Footsteps In The Rain von Riafya (HP/LV, DM/HG, Grindeldore) ================================================================================ Kapitel 5: Zwei Schlangen und das Stinktier ------------------------------------------- Heyho! Und hier ist das neue Kapitel von „Footsteps In The Rain“. An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei  bedanken, die mir beim schreiben eine große Hilfe war und die ich sogar in diesem Kapitel zitiert habe. Das Zitat habe ich extra gekennzeichnet und ich bin sehr dankbar, dass ich den Satz verwenden durfte. *sie knuddel* Des weiteren bedanke ich mich bei meinen beiden Betas für ihre hervorragende Arbeit und natürlich bei allen Reviewern. Doch genug der langen Vorrede, hier ist: _________________________________________________ Zwei Schlangen und das Stinktier Als Harry an seinem ersten Schultag nach den Weihnachtsferien aufwachte, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Das lag vor allem daran, dass das laute „Guten Morgen, es wird Zeit fürs Frühstück“ von Ron fehlte, seine allmorgendliche Begrüßung, die so sehr zu seinem Hogwarts-Alltag gehörte, wie der Gang ins Bad. In dem kurzen Moment, den es brauchte, um sich an die Geschehnisse des letzten Tages zu erinnern, machte er sich ernsthafte Sorgen um seinen Freund. Ob ihm etwas passiert war? Ob er krank war? Oder hatte er heute verschlafen? Doch dann strömten die Erinnerungen an den vergangenen Tag auf ihn ein und damit die Gewissheit, dass es heute keinen Weckservice geben würde. Es würde ihn nie wieder geben. Seufzend richtete er sich auf und tastete nach seiner Brille, ohne die er ärgerlicherweise halbblind war. Sobald sie an ihrem rechtmäßigen Platz war, warf er einen Blick auf den Wecker. Sechs Uhr morgens. Viel zu früh. Aber einzuschlafen lohnte sich nun auch nicht mehr. Aus diesem Grund glitt er aus dem Bett und sah sich im Schlafsaal um. Die Vorhänge an den Betten seiner Mitschüler waren immer noch zugezogen, sie schliefen also noch. Einzig Nevilles Bett war leer, was Harry allerdings nicht überraschte. Er war schon immer ein Frühaufsteher gewesen, wahrscheinlich war er gerade im Bad und wollte von niemandem gestört werden. Einen Wunsch, den Harry voll und ganz respektierte. Aus diesem Grund zog er sich erst einmal in seinem Schlafsaal um, ehe er doch einen Schritt ins Bad machte. Ins leere Bad. War Neville etwa schon im Gemeinschaftsraum oder in der Schule unterwegs? Er musste wirklich früh aufgestanden sein. Schulterzuckend ging er zum nächsten Waschbecken, wo er sich in aller Ruhe frisch machte und für längere Zeit sein Spiegelbild betrachtete. Sein Haar war wie immer nicht zu bändigen, aber daran war er ja gewöhnt. Was er nicht gewohnt war, war der Ausdruck in seinen Augen. Sie wirkten resigniert und niedergeschlagen... dabei sollten sie das gar nicht. Gut, Ron war eine angenehme Gesellschaft gewesen und er hatte ihm geholfen, den perfekten Gryffindor zu mimen – was schwerer war, als man glauben mochte – aber das war noch lange kein Grund, deswegen depressiv zu werden. Er hatte doch von Anfang an gewusst, dass der Weasley ihn früher oder später von sich stoßen würde. Ron war furchtbar temperamentvoll und seine Stimmungsschwankungen machten einer schwangeren Frau Konkurrenz. Es war seit der ersten Klasse vorhersehbar gewesen, dass das irgendwann mit Harrys Charakter kollidieren würde. Allerdings hätte er bis vor einem halben Jahr nicht geglaubt, dass es wegen Hermione sein würde. Es ist besser, dass ich ihn jetzt schon los bin. Da kann ich mich gleich daran gewöhnen, wie es ist, allein zu sein. Vielleicht übertrieb er etwas. Er würde definitiv nicht allein sein, er hatte immer noch Hermione und Ginny. Aber die beiden waren nicht Ron, sie würden es niemals sein. Er brauchte einen neuen „besten Freund“. Er wusste auch sofort, wer sich als erster um diesen Posten bewerben würde: Draco Malfoy. Allein bei dem Gedanken, dass er in Zukunft mit ihm rumhängen könnte, bekam er eine Gänsehaut. Alles, bloß das nicht. Andererseits hatte er nur noch ein halbes Jahr vor sich und bald würde er ohnehin mit seinen Studien beschäftigt sein – die Abschlussprüfungen waren nicht mehr weit entfernt – also würde er es sicher auch nur mit den beiden Mädchen an seiner Seite durch den Alltag schaffen. Wobei er jetzt schon keine Lust darauf hatte, in Zukunft nur noch über Kleider, süße Typen und den Schulstoff reden zu können. Na ja, vielleicht noch ein kurzes Gespräch über Quidditch mit Ginny, aber das war es auch schon wieder. Offenbar würde er Ron mehr vermissen, als er wahrhaben wollte – juhu. Verstimmt verließ er das Bad wieder und machte sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum. Dort traf er auf den zweiten Frühaufsteher des Hauses Gryffindor: Hermione. Momentan saß sie an einem Tisch an einem Fenster und brütete über einem dicken Buch, das sicher nicht zur normalen Schulliteratur gehörte. So, wie er seine beste Freundin kannte, hatte diese ohnehin schon alles auswendig gelernt, was in der Pflichtliteratur stand, weshalb sie sich nun anderes Wissen anhäufte. Das tat sie weniger um des Wissens willen, sondern einfach, um allen zu zeigen, dass sie auch als Muggelgeborene – und Gryffindor – Bestleistungen erzielen konnte. Da sie bereits seit dem ersten Schultag Jahrgangsbeste war, konnte man guten Gewissens sagen, dass sie damit Erfolg hatte. Sobald sie merkte, dass jemand den Raum betreten hatte, löste sie sich von ihrem Buch und sah stattdessen Harry an. Sofort verdüsterte sich ihre Miene und sie sagte: „Ron ist der größte Idiot aller Zeiten.