausging, ihm reichte Kaffee. Kaffee, nicht bloß Koffein, und schon war die Welt in Ordnung. Wehe, wenn nicht. „Wir haben noch etwas zu besprechen.“ Die meisten blickten bei dieser Bemerkung auf; Kisame tat es mit Verzögerung. Es verriet Kabuto, was er über dieses konspirative Gespräch wissen musste. Hatte Madara vor, ihm seinen Drummer auszuspannen? Das alte Stück Dreck war leider nicht taub, aber jemanden aus seiner erfolgreichen Band zu nehmen – vor allem jemanden wie Kisame – barg einige Risiken. Umso besser, wenn er sein Dornröschen im Turm einschloss, bevor die böse Fee einrauschte. „Steht uns ein Imagewechsel bevor, hm?“ „Nein.“ „Dann interessiert’s mich nicht, hm.“ Diesmal grinste Itachi wirklich. „Reiß dich ein einziges Mal zusammen.“ Deidara funkelte ihn abschätzig an. „Du weißt ja nicht mal, wie das geht, hm.“ „Ich habe meinen Blinddarm noch. Falls dir sonst nichts mehr einfällt, hier ist noch eine Verfehlung von mir.“ Damit erklärte sich, womit Itachi und Hidan sich unterhalten hatten, während sie hier so romantisch zusammengesessen hatten. Kabuto nahm einen Schluck Kaffee und fiel Deidara ins Wort, bevor ein neuer Streit ausbrach: „Freut euch, Jungs, wir machen einen Ausflug.“ „Geht’s nach Disneyland?“ Diesmal sprang Hidan auf den Zug auf. „Nein. Und verschone mich damit, dass es dich dann nicht interessiert.“ „Wir könnten Sasori dortlassen, die brauchen jede Tinkerbell, die sie kriegen können“, spottete Kisame, und Sasori wirkte, als befände er diese Rollenzuteilung als kreativ genug, um seinerseits dem anderen eins reinzuwürgen. „Ihr werdet ein paar Tage in einem Tourbus verbringen, um ein paar Städte abzufahren und Werbung zu machen.“ Kabutos Stimme schnitt durch die ärgerlichen Wortwechsel hindurch und brachte sie zum Verstummen. Das Schweigen war Balsam für seine Nerven, auch wenn es wie üblich viel zu kurz war. „Am Arsch! Voll eklig!“ Nun, zumindest hatte er nicht erwartet, dass Hidan als Erster schimpfte. Allerdings war Deidara wahrscheinlich für jeden Meter froh, den er zwischen sich und ein Team aus Stylisten brachte, die keine Verwendung für seine Meinung hatten. Sasori und Itachi erwarteten, dass jemand anders für sie die Drecksarbeit machte, und Kisame spielte mit seiner blöden Kamera. Also nicht mehr so verwunderlich. „Was ist daran eklig?“, fragte Kabuto mit fadenscheiniger Geduld. „Die Aussicht, in einem Automobil mit anderen Männern zu übernachten? Du wirst es überleben.“ Hidans winziges Zögern alarmierte ihn allerdings. Es war eine Regung, die er von ihm nicht kannte, und sie ging zu schnell vorüber, um sie genauer zu analysieren. Hidan hatte sich sehr schnell wieder im Griff und winkte ab. „Der Erste, der sich in mein Bett verirrt, kann seine Eier von der Windschutzscheibe kratzen, Ladies.“ Deidara rollte mit den Augen. „Jeder von uns müsste kotzen, bevor er überhaupt angekommen ist, hm. Ich hoffe, dein Weltbild ist trotzdem noch intakt, hm.“ Dieser Auftakt nahm Kabuto die Möglichkeit, Hidan genauer zu beobachten, er musste seine Informationen loswerden, bevor die Kindereien wieder losgingen. Wenn alles lief, wie es sollte, würden sie mit dieser kleinen Klassenfahrt sowieso enden. CL hassten sich, aber sie waren nicht übermäßig gut miteinander bekannt. Sie zickten sich schlimmer an als ein ganzes Team von Cheerleadern, auf einer oberflächlichen Basis. Wenn sie erst mal ein paar Tage miteinander verbrachten, ohne die Chance, einander auszuweichen, würden sie reagieren wie alle gefangenen Tiere – sich belauern, die Schwächen der anderen ausloten, eine Rangordnung ausfechten. Sie würden sich gegenseitig schonungslos in die Weichteile treten, und das war es, worauf Kabuto spekulierte. Damit kam endlich so etwas wie Zurückhaltung. Und er würde nicht in diesem Bus übernachten. Er nicht. Sonst gab es Tote. „Warum jetzt? Unser Tourauftakt ist doch erst später, und da gibt es Hotels“, warf Sasori mit leicht gerunzelter Stirn ein. Kabuto unterstellte ihm, dass er etwas von dem ahnte, was geplant war. „Erstens seid ihr die netten Jungs von nebenan, ihr dürft nicht zu früh Divenallüren haben“, antwortete Kabuto und sah dabei an Deidara vorbei. Der Junge würde sich freuen, wenn er sein Script im Bezug darauf zu sehen bekam, was für dümmliche Spleens er noch entwickeln sollte (mal wieder ungeachtet seiner persönlichen Neigung, hier ging es ja nicht demokratisch zu). „Zweitens ist das keine Tour, nur Werbung. Kleine Gigs ohne Tickets. Sobald man Geld für etwas ausgibt, sind die Menschen der Meinung, dass sie einen Anspruch auf die Band haben und etwas von ihr verlangen können – ist es kostenlos, gibt es keine Ansprüche. Man kann euch nichts vorschreiben, und es gibt… eine nennenswerte Anzahl junger Frauen, die das nicht gern sehen. Zahlt sich im Grunde alles aus.“ Kabuto beendete seinen kleinen Vortrag über ihre Werbestrategie mit einem zufriedenen Lächeln. Die Jungs waren außerhalb von Madaras Reichweite, sie konnten ihre Dominanzkämpfe austragen, ihre Reviere zupissen und dabei noch aller Welt vermitteln, dass sie irre viel Spaß hatten. Der Plan war perfekt. „Und wann geht’s los? Heute? Morgen?“ Kisame klang erheblich schnippischer als sonst und störte Kabutos Illusion, dass diese Dünnbrettbohrer begriffen hatten, was er ihnen hier an Genialität darlegte. Wohl nicht an’s Intrigieren gewöhnt. „Morgen früh – seht zu, dass ihr pünktlich seid.“ Er ließ seine Brille ein wenig vom Nasenbein rutschen. „Das wird wie Urlaub.“ A/N: Woa, ihr seid ja so super. Und nebenbei extrem motivierend. Kapitel 2: Dirty Dipping ------------------------ Itachi war sich nicht sicher, was andere Menschen unter Urlaub verstanden. Es war sehr schwer, eine Definition zu finden, die für jeden zutraf. Aber vielleicht konnte man festhalten, dass das Ziel von Urlaub Erholung war. Immer, wenn er sich zu diesem Punkt vorgearbeitet hatte, kehrte Godzilla zurück und riss das kleine Baugerüst namens Realitätsverweigerung ein. Sechs Tage. Sechs Tage Urlaub. Es fühlte sich an wie früher, als seine Eltern ihn mit fünf Jahren über den Sommer in ein Fußballcamp geschickt hatten (Itachi hasste Fußball, er hasste eigentlich jeden Teamsport und darüber hinaus jeden Sport, bei dem es Sammelumkleiden gab und man mit Bällen beschossen wurde). Freilich hatte er damals nicht gewusst, dass seine liebenden Erzeuger ihm den tiefen Schock der Geburt ersparen wollten. Seine Großeltern – beiderseits – waren Hippies und vertraten die Ansicht, dass ihr Enkel das Wunder des Lebens so bald wie möglich sehen sollte, und zwischen Gliederschmerzen, außerplanmäßig immer noch vorhandenen Kotzanfällen und einem Nierenstein, der aus der falschen Lage des Säuglings resultierte, hatte Mikoto nicht diskutiert. Genauso wie damals war das hier vermutlich auch zu seinem Besten, vorausgesetzt, man glaubte den Einflüsterungen von Kabuto, oder Godzilla, wie man ihn nun nennen wollte. Aber für Itachi änderte das gar nichts. Das bleischwere Ich-will-nicht-Gefühl war da. Als er das Ungetüm aus lackiertem Blech und verspiegelten Fensterscheiben betrachtete, das nichts mit einem anständigen Bus gemein hatte, verknotete sein Magen sich, und seine Hände begannen zu schwitzen. Neben ihm zuckte ein Lichtblitz, und Itachi zuckte gleichermaßen. „Lass das!“, fuhr er Kisame uncharakteristisch schneidend an, als dieser sein Foto aus der Polaroid-Kamera zog. Fotos. Oh Gott, er hatte sich die ansehen müssen. Seine Großmütter hatten allen Ernstes ihre (Schwieger)-Tochter im Kreißsaal dokumentiert, und sein Vater war zu gelähmt vor vorbildlicher Geburtspanik gewesen, um etwas zu unternehmen. Neben diesem Trauma aus seiner Kindheit von Glibber und Blut und einem unbeschreiblich hässlichen Bündel knautschiger Wabbelhaut stand jetzt dieser Idiot neben ihm und stocherte damit metaphorisch in Itachis Mageninhalt herum. Es fehlte nicht viel, und er würde es live und in Farbe tun können. Und Itachi würde dafür sorgen, dass Kisames Schuhe Bühne dieses großen Schauspiels wurden. Dieser steckte gerade seinen Schnappschuss in die Hemdtasche und blickte auf Itachi herab. Seine Körpergröße erlaubte ihm das fast immer, doch im Gegensatz zu Deidara war Itachi das relativ egal. Ebenso, wie er sich natürlich niemals die Blöße geben würde, sich vor jemand anders zu übergeben. Trips wie dieser kehrten die hässlichsten Seiten an einem Menschen hervor, und wenn niemandem nach Ablauf dieser sechs Tage – und sechs Nächte – Fingernägel, Haarbüschel oder wenigstens Augenbrauen herausgerissen worden waren, konnte die Rede von einem Erfolg auf ganzer Linie sein. Bis dahin gab es in den Schützengräben keine Atheisten. „Macht schon, Jungs. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ Kabuto wischte mit einem nach Reinigungsalkohol riechenden Tuch über seine Brillengläser. Itachi entging nicht, dass er Kisame nie lange aus den Augen ließ, am ehesten wegen dieser Polaroid-Kamera, Madaras neuster Reviermarkierung. Itachi fragte sich, warum Kisame sich freiwillig zu dem Acker gemacht hatte, der von den Apokalyptischen Reitern der Egomanie niedergetrampelt wurde. Vielleicht war er ein Idiot. Oder er hatte keine Wahl gehabt, in dem Fall war er auch ein Idiot. Man hatte immer eine Wahl – oder meistens. Der Kreißsaal war eine Ausnahme. Itachi kletterte in den Bus. Alles roch noch neu, steril und alles Andere als anheimelnd, und bevor er sich hier umsah- „Meine Fresse, das ist keine Dusche, das ist ein Plumpsklo!“ „Schon mal 'nen Plumpsklo mit Blümchenvorhang gesehen, hm?“ „Maul halten, Rosettenlutscher! Das ist so schwul!“ Er würde sich hier gar nicht erst umsehen, basta. Ein Schubs von hinten brachte Itachi beinahe ins Straucheln. Von der Art her, wie sich dabei ein Daumen ekelhaft in den Muskel unter seinem Schulterblatt bohrte, war das Sasori gewesen. Itachi widerstand dem Drang, auf der Treppe kurz auszutreten, bei der Höhenlage der Stufen und Sasoris begrenztem Höhenwachstum erwischte er da noch die holde Visage. So was lohnte sich nur bei Schuhen mit markantem Profil. Nicht, dass Itachi wusste, wie ein Gesicht aussah, in dem man den Schriftzug ‚smack by bitch up‘ lesen konnte. Er erklomm die letzten Stufen und ließ sich auf eine Sitzbank fallen. Sasoris roter Schopf tauchte ebenfalls auf. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein Bad benutzen möchte, in dem die beiden zusammen drin waren“, sagte er zu niemand Bestimmtem und gähnte. Die Geste, dabei den Mund zu öffnen, bettelte geradezu darum, etwas hineinzustopfen, und ewig konnte Itachi sich diese Notwendigkeit (von einem Vergnügen war hier nicht die Rede) nicht verwehren. „Du bleibst also hier? Wunderbar. Wenn einer von uns sich beim Auftritt auf das Keyboard setzt, wird die Qualität endlich besser.“ „Ich verstehe völlig, dass du die Klappe aufreißt. Bei deinen – Moment – drei Tonleitern, die du klimpern kannst, ist das wohlverdient.“ Sasori tippte sich nachdenklich ans Kinn. „Wobei ich denke, deine wahre Stärke ist es, dass du schon weißt, dass man bei dem Gurt erst den Kopf reinsteckt. Mir gefällt dein taktisches Denken in dieser Sache, wirklich. Erst das Leergut, und dann der hohle-“ „Sasomaso, es ist dein Niveau – es möchte von dir von der Unterseite deiner Schuhe abgekratzt werden, hm.“ Deidara hatte sein Badezimmerabenteuer offensichtlich überstanden und schaltete sich in den Kleinkrieg ein. Was naturgemäß hieß, dass kurzfristig er unter Beschuss genommen wurde. „Guter Einwand, Zwittermutante. Ich vergesse immer wieder, dass ich solche Dinge wie Niveau nicht in deine Nähe mitbringen darf. Wir wollen nicht, dass du dich ansteckst.