Ein Katzenhai im Bullennest von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Alles für die Katz ----------------------------- III. Alles für die Katz „Oh… schöner Kater… schöner Kater… du bist ja soooo ein schöner Kater… du Süßer… du süßer Schnurrer!“ lobte David ihn frenetisch, während er ihm um die Beine strich. Zum einen war das Teil des Deals, zum anderen wollte sein Katzenselbst partout markieren, was sein war. Zwei gute Gründe. David bückte sich, kraule ihn hingebungsvoll, seine Aktentasche in die Ecke pfeffernd, dann hob er ihn hoch. „Du Süßer! Du Süßer!“ jubilierte er und sah sich kurz um. „Und die Möbel – zumindest hier unten – sind auch noch heil! Braves Katerchen! Du hast wirklich einen guten Charakter!“ Nicht wirklich… aber nett, wenn das mal einer ernsthaft glaubte. Er machte einen auf lieb und schnupperte. In dieser Gestalt war sein Geruchssinn viel stärker ausgeprägt als sonst. Aktenmuff… Aftershave… Männerschweiß… und… und irgendwie etwas Bekanntes? Was war das denn? Es wollte ihm ums Verrecken nicht einfallen. „Ach, Tripper“, sagte David und knuddelte ihn ausgiebig, während er pflichtschuldig schnurrte. „Was für ein Tag! Man darf echt nicht fragen… jeder Mensch ist wertvoll, glaube mir, ich weiß, was ich sage. Niemand ist einfach nur das, was man sieht. Aber heute… wirklich… so ein Yuppie ist verlustig gegangen. Wir waren in seiner Wohnung. Alles war picobello, wir haben die Bude von oben bis unten durchgekramt… aber bisher nichts. Die Spurensicherung hängt noch an so einem Panzerschrank, mal sehen… Aber wie kann man nur so langweilig sein, wirklich. Da lobe ich mir Omas Möbel. Mögen vielleicht nicht schön sein und etwas angeknackst, aber sie haben Persönlichkeit, Geschichte. Genau wie wir beide. Aber da… da hatte echt nichts Geschichte. Nur Hochglanz. Der tut mir echt leid, was immer ihm geschehe sein mag, aber das? Nein, wie schrecklich hohl, wie schrecklich leer. Mann, bin ich da froh wieder hier zu sein, auch wenn meine Geschichte echt so… so ist eben. Aber es ist eine. Keine zu haben… nichts, nur diesen polierten Scheiß ohne Inhalt, wie schlimm. Gut, dass du bei mir bist und nicht so einer Knalltüte als Dekor dienst. Ja… du Schöner… aber eben nicht nur schön, Katzen haben Charakter!“ Da konnte Nox nur zustimmen, aber was laberte der da? Der glaubte echt, dass das hier das Fort Knox der Glückseligkeit gewesen wäre, wenn sein Göttergatte nicht den Löffel abgegeben hätte. Dabei war dies nur ein Vorstadtfurz. Wie konnte dieses Dussel das nur für toll befinden? Die Bude von diesem „Yuppie“ hörte sich da viel eher nach etwas nach seinem Geschmack an. Der hatte sich garantiert mit etwas vom Acker gemacht, das jemand deutlich mehr vermisste als ihn, dieser Glückspilz, um sich das zu denken musste man nun echt kein Kriminalkommissar sein. „Und… ich bin etwas später dran als geplant“, entschuldigte sich David und kraulte ihn hinter den Ohren. „Aber“, fuhr er fort, „ ich habe dir noch etwas besorgt. Da freust du dich? Ja…? Ja… lieber Tripper… oh du Schmusebacke, du…“ Fick! Dich! Ins! Knie! Aber kraul derweil ruhig weiter…. Ach, scheiß Katzenselbst… David setzte ihn vorsichtig ab und wies auf einen ziemlich opulenten Karton, den er mit sich durch die Eingangstür geschleppt hatte. Nox hätte gern ein wenig geheult. Das war nicht der Bonus des letzten Quartals. Das war ein Kratzbaum. ………………………….. „Ach weißt du, Tripper“, sagte David, während er eifrig an der Neuerwerbung herum schraubte. „Merle hatte echt Recht. Dich zu holen war wirklich eine gute Idee. Ehrlich gesagt, hätte ich nicht gedacht, obwohl ich Katzen wirklich mag. Sie lag mir ziemlich auf den Ohren deswegen. Meinte, ich würde vereinsamen oder schlichtweg durchdrehen. Aber ich bin durchgedreht so oder so, ganz ehrlich. Er ist überall, überall, in meinen Gedanken, in meinen Träumen, da lebt er noch, ist bei mir und alles… alles liegt noch vor uns. Wie es seien sollte. Ich bin vierunddreißig Jahre alt, kein Greis, aber