“ „Du hast es also schon gehört?“, fragte er interessiert und setzte sich zu ihr. Er hatte momentan ohnehin kein anderes Ziel, Frühstück gab es erst in einer halben Stunde. „Die Mädels in meinem Schlafsaal sind extra aufgeblieben, bis ich dorthin kam, um mir alles zu erzählen“, meinte sie und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich kann nicht glauben, dass er dich geschlagen hat.“ „Es ist aber passiert“, meinte er und griff nach ihrem Buch, um sich ansehen zu können, was sie las. Geschichte der Zauberei, die ungekürzte Erstauflage von Bathilda Bagshot persönlich kommentiert. Harry kannte die Frau, sie war eine Nachbarin, die ab und an vorbeikam, um mit Lily zu plaudern. Und ihn über neue, historische Erkenntnisse aufzuklären. Es überraschte ihn etwas, dass diese Version in der Schule existierte, immerhin war es völlig objektiv geschrieben und enthielt keinerlei propagierendes Material. Völlig untypisch... es sei denn... „Hermione? Dieses Buch... hast du das in die Schule geschmuggelt?“ Sie lief sofort knallrot an, woraus er schloss, dass er Recht hatte. „Ich hab es in einem Regal bei uns Zuhause gefunden“, erklärte sie. „Blaise meinte, es würde nicht schaden, wenn ich es lese...“ „Und Mrs. Zabini?“ Harry bezweifelte, dass Hermiones Ziehmutter das guthieß. „Sie ist mit ihren Männern beschäftigt“, erklärte sie schlicht, wobei sie das Buch wieder zu sich zog. „Wollten wir nicht eigentlich über Ron sprechen?“ Sie wollte das vermutlich wirklich, aber Harry hatte keine Lust auf das Thema. „Es sind Todesser im Schloss, Hermione. Und zwar nicht irgendwelche Todesser, sondern Lucius Malfoy, Bellatrix Lestrange und Tom Riddle. Wenn die herausfinden, dass du so ein Buch hast...“ „...werden sie es mir wegnehmen und mir eine kleine Strafe geben“, sagte sie sorglos. „Der Vorteil daran, ein Mitglied der Familie Zabini zu sein, ist, dass sie einem mehr durchgehen lassen, als allen anderen. Solange du es nicht übertreibst, musst du dir keine Sorgen machen.“ „Toll... Reinblütergesetze“, murmelte Harry mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme. Sie gingen ihm wirklich gegen den Strich, da sie in der Regel immer dazu beitrugen, die Kluft zwischen Slytherins und allen anderen zu vergrößern. „Gehen wir Frühstücken? Bis wir in der Großen Halle sind, wird es sicher so weit sein.“ Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und nickte. „Dann mal los. Ich packe nur schnell meine ganzen Sachen ein.“ Harry winkte nur ab und blieb sitzen, während er dabei zusah, wie langsam Leben in den Gemeinschaftsraum kam. Einige seiner Mitschüler grüßten ihn freudig, während andere direkt zum Frühstück schlenderten. Ein typischer Morgen. //Aber etwas ist anders. Heute ist Tom in Hogwarts.// Und Harry hatte das dumpfe Gefühl, dass er ihm früher oder später über den Weg laufen würde. >>> Footsteps In The Rain <<< Unsere erste Stunde im neuen Jahr war Zaubertränke, ein Fach, das alle Slytherins liebten und die meisten Gryffindors verabscheuten. Der Grund dafür war unser Lehrer Severus Snape. Der Mann war normalerweise immer schlecht gelaunt und mürrisch und furchtbar parteiisch, da er der Hauslehrer der Schlangen war. Somit wurden diese in seinem Unterricht noch bevorzugter behandelt als in allen anderen Stunden und das war Grund genug für uns alle, unseren Lehrer abgrundtief zu hassen. Er hatte zwei Lieblingsopfer: Harry und mich. Bei mir lag es daran, dass ich erstens ein gutes Opfer abgab und zweitens miserabel in dem Fach war. Am liebsten hätte ich es abgewählt, aber meine Großmutter hatte mich dazu gezwungen, es weiterhin zu belegen, da sie nach wie vor nicht die Hoffnung aufgegeben hatte, dass ich irgendwann doch noch ein Auror werden würde – so wie meine Eltern vor mir. Mom und Dad waren zur Zeit meiner Geburt Mitglieder des Phönixordens gewesen. An der Seite von Albus Dumbledore hatten sie gegen den Dunklen Lord rebelliert, der damals bereits an der Macht gewesen war. Eines Tages hatten sie versucht, ihn persönlich zu töten, waren dabei jedoch von Todessern überwältigt und gefangen genommen worden. Kurz nach meinem ersten Geburtstag hatte man sie öffentlich hinrichten lassen, eine Prozedur, die damals Gang und Gebe gewesen war und erst nach Dumbledores Tod nachgelassen hatte. Daraufhin hatte meine Großmutter mich aufgezogen, die von den Todessern verschont worden war, da sie sie davon hatte überzeugen können, dass sie nichts mit dem Phönixorden zu schaffen hatte. Was der Wahrheit entsprach, sie hatte sich ihm nie angeschlossen. Seine Überzeugungen teilte sie trotzdem. Dass ich überlebt habe, hatten wir übrigens allein Tom Riddle zu verdanken. Der Dunkle Lord hatte ursprünglich angeordnet, alle Rebellen und deren nähere Angehörigen zu eliminieren, etwas, das in der Anfangsphase seiner Herrschaft durchaus ausgeführt worden war. Doch Mr. Riddle, der