“ Begleitet wurden Sasoris Worte von einem gönnerhaften Nicken in Deidaras Richtung. „Immerhin verstopfen deine Haare den Abfluss, wenn sie dir ausfallen“, fügte Itachi hinzu, ohne darauf zu achten, ob er hier den Grundstein für eine kleine Prügelei legte. Mit Rücksicht auf das Styling waren sie dazu nicht mehr gekommen, seit… Nein, bei ihrer kurzen Bekanntschaft war es noch nie dazu gekommen, weil immer eine Kamera in der Nähe war. Nicht zu fassen. Surrend schlossen sich die Flügeltüren des Busses, und Kabuto beschallte sie alle mit einem Lächeln, das dermaßen angestrengt war, dass es schon wieder echt wirkte. „Jungs, Jungs, ganz ruhig“, schnurrte er besänftigend, seine grauen Augen blitzten stahlhart. Daraufhin wurden Augen verdreht, aber das blieb die einzige Regung. Ein weiteres ungeschriebenes Gesetz war, dass der Manager in Ruhe gelassen wurde. Den blamablen Kostümen und Image-Vorgaben wurde getrotzt, doch letztendlich wurde getan, was Kabuto anordnete, mehr oder weniger originalgetreu. Nicht, dass das etwas an dem lauwarmen Hass änderte, den sie austauschten, das empfindliche Verhältnis durfte hingegen nicht gestört werden. Kein Sand in den Zahnrädern, die beim Ineinandergreifen schon genug knirschten. Man konnte es fast hören, als Kabuto routiniert seinen Kragen glättete und nach vorn zur Fahrerkabine marschierte. CL verteilte sich im oberen Geschoss des Busses, fern von dem kleinen Bad und den Stockbetten, und vor allem von dem Busfahrer, der womöglich Nettigkeiten auffing, die nicht für seine Ohren gedacht waren. Nicht am ersten Tag zumindest. Danach – in den sagenhaften SECHS Tagen, die zu kommen waren – waren die Reibereien völlig normal. Itachi konnte es gar nicht erwarten, als er sich auf einen blaugestreiften Sitz setzte und den hoffnungsvoll angebrachten Anschnallgurt ignorierte. Krachend stemmte Deidara seinen rechten Fuß gegen die Kante des kleinen Tisches und fing an, seine 14-Loch-Boots aufzuschnüren. Auch Hidan hatte das Bad schon genutzt, um provisorisch Gel aus seinen Haaren zu waschen. Wobei die Nässe ironischerweise nur noch mehr dazu beitrag, dass es sich an seinen Schädel schmiegte. „Was glotzt du so, hm?“ Deidara taxierte ihn feindselig. Itachis stoische Miene kaschierte den kurzen Stich Verlegenheit, den der schroffe Tonfall provozierte. Oder vielleicht war es nur der Stich Empörung, weil er um Gottes willen sicher nicht- „Ihm wachsen keine Brüste, da kannst du lange warten. Das könnte den Anblick auch nicht retten“, brummte Kisame und warf die Arme über die Lehne der Sitzecke. Es führte dazu, dass er einen Sekundenbruchteil zu spät reagierte, als Deidara unvermittelt den ausgezogenen Stiefel auf ihn schleuderte, der gegen Kisames Brustbein prallte. „Wenn ich dir jetzt den Nippel geklemmt habe, leg‘ dir bitte nicht hier Eis auf, hm. Wenn die Kotztüten bei 30 km/h in der Innenstadt zum Einsatz kommen, ist das peinlich, hm.“ Sasori ächzte leise bei dieser Aussage und nahm die zweite Sitzecke in Beschlag, um sich hineinzurollen und den anderen ostentativ den Rücken zuzukehren. Itachi rieb sich die Stirn. Wo war Kabuto, wenn man ihn brauchte? Sein hypokritisches ‚Jungs‘ lähmte jeden Wunsch nach Gewalt wie ein erstickendes Kissen. Wenn es mit der Karriere als Manager nichts wurde, konnte er immer noch eine tolle Stelle als Sedativum kriegen. Itachi holte seinen iPod aus der Hosentasche und begann, das Kabel zu entwirren. Kisame sparte sich und vor allem anderen die Genugtuung, sich die getroffene Stelle zu reiben, und pflückte den Stiefel von seinem Oberschenkel, wobei er das Gesicht verzog. „Schwer. Ich hatte fast vergessen, was für Mörderabsätze du brauchst, damit du überhaupt mit meinen Nippeln sprechen kannst. Wenn du sie das nächste Mal siehst, entschuldige dich bei ihnen.“ Hidan lachte und lehnte sich mit entspannt geöffneten Beinen auf der Rückbank zurück, die wie in jedem guten Bus das Ende säumte. Insgesamt hatten sich die Bandmitglieder so weit voneinander entfernt, wie das möglich war, akkurat wie Magneten. Man merkte die Professionalität. Itachi steckte seine Kopfhörer in die Ohren und wartete ungeduldig, dass das Gerät ansprang und ihn von dieser Audiobelästigung befreite. „Lass mal. An dem Zwitter wurde mehr rumgefummelt als bei 'ner minderjährigen Nutte zum ‚All you can fuck‘, die wissen wenigstens, dass er ein Kerl ist.“ „Du meinst, dass er ein Y-Chromosom hat“, warf Sasori schläfrig ein, und Hidan nahm den Einwand mit einem gönnerhaften Nicken hin. Der Blick seiner absonderlich gefärbten Augen hinter den weintraubenfarbenen Kontaktlinsen richtete sich auf Itachi, der die Lautstärke höher drehte. Sehr optimistische Tat, aber sechs Tage. Sechs Tage. Hatte er wenigstens schon eine Stunde herum? Nein, zehn Minuten seit der Abfahrt. Scheiße. „Hey, Itchy, weißt du, wie man eine Jungfrau in China nennt?“ Zum ersten Mal hätte Itachi seine Sneakers gegen einen von Deidaras leidenschaftlich gehassten Plateauschuhen getauscht. Einen hatte der Sänger noch davon, den er jetzt mit einer Hand pendeln ließ, ein schwaches Lächeln auf den herzförmigen Lippen. Nein, keiner dieser Dünnbrettbohrer würde etwas tun, bis Hidan seinen dummen Witz gerissen hatte. Teilnahmslos beobachtete Itachi die Billboard-Reklamen, die draußen mit zunehmender Geschwindigkeit an ihnen vorbeizogen. „Muschizu!“ In diesem Moment tauchte Kabuto im Obergeschoss auf. Er hatte die Höflichkeit, verwirrt auszusehen, als ihm die Pointe dieses feinsinnigen Witzes entging, kurz streifte sein Blick über die Band, um festzustellen, auf wessen Kosten ich amüsiert wurde. Mit einem geübten Ruck des Kopfes schob er seine Brille ein Stück das Nasenbein herunter und schob eine Hand in die Tasche seines Sakkos, um ein Kästchen daraus hervorzuholen. „Wer möchte Quartett spielen?“ „Oh mein Gott, endlich.“ Sasori fuhr sich mit beiden Händen über sein rotes Haar, das sich störrisch sofort wieder aufrichtete. So kurz es war, so sehr schien es bestrebt, nach dem stundenlangen Plattdrücken durch die Lehne des Sitzes in jede Richtung abzustehen. Der Fotoapparat klickte und spuckte ein Abbild des Chaos aus. „Du siehst so niedlich aus – reif für die Grundschule, hm.“ Deidara grinste hämisch, und Kabuto spürte das immense Verlangen, seine Brille mit der Hand zu zerquetschen, um das nicht mehr zu sehen. Undankbares Pack. „Jeder Grundschüler spielt besser Quartett als er“, brummte Itachi, ohne das monotone Spielen seiner Tonleiter zu unterbrechen. G-Dur. Sasori ignorierte das Gespräch, das um ihn herumfloss, als sei er nicht da. Die erbärmlich schlechte Gedächtnisleistung konnte Kabuto ihm auch nicht absprechen, wäre Sasori immer so neben der Spur wie in den vergangenen Stunden, müsste man ihn Vollplayback spielen lassen. Aber solange er sich auf der Bühne noch erinnerte, welche Tasten er drücken musste, konnte er so viel Mist bauen, wie er wollte. So lange er es aushielt, gegen Deidara zu verlieren, der, je nach Nikotinpegel, auch nicht konzentriert war. „Hast du es schon mit einem Kamm versucht?“ Wer war er denn, die Mutter der Kompanie?! Sasori warf ihm einen entsprechend ungnädigen Blick zu, und Kabuto lächelte ihn strahlend an. „Ansonsten kannst du Deidara gern in die Maske begleiten, die kümmern sich um dich.“ Sasori starrte ihn ungläubig an (vermutlich wissend, dass er in diesem Sündenpfuhl nicht mit geglätteten Haaren, sondern vielmehr mit Strähnchen, neuen Wimpern und, wenn er sich ganz patzig anstellte, roten Koteletten herauskam). Ein kritischer Moment, in dem er nicht aufmerksam war und von dem hinterhältigen Angriff fast von der Bank gerissen wurde. Hidans brüllendes Gelächter war diabolisch, als er eine Handvoll Gel mit einem feuchten Schlürfen über Sasoris Haar zog. Itachis Daumen verharrte über der Saite, Kisame hob mechanisch den Fotoapparat und drückte ab. Kabuto nahm seine Brille ab. Und Sasori, nachdem ein Tropfen klarer, zäher Flüssigkeit über seine Stirn kroch und eine schleimig glitzernde Spur hinterließ, schoss aus seinem Sitz hoch. Er wirbelte zu Hidan herum, zweifellos um seine Fäuste auf möglichst gemeine Weise in dessen Körper zu rammen, und präsentierte damit unweigerlich die Rückseite seines Kopfes. Zu diesem Zeitpunkt war Kabuto bereits aufgesprungen, um den Ausbruch einer Prügelei zu verhindern (schon wieder!). Die Welt zeigte sich ihm nur in verschwommenen Konturen, doch er brauchte keine Scharfsicht, um Sasoris Arme festzuhalten, und wenigstens riskierte er nicht das Zertrümmern seiner Brille. Dank der Festigkeit des Gels zeichnete sich der Abdruck von Hidans Hand wie eine Schneise in den noch immer unverdrossen abstehenden roten Haaren ab. Es war einer dieser seltenen Momente, wo man wusste, dass etwas kommen musste. Deidara legte den Kopf schief. „Findet ihr nicht, dass es aussieht… wie die Teilung des Roten Meeres, hm?“ Itachi stieß ein uncharakteristisches, hustendes Schnauben aus, das in den Ansätzen noch Ähnlichkeit mit einem Lachen hatte. Hidan schlug sich grinsend auf den Brustkorb. „Ich bin der verfickte Moses!“ Sasori spannte sich an wie eine Sprungfeder, und Kabuto musste ihn mit beiden Armen umklammern, um ihn festzuhalten. Dass sich gelgespitze Haare dabei in seine Lippen bohrten, war nur ein wirklich unangenehmer Aspekt davon, doch er hielt das durch. Er hatte noch etwas zu tun. Deidara erwählte diesen Moment, um aufzustehen und seine Jacke zu nehmen, in deren Tasche es verdächtig raschelte. „Bin weg, hm.“ Er würde sie umbringen. ALLE! Letztlich kam es nicht zum Blutvergießen, weder durch Kabuto, noch durch Sasori, noch durch Hidan. Oder Kisame, der wahrscheinlich einfach mitgemacht hätte. Aber der Engel des Friedens kehrte wieder ein. Nicht wirklich ein Engel und nicht wirklich Frieden. Um mal näher bei der Wahrheit zu bleiben, es war Konan und sie brachte die Gewissheit mit, dass es ein höheres Ziel gab, als der Letzte zu sein, der an diesem Abend noch stand. Die kleinen Dinge des Lebens. Kabuto runzelte vernichtend die Stirn, als er ein feuchtes Taschentuch auf seine Nase drückte, um die Blutung zu stoppen. Sasori hatte seinen verunzierten Kopf in einem wrestlingreifen Headbutt in sein Gesicht gerammt. Hätte Kabuto nicht zur etwa gleichen Zeit seinen Finger hinter das Brustbein des anderen geklemmt und den Muskel dort verkrampfen lassen, hätte sein Nasenbein vielleicht mehr getan, als nur zu knirschen. Da tröstete es ihn nicht, dass Hidan eine aufgeplatzte Lippe hatte (die, ironischerweise, zu seinem Rowdy-Image passte und deshalb nicht mal ein Pflästerchen bekam). Der Teufel hatte ihn geritten, es mit einem ehemaligen Thai-Boxer und einem aggressiven Humorverächter aufzunehmen. Das nächste Mal, wenn er diese Jungs irgendwohin mitnahm, würde er vorher einen Frauen-Selbstverteidigungskurs machen, um ausreichend unehrenhafte Taktiken zur Verfügung zu haben. Vielleicht stimmte es, dass auch in nervtötenden und künstlichen Hartplastik-Popstars noch ein Hauch Gentleman steckte, sodass sich vor den Augen einer Dame nicht gekloppt wurde. Doch Kabuto glaubte nicht daran. Es war nur irgendwie peinlich, sich im Gang zwischen Sitzgelegenheiten auf dem Boden herumzuwälzen und möglichst entwürdigend aufeinander rumzudreschen. Zu allem Übel wusste er nicht, ob Kisame davon ein Foto gemacht hatte (Madara würde es sich einrahmen und in sein Schlafzimmer hängen, falls der Kerl nicht doch in einer Gruft schlief und es stattdessen an den Innendeckel seines Sargs pappte)… Und er hatte Deidara entkommen lassen. Das war ihm alles ziemlich egal, solange er noch das Bedürfnis hatte, die Köpfe dieser unterbelichteten Kreaturen im Takt zu den Spice Girls auf die Motorhaube des Busses zu donnern. Hidan grinste das Grinsen eines Babys, das gerade das Ausgeh-Hemd seines Babysitters mit verdorbener Milch vollgekotzt hat. Unschuldig und befreit und dreckig. Kabuto hasste ihn. Sasori hasste ihn. Sie hassten sich. Schön die Balance halten. Nachdem niemand mehr Gefahr lief, das gute Plastik-Parkett vollzubluten, setzte Konan sich neben Sasori auf die Bank, gerade so, als wollte sie ihn jetzt mütterlich in den Arm nehmen und an ihren wahrscheinlich gar nicht vorhandenen Busen drücken. Stattdessen zog sie aus den Untiefen ihres schlabberigen Pullovers (der Holzfäller-Look sah so beknackt an ihr aus wie irgend möglich) einen breit gezinkten Kamm und fing an, Sasoris Haar durch methodisches Reiben, Kratzen und Kämmen vom Gel zu befreien, wobei sie gerade genug davon ließ, damit die roten Strähnen nicht wieder in alle Richtungen abstanden. Gnade. Die Frau musste natürlich noch mehr Talente haben. Es reichte ja nicht, dass sie jedes Instrument auf Gottes weiter Erde spielen konnte, einschließlich der Arschgeige und des Dudelsacks mit Loch, und dass man sie zum Komponieren und Texten brauchten, jetzt war sie auch noch Stylistin! Es gab keinen vernünftigen Grund für Kabuto, sie nicht zu hassen. „Sich lausende Affen in freier Wildbahn – es wird pervers, ihr Säcke“, grollte Hidan und erntete damit ausnahmsweise Kabutos volle Zustimmung. Obwohl der Bastard ruhig tiefer in die Schublade der vulgären Beschimpfungen hätte greifen können. Nichts machte der Primat richtig. Konan blickte kurz von Sasoris Kopfhaut auf. Ihre Augen waren von einem spektakulären Hellbraun, wenn man mal geübt die dunklen Schatten und die geplatzten Äderchen übersah. Hidan schmunzelte auf diese Art, die sagte: Ich zünde gleich dein Haus an. Unerklärlicherweise war das das Schmunzeln, bei dem die Mädchen kreischten und seufzten, und nach Hidans Meinung reichte ein direkter Blick für einen Orgasmus aus. „Was guckst du, Süße?