Eine Frage der Zeit von abranka (OW x KB) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war an Neujahr, wenn üblicherweise den Gefallenen aus der Schlacht vom Mai 1998 und der kurzen zweiten Herrschaft Voldemorts gedacht wurde. Katie Bell war jedes Mal froh, wenn dieser Tag vorüber war. Ihr war unbehaglich zumute, wenn sie an diejenigen dachte, mit denen sie die Schule und den Gryffindorturm geteilt hatte und die nicht mehr unter ihnen waren. Es waren Tage, an die sie ungern zurückdachte, denn sie hatte zu denjenigen gehört, die für den Kampf im Mai zurückgekehrt waren. Es war eine Frage der Ehre gewesen. Des Gryffindorgemeinschaftssinns. Des jugendlichen Leichtsinns vielleicht auch. Katie hatte nicht vergessen, dass sie beinahe ihr Leben verloren – durch dieses verzauberte Medaillon und dann in der Schlacht. Sie würde diesen Schmerz auch niemals vergessen. Und vielleicht wurde ihr dann immer an diesem einen Tag so besonders schwermütig, weil sie Sorge hatte, dass Menschen, die sie gekannt und gemocht hatte, ebenfalls einen vergleichbaren Schmerz hatten fühlen müssen – und dass es für sie dann vorbei war, anstatt dass sie eine Chance hatten, darüber hinwegzukommen. Sie schauderte und senkte den Blick. Das große Feuerwerk über Hogwarts zog Jahr für Jahr die Schaulustigen der gesamten magischen Gemeinde Großbritanniens an. Schulleiterin Minerva McGonagall hatte damit definitiv eine weise Entscheidung getroffen. Es war eine gute Zeit und ein guter Ort, um Gedanken und Hoffnungen zum Himmel fahren und ihren Platz im nächsten Jahr finden zu lassen. Sie zog die Schultern hoch und den Mantel enger um ihre Schultern. „Katie?“ Die Frage hinter ihr war vorsichtig, als wenn sich jemand nicht sicher wäre, ob sie auch tatsächlich Katie sei. „Ja?“ Der prüfende Blick aus ihren wasserblauen Augen traf ein Gesicht, das ihr vertraut war. Sehr vertraut sogar. „Oliver! Schön, dich zu sehen!“ Sie umarmte den jungen Mann, der sie noch immer etwas abschätzend ansah, stürmisch. Sein breites, etwas gutmütiges, aber immer angenehm freundliches Gesicht war ihr aus der Schulzeit noch äußerst vertraut. Viel verändert hatte er sich nicht – er war einfach nur einige Jahre älter geworden. „Wie geht es dir? Mit Puddlemere United läuft es ja momentan richtig gut, was?“ Sie grinste Oliver Wood an, der immerhin einige Jahre der Kapitän des Gryffindorquidditchteams gewesen war – und unter dessen Fuchtel sie ihr Talent für Quidditch entdeckt hatte. „Oh ja. Seit Terspant verletzt ist, habe ich die Gelegenheit zu spielen und ich bin mir sicher, dass wir die Appleby Arrows schlagen können. Dann stehen unsere Chancen für den Pokal gar nicht mal so übel.“ „Glückwunsch.“ Katie grinste Oliver breit an. Sein Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. Immerhin konnte er das machen, wofür er einfach geboren zu sein schien. Quidditch war schließlich immer sein Ding gewesen – und der Ehrgeiz, mit dem er versucht hatte, den Quidditchpokal von Hogwarts zu gewinnen, hatten ihr und den anderen – den Weasley-Zwillingen, Angelina, Alicia und später Harry – viele langweilige Vorträge eingebracht. Doch seine Ernsthaftigkeit, mit der er dieses Ziel verfolgte, hatte sie stets bewundert. Jetzt spielte Oliver seit sechs Jahren für Puddlemere und hatte seine große Chance mehr als verdient. Sicher, er hatte zwischendurch immer wieder kurze Einsätze gehabt, da Quidditch nun einmal ein sehr verletzungsträchtiges Spiel war, aber die richtig große Chance, war ihm bisher immer verwert worden. Katie merkte, wie sie es ihm aus ganzem Herzen wünschte, dass er es packen und in die Riege der Stammbesetzung aufsteigen würde. „Und? Was machst du so?