bekanntlich seit jeher seine Rechte Hand gewesen war, hatte ihn davon überzeugen können, dass diese Art der Politik zu nichts führe. Man könne niemanden für etwas bestrafen, was deren Eltern oder Kinder oder entfernte Verwandte getan hatten, da sie dann die gesamte magische Bevölkerung würden auslöschen müssen. Diese Argumentation hatte ihn glücklicherweise überzeugt, was mir und vielen anderen das Leben gerettet hatte. Meine Kindheit war dementsprechend von der Abwesenheit meiner Eltern und der Sorge meiner Großmutter geprägt gewesen. Da sie immer fürchtete, mich auch noch zu verlieren, hatte sie mich zu jemandem erzogen, der unser System zwar hasste, jedoch bereit war, sich ihm vorbehaltlos unterzuordnen. „Irgendwann mag vielleicht die Zeit für eine Revolution kommen“, pflegte Großmutter immer zu sagen, „aber wenn wir sie erleben wollen, müssen wir zuerst lange genug überleben.“ Dummerweise war überleben nicht so einfach, wenn man einen sadistischen Zaubertränkelehrer hatte, dem nichts größeres Vergnügen bereitete, als dich zu quälen. Tatsächlich hatte ich nur dann Ruhe von ihm, wenn er sich Harry zu wandte. Während meiner gesamten Schulzeit war ganz Hogwarts – die Lehrer eingeschlossen – felsenfest davon überzeugt, dass Harry und Snape sich aus abgrundtiefster Seele hassten. Ich glaube, niemand in unserem Jahrgang hatte so oft nachsitzen müssen, aus dem einen Grund, da Harry als einziger den Mumm hatte, gegen Snape das Wort zu erheben. Genauso wie bei Malfoy. Genauso, wie bei allen. Es war nicht so, dass Harry Streit suchte. Tatsächlich kannte ich ihn nur als einen liebenswerten, ausgeglichenen Menschen. Doch wenn etwas in seinen Augen ungerechtfertigt war oder ihm einfach jemand völlig auf die Nerven ging, sagte er seine Meinung und dabei war es ihm egal, ob er dafür bestraft wurde oder nicht. Für mich und viele andere war er damals ein Held. Für Snape war er der Erste auf seiner Nachsitzen-Liste. An jenem Tag nach den Ferien war ich der Erste, der unseren Klassenraum betrat. Ich war extra früher vom Frühstück aufgebrochen, um mir einen Platz an dem hintersten Tisch sichern zu können. Das Zaubertrankklassenzimmer bestand aus mehreren Tischen, die vier bis sechs Personen fassen konnten und in einem gewissen Abstand zueinander aufgestellt worden waren. Das praktische daran war, dass man ausgezeichnet Gruppenarbeiten ausführen und sich gegenseitig helfen konnte. Wobei der eigentliche Gedanke dahinter war, dass sich die Tische die Zutaten teilten und somit Chaos vermieden werden konnte. So musste nur einer losziehen, um die verschiedenen Bestandteile des jeweiligen Tranks zu holen, dadurch gab es weniger Gedränge am Zutatenschrank und alles konnte entspannter ablaufen – zumindest, wenn man Snape glauben schenken durfte. So saß ich also da, am hintersten Tisch, packte meine Sachen aus und beobachtete, wie meine restlichen Mitschüler erschienen. Da wir in unserem letzten Schuljahr waren, hatten nur diejenigen Zaubertränke, die das Fach nicht abgewählt hatten. Deshalb hatten nun alle vier Häuser zusammen Unterricht. In der Regel war die Sitzordnung so verteilt, dass ganz vorne die Slytherins saßen – logisch, sie hatten von Snape nichts zu befürchten – dahinter die Ravenclaws – die logischerweise clever waren – als nächstes die Hufflepuffs und zum Schluss wir, die Gryffindors. Wobei ich anmerken sollte, dass der vorderste Tisch immer frei war, denn dort landeten die Pechvögel, die zuletzt den Klassenraum betraten. Auch, wenn Slytherin Snape liebte, hieß es nicht, dass sich einer von ihnen freiwillig direkt vor ihn setzen würde. An jenem Tag wäre alles wahrscheinlich genauso abgelaufen, hätten nicht irgendwann Bellatrix Lestrange und Tom Riddle den Raum betreten. Zu dem Zeitpunkt waren mit mir zusammen fünf Schüler anwesend, die alle verdutzt zusahen, wie sie durch die Tür traten. Natürlich hatten wir alle gewusst, dass sie uns früher oder später über die Schulter schauen würden, aber wir hätten nicht geglaubt, dass sie sich dafür bereits die allererste Stunde Zaubertränke aussuchen würden. Mrs. Lestrange trug heute ein einfaches, schwarzes Kleid, das tatsächlich als zeitgemäß durchgehen könnte. Ihre Haare waren hochgesteckt und ihre dunklen Augen schwebten teilnahmslos durch den Klassenraum, ohne wirklich etwas zu sehen. Ihre Füße steckten in hohen, schwarzen Lederstiefeln mit Schnallen, die bei jedem ihrer Schritte leise Geräusche von sich gaben. Wie immer hielt sie ihren Zauberstab zwischen ihren Händen und erinnerte damit jeden von uns daran, dass es besser war, sie nicht zu verärgern. Mr. Riddles Kleiderschrank schien ebenfalls schwarze Kleidung zu bevorzugen. Unter einem eleganten, bis zum Boden reichenden Umhang – der dem von Snape alle Ehre machte – konnte ich eine schwarze Cordhose und einen Rollkragenpullover derselben Farben erkennen. Auf seiner Nase ruhte eine Brille, was mich leicht überraschte. Gestern Abend hatte er doch auch keine getragen. Auch auf den Bildern in Seamus' Tagespropheten, den dieser nach Riddles Rede ausgepackt hatte, war keine Brille zu sehen gewesen. Wirklich seltsam. In seinen Händen hielt er ein Klemmbrett, was mich leicht beunruhigte. Hatte er nicht gesagt, dass er nicht hier war, um eine Selektion durchzuführen? Offenbar war das eine Lüge gewesen. Hinter den beiden schwebten zwei Stühle, die ihnen wahrscheinlich als Sitzgelegenheiten dienen sollten. Sofort musste ich hinter mich blicken. Dort war nichts außer Platz. Genug Platz für zwei Stühle. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das nicht gut enden würde. Meine Mitschüler schienen denselben Gedanken zu haben, da sie alle augenblicklich ein Stück nach vorne rutschten und mir mitleidige Blicke zuwarfen. Konnte das Leben wirklich so ungerecht sein? Konnte es mich wirklich in meinem verhassten Fach dazu verdammen, alleine an einem Tisch zu sitzen und dann auch noch vor Todessern, die jede meiner Bewegungen beobachten und mich danach als Dummkopf abstempeln würden? Denn wenn sie hinter mir sitzen würden, würde sich niemand zu mir setzen, absolut niemand. Ich wäre alleine und damit meiner Verdammnis voll und ganz ausgeliefert. Eigentlich könnte ich auch gleich ein Gift aus Snapes persönlichen Vorratsschrank holen und es mir einflößen. Diese Stunde würde ich nie überleben. Aber vielleicht hatte ich ausnahmsweise Glück. Vielleicht würden sie sich einen anderen Platz suchen und mich damit verschonen. Vielleicht würde einmal in meinem Leben alles gut werden. Natürlich. Eher würde die Hölle zufrieren. Aus diesem Grund verkroch ich mich eilig hinter meinem Zaubertrankbuch, als sie sich hinter mir niederließen und hoffte inständig, dass die heutige Stunde so schnell wie möglich vorbei gehen würde. Wäre ich doch heute nur im Bett geblieben! >>> Footsteps In The Rain <<< Harry gähnte hinter vorgehaltener Hand, als er mit Hermione das Klassenzimmer betrat, in dem sie Zaubertränke hatten. Es nervte ihn ungemein, dass es ausgerechnet Severus sein musste, den er als Erstes in diesem Jahr ertragen musste. Reichte es nicht, dass er ihn die ganzen Ferien über gesehen hatte? Das einzig Positive, was ihm zu der folgenden Stunde einfiel, war die Tatsache, dass er hier ganz sicher nicht Ron begegnen würde. Der Weasley hatte die erstbeste Gelegenheit genutzt, um für immer mit diesem Fach abzuschließen, was Harry durchaus nachvollziehen konnte. Er hätte wohl dasselbe getan, wäre er nicht erstens der Sohn einer Tränkemeisterin und zweitens zu dem Schluss gekommen, dass das Fach durchaus nützliches Wissen vermittelte. Außerdem war Severus trotz seiner mürrischen und kalten Art und Weise ein guter Lehrer, den Harry akzeptieren und respektieren könnte, wäre er nicht der Geliebte seiner Mutter. Sie waren heute spät dran. Die meisten Tische waren bereits voll, doch überraschenderweise war es ausgerechnet der hinterste Tisch, an dem bisher nur ein einziger saß: Neville. Bevor Harry sich darüber wundern konnte, begegnete er auch schon Toms Blick. Oh bitte, das sollte doch ein schlechter Scherz sein! Wenn er sich jedoch die heutige Sitzordnung betrachtete, war es offenbar keiner. Was für eine wunderbare erste Stunde das doch sein würde. Wo also nun hinsetzen? Zu Neville, der so aussah, als würde er gleich vor Angst tot umfallen? Oder an den vordersten Tisch, den die Anderen selbst heute frei gelassen hatten? Severus oder Tom – das war hier die Frage. Bellatrix, die neben Tom saß, bezog er gar nicht in seine Überlegung mit ein, die war ohnehin nur damit beschäftigt, ihren Zauberstab zu bewundern. Interessanterweise war es Blaise Zabini, der ihm die Entscheidung abnehmen wollte. Er saß gemeinsam mit Malfoy und zwei weiteren Slytherins an einem Sechsertisch und winkte ihnen, sobald er sie an der Tür entdeckt hatte. Es war ein guter Platz, weit genug vom Lehrertisch entfernt, um nicht direkt vor Severus zu sitzen, eigentlich vollkommen perfekt. Und mit den Slytherins konnte man arbeiten, tatsächlich würde Harry wahrscheinlich der schlechteste Brauer von ihnen sein. Außerdem kam es nicht alle Tage vor, dass sich Slytherins dazu herabließen, sich freiwillig mit Gryffindors abzugeben. Nur ein Dummkopf würde jetzt „nein“ sagen. Aus diesem Grund überraschte es Harry nicht, als Hermione sofort auf die vier zusteuerte. Als sie jedoch bemerkte, dass er ihr nicht folgte, blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. „Harry?“ Es gab Momente, in denen man von allen Anwesenden angestarrt wurde, da sie alle auf eine bestimmte Reaktion oder Handlung warteten. Das hier war ein solcher Moment. Harry musterte schweigend den Klassenraum, die vollen Tische, den Platz bei Blaise und schließlich Neville, der von allen allein gelassen wurde. Harry konnte sich gut vorstellen, wie er in diese Situation gekommen war: Höchstwahrscheinlich war er vor allen anderen hier erschienen und hatte sich zu seiner guten Platzwahl beglückwünscht, doch dann waren Tom und Bellatrix aufgetaucht und hatten damit dafür gesorgt, dass sich niemand zu ihm setzen würde. Und natürlich hatte er nicht einfach aufstehen und sich einen neuen Platz suchen können, da dies äußerst unhöflich gewesen wäre. Die heutige Stunde würde für ihn die Hölle werden. Er würde die ganze Zeit die Blicke der beiden Todesser auf sich spüren und außerdem stellte er in seiner jetzigen Situation ein gefundenes Fressen für Severus dar. Neunzig Prozent der Hogwartsschüler wäre das egal gewesen. Sie hätten den Platz gewählt, der ihnen den größten Vorteil verschaffen würde. Doch Harry wandte sich wieder Hermione zu und schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln. „Geh du nur.