Mindfuck. von abgemeldet (Kurzgeschichten des Wahnsinns) ================================================================================ Kapitel 3: Paradies ------------------- Ein zaghaftes Lächeln huschte über seine rosigen Lippen, als ein Rinnsal aus Blut sich einen Weg an seinem Unterarm hinabbahnte. Mit verschleiertem Blick beobachtete er das brutale Spektakel, grinste einsam vor sich hin und sehnte sich nach schneller Erlösung; Da war sie, der pochende Schmerz überkam ihn wie die Lust zu sterben. Der Junge lehnte sich resigniert zurück, selbst ein schneller Suizid wäre ihm in diesem Wimpernschlag zu anstrengend und nervenaufreibend gewesen, er gab sich bescheidenerweise mit Egofolter zufrieden. Tik tak, tik tak, das gleichmäßige Pochen seiner silberglänzenden Armbanduhr lag ihm unendlich schwer auf dem Herzen, sollten die Zeit und das Leben doch für ihn stehen bleiben! Ein paar Sekunden, er wusste nicht wie lang und sein Arm tat nicht mehr weh, trotzdem schmerzte sein Herz. Es wurde heftiger, unerträglicher, bis er sich nicht mehr anders zu helfen wusste und die blutbefleckte, rostige Rasierklinge zur Hand nahm- ´Ratsch´ machte es, als er sich einen unansehnlichen Schlitz in seine schwarze Leggins ritzte und das scharfe Eisen in den weißen Oberschenkel jagte, Endorphine pumpten zu Millionen durch seine Adern und gaben seinem Herzen den Gnadenstoß. Er schluchzte, als leuchtend roter Lebenssaft auf die Fliesen tropfte, es sah so grässlich schön aus, ebenso wie er. ´Vermutlich bin ich innerlich zutiefst verdorben´. Solch abstruse Gedanken drängten sich ihm auf und er musste schwer schlucken, als er sich bewusst wurde, wie ekelhaft er doch war; Seine Mutter hatte es als Alleinerziehende wahrlich nicht einfach gehabt, da konnte man doch darüber hinwegsehen, dass sie ihn aus lauter Frust fast täglich beschimpft und gedemütigt hatte, oder? Alles nur haltlose Ausreden und ungerechtfertigte Anschuldigungen, nicht wahr? Wie dem auch sei, er war undankbar und verzogen und konnte, ja wollte ihr nicht verzeihen, ritzte sich lieber das Leben schön, als ehrlich zu sein. Kleiner Blender! Mit rotgeheulten Augen kuschelte er sich an die weiße Kachelwand und genoss die Stille, die Pein, das Adrenalin eine Grenze überschritten zu haben. "La, la, la...", in seinem Kopf klang ein Wiegenlied. Welche Lüge erzählt sie mir heute? Wieder bei klarem Verstand wurde ihm bewusst, dass da verdächtig viel Blut auf die weißen Fliesen tropfte und sich seinen Weg durch die Fugen bahnte. In dem Wissen, viel zu weit gegangen zu sein, versuchte er sich aufzurichten, doch er zitterte und war nicht mehr fähig, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Angst, Panik, Ungewissheit, all das trommelte auf seinen Schädel ein und konnte doch nicht sein Glück zertrümmern. Hatte er sich das hier nicht so sehnlichst gewünscht? Wie von Sinnen hackte er also weiter auf seine Unterarme ein, sprengte bläulich schimmernde Flüsse und ergoss sich in eine rote, metallisch riechende Pampe. Nur dumpf drang die Stimme seiner Mutter an sein Ohr, als sie mit ihren verheulten, trostlosen Augen ihren halbtoten, halblebendigen Sohn in Armen hielt. Dicke Tränen tropften auf seine blassen Wangen und er lächelte, vermutlich zum letzten Mal, als hätte er einen Engel vor sich. Er wollte seine Hand ausstrecken, das Licht sehen und im Paradies sein, nicht nur für sich, sondern auch für sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)