“ „Och, dies und das.“ Katie winkte ab. Auf seinen fragenden Blick hin erwiderte: „Na ja, ich arbeite im Bestattungsinstitut meines Vaters. Er braucht Hilfe und seit er auch Bestattungen für Hexen und Zauberer anbietet, gibt es viele gemischte Familien, die ihn beauftragen.“ Sie hob die Schultern. „Sie können gut zu uns kommen, weil er einerseits kein Zauberer ist, sich aber andererseits mit den magischen Dingen recht gut auskennt – und weil er mich hat.“ Ein erneutes Schulterzucken konnte sie nicht unterdrücken. „Es ist okay, weißt du. Er braucht mich und nach der Schlacht – da war das ein guter Zeitpunkt, um sich mit diesen Dingen zu befassen.“ „Oh.“ Sie hasste diese Reaktion. Es war immer das Gleiche. Die meisten Leute sagten nichts mehr, sobald sie erwähnte, worin ihr Job bestand. Ja, sicher, sie beerdigte Menschen. Und? Irgendwer musste das tun. Und es war wichtig! Nichts war schlimmer, als wenn eine Beerdigung schief ging und irgendjemand am Ende wegen der Beerdigung kreuzunglücklich war und seine Trauer nur noch verschlimmert wurde. „Wenn du Fragen hast, stell sie. Und betroffen gucken musst du wirklich nicht.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und funkelte Oliver an. „Sorry. Ich hab bisher nur noch nie einen Bestatter kennengelernt.“ „Na, bist ja auch reichlich jung dafür“, gab Katie trocken zurück und grinste dann. „Mach dir nichts draus. Die meisten Leute verstummen einfach und der Rest, der es nicht tut, quatscht einen mit komischen Fragen voll. Von daher…“ Sie brach ab und ließ ihre Worte in der Luft versinken. „Ist halt nicht wie Quidditch, über das alle reden können. Vor allem im Moment noch nicht.“ Sie hielt inne und fügte dann hinzu: „Hey, aber ich mache ganz gute Fotos! Ich gehe gern zu Quidditchspielen und knipse alles, was mir vor die Linse kommt. Ich arbeite momentan an einem Fotobuch. Ich weiß nicht, ob sich später jemand dafür interessiert, aber mir macht es Spaß.“ Katie grinste und ihr breites Strahlen ließ ihr schmales Gesicht aufleuchten. „Klingt prima. Ich kann gern mit dem Trainer sprechen, falls du unser Team fotografieren willst…“ „Gute Idee. Ich mache euch auch einen guten Preis für Fotos für neue Poster, Sammelkarten und so.“ Sie griff in ihre Manteltasche und zog eine Visitenkarte hervor, die etwas verknickt war und von der violetter Glitzer herunterstaubte. „Ruf mich einfach an.“ „Geht klar.“ Katie stürmte in das kleine Cafe in der Wichtelgasse, in dem sie mit Angelina Johnson und Alicia Spinnet, ihren ehemaligen Quidditchkolleginnen und besten Freundinnen, verabredet war. Sie war zu spät. Sie neigte dazu, immer zu spät zu sein, wenn es nicht um ihren Beruf ging. Sicher, man konnte sagen, dass Tote ja genug Zeit hatten und nicht wegliefen, aber gerade bei Beerdigungen kam es auf das Timing und den perfekten Ablauf an. Darin war sie gut. Aber manchmal hatte sie das Gefühl, dass all ihr Zeitmanagement und ihre Pünktlichkeit dafür draufgingen. Für alles andere blieb dann nichts mehr übrig. „Entschuldigt!“, rief sie außer Atem und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Angelina gab ein leises Schnauben von sich und schob eine Galleone zu Alicia hinüber. Diese grinste breit. „Danke.“ „Ihr wettet auf mich?!“, rief Katie empört und kicherte im nächsten Moment los. „Wir kennen dich eben“, gab Angelina trocken zurück und zuckte mit den Schultern. „Ja, ja, ja…“ Katie rollte Augen, was ihre beiden Freundinnen zum Lachen brachte. „Na, aber es kann sich heute nicht alles um dich drehen.