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, durchquerte er den Raum und ließ sich neben Neville nieder, der ihn völlig verdattert anstarrte. Damit hatte er nicht gerechnet und den Gesichtsausdrücken seiner Mitschüler nach zu urteilen, waren auch sie vollkommen schockiert. Harry zuckte nur mit den Schultern. „Besser zwei Schlangen im Nacken, als ein Stinktier vor der Nase“, erklärte er Neville bereitwillig.* Der schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln, in dem Bewunderung und tiefe Dankbarkeit mitschwang. „Professor Snape würde dir sofort wieder eine Woche Nachsitzen aufbrummen, wenn er das hört.“ „Oh, wer hat denn gesagt, dass ich ihn gemeint habe?“, fragte Harry munter, während er damit begann, seine Sachen auszupacken. Hinter sich konnte er ein dezentes Glucksen vernehmen, das er Bellatrix zuordnete. Oho, Madame hatte also Sinn für Humor! Ob Tom sich auch darüber amüsierte? Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, einen Blick über die Schulter zu werfen, um ihn ansehen zu können. Der Mann sollte nicht anfangen zu glauben, dass es für Harry eine Rolle spielte, was er tat oder dachte, denn das stimmte nicht. Es war ihm vollkommen egal. Er saß nur hier, um Neville aufzumuntern und ihm beizustehen. Mit Toms Nähe hatte es nichts zu tun. Neville lachte ebenfalls über seinen Scherz, doch er wurde sofort wieder still, als Hermione sich ihnen gegenübersetzte und Harry einen strengen Blick zuwarf. „Irgendwann wirst du dich mit deinem sogenannten Sinn für Humor in große Schwierigkeiten bringen.“ „Und irgendwann wird dein immer währender Ernst dafür sorgen, dass du viel zu früh Falten bekommen wirst“, entgegnete er abwinkend und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Entspann dich, Hermione. Malfoy versteht doppelt so viel Spaß wie du. Er wird es mir schon nicht übel nehmen. Oder?“, fragte er den Blondhaarigen. Da der ganze Klassenraum nach wie vor auffallend ruhig war, hatte er ihr Gespräch höchstwahrscheinlich mitanhören können. Tatsächlich drehte er sich zu ihm um und grinste ihn an. „Weißt du, Potter, wenn ich jede Beleidigung von dir persönlich nehmen würde, müsste ich dich töten.“ Harry erwiderte sein Grinsen, ehe er sich wieder Hermione zuwandte. „Siehst du? Alles in Ordnung.“ Als Antwort verdrehte sie die Augen. Sie war nicht glücklich darüber, bei Neville zu sitzen, wenn sie bei Blaise hätte sein können, das wusste Harry. Sie und ihr Bruder waren ein gutes Team und es war auf jeden Fall einfacher, mit ihm und Malfoy zusammenzuarbeiten, als mit Severus' Lieblingsopfern. Darum rechnete er es ihr hoch an, dass sie sich trotzdem zu ihnen gesellt hatte. Kurz darauf betrat Severus mit wehendem Mantel den Klassenraum. Als er Tom und Bellatrix entdeckte, hielt er inne, um ihnen einen finsteren Blick zuzuwerfen. Ganz offensichtlich war er nicht glücklich darüber, sie hier zu sehen. Kein Wunder, er hasste es überwacht zu werden, besonders beim Unterrichten. Vor ein paar Jahren hatte er Lucius Malfoy sogar aus dem Raum geworfen. Seitdem hatten die Todesser stets einen großen Bogen um sein Klassenzimmer gemacht, aber Tom schien diese stille Regelung einfach zu umgehen. Typisch. Anstatt sich jedoch über ihre Anwesenheit zu beschweren, fiel Severus' Blick auf Neville und seine Sitznachbarn. Kaum hatte er die Situation realisiert, schnaubte er. „An diesem Sitzplatz verschwendest du deinen IQ, Granger.“ Hermione lief knallrot an, während Neville sich automatisch duckte. Diese Worte waren unfair und darauf ausgerichtet zu verletzen und zu verhöhnen. Harry fragte sich oft, warum Severus so grausam zu seinen Schülern war, kannte er doch auch seine andere Seite. Die Seite, die seine Mutter dazu gebracht hatte, ihn zu lieben. Er vermutete, dass es etwas mit seiner Kindheit zu tun hatte, letztendlich hatte doch alles mit der Kindheit zu tun. Er wollte gar nicht wissen, wie sehr seine eigene Kindheit sich auf sein zukünftiges Ich auswirken würde. Severus rauschte derweil an die Spitze des Klassenraumes und sah sie alle nacheinander an. Innerlich stöhnte Harry. Jetzt würde sicher die erste von vielen Belehrungen kommen. „Ihr seid in eurem letzten, halben Jahr“, „bald sind Prüfungen“, „eure Zukunft hängt davon ab, wie ihr bestehen werdet“ und so weiter und so fort. Als ob sie das vergessen könnten. Verdrängen vielleicht, aber auf keinen Fall vergessen. Konnte Severus sie nicht einfach damit verschonen? Überraschenderweise war es etwas ganz anderes, was er ihnen mitteilen wollte. „Vor einiger Zeit, für Sie mag es wahrscheinlich eine Ewigkeit her sein, aber auf mich wirkt es manchmal, als sei es erst gestern gewesen, saß ich dort, wo Mr. Potter jetzt sitzt.“ Einige drehten sich um, damit sie Harry einen Blick zuwerfen konnten. Er selbst tauschte einen verwirrten Blick mit Hermione. Severus war nicht dafür bekannt, in Erinnerungen zu schwelgen, erst recht nicht in seinem Unterricht. Was hatte er vor? „Damals war ich so alt wie Sie“, fuhr Severus fort und er stützte sich mit beiden Händen auf seinen Schreibtisch ab. „Ich fieberte wie alle anderen den Prüfungen entgegen und träumte von einer großen, ruhmvollen Zukunft, in der ich die Welt verändern würde.