Die Leiden des jungen Sai von Red-Blooded_Angel ================================================================================ Kapitel 1: Das Gefühl, zu lieben -------------------------------- Mit neutralem Ausdruck blickte er auf das Bild herab, das er fest in den Händen hielt. Die beiden lachenden Gesichter erfüllten ihn mit einem Gefühl, das er zuvor nie gekannt hatte. Er konnte es nicht genau beschreiben. Er wusste weder, weshalb er so empfand, noch wie er etwas an diesem äußerst unerfreulichen Zustand hätte ändern können. Freunde waren Schwäche, denn letztendlich, nachdem man sein Bestes gegeben hatte, um sie zu schützen, fielen sie einem doch in den Rücken. Naruto hatte es sicher nicht getan, um ihn gegen sich aufzubringen. Sein bester Freund hatte ja nicht einmal gewusst, dass es ihm in irgendeiner Weise etwas ausmachen würde. Wie auch, er hatte es ja selbst für kaum möglich gehalten, dass ihn ein so primitives, überflüssiges Gefühl überhaupt eines Tages anfallen würde. Es war ganz und gar verrückt. Um nicht zu sagen komplett bescheuert. „Wir sind ein super Paar, was?“, rief Naruto überlaut. Ihm war anscheinend jeglicher Funken an Sensibilität, den er aus reiner Menschlichkeit hätte besitzen müssen, abhanden gekommen. „Ja“, erwiderte Sai lächelnd. Was sollte er auch Menschlichkeit erwarten, wenn er selbst lange Zeit keinerlei Gefühle empfinden konnte. Wie er immer wieder feststellen musste, war das Abtrainieren seiner Emotionen das Nützlichste in seinem Leben gewesen. Dass Naruto ihm dazu verholfen hatte, diese psychophysiologischen Prozesse erneut in Gang zu bringen, machte das schlechte Gefühl, welches er seinem Freund gegenüber hatte, nicht unbedingt besser. Eigentlich war er sich sicher gewesen, er hätte seine Position Hinata gegenüber geklärt. Er konnte sich noch deutlich daran erinnern, wie er vor ihr stand, auf dem Marktplatz. „Ich mag dich“, hatte er gesagt, und sie hatte geantwortet, dass es ihr gleich ginge. Er hatte geglaubt, dass dadurch alles eindeutig gewesen wäre, doch anscheinend war das Kinderbuch, dass er aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, doch nicht die richtige Lektüre, um der betroffenen Person eine derartige Gefühlsregung näher zu bringen. Anders, als er erwartet hatte, war danach nämlich rein gar nichts geschehen, was sie in irgendeiner Art und Weise als Liebespaar auszeichnete. Das nächste Mal hatte er sich vorgenommen, es mit einer anderen Grundlage zu versuchen, die er sich von seinem Lehrer Kakashi beschafft hatte. Der hatte ihm zuvor noch erklärt, dass es sich hierbei um einen heterosexuellen Schrift-Porno handle, auf den er gut aufpassen müsse. Kakashi war sich sicher, dass es ihm bei seinen Problemen weiterhelfen würde. Auch dieser Versuch schlug aufgrund diverser Differenzen auf der Verständnis- und Kommunikationsebene fehl. Er hatte es erneut mit einem äußerst signifikanten Zitat versucht, das laut dem Schriftstück unweigerlich eine erotische oder sexuelle Handlung zur Folge hatte. Das schien wichtig zu sein, um eine Frau oder ein Mädchen für sich zu gewinnen. „Ich will mit dir schlafen.“ Statt der erwarteten Zärtlichkeit trug ihm diese Offenbarung allerdings nur Gelächter von Sakura und eine recht zaghafte Ohrfeige seines erröteten Zielobjekts ein, das sofort die Flucht ergriff und sich seitdem nicht mehr gemeldet hatte. Jetzt, da er ihr seine Gefühle nicht rechtzeitig vermitteln hatte können, war Naruto ihm offensichtlich zuvorgekommen. Er hatte immer gewusst, dass diese ganze Sache mit der Liebe nicht sein Fachgebiet war und wohl nie werden würde. Aber dass es auf diese Art schmerzen würde, stechend, tiefgehend, nahezu erstickend, damit hatte er nicht gerechnet. Dabei hatte er soviel mehr Informationen über die Liebe und ihre Formen gesammelt als Naruto. Soviel mehr Bücher darüber gelesen. Soviel mehr Pläne gemacht, wie er es ihr sagen sollte. Er verstand nicht, wie es schief gehen konnte. Schließlich war sein Plan fundiert und gut durchdacht gewesen, narrensicher. Er hatte sich an ausnahmslos alles gehalten, was die Bücher ihm vorgeschrieben hatten. In „Wie Du Ihn Heiß machst“ war gestanden, man solle unbedingt knappe Klamotten in der Gegenwart seines Schwarms tragen. Man soll ihr unbedingt viele Komplimente machen, hatte er in „Beziehung einfach gemacht“ gelesen. Und in „Anmachsprüche“ hatte er nach geeigneten wohlwollenden Aussagen recherchiert, da er sich auf keinen Fall blamieren hatte wollen. Doch auch diesen Vorsatz hatte er nicht einhalten können. Mit „Soll ich dir meine Wasserschlange zu Hause in meiner Badewanne zeigen?