“ Angelina zwinkerte in die Runde und hob dann die Hand, um einen Ring an ihrem Finger aufblitzen zu lassen. „Er hat dich gefragt?“ Es war Alicia, die als erstes die Sprache wiederfand, während Katie noch den schicken Verlobungsring bewunderte. „Ja… George fand, dass es genug traurige Zeiten gab und dass man unbedingt nach vorne gucken müsse – und dass Fred nichts anderes gewollt hätte.“ Ihr Lächeln war warm und glücklich. „Oh, Angelina, das ist einfach wunderbar!“ Katie drückte die Hand der Freundin und lächelte sie an. „Ihr werdet eine großartige Hochzeit haben.“ „Und zwar, weil ich neben einem wundervollen Verlobtem auch zwei wundervolle Freundinnen habe.“ Angelina grinste breit. Alicia brach in schallendes Gelächter aus: „Gib es zu, du genießt es, dass du ‚mein Verlobter’ sagen kannst!“ „Sicher.“ Angelina zog eine wohlgerformte dunkle Augenbraue hoch. Ihre dunklen Augen blitzten vor Vergnügen. „Oh, hey, a propos George und Quidditch und so – ich hab neulich Oliver getroffen.“ Katie strahlte in die Runde. Dass sie dazu neigte, Verbindungen zu ziehen, die nicht sofort für jeden auf der Hand lagen, war für die Freundinnen recht normal. „Neujahr?“ Alicia grinste und drehte eine schwarze Haarsträhne zwischen ihren Fingern. „Genau. Er will mich anrufen, wenn ich Fotos vom Team machen darf…“ Ein zufriedenes Lächeln lag auf Katies Gesicht. Ihre Freundinnen wechselten einen ausdrucksvollen Blick. „Du findest ihn nicht zufälligerweise immer noch toll?“, erkundigte sich Angelina dann mit einem süffisanten Grinsen. „Wenn ja, dann müssen wir dringend was mit deinen Haaren machen, ehe du ihn triffst.“ Alicia verdrehte die Augen und zupfte an einer von Katies schmutzigblonden Strähnen, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte. Katie lief rot an. Das war wieder etwas, worum sie ihre Freundinnen beneidete: Beide hatten dunkle Haut und so war es ihnen deutlich schwerer anzusehen, wenn sie verlegen wurden. „Treffer!“ Angelina klatschte in die Hände. „Also gehen wir gleich bei einem Friseur vorbei.“ Gott ergeben senkte Katie den Kopf und war gleichzeitig froh, dass sie solche Freundinnen hatte. Sie musste sich noch an die knapp kinnlange Kurzhaarfrisur gewöhnen. Katies Finger zupften immer wieder an den fransigen Strähnen herum. Sie fand zwar, dass man jetzt viel zu viel von ihrem schmalen Gesicht und der großen Nase und den langweiligen wasserblauen Augen sah, aber Angelina und Alicia hatten ihr attestiert, dass sie toll aussah, daher wollte sie daran glauben. Ihr Vater war zumindest sehr angetan gewesen, als sie in den Laden zurückkam, um sich für ein Beratungsgespräch fertigzumachen. Sie selbst fand nur, dass sie etwas erwachsener aussah als vorher – und das war schon mal ein Gewinn. Mrs. Tracy Brown war eine eher unscheinbare junge Hexe, die gerade ihren Vater verloren hatte. Er war ein Muggel, ihre Mutter eine Hexe und nun saß sie hier in bei Bell’s Funerals. Die Beratungsgespräche waren nicht leicht, denn schließlich wollte man den Leuten gerecht werden, ohne ihnen irgendetwas aufzuschwatzen. Es war eine Gradwanderung zwischen Beratung, Kummerkasten und Verkauf. Manchmal war es wirklich schwer, das Gleichgewicht auf diesem scheinbar nur wenige Millimeter breiten Balken zu halten. Mrs. Brown jedoch war angenehm pflegeleicht. Ihr Vater war schwer krank gewesen und daher nicht unerwartet gestorben – und erfreulicherweise hatte er Wünsche hinterlassen, wie er sich seine Beerdigung vorstellte. Dennoch nahmen Katie