“ Er sah nun Harry an. „Einige dieser Träume sind tatsächlich wahr geworden“, stimmt, dieser Mistkerl hatte Lilys Liebe bekommen, „während andere für immer untergegangen sind. Natürlich wird das den meisten von Ihnen egal sein, da Sie mich für einen unfairen, gefühllosen Soziopathen halten.“ In den Reihen der Slytherins wurde Widerspruch laut, aber er brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. Das war etwas, das Harry immer an ihm bewundert hatte: Er musste nicht einmal die Stimme heben, um seinen Willen durchzusetzen. „Vielleicht haben Sie damit Recht“, erklärte der Mann weiter. „Vielleicht war ich aus Ihrer Sicht zu hart zu Ihnen, aber ich möchte Ihnen nun etwas verraten: Ich war nie so hart zu Ihnen, wie die Welt da draußen es sein wird.“ Also doch eine Moralpredigt. Sofort verlor Harry jegliches Interesse an seinen Worten und überlegte, wie er sich die nächsten zehn Minuten beschäftigen konnte, ohne einzuschlafen und ohne es zu auffällig zu machen, dass er nicht mehr zuhörte. Er hatte keine Lust, die nächste Woche mit Nachsitzen zu verbringen. Severus' nächste Worte schafften es jedoch, ihn doch wieder auf ihn aufmerksam zu machen: „Diejenigen von Ihnen, die in diesem Fach keine Prüfung schreiben werden, verschwenden hier ihre Zeit. Lehrer sagen immer, dass es wichtig ist, so viel Wissen wie möglich anzuhäufen und scheinen des Öfteren die Meinung zu vertreten, jedem von Ihnen alles mit auf den Weg zu geben, was sie selbst über ihr Fachgebiet erlernt haben. Auch der Dunkle Lord hat sich bisher nicht die Mühe gemacht, dieses veraltete Schulsystem zu überdenken.“ Kaum hatte er das gesagt, schien die ganze Klasse den Atem anzuhalten. Das war eine offene Kritik an den Lord und das in Gegenwart seiner rechten Hand! Doch der Mann war immer noch nicht am Ende seiner Rede angekommen. „Ich selbst vertrete die Ansicht, dass man in etwas, das einen nicht interessiert, nicht gut sein kann und dass es unmöglich ist, jemandem etwas beizubringen, in dem sich alles dagegen sträubt, das Wissen anzunehmen, das ihm vermittelt wird. Ich stimme damit überein, dass man als Lehrer junge Schüler dazu zwingen muss, sich mit einer Thematik auseinanderzusetzen, damit sie sich ein Bild von jedem Fach machen können, denn nur so können sie selbst entscheiden, was sie interessiert und was nicht. Doch Sie sind in einem Alter, in dem Sie diese Entscheidung treffen können. Diejenigen von Ihnen, die in diesem Fach keine Prüfung schreiben, möchte ich ab der nächsten Woche nicht mehr hier sehen. Nutzen Sie die Zeit für etwas Anständiges und lernen Sie für Ihre anderen Fächer. Oder schlafen Sie aus. Mir ist es egal, was Sie tun, nur sitzen Sie nicht hier und stören Ihre Mitschüler dabei, Ihre Zukunft zu organisieren.“ Harry blinzelte. So viel... Großzügigkeit hätte er Severus gar nicht zugetraut. Andererseits kam es ihm selbst am meisten zugute. Diejenigen von ihnen, die den Unterricht brauchten, würden ihm zuhören und gewissenhaft lernen. Er wollte wahrscheinlich einfach nur seine Ruhe. Eigentlich vernünftig, so würden sie tatsächlich besser lernen können. Daran, dass er es tat, um ihnen zu helfen, glaubte er weniger. Natürlich waren die Prüfungen wichtig, aber definitiv nicht so wichtig, dass man dafür jede freie Minute opfern musste. Als hätte Severus seine Gedanken gehört – was durchaus möglich war, er beherrschte immerhin Legilimentik – sagte er als nächstes: „Einige von Ihnen sind vielleicht der Meinung, dass meine Kollegen scherzen, wenn sie sagen, dass die Prüfungen Ihr späteres Leben enorm beeinflussen werden. Nun, wenn Sie nach Ihrer Zeit in Hogwarts in die Muggelwelt auswandern und dort eine Karriere anstreben wollen, haben Sie mit dieser Ansicht Recht, nur hätten Sie in diesem Fall ihre gesamte Zeit in Hogwarts verschwendet. Doch der Rest sollte sich darüber bewusst sein, dass der Dunkle Lord auf der Suche nach jungen, talentierten, intelligenten Menschen ist, mit denen er die Stellen besetzen will, die in den nächsten Jahren frei werden.“ Viele Politiker und Wissenschaftler kamen inzwischen in das Alter, in dem jeder mit Menschenverstand in den Ruhestand ging. „Aus diesem Grund würde ich Ihnen durchaus raten, wirklich jede freie Minute Ihres Lebens damit zu verbringen, sich auf Ihre Prüfungen vorzubereiten. Und nun schlagen sie Seite 243 Ihres Lehrbuchs auf. Sie haben bis zum Ende dieser Stunde Zeit, den Trank zuzubereiten, den sie dort finden werden. Ah, und Mr. Potter?“, rief er, während alle hastig ihre Bücher aufschlugen. Harry sah ihn an und ahnte schlimmes, als er sein schadenfrohes Grinsen sah. „Heute Abend um zwanzig Uhr nachsitzen, dafür, dass Sie mich oder einen Ihrer Mitschüler als ein unangenehm riechendes Säugetier bezeichnet haben.