“ hatte er nur Verwirrung ausgelöst, wobei er sich selbst eingestehen musste, dass ihm die tiefere Bedeutung dieses Satzes verborgen geblieben war. Er hatte die Hinweise allesamt beachtet. Um ihr zu imponieren, hatte er sich sogar mit ihrem Team-Kollegen Shino geprügelt. Leider schien ihr das nicht wirklich zugesagt zu haben, denn sie war mehr entsetzt als beeindruckt und hatte ihn als Rüpel bezeichnet, ein negativ belegtes Wort für jemanden mit sehr rüden Umgangsformen. Er hatte sich auch einen Welpen gekauft, wie es einer der Ratgeber geschrieben hatte. Zunächst schien Hinata auch auf diese Masche anzuspringen. Jedenfalls war sie einmal mit ihm und dem Hund, den er sinnigerweise „Hund“ getauft hatte, spazieren gegangen. Es war schön gewesen, bis „Hund“ zusammengebrochen und verstorben war. In diesem nutzlosen Ratgeber war auch nirgends erwähnt worden, dass ein Hund gefüttert werden musste. Er brauchte einige Tage, um über „Hund“s Verlust hinwegzukommen. Nicht, weil er ihn besonders gemocht hätte, sondern viel eher, weil Kakashi ihn aufgrund seiner Nachsichtigkeit für zwei Tage zur Sozialarbeit in einem Tierheim verurteilt hatte. Nach einigen gescheiterten Versuchen war er relativ frustriert gewesen, denn nach und nach war ihm klar geworden, dass er wohl einfach nicht dazu geboren war, etwas so Komplexes und Seltsames wie dieses verrückte Gefühl zu begreifen oder richtig zu erleben, das schneller von ihm Besitz ergriff, als ihm lieb war. Sicher, er war neugierig geworden, was für Gefühle er selbst sich lange Zeit vorenthalten hatte und er wollte diese Dinge kennenlernen, über die er so viel gelesen hatte. Aber er musste feststellen, dass das Erleben von Emotionen auch seine Schattenseiten hatte. Nach all den Jahren der Abstinenz von sämtlichen Empfindungen hatte er es beinahe vergessen. Wahrscheinlich hätte er sein Werben um Hinata längst aufgegeben, wenn es nicht auch Lichtblicke gegeben hätte: Er hatte auf einem Transparent vor einem Blumenladen den Satz „Sag's durch die Blume“ gesehen und beschlossen, seinem Objekt der Begierde eine Sonnenblume zu schenken. Hinata hatte schüchtern gelächelt, und er war sich sicher gewesen, dass sie nun endlich verstanden hätte, was er mit all seinen Aktionen hatte erreichen wollen. Doch es war nicht dazu gekommen, dass sie ihm hätte antworten können, da Akamaru, der ein ähnliches Tier war wie „Hund“, die Blume mit einem Knochen verwechselt und das Gewächs sofort weggetragen und vergraben hatte. Ein paar Wochen später hatte er dann erfahren, dass seine „große Liebe“, wie Kurenai sie bezeichnet hatte, nachdem er ihr von seinem Problem berichtet hatte, eine uneheliche Beziehung mit Naruto führte. Jetzt, da er endlich dazu gekommen war, mit seinem besten Freund zu sprechen, brannte ihm eigentlich nur noch eine Frage auf der Seele. Er sah Naruto an, räusperte sich und wollte wissen: „Wie hast du es gesagt?“ Dieser schaute verwirrt und missverständlich drein. „Hä?“ „Wie hast du Hinata gesagt, dass du eine Liebesbeziehung mit ihr führen willst?“ Sai wollte es nun um jeden Preis wissen. Naruto verzog zuerst sein Gesicht, wie er es immer beim Nachdenken tat, und erwiderte dann: „Ganz einfach. Ich bin zu ihr hingegangen und hab es ihr gesagt.“ „Und was genau?“ „Ich hab gesagt: Ich liebe dich.“ Es waren einige Jahre ins Land gegangen, seitdem er dieses Gespräch mit Naruto geführt hatte. Seit längerer Zeit waren Hinata und sein bester Freund nun getrennt. Viele sagten, er sei nun mit Sakura zusammen, andere Stimmen wollten ihn in den Armen eines verbliebenen Uchiha-Mitgliedes wissen. Dabei hatte Sai gedacht, das die Reste des Clans allesamt männlich waren, aber weiter hatte es ihn auch nicht beschäftigt. In der letzten Woche hatte er Neji getroffen und von diesem Hinatas Telefon-Nummer erhalten. Ihm war klar, dass er niemals mehr hätte glücklich sein können, wenn er es ihr nicht sagte. Leicht zitternd wählte er ihre Nummer. Zuvor war er noch nie so aufgeregt gewesen wie jetzt. „Hallo, hier ist Hinata Hyuuga.“ „Ich liebe dich.“ „Wenn Sie mit mir oder meinem...“ „Ich liebe dich!“ „...dann hinterlassen Sie...“ „ICH LIEBE DICH!“ „...nach dem Signalton.“ Er legte auf. Sai hatte es ihr drei Mal gesagt, das letzte Mal ganz laut, sodass sie es gehört haben musste. Mit einem zufriedenen Lächeln ließ er sich in seinen Sessel sinken und wartete neben dem Telefon, dass sie nach seinem abrupten Auflegen zurückrufen würde. Er wartete ewig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)