diese Gespräche immer mit. Nachdem Mrs. Brown gegangen war, schloss sie ihre Bürotür für eine Weile und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Wenn sie aufhörte, die Menschen mit ihren Schicksalen und Geschichten an sich heranzulassen, würde sie vermutlich selbst gelassener mit allem leben – und gleichzeitig würde sie dann wohl einen Teil ihrer Menschlichkeit verlieren. Und sie würde garantiert anfangen, diesen Job zu hassen. Ihr Handy klingelte mit einem fröhlichen Lied der Schicksalsschwestern. „Katie Bell“, sagte sie sachlich in den Hörer, als sie abhob. „Hi Katie, Oliver hier. Ich hoffe, ich störe grad nicht. Du klingst so angespannt.“ „Hey… Nein, mach dir keine Gedanken.“ Katie fuhr sich durch die Haare und rang sich ein Lächeln ab. Lächeln, das hörte man auch am Telefon, wie sie wusste. „Ähm, ich sollte ja anrufen, wenn ich mit dem Trainer gesprochen habe. Nächste Woche Dienstag beim Training könntest du Bilder schießen. Falls du dann Zeit hast, meine ich. Ich hab ja keine Ahnung, wie dein Terminplan aussieht.“ „Moment.“ Katie kramte nach ihrem pinkfarbenen Organizer mit dem Sternchenmuster und schlug ihn auf. „Nein, da ist noch alles frei. Ich notier mir euch.“ „Prima. Das ist schön… Ähem… Würde es dir was ausmachen, wenn ich dich das nächste Mal anflohe oder ne Eule schicke? Handy… ist nicht so meine Welt. Ich hab zwanzig Minuten gebraucht, bis ich das mit dem Wählen raus hatte.“ Katie musste lachen. „Hey! Nicht auslachen!“, entfuhr es Oliver empört. „Warum hast du es dir nicht erklären lassen?“ „Weil Claude, von dem ich es mir geliehen habe, mich sonst damit die nächsten Monate aufziehen würde. Und weil er gelauscht hätte. Und die Aussichten fand ich jetzt nicht so prickelnd.“ „Waschechter Zauberer, was?“ „Kann ja nicht jeder so ein Grenzgänger sein wie du“, gab Oliver trocken zurück. Damit hatte er Recht. Es gab durchaus Hexen und Zauberer, die sich allein auf das Leben in ihrer magischen Welt beschränkten und zu Muggeln keinen Kontakt pflegten. Gleichzeitig gab es selbstverständlich auch Hexen und Zauberer, die scheinbar normal unter Muggeln lebten, Muggel heirateten und so weiter. Wie sonst sollten schließlich die so genannten Halbblüter zustande kommen? Katie warf einen kurzen Blick zu dem winzigen Kamin hinüber. „Anflohen geht. Dafür hab ich einen Anschluss. Ankunft via Flohnetzwerk geht hier aber nur im Empfangsbereich. Schließlich wäre es unschön, wenn mir jemand mitten ins Beratungsgespräch reinplatzt, nicht wahr?“ Bell’s Funerals hatte eine Hauptniederlassung, die sich inmitten dessen befand, was Hexen und Zauberer gemeinhin als Muggellondon bezeichneten. Sie lag in einer netten Seitenstraße nicht weit vom Stadtzentrum entfernt. Seit Katies Vater sich auch auf die magischen Kunden eingestellt hatte, mussten sie einige Dinge verändern. Nun gab es auch eine kleine Filiale in der Winkelgasse mit einem Beratungsraum und einem Kamin, der direkt an den Kamin in der Hauptstelle angeschlossen war. Außerdem waren an beiden Orten einige Posteulen untergebracht und natürlich konnte über die Kamine kommuniziert werden. Katie neigte aufgrund der vielen Muggelkunden jedoch eher dazu, Muggelkommunikationsarten wie das Telefon zu benutzen. Oft vergaß sie auch einfach, dass Zauberern das Telefon nicht gerade vertraut war. „Vollkommen.“ Sie konnte Olivers Grinsen hören. „Also du bist du nächsten Dienstag gegen 14:00 Uhr auf dem Trainingsgelände.“ „Ganz genau. Ich bemühe mich auch um Pünktlichkeit.