“ Hermione warf ihm über ihr Buch hinweg ihren „Ich hab's dir ja gesagt“-Blick zu. Verdammter Mistkerl. >>> Footsteps In The Rain <<< Was Harry mehr als alles andere an Severus' und Lilys Beziehung hasste, war der Informationsfluss, der zwischen den beiden herrschte. Dadurch wusste seine Mutter stets, wann er sich erneut in Schwierigkeiten gebracht hatte, beziehungsweise wann er bei seinem „Lieblingslehrer“ nachsitzen durfte. Es war nicht so, dass er es darauf anlegte, bis Mitternacht in Severus' Büro zu bleiben und dort einen seiner zahllosen Kessel zu putzen. Ihm würden tausend Dinge einfallen, die er lieber tun würde. Quidditch spielen zum Beispiel. Oder mit seinen Freunden am Kaminfeuer sitzen. Selbst Hausaufgaben wären ihm lieber, als seine Zeit bei Severus zu verschwenden. Sein Temperament, sein Pech und sein zugegebenermaßen loses Mundwerk schafften es jedoch immer wieder, ihn in Schwierigkeiten zu bringen und deshalb war er auch an jenem Abend wieder einmal auf den Weg in den Kerker. Morgen würde er gewiss einen wütenden Brief von Lily mit dem Frühstück serviert bekommen – juhu. Im Gegensatz zu anderen Müttern sah sie davon ab, ihm Heuler zu schicken, stattdessen beschränkte sie sich auf den klassischen Schriftverkehr. Einmal, in seinem vierten Schuljahr, war sie sogar persönlich aufgetaucht, um ihm die Leviten zu lesen, aber auch das war immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehen. „Es würde keinen Sinn machen, dich öffentlich zu demütigen“, hatte sie ihm einmal erklärt. „Dein Vater hat damals beinahe wöchentlich einen Heuler bekommen und es hat ihn nicht davon abgehalten, mit seinen Freunden noch mehr Unheil anzurichten. Sie mögen vielleicht bei Gelegenheitstätern oder pubertären Teenagern helfen, die nur ihre Grenzen austesten wollen, aber das bist du nicht. Du bist ein Rebell, genau wie dein Vater und Rebellen lassen sich durch so etwas nicht beeindrucken.“ Er hatte erst Jahre später verstanden, warum sie damals traurig geklungen hatte. Sie machte sich Sorgen um ihn. Sein Vater war ein Mitglied des Phönixordens gewesen, die Organisation der Rebellen, deren Mitgliedschaft mit der Todesstrafe geahndet wurde. James war nur einer von vielen gewesen, der deswegen gestorben war oder zumindest war es das, was seine Mutter Harry immer hatte einreden wollen. Doch er wusste es besser. Sie alle wussten es besser. Denn in Wahrheit... Harry schüttelte entschlossen den Kopf und stieg langsam die Wendeltreppe zum Kerker hinunter. Die Wahrheit war kalt, grausam und gemein. Sie war es immer gewesen und würde es immer sein. Insofern war es nicht sonderlich verwunderlich, dass sie totgeschwiegen wurde. Niemand mochte traurige Geschichten oder traurige Erinnerungen, dafür gab es davon viel zu viele auf dieser Welt. Und das Nachsitzen bei Severus Snape gehörte definitiv dazu. Ausnahmsweise kam es ihm jedoch gerade recht. Die Stimmung im Gemeinschaftsraum war unerträglich gewesen, da Ron mit Dean und Seamus – seinen neuen Freunden – lauthals darüber diskutiert hatte, ob Harry in Wirklichkeit vielleicht ein Todesseranwärter war, der sie alle ausspionieren wollte. Ginny wäre daraufhin beinahe auf ihn losgegangen, hätte Hermione sie nicht rechtzeitig zu den Mädchenschlafsälen geschoben. Hoffentlich würden die Geschwister sich bald beruhigen, eine offene Auseinandersetzung war das letzte, was Gryffindor gebrauchen konnte, während Tom Riddle im Schloss war. Tom. Ein weiterer Grund, warum Harry an diesem Tag mehr als verstimmt war. Würde er es nicht besser wissen, würde er behaupten, der Mann verfolgte ihn. Egal, wo er an diesem Tag gewesen war – Klassenzimmer, Große Halle, Bibliothek – überall war er gewesen. Natürlich hatte er sich dabei die ganze Zeit von ihm fern gehalten und mit keiner Geste verraten, ob seine Aufmerksamkeit Harry galt, trotzdem hatte er die ganze Zeit das Gefühl gehabt, von ihm beobachtet zu werden. Dass diese verdammte Schlange an seinem Arm irgendwann zu jucken begonnen hatte, war dabei keine große Hilfe gewesen. Was wollte dieser Mann von ihm? Zuerst küsste er ihn, dann spielten sie Schach, dann brannte er ihm dieses seltsame Tattoo in die Haut und jetzt verfolgte er ihn?! Hätten sie in jener Nacht miteinander geschlafen, wüsste Harry, wie sie nun zueinanderstanden. So blieb ihm nichts als absolute Verwirrtheit. Er erreichte Severus' Bürotür. Sie war aus Eisen und ließ keinerlei Geräusche durch, wie er wusste. Man könnte dahinter eine Explosion stattfinden lassen und niemand würde etwas mitbekommen. Früher, als man hier Gefangene gefoltert hatte, war das sicher äußerst praktisch gewesen. Heute würde ein einfacher Zauber genügen, um jegliche Geräusche von der Außenwelt fernzuhalten. Trotzdem war dieser Anblick nicht sonderlich ermutigend, wobei Harry zugeben musste, dass er heute um einiges abschreckender wirkte als all die Jahre zuvor. Wahrscheinlich, weil ein Teil von ihm ahnte, dass er nicht wirklich zum Nachsitzen hier war. Wenn er etwas wusste, dann wie weit er in Sachen „Severus' provozieren“ gehen durfte. Er wusste ganz genau, wo die unsichtbare Linie war, die man überschreiten musste, um ernsthaft Ärger zu bekommen und sein kleiner Stinktierspruch reichte dafür bei Weitem nicht aus. Der Mann hatte ihn nicht aus Strafe hierher gerufen, sondern weil er ungestört mit ihm reden wollte und das machte Harry mehr Angst als die Aussicht auf mehrere Stunden Strafarbeit. Es kam nicht oft vor, dass Severus das Bedürfnis hatte, mit ihm kommunizieren zu wollen, doch wenn er