“ Konan kreischte weder, noch seufzte sie. Und Kabuto wagte mal mit seinen paar Semestern Medizin zu behaupten, dass sie auch keinen Orgasmus hatte. Sie schaute Hidan ausdruckslos an und verriet mit keinem Wimpernzucken, ob sie überhaupt verstand, was er sagte. Sasori hatte seit der Rangelei keinen Ton mehr von sich gegeben. Er war auch der Einzige, der ohne sichtbare Blessuren davongekommen war, obwohl Kabuto, seit er seine Brille wieder aufgesetzt hatte, die leicht vorgebeugte Haltung verdächtig fand. Mochte sein, dass Hidans Haken gesessen hatte, Sasori klemmte ja sowieso hinter seinem Keyboard fest. Obwohl es gut aussehen würde, wenn sie ihre Mini-Tour trotz ein paar gebrochener Rippen durchhielten. So ein Gesundheitskorsett war zwar weitgehend erotikuntauglich, aber Sasori stand bereits im Ruf, dafür besonders geschickte und bewegliche Finger zu haben. Treppe runterschmeißen, volles Rohr! Kabuto gönnte sich diesen Gedanken. Er brauchte definitiv einen Kaffee, während er seine Jungs ein bisschen freilaufen ließ. Für sie war bereits ein Park gesperrt worden, damit sie ein bisschen unplugged Krach machen konnten und vor zehn alle brav wieder in ihrem mobilen Heim waren. Er hätte es lieber gesehen, wenn sie mehr Termine schafften, aber besser, man ließ es langsam angehen. Jeder Mensch brauchte eine gewisse… Refraktärzeit, bis er wieder so tun könnte, als lebe er hier seinen Traum. Würg. Seine Träume hatten momentan eine ganz andere Richtung. Konan steckte den Kamm wieder ein und stand auf, floss die Treppen in ihrem ätherischen Schlurfen herunter, das kein Geräusch machte und orthopädisch ungesund aussah. Kabuto fiel erst jetzt ein, dass er nicht wusste, wie sie überhaupt reingekommen war. Das Pfeifen warnte ihn. Hidan mochte Parks nicht leiden, und Stiefmütterchen hasste er, diese hässlichen Oma-Blümchen mit dem verstaubten Flair. Park plus Stiefmütterchen war eine Aufforderung, das Ganze mal zu würdigen. Darauf wartete er schon, seit er aus diesem Drecksloch von Bus herausgekommen war. Und wie sich hier dieses Gestrüpp in Violett, Weiß und Gelb vor ihm ausbreitete, hatte er schon die Hand auf seiner Gürtelschnalle, um sie zu öffnen und diesen Anblick anzupissen. Wortwörtlich. Na ja, da war dieses asthmatische Pfeifen, das er kannte. Wenn Luft aus Lungen kam, obwohl das Organ fast keine mehr davon hatte und eigentlich versuchte, das Zeug drinnen zu behalten. Und während es Hidan nicht für fünf Cent kratzte, ob jemand seinen Arsch über der Jeans sah, und diese Ladies sich sein Prachtstück ruhig mal anschauen konnten, würde Kabuto wieder herumheulen wegen der Beschädigung öffentlichen Eigentums. Scheißegal, der Kerl schlug ja nicht mal ordentlich zu, wenn er keinen einen Wadenbeißer wie Sasori antrat. Fakt war, bevor er die Weiber in seinem Rücken nicht gesehen hatte, würde er sie nicht abschrecken. Es bestand ja immerhin die vage Möglichkeit, dass eine von ihnen (oder mehrere?) noch in den Genuss seines Präzisionsinstruments kamen, noch heute. Und da baute es selten Stimmung auf, wenn man vorher noch auf ein paar Blümchen urinierte, so was erinnerte die Softcore-Groupies nur daran, dass ihr Vibrator solche Unarten nicht hatte. Also insgesamt besser war. Mit den Stiefmütterchen konnte er später abrechnen. Hidan klebte sein Breitbandlächeln fest und drehte sich in die Richtung des Pfeifens. Es waren wirklich mehrere – drei insgesamt. Sehr gute Zahl. Sie waren noch aufgekratzt und ängstlich, weil sie es geschafft hatten, sich irgendwie durch die Security zu schleichen und eine Entdeckung fürchteten, doch auf ihren Gesichtern glühte Aufregung. Und Dreck. Waren die durch den Abwasserschacht oder so gekommen?! Hidan hob träge die Hand. „Hi.“ Eine von ihnen, eine große Blonde, fasste sich als Erste. „Kann… kann ich dir die Hand schütteln?“ Seine Hand? Wo waren sie hier, beim Kindergartenfest der Volksmusik?! Noch zudem hatte er keine seiner frigiden Anstandsdamen dabei, die die Ladies davon abhielten, seine Bemerkungen zu ernst zu nehmen, und Image war alles. Hidan spannte seine Lippen beim Lächeln leicht, sodass seine weißen Zähne dahinter blitzten. „Wenn du dich traust…“, knurrte er, und das Mädchen errötete. Sie schien sich noch zieren zu wollen, als eine ihrer Freundinnen ihr einen festen Knuff in die richtige Richtung gab. Es waren doch vier. Hidan unterdrückte eine Grimasse, als er die heiße, schweißfeuchte Hand in seiner fühlte, und zog die Blonde mit einem Ruck zu sich, sodass sie mit einem mädchenhaften Keuchen gegen ihn taumelte. Ihre Freundinnen quietschten hell. Eine nach der anderen, ihr dürft alle mal… Die Blonde hatte ihm allerdings zu wenig zu bieten, zu wenig Brust und zu viel Parfüm. Und zu viel Haar. Hidan mochte keine Frauen mit langem Haar, es war immer nur im Weg, verknotete sich, verdeckte, fusselte, kam womöglich noch in den Mund. Und drei der vier Mädchen hatten langes Haar, scheiß Auswahl. Und die Vierte gehörte nicht zu ihnen. Kichernd löste die Blonde sich von ihm und nahm ihm wieder die Sicht auf das vierte Mädchen, aber Hidan war sich bereits sicher. Es war nicht nur der Unterschied im Styling (seit er ‚wichtig‘ war, war er geübt darin geworden, die Ähnlichkeit bei der Aufmachung von Mädchen zu erkennen, die befreundet waren), sondern auch der Abstand, die Art, wie sie nicht in das Kichern einfiel. Sie war für eine Frau groß gewachsen und stämmig – nein, pummelig. Ihr kurzes schwarzes Haar war zerzaust und weniger sorgfältig frisiert als das der anderen. Ihre generelle Erscheinung war nicht ganz so stilsicher, sie schien jedoch ähnlich nervös wie ihre Begleiterinnen. Sie presste die Fingerspitzen aneinander, ihr bemerkenswerter Busen hob sich mit kurzen Atemzügen. Frauen mit was zum Anfassen waren schon eher sein Ding, dafür sah Hidan auch über dicke Oberschenkel hinweg. Besonders geschickt angezogen war das Weib ja nicht, aber Mann, sie musste ja auch nur aus den Klamotten raus. Oberflächlich. Wehe, sie trug hässliche Unterwäsche, er würde nicht Hello Kitty ficken. „Jetzt ich!“ Ein anderes Mädchen trat mit einem koketten Zwinkern vor. Hidan wusste aus Erfahrung, dass es bei Frauen in Rudeln besser war, keine auffällig zu bevorzugen, denn bevor man sie in die Finger bekam, war ihr das Gesicht zerkratzt worden. Oder die Titten. Weiber kämpften mit erheblich weniger Respekt vor den Schwachstellen – das Gesicht wurde eher geschont als die Reproduktivorgane. Doch bevor Fusselkopf 2 vortreten wurde, schob die Dralle mit den kurzen Haaren sie einfach zur Seite. Mit ihren flachen, hässlichen Sandalen hatte sie die bessere Bodenhaftung als die Pumps, und Hidan grinste noch, als sie ein bedrucktes, zerknülltes Kärtchen aus ihrer Hosentasche zog. „Das ist meine Nummer“, stieß sie atemlos hervor und streckte Hidan die Karte hin. Es war die Visitenkarte eines Hotels, auf der jemand schlichtweg hastig alles weggestrichen hatte, um eine handschriftliche Nummer draufzukritzeln. Wahrscheinlich war es besser, als Lippenstiftgeschmier entziffern zu müssen, aber what the fuck, was war das denn?! Strich die Irre etwa auch ihre Nippel durch, bevor sie jemanden ihre Brüste signieren ließ?! Hidan hob eine Augenbraue, was, wie er wusste, eine enorme Wirkung für etwas hatte, bei dem er seine Stimmbänder nicht gebrauchte. „Hör mal, Schätzchen-“ „Ist das mein Einsatz, hm? Wir vermissen dich, Schmalzlocke, für die Probe, hm.“ Und wie immer ruinierte Deidara ihm die Genugtuung, diesen Müll unter seinem Absatz zu zermalmen. Der Sänger war in einem unbeobachteten Moment neben Hidan aufgetaucht, und sein plötzliches Erscheinen täuschte sowohl über seine wenig kameradschaftliche Anrede hinweg als auch über die Tatsache, dass er durch die Stiefmütterchen marschiert war. Wer wollte denn auf zerlatschte Stiefmütterchen pinkeln?! Der Zwitter würde das noch bereuen. Freilich noch nicht jetzt, wo er, eine glimmende Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, seinen Blick kurz über die Eindringlinge schweifen ließ. Deidara zwinkerte mit einer Fröhlichkeit, die Frauen aus irgendeinem Grund magnetisch fanden (Hidan nicht), trotzdem legte er die Hand auf Hidans Schulter und drückte. Jetzt fummelte der Kerl ihn auch noch an. Hidans zähnefletschendes Grinsen war Warnung genug, bevor er sich mit einem bedauernden Achselzucken den Mädchen zuwandte. „Später?“ Die Hand mit dem Kärtchen war immer noch ausgestreckt. Das pummelige Mädchen gönnte Deidara nur einen kurzen Blick, dann schluckte sie. „Meine Nummer“, wiederholte sie und klang jetzt schwächer. Wer ihn wollte, musste eben die Ellbogen ausfahren. Hidan verlagerte das Gewicht und lächelte provokant der Blonden zu, die er umarmt hatte. „Sorry. Die Pflicht ruft.“ Deidaras Hand schloss sich im selben Moment um seinen Bizeps, wie der Sänger das Kärtchen aus den zittrigen Fingern riss und einen äußerst fahrigen Kuss über das papier hauchte. „Wir sehen uns, hm.“ „Nimm deine Griffel von mir, Schwuchtel, oder ich stecke sie in deinen Arsch und tackere ihn zusammen.“ Der Kiesweg knirschte unter ihren Schuhen, als sie in zügigen Schritten darüber hinwegtrampelten, auf die kleine Bühne zu, die im Herzen des Parks aufgebaut worden war. „Nagel‘ sie nach dem Auftritt, aber nicht vorher, du Idiot, hm.“ Deidara atmete eine zornige Rauchfahne aus und drehte die Visitenkarte kurz, betrachtete sie, bevor er die Zigarette zurück zwischen seine Lippen legte. Das Nächste, woran Hidan sich erinnerte, war dass der Blonde die Karte mit einer schnellen Bewegung in die hintere Tasche seiner Jeans schob – wobei seine Fingerknöchel unweigerlich gegen den dünneren Stoff der Innentasche gedrückt wurden. „Und verdammt noch mal, fass meinen Arsch nicht an!“, fauchte er und schubste Deidara zur Seite. Dieser grinste spöttisch und rieb sich betont seine Hand an der Hose ab. „Ich desinfizier‘ sie nachher, hm.“ „Machst du das noch mal, brech‘ ich dir deine Lacktentakeln. So weit klar, Wichser?“ Hidan fuhr sich gereizt über sein gelverklebtes Haar. Wie er dieses Zeug hasste, wahrscheinlich konnte man ihm mit einem Baseballschläger auf die Rübe schlagen, ohne dass er was merkte… „Hey – du wirst sie vögeln, oder, hm?“ Deidara neigte seinen Kopf leicht in Richtung der Karte. Es war Grund zum Misstrauen genug, dass er an das Thema anknüpfte; bisher war es ziemlich egal gewesen, was Hidan mit Groupies machte, solange er nicht über die Stränge schlug. Und Letzteres war nur Kabutos Problem, nicht das der Band. „Keine Ahnung.“ Er hatte es nicht wirklich nötig, zweite Chancen zu verteilen. „Willst du sie vorher haben? Nachher nimmt sie dich sicher nicht mehr.“ Deidara überhörte die Spitze völlig. „Tu’s einfach, hm.“ „Was denn, hat sie Intimherpes? Wach auf, Zwitter, für so was gibt’s Kondome.“ Deidara spuckte die noch immer glimmende Zigarette in einen Papierkorb, ohne sich um die kleine Rauchfahne zu scheren, die sich nach oben kräuselte. „Vögel‘ sie, wenn sie unbedingt will, hm.