“ Jetzt war es Oliver, der einen Lachanfall bekam. Denn genauso wie Angelina und Alicia war ihm Katies mangelndes Talent in Sachen Pünktlichkeit nicht unbekannt. „Ich komm zu spät!“, keuchte Katie, während sie vom Clubhaus von Puddlemere United die knapp 500 Meter zum Trainingsfeld hinüberhetzte. Wie so oft hatte sie es nicht geschafft, sich pünktlich auf den Weg zu machen. Die Tasche mit ihrer Fotoausrüstung war dank etwas Magie nicht besonders schwer, aber sie war bereits zuvor gerannt und somit ziemlich außer Atem, als sie das Trainingsfeld erreichte. Fieberhaft überlegte sie, wie sie sich am besten entschuldigen konnte. Eine halbe Stunde quatschte man schließlich nicht mal eben weg. Gemessenen Schrittes ging sie die letzten Meter auf den Trainer zu, der sich gerade in diesem Moment von seinem Team abwandte, das in der Luft einige Kreise zog. „Ah, Sie müssen Miss Bell sein“, sagte er streckte ihr zur Begrüßung die Hand hin. „Oliver erzählte, dass sie eine große Leidenschaft für Quidditch haben und garantiert zu früh kommen würden. Er hat nicht gelogen – Sie sind tatsächlich eine Viertelstunde zu früh.“ Katie schluckte die Worte, die ihr auf den Lippen gelegen hatte, verblüfft runter. „Äh, genau, Mr. McFlatley.“ Sie lächelte den Trainer breit an. Carlton McFlatley galt in Quidditchkreisen als äußerst harter Hund und die Art, wie es sich bewegte und sein scharfer Blick immer wieder zwischen ihr und seiner Mannschaft hin- und herzuckte, bestätigte das nur. Sein Bewegungen waren die eines Mannes, der viel Kraft besaß – aber aufgrund diverser Verletzungen nicht mehr in der Lage war, diese vollständig einzusetzen. „Hat Oliver erwähnt, dass wir in der Schule gemeinsam im Gryffindorteam gespielt haben?“ „Yeah.“ McFlatley brüllte seinem Team einen scharfen Befehl hinüber, dann fixierte er Katie wieder. „Wenn Sie möchten, können Sie nachher mal eine Runde fliegen. Wir haben Trainingsbesen.“ Er spuckte auf den Boden. „Sicher.“ Katie lächelte und stellte ihre Tasche neben sich ins Gras. „Ich bereite mal alles vor.“ „Gute Idee. Die Jungs und Mädels sind gleich mit dem Aufwärmen fertig.“ Er grinste sie an und drückte dann seinen Zauberstab an die Kehle, um mit einem Sonorus-Spruch dafür zu sorgen, dass seine Stimme auch den verschlafendsten Spieler erreichen würde. Katie hob ihren Fotoapparat und begann mit ihrer Arbeit. Durch das Objektiv hatte sie einen großartigen Blick auf die Spieler und sie staunte nicht schlecht über die waghalsigen Manöver und die pfiffigen Tricks, die eingeübt wurden. Dagegen war ihr Quidditchtraining in Hogwarts wirklich ein Zuckerschlecken gewesen. Natürlich fotografierte sie die großen Stars des Teams – Claude Monet, Mathilda Sunflower und Travis Marker – besonders ausgiebig. Immerhin waren das die Spieler, die jeder sehen wollte. Danach verweilte ihr Blick aber besonders auf Oliver. Sie mochte seinen konzentrierten Blick und die dynamischen Bewegungen. Beides zog sie regelrecht in den Bann. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen. Nach dem Training stellte sich das Team noch für einige Mannschafts- und Porträtfotos auf. „Sind Sie sicher, dass Sie die Bilder ausgerechnet jetzt machen wollen?“, hatte Sunflower gefragt und sich das windzerzauste Haar aus dem schlammbespritzten Gesicht gestrichen. „Oh ja.“ Katie lächelte sie an. „Jetzt sehen Sie alle nämlich wie echte Quidditchhelden aus – frisch vom Besen und siegreich. Genauso wollen Sie die Fans sehen. Die perfekten Hochglanzbilder sind doch alle total langweilig und austauschbar.