es tat, versuchte er immer einen Vaterersatz zu spielen. Er meinte es vermutlich nicht einmal böse. Er wollte wahrscheinlich nur seine Beziehung zu ihm aufbessern und das alles Lily zu Liebe. Zu seinem Pech hatte Harry einfach kein Interesse an einem Vaterersatz oder an einer Vaterfigur. Er hatte James gehabt und damit Schluss. Er brauchte sonst niemanden und wollen tat er es erst recht nicht. Na ja, Augen zu und durch. Harry holte tief Luft, ehe er anklopfte. Die Tür schwang sofort auf und gab den Blick auf ein dunkles, spartanisch eingerichtetes Büro frei, in dem die Farben Schwarz und Grün dominierten. Wie immer ging ein seltsamer Geruch davon aus, da es direkt neben Severus' persönlichen Laboratorium lag, in dem Tränke gebraut wurden, die sie im Unterricht wahrscheinlich niemals durchnehmen würden. Severus saß an seinem Schreibtisch und starrte ihn mit ausdrucksloser Miene an. Stirnrunzelnd trat Harry durch die Tür. „Was...?“, begann er, als er in seinen Augenwinkeln Bellatrix erkannte, die momentan den Inhalt eines Regals voller Reagenzgläser begutachtete. Gleichzeitig hörte er hinter sich die Tür ins Schloss fallen. Er musste sich nicht umdrehen um zu wissen, wer sie zugestoßen hatte. Soviel zum Thema Nachsitzen. „Wenn das hier eine 'Versuchen wir, Harry zu einem Todesser zu machen'-Nummer werden soll, kann ich euch gleich sagen, dass ihr eure Zeit verschwendet“, erklärte Harry sofort und steckte seine Hände in seine Hosentaschen. „Ich bin nicht interessiert.“ Er konnte förmlich sehen, dass Severus ihn für diesen Satz nun am liebsten umgebracht hätte. Wie er sich wohl gefühlt hatte, als Tom zu ihm gekommen war, um ihm mitzuteilen, dass er ausgerechnet den Sohn seiner großen Liebe anwerben wollte? Und was würde er tun, wenn er herausfand, dass Harry durchaus bereit war, sich von ihm überzeugen zu lassen? Tom Riddle faszinierte ihn, das konnte er nicht bestreiten. Wäre Harry nicht so eigenwillig, würde er sich seiner Sache ohne zu zögern anschließen, alleine deshalb, weil es für seine Karriere sicher praktisch sein könnte. Stattdessen würde der Mann ihn mit mehr als Gewalt, Macht oder Reichtum überzeugen müssen und er wusste, dass Tom sich dessen bewusst war. Das würde spannend werden. Hinter sich raschelte etwas und kurz darauf sah er Tom, der ihn langsam umrundete. Nicht ohne ihn zu begutachten. Also bitte, konnte er sich die „Ich sehe dich heute zum allerersten Mal“-Tour nicht sparen und zur Sache kommen? Offensichtlich nicht. „Genauso wie sein Vater“, kommentierte er leise. „Stur, rebellisch und mit mehr Verstand, als gut für ihn ist.“ Severus spannte sich an seinem Schreibtisch deutlich an, doch Harry sah es mit Humor. Er war neugierig, welche Strategie Tom wählen würde. Dieser blieb nun direkt vor ihm stehen, sodass er mit dem Rücken zum Zaubertrankmeister stand, und streckte ihm seine Hand hin. „Ich bin Tom Riddle“, stellte er sich charmant lächelnd vor. Harry ignorierte seine Hand. „Tatsächlich?“, entgegnete er stattdessen. „Darauf wäre ich jetzt überhaupt nicht gekommen.“ Damit wollte er ihm klar machen, dass er verstimmt darüber war, dass er sich ihm nicht eher offenbart hatte. Gleichzeitig war es eine offene Warnung: Er würde sich nicht so einfach kleinkriegen lassen. Tom nahm seine Herausforderung an. „In diesem Fall bin ich froh, dass ich Ihre Wissenslücke füllen konnte“, sagte er zuckersüß, während er seine Hand wieder zurückzog. Jetzt waren sie also wieder beim „Sie“? Offenbar sollte das hier wirklich so aussehen, als träfen sie sich zum ersten Mal. Dabei musste Severus eigentlich wissen, dass sie sich bereits begegnete waren, als er Barty Crouch gerettet hatte. Mit einem Mal drehte Tom sich um und steuerte auf die Tür zu den Laboratorium zu. „Kommen Sie mit, Mr. Potter. Ich möchte mich ein wenig mit Ihnen unterhalten. Allein“, fügte er hinzu, als Severus Anstalten machte, sich aufzurichten. Für mehrere Augenblicke war Harry davon überzeugt, dass der Tränkemeister ihm widersprechen würde, doch stattdessen ließ er sich auf seinen Stuhl zurückfallen und sah seinen Schüler unglücklich an. Es war offensichtlich, dass er dieses Gespräch nicht gut hieß. Auch Bellatrix schien sich darüber zu wundern, denn sie wandte sich von dem Regal ab, um Harry mit neuem Interesse zu mustern. Sagen tat sie nichts. In Toms Gegenwart war sie im Allgemeinen recht schweigsam. Ob es an seiner Position innerhalb der Todesser lag? Oder gab es dafür eine tiefere, persönlichere Bedeutung? Mit etwas Glück würde er es noch früh genug herausfinden. Deshalb wechselte er noch einen letzten Blick mit Severus, ehe er tief seufzte und ebenfalls auf das Laboratorium zuging. Er war sehr gespannt, was Tom ihm zu sagen hatte. Außerdem gab es einige Dinge, die er selbst ansprechen wollte. Unauffällig legte er seine Hand auf die Stelle, wo das Schlangentattoo leicht brannte. Er würde heute herausfinden, was für ein Spiel der Mann mit ihm spielte. Und danach würde er alles tun, damit der Andere es verlor. ____________________________________ * Der Satz stammt von KISHIRA_22 Nächstes Mal gibt es dann ein ausführliches Gespräch zwischen Harry und Tom~ Liebe Grüße, eure Ayako Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)