“ Das war ja schon zu viel. Hidan schnaubte und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Er spürte das Kärtchen und spielte mit dem Gedanken, es der Zigarette hinterherzuwerfen. Es war immer etwas faul, wenn es einem zu leicht gemacht wurde, vor allem in diesem Business… „Unter die Zuhälter gegangen? Was ist dein Preis?“ Deidara nutzte die Blockierung von Hidans Händen, als er grinste und diesem einen festen Klaps auf den Hintern gab – und sich unter dem Schlag auf den Kiefer hinwegduckte. „Nichts, was du dir leisten kannst, hm!“ A/N: Harr, ich liebe eure Miesfiesigkeit. Ihr habt kein Mitleid! Deswegen musste ich dieses Kapitel noch vor dem LBM-Exodus reindrücken. Ach ja, für das Zitieren irgendwelcher eigentlich allgemeingehörender Sprüche nimmt Kabuto Seelen in Zahlung. Kapitel 3: Sleeping in my Car ----------------------------- „Wir haben alles gegeben – und ihr auch, wenn nicht noch mehr! Ich liebe euch, gute Nacht!“ Es war nicht das erste Mal, dass Deidara sich absolut sicher war, von dieser Heuchelei kotzen zu müssen. Ehrlich gesagt rechnete er damit, bei dem entsprechenden Anlass auch an seinem Mageninhalt zu ersticken und elend vor aller Augen in ein paar krampfartigen Zuckungen zu krepieren. Poetische Gerechtigkeit! Das wäre auch ein viel besserer Bandname. Mit einem lässigen Schwung drehte er den Fetzen Oberbekleidung, von dem er schwor, dass es ein Damenbolero aus der letzten Saison war, zu einem schweißverklebten, glitterbestäubten Strang und warf ihn in die kreischende Menge, die wie eine riesige Dünndarmschleimhaut ihre Zotten- äh, Arme ausstreckte, um dieses unglaublich begehrenswerte Stück ekelhafter Wäsche zu ergattern. Deidara wünschte ihnen viel Spaß damit – Frauen konnten das sicherlich tragen. Ihm lief der Schweiß aus allen Poren, die Hitze von Anstrengung, Scheinwerferlicht und schlichtem Adrenalin schien seinen Körper auszupressen. Sein Kreislauf war zu zäh, um ins Straucheln zu geraten, denn eins war bei minderjährigen Fans fatal: schwach zu sein. Sie konnten sich in ihren kleinen Zuckerwatteträumen stundenlang vorstellen, ihn aus der dreckigsten Gosse, der tiefsten Hölle und der unglücklichsten Zwangsehe zu erretten und zu beschützen, aber er durfte niemals, niemals konkreten Anlass dazu geben, an ihm zu zweifeln. So gesehen war der Boxring im Schwergewicht wahrscheinlich weniger hart. Na schön, sein Wasserhaushalt machte mit. Trotzdem konnte er schwören, dass diese Bauchtanz-Verrenkungen, die ihm ein kranker Ästhetikverweigerer von Choreograph aufgezwungen hatte, irgendwo links einen Muskel gezerrt hatten. Zu Kabutos endlosem Leidwesen war nämlich seine Struktur des Musculus rectus abdominis nur unzureichend deutlich von Intersectiones tendineae unterteilt. Was im Grunde nur hieß, dass er keinen Waschbrettbauch bekommen würde, und wenn er noch so dämlich dafür strampelte. Was Deidara eigentlich chronisch egal war, allerdings war er anscheinend der Einzige der ganzen Band, bei dem dieser kleine anatomische Tritt in die Eier des Schönheitsideals vorlag. Sogar Sasori, der eine halbe Stunde Sport auf dieselbe Stufe von Unannehmlichkeit mit einer Blasenspiegelung setzte, hatte die physischen Voraussetzungen, um gerippte Muskelwellen unter seiner Hühnerbrust zu entwickeln. Na, das war verdammt geil. Als wäre nicht eh schon jeder Zoll seines Körpers zur Staatsangelegenheit erklärt worden. Das Toben der Halle zog sich nur minimal zurück, als Deidara in die schummrige Glitzerwelt der Garderobe eintauchte, trotzdem ließ das Pochen hinter seinen Augäpfeln gnädig ein wenig nach. Er wünschte sich so sehnlich eine lauwarme Dusche, dass er sich am liebsten wie ein trotziger Zweijähriger im Supermarkt auf den Boden geworfen hätte, um seinen verfickten Willen zu bekommen. Leider war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man ihm durch die Visage trampeln würde, und das war ihm die Verzweiflung der Maskenbildner doch nicht wert. Und darüber hinaus käme er in der Pelle dieser ekelhaften, in seinem Schweiß getränkten Lacklederhose wohl kaum allein wieder hoch… Er durfte schon froh und dankbar sein, wenn er sie überhaupt allein ausgezogen bekam. Je weiter man oben war, desto infantiler wurde man behandelt. „Packst du die Zugabe überhaupt noch, Prinzessin?“ Kisame klopfte ihm spöttisch auf den Rücken. Deidara grinste boshaft, als der auf ihm verstreute Bodyglitter daraufhin auf einen neuen Wirt übersprang. „Ich will dich mal sehen, Hackfresse – du würdest nicht so einen Scheiß labern, wenn du nicht hinter deinem kleinen Trommelkasten deinen Hintern plattsitzen würdest, hm.“ „Wenn mich das mal davon erlöst, mir deinen mickrigen Arsch anschauen zu müssen, ist das doch mal ‘ne Idee“, grunzte Hidan und wischte sich mit einem Handtuch über sein erhitztes Gesicht. Es war die dritte Zugabe gewesen, und so ungern Deidara es zugab, seine Energiereserven waren ausgebrannt. Was durchaus fair war, wenn er die ganze Zeit dieses Gehampel zur allgemeinen Bespaßung vortragen musste, während die anderen hinter ihren Instrumenten halbherzig mitschunkelten. Halbherzig. Das war so ein ungewöhnlich treffendes Wort, und Deidara hasste Menschen, die nicht alles gaben, wenn es darauf ankam. Es mussten hundert Prozent sein und nicht weniger. Wohingegen es immer legitim klang, hundertzehn Prozent zu geben, und das wiederum war blanker Größenwahn, gepaart mit fortgeschrittener Dämlichkeit. „Du darfst dich gern an Kisames strammem Rektalbereich erfreuen, sobald wir hier durch sind, hm.“ Deidara fuhr sich durch sein zerwühltes Haar und unterdrückte den Drang, sich die Kopfhaut zu kratzen. Er trug Clip-in-Extensions (denn egal, was diese Idioten mit seinem Haar anstellten, dieses Maß an Fülle erreichte kein vernünftiger Kopf allein), und sie juckten scheußlich, mal ganz davon ab, dass sie schwer waren. Sein Nacken schmerzte von der Anstrengung, sie herumzuwirbeln – man konnte nicht das Haar eines Sexgottes tragen, ohne entsprechendes Muskelaufbautraining zu betreiben, aber man hatte ihm explizit verboten, zu viel Muskeln anzusetzen. Keine zu breiten Schultern. Kein zu knotiger Hals. Kein zu vorgewölbter Nacken. Es gab keinen Zoll seines äußeren Körpers, den Deidara selbst bestimmen konnte, alles war säuberlich abgesteckt wie die Grenzen von feindlichen Nationen. Umso besser, dass ihm seine verdammte Lunge gehörte, und die ruinierte er, wie es ihm passte. Unwillkürlich wandte sein Blick sich zur abgesperrten Tür nach draußen, und die Sehnsucht nach glimmendem Tabak wallte ungewohnt stark in ihm auf. Seine Finger begannen zu zittern. Selbst das Wasser, das man ihm reichte, schien nach Nikotin und Teer zu schmecken, allein der erlösende Qualm fehlte. Eine kühle, glatte Hand auf seiner Schulter, die kurz zwei Finger auf seine pochende Halsschlagader drückte. Deidara hatte längst aufgehört, bei plötzlichen Berührungen aus der Haut zu fahren, auch wenn er jetzt nicht übel Lust gehabt hätte, Kabuto seine Wasserflasche ins Gesicht zu donnern. Nicht jetzt. Nicht vor den Roadies, die auf eine Anweisung warteten, wie sie mit der Bühne verfahren sollten. Nicht hundert Meter entfernt von einem kreischenden, tobenden Meer von Östrogen. Und vor allem nicht vor diesen Arschlöchern von Bandkollegen, die keine Blöße von ihm zu sehen bekommen würden. „Hältst du das durch?“, erkundigte Kabuto sich in einem neutralen Ton, von dem jeder annehmen würde, er schlüge ihn an, um Deidaras männlichen Stolz zu schonen. Tatsächlich wussten sie beide, worum es ging, nämlich dass das Maß an Erschöpfung und euphorischer Energie fein austariert sein musste, und sie sich keine Patzer leisten konnten. Es gab einen genauen Plan, wann er müde sein konnte: während der Tour, und das hier war keine Tour. Was er hier nicht schaffte, musste er später doppelt und dreifach wettmachen. Er hielt immer durch, nicht mehr und nicht weniger. Deidara lächelte, leise, abfällig. „Wann habe ich dich je enttäuscht, Babe, hm?“ Kabuto lächelte dünn zurück und wischte etwas Glitter an seiner Hose ab. „Du bist ekelhaft.“ Itachi schüttelte den Kopf, während er minutiös Schweiß aus seinen Fingerzwischenräumen trocknete. Allein seine monotone Stimme ging Deidara auf die Nerven, und erneut schien sich die Schwerkraft der Flasche in seiner Hand aufheben zu wollen. „Weißt du, manchmal machst du mir Sorgen, Tatschi, hm.“ „Ah. Ich hoffe, es kostet dich keinen Schlaf.“ „Du meinst, wenn ich nicht gerade wach liege und von deiner markerschütternden Langweiligkeit fantasiere, hm?“ Deidara schnalzte klickend mit der Zunge. „Dafür…“ Sasori räusperte sich dezent. Nicht, weil er ihren Streitigkeiten irgendein Interesse entgegenbrachte (der Kerl sah schon wieder aus, als wollte er flauschige Hundewelpen töten und ihr Gehirn essen), sondern weil sie sich in ihrem Tonfall hart an der Grenze zur offenen Feindseligkeit bewegten. Das durfte nicht passieren – offenbar war er doch erschöpfter als gedacht. Nichts an der Bühne strengte ihn mehr an als dieses Geschrei. Für seinen Namen war das okay, auch für eventuell sofort zu vollziehende Kinderwünsche, spontane Strips, Dates mit ihren Muttis oder eine fetzigen Partie Seifenkistenrennen, was auch immer den Mädels heutzutage Spaß machte. Aber nicht dieses Mantra. ‚Ich liebe euch!‘ Ich liebe euch – hat doch damit nichts zu tun. Ich liebe euch, es war nicht mein Fehler. Ich liebe euch, warum denkst du, ich könnte das nicht tun? Ich liebe dich, auch wenn’s nicht so schien. Und jetzt drosch er dieselbe Phrase. Autogene Selbsttherapie, oder eben sein ganz privater Insiderwitz. Und seine Kopfhaut juckte wirklich wie verrückt. Deidara fuhr sich mit der Kante seines Daumennagels über die Unterlippe und versuchte, das Zittern seiner Finger zu unterdrücken. Die anderen hatten sich bereits zum Gehen gewandt und tauschten irgendein grenzdebiles Gegrunze miteinander aus. Die Versuchung, aus hundert Prozent achtundneunzig zu machen, war groß. Konan trat vor ihn und tauchte ein Wattestäbchen in feucht glänzenden, rosenholzfarbenen Lipgloss. Im Grunde war sie gar nicht anders als er, nur dass die Auflagen ihres Körpers darin bestanden, alles zu unterdrücken und sorgsam zu verschandeln. Deidara hätte mit ihr sympathisiert, aber bei hundert Prozent blieb für diesen sentimentalen Kindergartenkram keine Energie. Sie brauchte seine zwei Prozent Mitgefühl nicht, und er wollte sie ihr auch nicht geben. Perfekt. Deidara legte den Kopf schief und öffnete die Lippen einen Spalt, um sie das Makeup nachbessern zu lassen, gefährlich nah an seiner Netzhaut mit dem Kajal zu hantieren, bis er sich vorkam wie ein dämliches Küken in einem Einzelnest. Dann folgte er den anderen über den kurzen Flur, zurück zur Bühne. Der Tumult schwoll wieder an, als hätte man ein Ventil geöffnet, und Deidara lächelte, das Zittern seiner Hände ließ nach, verdrängt von der Gewissheit, dass er die Kontrolle über seine Muskeln jetzt brauchte. Im Licht der Scheinwerfer war es unerträglich heiß, und Schweiß schoss wieder aus jeder Pore seines Körpers, als er die Arme ausbreitete und einen ekstatischen Ausdruck nachahmte (Frauen waren beileibe nicht die Einzigen, die manchmal einen Orgasmus vortäuschen mussten). Hidan fing schon wieder zu früh an zu spielen und zerrte Itachi mit sich, der daraufhin die paar Riffs überspringen musste, die er schon konnte – für sein kleines Kadavergehorsam-Gehirn vermutlich eine Katastrophe, der gleich ein Kurzschluss folgen würde. Neues Adrenalin ließ ihn schneller denken, bis seine eigenen Gedanken so schnell waren, dass sie an ihm vorbeiflogen. Bevor irgendjemandem die Disharmonie auffiel, verneigte Deidara sich (und egal, was Hidan behauptete, sein Arsch war über jeden Zweifel erhaben!) und fischte etwas aus dem Teppich hormonbeladener Devotionalien am Rand der Bühne. Seine Finger ertasteten in diesem Moment ein bisschen glitschige Seide, und als er den roten String in die Höhe hielt, ging ein schrilles Kreischen durch das Meer erhobener Arme. Hatten diese Weiber keine Ahnung, wie himmlisch es war, das nicht tragen zu müssen?! Ein Stringtanga! Den hatte ihm unter Garantie Kabuto hier hingeschmissen, um ihn darauf einzustimmen, womit er sich demnächst die Nüsse klemmen durfte. Hidan hatte den Beat wieder. Itachi nicht, aber das fiel nicht weiter auf. Ohne dass sein verruchtes Lächeln auch nur schwankte, drehte Deidara den String zwischen seinen Fingern, dann öffnete er den Mund. Die Kamera erfasste ihn und übertrug sein Gesicht aus der Nahaufnahme auf die Bildschirme, jedes winzige Detail, jedes verschmierte Makeup, das Konan so umsichtig noch gerichtet hatte. Als die Godzilla-artige Vergrößerung seines Selbst die Zungenspitze über das schmierige Stoffdreieck gleiten ließ, steigerte sich der Tumult zum Pandämonium. O Gott, er würde sich überlegen müssen, sich die Zigarette diesmal mit dem glühenden Ende voran in den Mund zu stecken.   „Wenn Gonorrhö auch oral übertragbar ist, dann hast du es verdient.“ Sasori spießte mit angewiderter Miene ein Stück schlaffen Chicorée auf und drehte es in der Soße, bis das gequälte Gemüse sich in seine Einzelteile aufzulösen begann. Deidara lachte. Am Abendessenstisch arbeitete jede gute Familie ihren Tag auf. Kabuto befürchtete allmählich, dass das bedeutete, dass auch sein Magen sämtliche Mahlzeiten der letzten acht Stunden aufarbeiten würde, um sie ihm dann zur Ansicht zu präsentieren. „Hey, Gonorrhö ist Tripper. Oder für Itachi: das, was passiert, wenn man drei Tage hintereinander nicht den Spinat aufisst.“ Kisame schüttelte grinsend den Kopf. „Mann, du bist eine kranke Drecksau, Tuntenbrigade.“ Kabuto wollte gar nicht so genau wissen, ob das in seiner Stimme Respekt oder Ekel war. Fakt war, Deidara hatte mit seinem spontanen Blowjob aus der sicheren Entfernung von zirka zwanzig Metern eine neue Schlagzeile gemacht, sowohl für die Presse als auch für CL. Sie waren gezwungen, sich miteinander zu beschäftigen, und doch hätte er sich gewünscht, der Sänger wäre nicht ganz so offensiv geworden. Die Eltern der Mädchen so abrupt zu provozieren erforderte feinfühligen Umgang und beeinflusste mehr als die Band, es konnte so weit kommen, dass Madara sich einschaltete, weil sein Label ebenso betroffen war, und Kabuto würde ihm keinen Fußbreit Einmischung gestatten. Ein Zwei-Fronten-Krieg, der möglichst noch die Publicity bringen sollte, die es brauchte, und das nur, weil Deidara eine aufmerksamkeitsgeile Nervensäge ohne Würgereiz war. Aber wer rechnete denn auch mit den fatalen Auswirkungen von Haarspray auf das menschliche Gehirn, noch dazu dem einer Blondine. Deidara grinste unübersehbar überheblich. Er hatte sich abgeschminkt und sein schon leicht obszönes Quetschkostüm gegen Trainingshose und T-Shirt eingetauscht, und in seinem Haar verbargen sich immer noch feuchte Strähnen vom Waschen. Er hatte sein Essen bisher kaum angerührt, und Kabuto erkannte in seinen noch geweiteten Pupillen den Einfluss eines anhaltenden Adrenalin-Schubs und den Triumph der Selbstbestimmung. Er würde den Jungen in Zukunft vorerst an der kurzen Leine halten müssen. Mit Elektrohalsband. „Nach deiner Logik wird das Antibiotikum dann also rektal eingenommen, damit es nicht zu komplex wird. Gut zu wissen.“ Itachi schien ebenfalls keinen Appetit zu haben, allerdings vermutete Kabuto in seinem Fall, dass ihm die Thematik auf den Magen schlug. Die Jungfrauen von heute waren zu zartbesaitet. „Ich kann nicht glauben, was du für einen Scheiß redest – du erträgst nicht mal totes Fleisch, wie steht’s dann mit Lebendem, Familiengruft?!“ Wie um unter Beweis zu stellen, was er meinte, wedelte Hidan mit dem blutigen Stück Steak auf seiner Gabel herum, an der etwas Fleischsaft herunterrann. Itachi musterte ihn bohrend, doch Kabuto entdeckte den Ekel hinter seinem langsamer werdenden Kauen. „Wenn deine Hirnrinde nicht längst aus Verzweiflung vertrocknet wäre, würde dir auffallen, dass das nichts miteinander zu tun hat.“ „Und wenn du deinem eigenen pseudo-makrobiotischen Gelaber selbst glauben müsstest, könnte ich dich anstecken, obwohl du doch so ein braver Junge warst – wie steht’s, soll ich dich küssen, hm?“ Deidara hob eine Augenbraue, als zöge er in Erwägung, sich quer über den Tisch zu setzen, wo Itachi ihn für einen Moment tatsächlich mit stummem Entsetzen anstarrte. Für gewöhnlich hätte Kabuto dahinter nur das übliche Karussell gegenseitiger Provokation gesehen, allerdings war Deidara derzeit unberechenbar. Und solange Itachi es ablehnte, mit genauso herzhafter Häufigkeit Witze über Sex zu reißen, würde ihm ewig eine gigantische Zielscheibe unter die Gürtellinie gemalt sein. „Was er meinte“, schaltete Kabuto sich versöhnlich ein, während Sasori mit einem nassen Klatschen Kressesprossen aus seinem Salat sortierte. Er hatte die aufkommende Gewohnheit, seine Mahlzeiten nach ständig wechselnder Kategorisierung zu essen. Früher oder später konnte er damit wohl jeden Koch zum Weinen bringen. „… ist dass wir diese Aktion eher von Hidan erwartet hatten.“ Oder anders gesagt, der vulgäre und schlüpferlutschende Rockstar ist schon vergeben, du spaghettihaariger Volltrottel, und es wird nicht auf fremdem Gebiet gewildert. Und ob es dir passt oder nicht, das schließt Itachis Wohlfühlzone von der Größe eines Baseballfeldes ein. Jetzt spielte er schon den Tugendwächter. Grausam. „Ach, so ist das. Und, heulst du schon vor Neid?“ Kisame schien als Einziger in der Lage, sein Abendessen selbstständig und ohne Stochern, Kleckern und Sabbern durchzuführen. Wenn er sich jetzt noch um zehn ins Bett schicken ließ, würde Kabuto ihm Personalausweis und Papiere abnehmen, damit der Kerl sich bloß nie mehr verpisste. Hidan schaufelte den Rest seines Steaks in den Mund, nachdem er ausreichend damit herumgefuchtelt hatte wie ein Steinzeitmensch mit einer hart erjagten Stange Sellerie. Als Ausgleich dafür kaute er kaum. „Nicht vor allen Leuten, Mann. Aber wenn ich irgendwann mal nicht die Fotze nehme, sondern einen Fetisch für die Scheiße von kleinen, weißen Würmern habe, dann frage ich den Homofürsten.“ „Ich gehe.“ Sasori legte sein Besteck abrupt in die Styroporschale, aus der er gegessen  hatte (oder vielmehr gewütet hatte, dem Massaker nach zu urteilen) und stand auf. Bei seinem Anblick verspürte Kabuto ein kurzes, warnendes Pochen in seinem Nasenbein, das ihm die kleine Schlägerei unter Berufsfeinden noch nicht verziehen hatte, aber dank entsprechender Kühlung nicht angeschwollen war. Seit wann brauchte man denn nicht mehr Mommys Okay, um vom Tisch aufzustehen, bevor man aufgegessen hatte? Bestenfalls vegetative Gehirnaktivität war doch kein Grund, die Erziehung zu vernachlässigen. Kabuto würde ein ernstes Wörtchen mit Sasoris Mutter reden müssen, wenn die Frau endlich aus der Schönheitsfarm mit den piependen Maschinen und den stilvoll gepunkteten Hemdchen kam. Eigentlich diente diese Bemerkung nur dazu, anzukündigen, dass sein so geliebter Keyboarder heute Abend nicht mehr zur Verfügung stand. Dabei wusste Kabuto gar nicht, was sie ohne einen lebensmittelvergewaltigenden Giftzwerg in ihrer Runde anfangen sollten. Außer tief betrübt und still in ihre Ärmel zu weinen, natürlich. Er würde das so lange nicht ruhen lassen, bis sein Schmerzgedächtnis endlich diesen Headbutt vergaß. „Schlaf schön.“ Kabuto lächelte kamerareif. Wenigstens das kriegst du doch hin, du kleiner Möchtegern-Berserker. Der Großteil deiner Hirnrinde ist eh dauerhaft ausgeschaltet. „So ganz ohne warme Milch mit Honig? Bist ja’n wildes Ding, Rotkäppchen.“ Kisame hob seine widerliche Polaroid-Kamera und portraitierte Sasoris unfreundlichen Blick für die Ewigkeit. Diesmal wurde wenigstens keine weitere Prügelei erwogen – entweder war Kisame einfach zu groß und zu kräftig, oder Sasori stufte diese Beleidigung als relativ flach ein. Oder er war müde. Kabuto war nicht entgangen, dass gewisse Erschöpfungserscheinungen sich bei allen zeigten, nur oberflächlich und morgen wieder behoben. Aber nach sechs Tagen, in denen man seinen verhassten Bandkollegen gegenüber auf der Hut sein musste, mochte das anders aussehen. Hidan kratzte sich an dem verschorften Riss in der Unterlippe und wischte mit dem Handrücken etwas Blut aus der Minimal-Verletzung. Kabuto ließ seine Brille ein Stück das Nasenbein herunterrutschen, um es nicht so genau zu sehen. Dreh deine geistige Sparflamme doch mal einen Moment auf, und wenn du sie mit den Fäulnisgasen deiner toten Gehirnzellen antreiben musst. Du sollst verdammt noch mal geschniegelt aussehen, dein armseliger Kratzer hatte seinen großen Tag! Wenn du das zu einer Narbe ausweitest, werde ich dein ausgeblasenes Ei von Kopf- Kabuto betäubte seinen plötzlichen Ärger mit einem Schluck Kaffee. Er stand nur minimal unter Stress, doch das war gut. Cortison und Koffein hatten ihn bis jetzt immer über Wasser gehalten. Außerdem musste er nicht in dieser fahrenden Jugendherberge schlafen, und allein das beruhigte seinen Puls immens, bis sein Herzschlag den Takt eines hämischen ‚Ha-haaas!‘ anschlug. „Was ‘ne Schwuchtel.“ Offensichtlich hatte Hidan seine Lieblingsbeleidigung schon viel zu lange nicht mehr benutzt. „Die Homo-Vibes nisten sich demnächst bei dir ein, Zuckerpo – aber wenn du infiziert bist, komm nicht zu mir, hm.“ Deidara imitierte zumindest halbwegs überzeugend Hidans angewidert hochgezogene Schultern. Hidan grinste, seine Unterlippe schimmerte immer noch leicht blutig und ließ seine weißen Zähne unheilvoll schimmern. Der Anblick versorgte Kabuto mit der lauen Anregung, demnächst mal wieder ein Fotoshooting mit Fantasy-Cast zu machen. Er hätte schon eine perfekte Besetzung für den Vampirgraf von Homophobia. Ansonsten nicht mal eine schlechte Idee, sobald seine Lippe verheilt war. „Wenn’s so weit ist, erwarte ich dich mit einem Pflock aus Strass und Gleitgel, du Transe.“ Er trat mit seiner Ferse gegen den Tisch, der zwar aufgrund der Stabilität im Bus am Boden festgeschraubt war, doch dadurch ins Vibrieren geriet und beinahe die Becher umstieß. Während derjenige, der in Deidaras Schoß landete, bereits leer war, hielt Itachi seinen nur mit einem ungewöhnlich geschickten Manöver davon ab, sich auf seine Hose zu ergießen. Kabuto war ihm dankbar. Er glaubte nicht, dass er den Geruch von Zitronentee ertragen hätte. Sein eigener Becher schwappte nur minimal, als sein Griff sich festigte. Er hätte Itachi ja angelächelt, doch die  Jungfrau hatte sich wieder ihre Stöpsel in die Ohren gerammt, wahrscheinlich um sein Hörspiel von ‚50 Shades of Spaßlosigkeit‘ in Ruhe genießen zu können. „Hier wird niemand irgendwen heimsuchen“, mischte Kabuto sich ein, bevor Deidara die Steilvorlage mit dem Pflock gebührend ‚pfählen‘ konnte. „Ihr solltet euch einigen, wie ihr die Bettenaufteilung gestaltet. Zwei Stockbetten und ein Einzelbett, Jungs.“ Falls das nicht schon genug nach Klassenausflug klang. Kisame schien denselben Gedanken zu haben. „Ah. Frühstück um acht, immer schön den Sonnenhut aufsetzen, und wer Heimweh hat, geht zum Heulen in den Schrank?“ Halt die Fresse. Und ansonsten: ja, genau das heißt es. „Auf die Gefahr hin, dass der Schrank gleich voll ist – Sasomaso gehört mir, hm.“ Deidara verpasste der leeren Sitzfläche neben sich einen kurzen Klaps. „Das ist nicht fair, wieso hat der Zwitter schon die komatöse Hühnerbrust abgegriffen?! Der hält ja wenigstens den Rand!“ Hidan stemmte seinen zweiten Fuß gegen den Tisch, und Deidara lachte. „So heiß auf ihn, hm?“ „Schließ‘ nicht immer von dir auf andere, Enddarmakrobat. Hackfresse, du schläfst mit dem Chorknaben. Hol dir keinen Schnupfen von seiner frigiden kalten Schulter, ich bin sicher, du darfst ein bisschen mitbeten.“ Kisame schmunzelte, aber Kabuto entging nicht, dass er Hidans abschätzige Gesten mit einem lauernden Glitzern in den Augen verfolgte. Es besagte in etwa: ‚Ich hau dir auf die Fresse in 3…2…1…‘ Erstaunlich, dass er sich ärgerte. Es lag schließlich in Hidans Wesen, andere durch seine Versuche, die Kontrolle über die Situation zu übernehmen, entweder zu verunsichern oder zu reizen. Er besaß sogar ein gewisses Charisma dafür, und Kisame reichte es für gewöhnlich an Gegenwehr, sich nicht mitziehen zu lassen. Wenn diese Strömung Madaras dreckige Fingerabdrücke trug, würde Kabuto seinem Drummerboy persönlich Valium schießen. „Seit wann entscheidest du das, du kleiner Arschkriecher?