“ Sunflower grinste sie daraufhin an und hörte auf, den Schlamm aus ihrem Gesicht zu wischen. Während das Team bis auf Trainer McFlatley und Hüter Oliver in Richtung Clubhaus verschwand, um sich umzuziehen, packte Katie ihre Ausrüstung wieder weg. „Waren Sie erfolgreich?“, erkundigte sich McFlatley. „Oh ja. Da sind einige richtig gute Bilder bei.“ Sie strahlte ihn an. „Ich entwickele sie so bald wie möglich und schicke sie rüber. Sie gehen an Philbert Deverill, nicht wahr?“ „Genau. Der Manager entscheidet dann über alles.“ „Gut.“ McFlatley lächelte zufrieden. „Sofern Sie noch etwas fliegen wollen, hat Oliver ein Auge auf Sie.“ Er nickte ihnen zu und machte sich dann selbst auf den Weg. „Und? Willst du?“, fragte Oliver und grinste sie an. „Das fragst du noch?“ Katie ergriff den Besen, den er ihr hinhielt und schwang sich noch immer lächelnd in die Luft. Als sie schließlich gut durchgepustet und außer Atem landete, war Katie überglücklich. Sie hatte ganz vergessen, wie toll das Fliegen war – und wie sehr sie es vermisst hatte, auf dem Besen zu sitzen. „Danke!“ Sie blickte Oliver aus leuchtenden Augen an. Sein Lächeln war nicht weniger strahlend. „Das Fliegen war toll!“ „Du bist auch nur wenig aus der Übung.“ Oliver schulterte den Besen und wartete, während sie ihre Tasche hochwuchtete. „Das ist jetzt sicher gelogen. Ich hatte das Gefühl, dass ich vollkommen steif und eingerostet bin.“ Sie schüttelte den Kopf. Jetzt war sie froh, dass sie keine langen Haare mehr stundenlang auskämmen musste, um die Knoten wieder herauszubekommen. „Das sehe ich anders.“ Oliver grinste sie freundlich an. „Ah, sag mal… Hast du Lust mit mir Essen zu gehen?“ Augenblicklich verhielt sie ihren Schritt. Ihr Blick war ein wenig misstrauisch, als sie ihn anschaute. Das klang doch viel zu gut, um wahr zu sein. „Wenn du nicht willst… Kein Problem.“ Er hob die Schultern und lächelte verlegen. „Oh, doch. Sehr gerne.“ Sie lächelte ihn an. „Samstag? Holst du mich gegen 18.00 Uhr in der Winkelgasse ab? Bell’s Funerals hat da eine kleine Filiale. Ich werde da ein bisschen Bürokram abarbeiten.“ „Prima.“ Jetzt war Olivers Lächeln wieder breit und strahlend. Und wenn Katie sich nicht irrte, lag ihm genauso viel daran wie ihr, dass aus diesem ersten Date etwas wurde. Die Fotos waren wirklich großartig geworden. Quidditch, wie es lebendiger kaum sein konnte. Sicher, sie würde noch einige Spiele besuchen müssen, um noch ein paar tolle Spielsituationen fotografieren zu können, aber das hier war tolles Material für das geplante Buch. Und auch Puddlemere würde tolle Fotos für Sammelkarten, Poster und alles andere bekommen. Sunflower war super getroffen, ebenso Marker und Monet – und auch McFlatley, den sie heimlich von der Seite geknipst hatte, während er besonders grimmig guckte. Am besten gefielen ihr jedoch die nicht gerade wenigen Aufnahmen von Oliver. Sie betrachtete die Fotos wieder und wieder und ließ sie durch ihre Finger gleiten. Ja, an den Jungen hatte sie schon längst ihr Herz verschenkt. Und so wie es aussah, würde sie wohl bald feststellen, ob er es auch haben wollte. Es war bereits nach 18:30 Uhr, als Katie endlich von der Hauptstelle von Bell’s Funerals via Flohnetzwerk in der Winkelgassen-Filiale ankam. Ihr Gewissen war mehr als schlecht, als sie Oliver dort in einem der bequemen Ledersessel sitzen sah. „Entschuldige bitte! Ich… ich bin einfach eine zeitliche Katastrophe“, entfuhr es ihr und sie fühlte sich einfach jämmerlich. „Kein Problem.“ Er erhob sich und öffnete kurz seinen Mantel, damit sie sehen konnte, dass eine aktuelle Quidditchzeitschrift sorgfältig gefaltet in der Innentasche steckte. „Ich habe damit gerechnet.