“ Kisames kräftige, fleischige Finger trommelten auf das Polster. „Du wärst mit Itachi ganz sicher… Vorausgesetzt, du lässt ihn mit seinen langen Zotteln nicht als Frau gelten.“ Himmelarschundzwirn, warum taten diese Idioten eigentlich einstimmig so, als müssten sie in Ehebetten schlafen und nicht in Stockbetten?! Offensichtlich hatten sie auf Klassenfahrten nie erprobt, dass die Dinger wirkungsvollere Tugendwächter waren als Stacheldraht-Elektrozäune. Und sie konnten einem auch in etwa so weh tun. Itachi hörte auf, so zu tun, als wüsste er nicht, dass über ihn in der dritten Person gesprochen wurde. Während er etwas an dem iPod in seiner Tasche verstellte, musterte er die anderen unter seinen dunklen Wimpern hervor. Deidara lachte und schien überhaupt keine Motivation zu haben, sich schlichtend einzuschalten. Natürlich nicht. Dass Sasori und er eine Abmachung getroffen hatten, von der der Sänger auch nicht zurücktreten wollte, war noch etwas, das Kabuto störte wie ein Juckreiz an der Fußsohle, wenn man gerade Schuhe trug. Welchen Nutzen hatten die beiden aneinander? Hoffentlich nicht die erotische Anziehung langen Haars. Itachis konnte ja abgeschnitten werden, aber bei Deidara gehörte es genauso zum Kapitel wie seine Beine, sein Arsch und seine mittelmäßige Stimme. Und seine neu auftretende Unberechenbarkeit. „Warum spielen wir nicht darum?“ Itachis Mundwinkel zuckte schwach und verlieh seinem strengen Gesicht einen beinahe milden Ausdruck. Seinem Blick war schwer zu entkommen, er konnte Menschen festhalten wie eine Spinne ein Insekt in ihrem Netz, und in etwa so subtil. Einer der Gründe, warum Kabuto ihn rekrutiert hatte und nicht den jüngeren Bruder der Familie Uchiha. „Häh?!“ Hidan hob spöttisch eine Augenbraue. „Was’n, Lady Lollipop, etwa Twister?“ Kisame schnaubte und klatschte sich vielsagend gegen die Stirn. Itachi rückte einen seiner Kopfhörer zurecht und sah zur Seite. „Nur so eine Idee“, sagte er sanft und trank seinen Tee aus. Kabuto betrachtete das Thema somit als beendet und verließ den Bus wenig später, nachdem die Jungs ganz primitiv eine Münze geworfen hatten. Das Interesse war schließlich schnell erloschen, und er hatte noch mehr zu tun, damit morgen alles glatt lief. So viel, dass er sich nicht mehr fragte, ob es nicht ungewöhnlich war, dass die Band sich nach seinem Aufbruch nicht zerstreut hatte, als gäbe es noch etwas zu bereden.   Deidara wachte immer langsam auf. Er hatte einen niedrigen Blutdruck, und das konnte in vielen Lebenslagen ein echter Nachteil sein. Man war meistens nicht früh genug wach, um morgens unauffällig zu verschwinden. Man kam nicht sofort hoch, wenn es darauf ankam. Eine Zeit lang hatte er auch bei den Proben kurze Pausen gebraucht, um Schwindel zu vermeiden. Sein Kreislauf gewöhnte sich daran, weil er es so wollte, aber nachts war er so unerbittlich wie eh und je. Es war tatsächlich noch Nacht, erkannte er. Der Bus ließ sich gut verdunkeln, dennoch konnte man das orangefarbene Licht von Laternen nie mit der Dämmerung verwechseln. Es dauerte lange, wenn er nicht durchschlief, und sein Bewusstsein fuhr so träge hoch wie ein altersschwacher Rechner. Offensichtlich war er doch noch aufgebracht. Deidara blinzelte und konzentrierte sich auf das ruhige Atmen. Er wusste nicht, warum er aufgewacht war, und jetzt suchte er sich die Fetzen des Schlafs zusammen. Er lag auf dem Bauch, sein Haar wieder überall auf dem Kissen verteilt, über seinem Gesicht, einen Arm unter sich vergraben, sodass er ihn nicht mehr spürte. Sein anderer Arm… Wo war der noch mal? Ah, da. Unter seinem Hals, wo das Kissen endete. Der Nagellack fühlte sich unangenehm warm darauf an, er hasste dieses Zeug. Verdammt. Er hoffte, dass Hidan sie gefickt hatte, und er hoffte, dass es richtig mies gewesen war. Die Art von Sekundenfick, die schneller schal wurde als in der Sonne stehende Cola, und während deren Durchführung man sich schon fragte, warum man das gewollt hatte. Oder es nicht aufhielt, aber da war’s ja schon vorbei. So armselig, dass man es nicht mal in den Bettpfosten einritzte. So unglaublich scheiße, dass es gar nicht als Sex galt, sondern als… unglückliches Missverständnis. Angenehm, so was zu denken, dafür nicht gerade einschläfernd. Immerhin, ab morgen würden sie das Spiel spielen, und wenn er ehrlich war, war es interessant. Kisame hatte den Münzwurf gewonnen, also hatte er das Einzelbett für diese Nacht. Aber Deidara hatte den zweiten Wurf gewonnen, und er würde sich das Spiel für den kommenden Abend überlegen. Es würde nichts mit dämlichen Münzwürfen zu tun haben. Er spürte, dass er lächelte, als eine schwache Erschütterung durch das Bettgestell ging. Sein Verstand war noch nicht wach genug, um zu begreifen, woran das lag, oder von wo es kam. Es dauerte lange. Deidara öffnete seine Augen mühevoll etwas weiter und blinzelte. Für eine Sekunde sah er Itachi. Sein Haar offen, seine Augen dunkel und geweitet wie ein schwarzer Mahlstrom, die Lippen zu einer langen, dünnen Linie gepresst. Sein Haar ließ seine angespannte Miene härter wirken, fast atemlos. Deidara begegnete seinem Blick, doch er war nicht sicher, ob Itachi eigentlich wahrnahm, dass er wach war. Was bitte tat der Kerl? Er bildete es sich ein. Das bestimmte sein Gehirn mit absoluter Sicherheit und zog den Stecker seines Bewusstseins einfach wieder. Er würde sich nicht erinnern.   A/N: Das hat jetzt ein Jahr gedauert, und dann passiert im Kapitel auch noch so gut wie nichts – aber ich wollte die Fanfiction auch nicht erhängen. Falls das also noch wer liest, wir sind hier noch nicht fertig! Danke für die Intervention. Ich bin nicht stolz drauf, aber manchmal muss es bei mir sein. Kapitel 4: God on the Drums, Devil on the Base ---------------------------------------------- Die nächste Probe glänzte dadurch, dass Itachi schlecht gelaunt war. Es war keine offene Wut, sondern ein leises, unterschwelliges Brodeln, das seit dem Frühstück existierte und vermutlich auch schon, als er aufgewacht war. Es war die subtile Aggression eines erfahrenen Hooligans in einem Fußballstadion – sie brach nicht aus, aber sie lud alles im Umfeld mit ihrer Angriffslust auf wie eine statische Energie. Das Phänomen war ganz simple Physik und wirkte auch mit derselben Zuverlässigkeit. Es begann damit, dass Hidan zu früh einsetzte. Das tat er fast immer, doch diesmal kam sein Einsatz so abrupt, dass er Sasori mitzerrte und dieser einen exzellent schiefen Akkord auf seinem Klimperkasten produzierte. Das wiederum verfälschte Deidaras Strophe derart, dass er die Orientierung verlor und Luft holen musste, womit der Takt endgültig Schiffbruch erlitt. Keine Titanic ging so schön disharmonisch unter. Kisame thronte über dem Chaos und blickte zu Itachi, der verbissen weiter auf seine Saiten einhämmerte, als hätte er sich in den Kopf gesetzt, sie heute noch zu zerreißen. Selbst wenn ihm nicht bereits bekannt gewesen wäre, dass der Jungfrau zu Gesichtswüste heute ein Furz quersaß, hätte Kisame gewusst, dass der, der einfach weitermachte, immer der Schuldige war. Kabuto seufzte und schob seine Brille hoch. „Hidan, wir haben das besprochen.“ Er sagte das ja fast so, als wäre das etwas, bei dem man zuhören musste. „Und wenn schon, was soll ich so scheißlange warten, nur weil eine verlotterte Trockenritze-“ Konan nahm keine Notiz von der Beleidigung und skizzierte etwas auf ihrem zerfledderten Block, das den schwungvollen Strichen nach eine Notenabfolge war. Warum gerade Hidans liebliches Gezeter sie dazu inspirierte, wusste Kisame nicht. Andererseits gab es auch Menschen, die Einmachkochtöpfe als Zenit der Erotik betrachteten, also war alles möglich. „-glaubt, dass das so sein sollte! Leck mich, verdammt!“ Hidan trug zur Probe keine gefärbten Kontaktlinsen, um seine Netzhäute zu schonen, doch durch die geplatzten Äderchen erschien das geisterhafte Hellblau seiner Iris fast wie das Albino-Pink, das er sonst dort hineinstopfte. Die Aggression, mit der Itachi ihn schneller angesteckt hatte als mit einer Magen-Darm-Grippe, fiel bei ihm jederzeit auf fruchtbaren Boden. Wenn irgendwann mal sein ganzer Kopf pink war, war wahrscheinlich ein Aneurysma in seiner Rübe geplatzt. „Sag‘ wenigstens vorher Bitte, hm.“ Deidara grinste, aber das warnende Flackern seiner Wimpern zeigte, dass auch er gereizt war. Was kein Kunststück war, ab einem kritischen Nikotin-Pegel war er das immer. Hidan beäugte ihn finster. „Wenn ich jemals ein Brechmittel brauche, frage ich dich nach der Etikette des braunen Salons, du Schwuchtel. Und du-“ Klar, wäre ja auch unfair, wenn es Sasori nicht träfe. Gruppenaktivitäten machten nur Spaß, wenn man einen ausschließen konnte, und wenn Kisame es so betrachtete, war Kabuto das kleine, dicke Kind mit der Nickelbrille, das immer zuletzt in die Mannschaft gewählt wurde. Na ja, das mit der Brille stimmte. „Hast du vor, mich für deinen Mangel an Impulskontrolle verantwortlich zu machen?“ Sasori tippte mit der Spitze seines Turnschuhs gegen eins der Pedale, das einzige Zeichen motorischer Unruhe. „Es wird Zeit, die Nussschale zu wechseln, Tarzan.“ „Irgendwie dachte ich mir, dass du nur seine Nüsse sehen willst, hm.“ „Ihr seid ein dreckiger Haufen Homos, warum fickt ihr euch nicht verdammt noch mal gegenseitig?!“ „Wenn ich eure Beurteilungen hören wollte… hätte ich euch gefragt.“ Kabutos Stimme mischte sich unerwartet in die knisternde Anspannung und durchfuhr sie mit einer kalten Brise. Keine vollständige Erdung, aber Kisame musste ihm zugestehen, dass er den richtigen Mittelweg zwischen seiner Kindergärtner-Litanei und dem Kasernenhofton fand. Weich genug, um zu zeigen, dass der kleine Giftpilz am Bass ihn nicht angesteckt hatte, aber zu scharf, um ihn wie üblich zu ignorieren. Dass er gleich diesen Gang hochschaltete, hatte einen anderen Grund. Kabuto nahm seine Brille ab, um sie mit einem kleinen Seifentuch zu polieren, doch sein Blick löste sich dabei keinen Moment von der Bühne. Mit der völligen Effizienz seiner Bewegungen gehörte er eigentlich ans Set eines dieser mittlerweile überholten Spionage-Filme. Fehlte nur noch die dicke weiße Katze auf seinem Schoß. „Die Einsätze sind tatsächlich ein Problem. Wir besprechen das.“ Allein. Er sagte es nicht, doch es hing bei seiner auffälligen Pause in der Luft. Konan blieb über ihren Block gebeugt sitzen und ließ es großzügig über sich hinwegschweben. Sie schrieb nicht mehr, vertieft in ihre Aufzeichnungen, während sie mit der Zunge gegen den Sockel ihres Piercings stieß, wo er unter ihrer Unterlippe durch das Fleisch gerammt war. Sie war der Inbegriff stiller, unauffälliger Arbeit. Kisame fiel auf, dass sie so gut darin war, dass er sie dabei noch nie betrachtet hatte. Sonst verfolgte sie die Proben nicht dort, wo man sie sah – Paragraph 1001 Absatz Leck-mich-am-Arsch der Boygroup-Gebote. Und Kabuto war nicht entgangen, dass sie es diesmal missachtete. „Konan, würdest du uns bitte verlassen?“ Konan hob ihren Kugelschreiber und zupfte einen Wollfussel von der Spitze, der sich unter die Mine geklemmt hatte. Dann fuhr sie diese Mine ein und steckte den Stift weg, um aufzustehen. Kabuto hatte erfolgreich sein Revier gegen den Invasor verteidigt und würde hoffentlich darauf verzichten, brusttrommelnd auf seinem Klappstuhl herumzuspringen, denn erfahrungsgemäß krachten die Dinger immer zusammen, nur dann nicht, wenn man es mal richtig wollte. Eine E-Gitarre sonderte ein stilechtes Grunge-Schrammeln ab, von dem Kisame die Eier seiner Mutter verwettet hätte, dass es nur zufällig gekonnt klang. „Hey.“ Hidan schob das Kinn vor. „Ich will, dass sie bleibt, du Wichser.“ Im Gegensatz zu allen anderen war Kabuto zu glatt, um Überraschung anmerken zu lassen. Konan verharrte nur, halb stehend und halb sitzend, den Blick auf die auf dem Boden verlegten Kabel gerichtet. Falls Hidans ritterlicher Einwand sie bewegte, dann allenfalls irgendwo tief innerlich. Kabuto lächelte, und die weiße Katze erübrigte sich rein durch dieses Lächeln. „Du kennst die Regeln.“ Und jetzt wünschte Kisame sich dringlich einen Mafia-Akzent und ein verrauchtes Hinterzimmer für diesen Unterton: Hidanio, das macht mich sehr traurig… Willst du etwa, dass die liebreizend hässliche Signoria uns an das feindliche Madara-Kartell verrät? Wir sind doch alle eine große, kommerziell motivierte Familie. Und jetzt werd‘ ich dir kleinen Verschwendung von Bioorganismus mal den Arsch mit Beton füllen und dich damit ins Hafenbecken schmeißen. Er grinste und fing sich einen gelangweilten Blick von Sasori. Deidara verfolgte die Auseinandersetzung mit einer Art fahrigen Interesses, als wären seine Gedanken nicht eh bei brennendem Tabak. Keiner von ihnen war genug für eine Verzögerung der Probe oder einen kleinen Schwanzvergleich zu begeistern, um aktiv zu werden, die natürliche Trägheit der Masse eben – Physik schon wieder. Und Itachi brodelte stumm vor sich hin. Konan richtete sich zu einer stehenden Position auf und wandte sich dann zum Gehen. Offenbar erkannte sie, dass die Hackordnung Kabuto zum König des Misthaufens erklärte. Hidans Blick folgte ihr, bis sie ihre Hand bereits auf der Klinke hatte. „Du könntest es mir einfach zeigen, Süße.“ Konan blickte auf. Ihr ständig gebeugter Kopf vermittelte den Eindruck allumfassender Depression, und tatsächlich musste sie eine ihrer strohigen Haarsträhnen hinters Ohr streichen, um Hidan sehen zu können. Ihre trockene Haut ergab einen ungesunden Mix mit den penetrant hellen Glühbirnen des Proberaums. Ihre hellbraunen Augen flackerten kurz. „Nein“, sagte sie ruhig und schlüpfte durch die Tür.   Das Schreckliche an schönen Dingen war, dass man meistens keine Zeit hatte, um sie zu genießen – so auch die nie langweilig werdende Schadenfreude des Sie-steht-nicht-auf-dich-Moments. Kisame fragte sich tatsächlich, was sie erwartet hatten. Er sah nicht nach, ob es jetzt ein rebellisches Funkeln in Hidans Augen gab, das Grundlage jedes erst- bis drittklassigen Highschoolpornos war, aber auch nur, weil er sich ein bisschen Spannung erhalten wollte. Die der unphysikalischen Art, den die andere oszillierte hier von sich aus. Als er die Hand in die Tasche seines Hoodies schob, um ein Kaugummi herauszuziehen (Kabutos Idee von locker-lässiger Coolness, was so ungefähr alles dasselbe war und die Aufmerksamkeit eines Zuschauers unvorteilhaft auf Kisames kräftigen Kiefer lenkte, doch solange er sich wenigstens die Geschmacksrichtung aussuchen durfte…), knisterte das Papier unter seinen Fingern. Kisame bevorzugte einzeln in Plastik verschweißte Kaugummis, weil er erstens auf saubere Mülltrennung schiss und zweitens viel zu oft in einen ausgerotzten Batzen gefasst, getreten oder sich gelegt hatte, um das jemals zu verzeihen, also sollte die Nachfolgegeneration das gefälligst nicht besser haben. Die natürliche Verpackung des Kaugummis waren Haare und nicht Papier. Er zog den Streifen zwischen seine Finger und barg ihn dann in der Handfläche, während er vorgab, an der Höhe seines Drumkits herumzujustieren. Kabuto konnte ihn auf diese Art nicht sehen, und allen Anderen war’s egal. Es war ein Streifen hochwertigen Papiers, den jemand abgerissen hatte, wenn auch immerhin mit einer gewissen Präzision. Die Schrift sprach gegen etwas Hektisches, obwohl es genauso gut Druck hätte sein können. Sie kam Kisame vage bekannt vor, was ihn irritierte, da er sonst kein Auge für solche Details hatte. Also hatte er vermutlich hin und wieder damit zu tun. Eine Telefonnummer in ordentlichen, dünnen Filzstiftlettern, die selbst den Druck der Hand verschwiegen, die sie geschrieben hatten. Kisame schloss den Schnipsel zwischen seinen grobschlächtig wirkenden Fingern ein und steckte ihn bedächtig zurück. Eine mysteriöse Cinderella hatte ihm einen papierenen Schuh dagelassen, und er schrie: Ruf. Mich. An! Na, wenn das mal keine zartschmelzende Highschool-Romantik war!   Das Deprimierende an Idioten war nicht, dass es sie gab. Es war, dass man sich mit ihnen abgeben musste. Sasori verschränkte die Arme und gähnte leise, während ein steter Nieselregen um sie herum niederging. Es war der Grund, warum Deidara und er sich jetzt kameradschaftlich nach draußen unter das Vordach verzogen hatten. Wenn er das noch öfter machte, würde man ihnen eine tiefere Freundschaft unterstellen, und das hieß, dass sie sich eine Autogrammkarte teilen mussten. Oder zusammen auf die Piste gehen, wie man es ausdrückte, wenn man jung, männlich und ganz und gar entzückt von der eigenen Großartigkeit war. Und als Nächstes verlangte man von ihnen, sich Freundschaftsbändchen zu flechten und den Namen des anderen zu tätowieren. Deidara riss sich mit absoluter Gleichgültigkeit ein Nikotinpflaster vom Arm, das Kabuto ihm dort angepappt hatte. Jemand mit seiner regelmäßigen Vergangenheit mit Kaltwachsstreifen hatte vermutlich ernste Sensibilitätsstörungen – Deidaras Taktik bestand darin, die Pflaster abzureißen, zu rauchen und sie dann wieder anzukleben. Was er wahrscheinlich tat, um Kabuto zu verarschen, doch wenn er glaubte, dass es funktionierte, war er ein noch größerer Schwachkopf als bereits bekannt. Kisames Pfefferminzkaugummi sandte ein scharfes Brennen durch seinen Rachen. Sasori mochte scharfe Dinge, aber ein Kaugummi fühlte sich im Mund genauso widerlich an wie in dem Moment, wo man einen Stuhl anhob und hineinfasste. Er hatte es nicht ausgespuckt, weil… War das noch männlicher Stolz oder das Wissen, dass ein weggespucktes Kaugummi einen Sturm im Wasserglas auslöste: warum hatte denn keiner den Jungen erzogen, hatten seine Eltern das nicht geschafft?! Ironie war zäh und schwarz wie Teer. Er bräuchte sich jetzt nicht mehr darum zu kümmern, dass niemand sich erinnerte, und nun blieb er seinen Gewohnheiten treu, weil seine Rolle es verlangte. „Wir hatten eine Abmachung.“ Deidara blinzelte desinteressiert. „Eine Nacht, hm.“ Sasori klemmte den Kaugummi zwischen Wange und den hintersten Backenzahn. Die Schleimhaut schien eiskalt zu werden. „Verschon‘ mich mit deinen plumpen homoerotischen Anspielungen.“ „Nein, verschon‘ du mich mit deinem Mehr-als-ein-ONS-Geheule – dachtest du, wir heiraten jetzt, hm?“ Sasori trat einen Schritt näher und fragte sich beiläufig, ob ein Nikotin-Pflaster gut genug klebte, um mit einem kurzen Ruck die Augenbrauen auszureißen. Deidara behielt eine entspannte Körperhaltung bei, an einen Pfeiler gelehnt, doch Sasori konnte sehen, dass seine Augen die Hände im Blick hatten. „Es sind nur noch fünf Nächte.“ Deidara hob seine Hand, die in einem fingerlosen Handschuh steckte, und bewegte seine Finger mehr oder minder elegant durch. „Schon mal von Angebot und Nachfrage gehört, du kleiner Wichspisser, hm?“ „Hörst du dich überhaupt reden?“ Sasori schob den Kaugummi unter die Zunge, wo das Brennen rasend schnell um sich griff. Schärfe schüttete im Körper Endorphine aus, nur leider fühlte er keine. Wie machte man sich einem Idioten am besten begreiflich? Immer eingedenk der Tatsache, dass in diesem Gebäudekomplex irgendwer am Fenster klebte oder durch den Zaun illerte und dessen beschränkte Kreativität einen Hieb in die Magengrube nicht als freundschaftlichen Knuff auslegte. Sasori rollte die Schultern, wo ihn sein graues Jackett behinderte. Da er das klavierverwandte Scheißinstrument abbekommen hatte, war ihm die Rolle des Schwiegermutterlieblings zugefallen: Fresse halten, Knie zusammen, Hände oberhalb der Gürtellinie und immer schön das vegetative Wachkoma nachahmen. Damit hatte er Erfahrung, und ihm rann kein Speichel aus dem Mundwinkel. Dafür trug er Klamotten, als würde er damit rechnen, in den nächsten fünf Sekunden in einem Familienfoto posieren zu müssen. Deidara zündete seine Zigarette mit einem Streichholz an, was in Anbetracht der feuchten Luft nicht einmal ungeschickt war. Hätte er es davor noch an seinem Stiefel angerissen, wären sie in einem Cowboyfilm und Sasori hätte ihm in die Fresse schießen dürfen. Leider waren Colts noch nicht im Necessaire zugelassen, und auch wenn bei ihrem wertgeschätzten Leadsänger so oder so dauerhaft die Hirnrückwand zu sehen war, musste man nicht noch Frischluft daran lassen. Sasori wusste, dass es prinzipiell keinen Sinn hatte, primitiven Bewusstseinsströmen Raum zu bieten. Aber das Gehirn lernte beständig, und seit der immensen Genugtuung befreiender Gewaltanwendung von gestern war es schwer, wieder umzuschalten. Deidara kratzte an dem schwarzen Nagellack an seinem Daumennagel herum. Er hatte es geschafft, Sasori aus den Augen zu lassen, doch seine Neigung, sich beschäftigt zu halten, verriet seine Wachsamkeit. Aber man musste ihm lassen, dass er es aus seiner Stimme heraushielt. Solange man ihn nicht auf kalten Entzug setzte, hatte Deidara eine Dickfälligkeit, die an Stumpfheit grenzte. Was bei Blondinen sage und schreibe ein Qualitätsmerkmal war. „Warum ist’n das wichtig, hm?“ Zusammen mit einem Streifen Qualm hauchte Deidara einen Lacksplitter von seinem Daumen. Er versuchte nicht mal zu verhandeln. Einfältige kleine Arschkrampe, die dachte, wenn man einmal billige Reizwäsche durchkaute, gehörte einem die Welt. Sasori holte leise Luft. Der scharfe Geschmack von Pfefferminz vermengte sich auf seinen Schleimhäuten mit frischem Zigarettenrauch und steigerte das Brennen so stark, dass seine Augen für einen Moment feucht wurden. Deidara grinste spöttisch. Sasori wich der Tür beinahe nicht rechtzeitig aus, als sie aufschwang und sein Tränenschleier seine Sicht behinderte. In dem unbarmherzigen verspiegelten Glas der Tür stolperte sein Ebenbild ungraziös zurück und blinzelte wie ein kulleräugiger Welpe, den man soeben getreten hatte. Er trat Hunde, nicht andersherum. Deidara prustete ungeniert, während Itachi zu erwägen schien, ob er nicht die Tür aus dem Rahmen reißen sollte, um ihn doch noch zu treffen. Eine kleine Falte thronte über der Nasenwurzel des Serienvergewaltigers von durch Opferschutz anonym gebliebenen Bassgitarren. Hätte Kabuto diesen Krater gesehen, hätte er vermutlich sofort das Jagdgewehr mit Botox geladen. „Du verdammtes Arschloch.“ Itachis Stimme war dunkel und kristallin wie eine kleine, schwule Gewitterwolke. Deidara pustete mit geübter Arroganz einen Rauchkringel in seine Richtung, der an den Klippen von Itachis starrer Miene zerschellte. Dramatischer als Titanic. „Ich glaube, das sind seine ersten Worte heute – herzlichen Glückwunsch, er meint dich, Mommy, hm.“ Das klang ja, als sollte ihn das beeindrucken. Itachis Blick war tatsächlich auf ihn, Sasori, gerichtet. Er schaffte es, weder durch den Qualm noch die Kälte zu blinzeln, und wenn das überhaupt irgendeinen Effekt hatte, dann den, in Sasori den Wunsch zu wecken, ihm Zeige- und Mittelfinger in die Augen zu rammen. Jetzt war die Zigarettenpause doch gleich noch mal nervtötender geworden. „Wenn du dir nicht angewöhnt hast, die Toiletten zu filmen, sollte das eine Körperzone sein, von der du bei mir keine Ahnung hast.“ Sasori fuhr sich durch sein kurzes Haar, entdeckte wohl, dass er seine Finger beschäftigte, um nichts Anderes damit zu tun. „Also, steckt dir nur die übliche Fichte im Hinterausgang oder doch ein ganzer borealer Nadelwald?“ Deidara blähte vielsagend die Wangen. „Flirtet gefälligst drinnen, ich war zuerst hier, hm.“ Itachi ignorierte sie beide. Er war weiß vor Wut, eine kleine Ader pochte an seiner Schläfe wie der zitternde Zeiger einer Skala, die bei 180 stand. Es wäre einfacher gewesen, diese Anomalität absolut zu genießen, wenn Sasori gewusst hätte, warum das so war. In bester Überforderte-Eltern-Manier tauschte er einen kurzen Blick mit Deidara und stellte fest, dass dieser ernsthaft enttäuscht wäre, wenn diese Auseinandersetzung nicht mehr vor seinen Augen ausgetragen werden würde, ganz egal, was er behauptete. Sasori hätte ihm den Spaß ja gern ruiniert, aber zwischen ihm und der rettenden Tür befand sich eine rachsüchtige Jungfrau, und wenn er zurücktrat, sah das a) wie Flucht aus und b) waren sie im Innenhof dann wesentlich leichter zu sehen. Er konnte im Moment nicht darauf vertrauen, dass Itachi seinen Grips zusammennahm und sich erinnerte, wo sie hier waren. Er hasste es, für andere denken zu müssen. Deshalb tat Sasori, was er in den meisten Situationen tat: er gähnte. Und dann schob er den Kaugummi in die andere Wange. „Ich höre.