“ „Du…“ Sie schüttelte den Kopf und lächelte. „Du bist einfach unglaublich.“ „Ich tue mein Bestes.“ Lachend deutete er eine Verbeugung an. „Das hast du auch neulich schon gemacht, nicht wahr? Du hast McFlatley gesagt, dass ich gegen Viertel vor drei komme, während du mich für zwei Uhr eingeladen hast.“ „Genau.“ Oliver blickte sie an und es war ihm anzusehen, dass er nicht sicher war, ob sie sich darüber nicht vielleicht ärgern würde. „Dafür wollte ich dir schon längst gedankt haben.“ Sie beugte sich vor und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Danke! Ich hätte mich ansonsten rettungslos blamiert.“ „Keine Ursache.“ Oliver bot ihr den Arm zum Unterhaken. „Ich kenne dich eben.“ Und als er sie zielsicher in ihr Lieblingslokal ausführte, konnte Katie nur für sich feststellen, dass dem in der Tat so war. Oliver kannte sie. Und gerade das gefiel ihr – neben allen möglichen anderen Dingen – an ihm unheimlich gut. Das Essen war wunderbar und sie unterhielten sich so, wie es nur bei alten Freunden möglich zu sein scheint. Die singenden Blumen auf dem Tisch schufen gemeinsam mit den flackernden Kerzen eine romantische Atmosphäre. Während sie noch ein Glas Wein tranken, griff Oliver über den Tisch nach ihrer Hand und hielt sie sachte. Katie lächelte ihn warm an. Das hier, das fühlte sich so perfekt wie in einem kitschigen Film an. Es war einfach alles… toll. Alles passte, alles war genau richtig. Als sie das Lokal verließen und noch ein wenig durch die ruhige Winkelgasse schlenderten, hakte sie sich bei Oliver ein und schmiegte sich wie selbstverständlich an seine Schulter. Er gab ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel. Langsam schlenderten sie weiter und schließlich sagte Katie leise: „Kann das mit uns beiden funktionieren?“ „Warum sollte es nicht?“ Oliver blieb stehen und schob sie ein wenig von sich, sodass er ihr ins Gesicht sehen konnte. „Na ja…“ Katie blickte verlegen auf ihre ineinander verschränkten Finger und seufzte leise. „Irgendwie… nervt es immer alle, wenn ich ständig zu spät bin und Termine verpasse und dann abgehetzt und ohne Entschuldigungen vor ihnen stehe und sie ihre Zeit verplempert haben…“ Sie stockte. „Und du… Du bist so verständnisvoll und lieb und planst das einfach ein und ich möchte nicht, dass ich dich auf einmal frustriere und…“ Sie hob den Kopf und schaute ihm direkt in die Augen. In das stets freundliche Gesicht mit den warmen Augen und dem weichen Lächeln. „Oliver, du bedeutest mir schon viel zu lange viel zu viel, als dass ich es ertragen könnte, das hier in den Sand zu setzen. Sicher, ich kann mich in manchen Dingen bessern, aber ich bin in Sachen Zeitmanagement eine Katastrophe und werde es garantiert auch bleiben, ganz egal, was ich tue.“ „Katie.“ Er sagte nur ihren Namen und sofort verstummte sie. „Das meiste, was du gerade sagst, ist ziemlicher Unsinn. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, was mich erwarten dürfte. Und wenn ich nur mit so einer kleinen Macke zurechtkommen muss, ist das doch vollkommen in Ordnung.“ Oliver hob die Hand und strich ihr sachte über die Wange. „Du hast es mit einem Quidditchprofi zu tun.“ Er hob die Schultern. „Entscheide, was schlimmer ist.“ Sie lachte und drückte ihm einen zarten Kuss auf die Lippen. „Ich glaube, der Quidditchprofi schmeckt gut – und ist das Ganze eindeutig wert.“ Ihm entfuhr ebenfalls ein leises Lachen und dann gab er ihr einen Kuss, den man beileibe nicht als zart bezeichnen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)