“ Was ohnehin eine Zumutung in dieser Band war. „Ich werde das nicht noch einmal für dich tun.“ Obwohl Itachis Stimme grollend war, hörten sich seine Worte erstaunlich blechern an, als ob seine Stimmbänder überfordert wären mit der Masse an Ausdruck, die sie in diese Töne quetschen sollten. Das schien ihm zu genügen – was auch immer an Wut in Itachi brodelte, dieser Satz schien ihm als Ventil zu genügen. Deidara rammte den Stummel seiner Zigarette gegen den weißen Verputz des Gebäudes, hinterließ einen schwarzen Fleck Asche und brach in Gelächter aus. Und Sasori, so dümmlich es ihm auch erschien, ließ sich anstecken. Er hätte vielleicht anders gekonnt, doch es aufzuhalten erschien ihm noch lächerlicher als alles Andere. Auf Itachis scharfen Wangenknochen erblühten zwei schwache rote Flecken, die Zorn oder Scham sein konnten. Er verriet keins von beidem, als er sich abwandte und den Weg zurückging, den er gekommen war. Das Gelächter war noch nicht ganz abgerissen, als sich die Tür hinter ihm schloss. Deidara zog ein Haargummi aus der Tasche und klemmte sein Haar rücksichtslos darin fest, beschäftigte sich für den abgetrennten Zeitraum von zehn Sekunden. „Das ist nicht gerade passiert, hm.“ Sasori fragte sich, ob er Itachis dramatischen Abgang meinte oder so etwas ekelhaft Kameradschaftliches wie gemeinsames Auslachen. Entschied, dass dieser Gedanke auch nicht gerade passiert war, und spuckte den mittlerweile lasch gewordenen Kaugummi auf den Boden. Gelebte Rebellion, das. Aber wenn man das vermeiden wollte, musste die Industrie sich intelligentere Verpackungen ausdenken und nicht die Versuchung kräftigen, dieses schleimige Kügelchen in blondes Haar zu kleben. „Ich sagte, du sollst mich mit deinem pseudoprovokanten Gefasel verschonen.“ Er zog das Nikotinpflaster vom Metall des Türrahmens ab und ließ es zu Boden fallen, bevor Deidara die Gelegenheit erhielt, es wieder anzukleben. Getreu von Murphys Gesetz fiel es mit der Klebeseite nach unten. Der Sänger lächelte düster und warf sich seinen Zopf über die Schulter. Es wirkte fast, als sei er einen Hauch verletzt, aber das gehörte zur Anforderung des Schauspiels. „Du hörst von meinem Anwalt, Liebling, hm.“   Die Probe verlief danach unkonzentriert. Und was Kabuto daran am allermeisten hasste, war dass es kein unabsichtlicher Ausfall war. Er trank einen Schluck Kaffee und hob die Hand: ein Instrument nach dem anderen hörte auf zu spielen. Hidan hörte als Letzter auf, lieferte sich jedoch auf den letzten Metern ein heißes Rennen mit Deidara um die ätzendste Endnote: schiefe Gitarrensaite gegen Pusten ins Mikro. Unplugged war offensichtlich nur das Tor zu auditiver Ondulation. Kabuto ließ seine Brille ein Stück das Nasenbein herabrutschen. „So. Soll ich jeden von euch einzeln fragen, was hier schiefgelaufen ist, oder könnt ihr euch darauf einigen, ohne dass wir einen Sitzkreis bilden müssen?“ Kisame lehnte sich vor und zog an seinem T-Shirt-Kragen, wo Schweiß sein Brustbein verdunkelte. „Ich könnte schwören, dass ich schon mal gesagt hätte, was wir für Kindergartenscheiße spielen. Ist das so’n Wunder, dass dabei keiner einen hochkriegt?“ War der Idiot etwa überrascht, dass Popmusik sich nur darum drehte, eingängige Rhythmen und bloß keine Abwechslung? Schließlich sollte jeder Teenager um die zwölf den Scheiß auf seiner Plastikgitarre nachklimpern können. Tributes und so, auch wenn Kabuto damit nicht vor seiner Truppe aus diabolischen Zimtschnecken argumentierte. Denen schmolz sonst der Zuckerguss. „Ich mach‘ die Arbeit und du heulst, hm?“ Deidara drehte sich um und bückte sich nach seiner Wasserflasche. Kisame rollte mit den Augen. „Ich spreche für dich, Prinzessin – ist echt eng in deinen Gedankengängen, vielleicht solltest du statt deinem Arsch mal dein Hirn ficken lassen.“ Ich hasse euch alle, und das war gerade ekelhaft. Schön, wenn es praktisch durchführbar wäre, und dennoch ekelhaft. „Mädels, bevor ihr euch die Implantate zerreißt-“ „Nennst du mich ein Mädchen, Graf Tuntula, polier‘ ich dir mal die Fresse, und zwar gründlicher als Sasori. Freu dich drauf, Babe.“ Kisame, die inoffizielle Stimme der Vernunft, boykottierte hier für das obligate Testosterongewitter seine Probe! Das konnte nicht wahr sein. Kabuto stand auf und stellte behutsam seinen Kaffeebecher auf einen leeren Instrumentenkoffer. Keine Wertgegenstände gefährden, bevor er sich dem Schrott auf der Bühne widmete. „Weil deine Faust nicht in meinen Arsch kommt, visierst du mein Gesicht an? Ihr verkappten Homos seid ja nicht mal kreativ.“ Hidan kräuselte höhnisch die Oberlippe und zog sich den Gurt seiner Gitarre über den Kopf. „Dann hör‘ mal zu-“ Deidara schraubte seine Wasserflasche indes wieder zu und seufzte. „Ich weiß, was du sagen willst – nein, wir wollen ihn nicht sehen, danke, hm.“ Kabuto nahm die Treppe zur Bühne, damit er die Bügelfalten seiner Anzughose nicht unnötig strapazierte. Er war immer sehr gewissenhaft damit, und ein seriöser Auftritt war wichtig, eben weil er kein verlotterter Knabenchor-Manager war. Hidan knurrte. „Den Scheißhaus-Stein? Tja, wie schade, denn du wirst ihn sehen. Aus nächster Nähe. Klobürsten mit Echthaar sind immer in.“ „Als Nächstes erzählst du uns, ob du drei- oder vierlagiges Klopapier nimmst.“ Sasori klang, als hätte er sich mit dieser düsteren Zukunft bereits abgefunden. Er rieb sich Sand aus einem Augenwinkel und verschwand beinahe hinter seinem Keyboard auf der kleinen Bank, auf die er sich hatte sinken lassen. Kabuto überquerte die kreuz und quer laufenden Kabel, vorsichtig dabei, keins zu verschieben oder sich darin zu verheddern. Alles hatte seine Ordnung, wenn man der Truppe nur genug zahlte, und an den Roadies zu sparen war eine dumme Idee. „Ich benutze deine Zahnbürste, Sasomaso. Halt die Fresse, wenn dich keiner fragt, weil ich schon kotzen möchte, wenn ich dich höre. Und jetzt sperrt endlich eure Lauscher auf, und wer dazwischenquäkt, hat den Betonmischer in der Visage.“ Hidan stemmte eine Hand in die Hüfte und riss energisch an einer seiner gegelten Haarsträhnen. Deidara nickte eulenhaft. „Probst du deine wortgewaltigen Ergüsse, oder hast du die spontan auf der Pfanne, hm?“ Kisame klatschte sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Du hast ‚Erguss‘ gesagt – jetzt kommt ein Penis-Witz, halt‘ dir die Öhrchen zu, Itachi!“ Kabuto hatte das kleine Grüppchen von Möchtegern-Musikern erreicht und hatte den Blick unverwandt auf sein Ziel gerichtet. Er blinzelte nicht mehr, kühle Entschlossenheit verfestigte seine geistigen Prozesse zu einem einzigen, weichen Mantra von Das wirst du bereuen. Itachi beobachtete ihn teilnahmslos. Er hielt als einziger die Klappe, und auch das nervte Kabuto. Alles nervte. Es könnte nur schlimmer sein, wenn ihm jetzt die Frage käme: ‚Was würde Madara jetzt tun?‘ Denn dann wäre er am absoluten Tiefpunkt. Nicht nur wegen der Unterlegenheit dieses Gedankens, sondern auch weil der verdammte Dreckskerl eine Standleitung zu inneren Erniedrigungen gelegt hatte und sie zehn Meilen gegen den Wind roch. „Jetzt haltet mal alle ganz fest die Fresse.“ Hidan hob die flachen Hände in einer beschwichtigenden Geste, was bei ihm ungefähr so glaubhaft wirkte, als würde ein Sumoringer seiltanzen. Mit dem Schirmchen aus dem Cocktailglas. „Ich lese jetzt eure Gedanken und scheiße auf eure schwulen-… Arrrgh!“ Zum wiederholten Mal wurde Hidan heute mitten in seinem Satz unterbrochen, allerdings war es das erste Mal, dass er mit einem Schmerzlaut abbrach. Kabuto, der ihm das Ohrläppchen mit einer präzisen Bewegung verdreht hatte, mit der andere Menschen Schlüssel umdrehten, zog seine Hand zurück und wischte unsichtbare Verunreinigung mit seinem Einstecktuch ab. Er kannte sich mit dem Tor zu maximalem Schmerz mit minimalem Aufwand und äußerlichem Schaden aus. Und im Gegensatz zu seiner momentanen Aufgabe machte es erheblich mehr Spaß. Hidan erholte sich dafür schnell von seinem ersten Schreck. Rein zur Verteidigung der pädagogischen Motive: Gewalt war die einzige Sprache, die der Kerl neben dem Verstehen auch respektierte, und wenigstens würde er sich niemals in den Medien über körperliche Misshandlung seitens des Managements ausheulen. Nicht Hidan. Er schlug sich mit einem schallenden Klatschen auf die Oberschenkel und wirbelte zu Kabuto herum. Sein Gesicht war fast bedrohlich nah. „Fick dich, Alter! Willst du wissen, was mich ankotzt, und wenn sie auch nur die kleinsten bisschen Eier haben, auch den Rest der Kackbratzen hier?! Dass wir das ganze Scheißprogramm hier abfeiern und dann rumhocken wie’ne Horde verfickter Nonnen-“ Kisame schnaubte grinsend bei dieser einwandfreien Verknüpfung von Begriffen, „-und uns zum Pennen noch alle einen beten! Es kotzt mich an, dass wir, seit wir dich 24/7 an der Backe haben, nicht ein verfluchtes Mal Spaß hatten!“ Mehrere Sekunden herrschte eine andächtige Stille im Raum. Kabuto konnte sich nicht umsehen, ohne Hidans Blick auszuweichen und so vor ihm einzuknicken, doch er bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Augen hin und her wanderten. „Ich wasch‘ mir gleich den Mund mit Waschbenzin, aber Hidan hat Recht, hm.“ Deidaras heller Schemen wiegte am Rande von Kabutos Blickfeld den Kopf. „Die letzten Wochen war verdammt viel zu tun, irgendwann ist Schluss, hm.“ Kisame lehnte sich mit verschränkten Armen auf seinem Hocker zurück. „Es sieht jetzt schon scheiße aus, wenn erwachsene Kerle immer händchenhaltend rumlaufen wie Vorschulblagen und dann um zehn Heia machen. Ich will nicht erleben, dass ich demnächst vor’m Club meinen Ausweis vorzeigen muss.“ War das ergreifend, wie diese Idioten sich ergänzten, wenn es um ein gemeinsames Ziel ging. Kabuto hätte beinahe die Augen verdreht. Hidan grinste bereits triumphierend. „Es kann nicht authentisch sein, wenn wir uns aufführen wie Klosterschüler.“ Jetzt griff auch noch Sasori ein. Es war ernst. Und noch schlimmer, es war nicht mal falsch. Nichts davon. Eine Boyband durfte nicht so vorbildlich sein, dass sich niemand mit ihnen identifizieren konnte, und bei Hidan oder Kisame war es auf für’s Image schlecht. Solange wie jeder nach Dienstschluss noch nach Hause gegangen war, um sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, war das kein Problem gewesen, doch jetzt hatten sie im Verband zu agieren. Aus gewissen Gründen hätte Kabuto es liebend gern vermieden, Itachi überhaupt Ausgang zu geben, von Sasori mal ganz zu schweigen – Schlaftabletten und Alkohol, was für ein Klassiker! – aber selbst wenn er das irgendwie übertünchte… Irgendwo mussten die Primaten sich austoben. Wochenlang ohne Alkohol, Sex und akzeptable Musik, in der Gemütslage brauchte man schon Antidepressiva. Na wunderbar. Kabuto schloss einen Moment die Augen. Hidan hatte die Arme verschränkt und grinste ihm immer noch so unverfroren ins Gesicht, dass Kabuto das dringende Bedürfnis hatte, das andere Ohr auch noch kräftig zu verdrehen. Und danach waren die Nippel dran. Keine Gnade. „Ich will, dass ihr euch Mühe gebt, mindestens noch die kommende Stunde lang. Und heute Abend keinen Scheiß baut – ich schaue niemanden an, aber die erste Unzucht mit Unterbekleidung bekommt Hausarrest. Und euer Pensum an Autogrammen erfüllt. Und wenn ihr euch daran haltet, was ihr sowieso tun sollt…“ Kabuto öffnete die Augen und ließ den Blick schweifen. Er würde das bereuen. Doch wenn sie ihm dumm kamen, würden sie es noch viel mehr bereuen. „… gibt es heute Nacht Ausgang mit allem, was dazugehört.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)