auch kein Teenager. Ich habe meinen Partner gefunden, nicht den für die nächsten drei Monate, sondern den für mein ganzes Leben. Bis wir alt und klapprig sein und gemeinsam zurückblicken würden. Und dann wäre es gut. Vielleicht. Zu sterben. Auch schmerzhaft, wenn der andere vor einem geht… aber man hätte ja alles gehabt. Und der andere würde ja da sein, auf der anderen Seite, irgendwo, und warten. Denn irgendwo muss er noch sein, er kann nicht einfach… nichts sein, als habe er nicht existiert. Ich verstehe nichts von diesen Dingen, bin nicht gläubig erzogen, aber es ist nur dieses Gefühl. Vielleicht auch närrische Hoffnung, wer weiß. Aber jetzt… jetzt bin ich allein. Er ist gegangen, lange vor der Zeit. Was soll ich nur tun? Ich kann wieder funktionieren, im Job oder mit Freunden oder meiner Familie irgendwie. Aber sie wissen es haargenau. Ich tue ihnen leid, aber sie denken auch, dass ich es verwinden muss. Muss ich wohl, denn ich bin ja noch da. Aber ich kann es nicht. Ich will es nicht. Wir haben so sehr umeinander gekämpft, bis wir endlich angekommen waren. Und dann das. Es war keine Selbstverständlichkeit. Überhaupt nicht. Er war so… lebensfroh, energiegeladen, so voller Hoffnung… Oh Gott… er war so… es war schrecklich… fast ein Skelett, so schrecklich müde, als er starb. Krankheit kann einen Menschen vernichten, nicht nur körperlich. Aber… aber er war es dennoch… er… und ich konnte es nicht teilen. Bin so beschissen gesund. Der letzte Gesundheitscheck hat es bewiesen. Ich bin echt abartig gesund, bei meiner Verfassung kann ich uralt werden, meint der Arzt. Wie kann das sein? Und er… Ach, Tripper. Das Leben ist echt nicht so… wie man es sich als Teenager erträumt hat.“ Er ließ den Kopf hängen, der Kater rieb den seinen an seinem Knie, als würde er verstehen und ihn irgendwie trösten wollen. Er streckte die Hand aus und streichelte das dichte Fell. „Aber du… du weißt um all diese Dinge nichts“, fuhr er vor. „Du bist ein Tier, hast kein Konzept vom Tod. Musst es auch nicht haben. Was ist, das ist. Wenn du hungrig bist, dann bist du hungrig, wenn du schlafen willst, dann willst du schlafen und alles ist gut. Aber wenn du Schmerzen hast, dir Schlimmes widerfährt… dann ist das auch so… Aber ich verspreche dir, du kleiner Kater, ich werde alles tun, damit es dir gut geht… wirklich….“ …………………… Oh Schande… wo war er hier bloß rein geraten. Nox blinzelte zu seinem wild am Kaufhaus-Kratzbaum herum schraubenden „Herrchen“ hinauf. Arme Sau. Echt, arme Bullensau. So eine Scheiße hatte echt keiner verdient, selbst so ein Spießerbulle wie David nicht. Er schurrte, was das Zeug hielt und machte ansonsten auch auf superlieb. War ihm gerade nach. Und wenn ihm nach etwas war, dann tat er das eben, basta. David rappelte sich auf, dann wuchtete er das hellbraun-plüschige Konstrukt hoch und präsentierte es stolz. Er hatte sich wirklich nicht lumpen lassen, mehrere Aussichtsplattformen, Schlafhöhlen und -röhren und ein paar herab hängende Spielzeuge, die das Katzen-Äquivalent zu Punching-Bällen darstellen sollten. Das traf sich ja gut, trainierte er normalerweise doch gerne mal mit solchen Geräten, eine Figur wie seine fiel nicht vom Himmel, obwohl man das besser konsequent behauptete, um ein angedicktes Gegenüber richtig zu frusten. Aber damit konnte man David wohl kaum kommen. Zum einen hatte der Kerl wirklich einiges an Muskelmasse zu bieten, brauchte man wohl als Superbulle, zum anderen war er selbst in seiner momentanen Gestalt nicht wirklich ein ernstzunehmender Gegner. Viel mehr als in die Zehen zu beißen und fies zu kratzen hatte er nicht zu bieten – und dafür bot David aktuell schlichtweg keinen Anlass. War ja nicht so als würde er ihn zum Spaß mit einer Wasserpistole abschießen. Und auch wenn er gerne an irgendetwas seinen angestauten Verdruss abreagiert hätte, bot sich die Hand, die ihn fütterte, nicht gerade an. Nein, David war ein absolut vorbildliches Herrchen, oh weh, oh Graus. Außerdem bot die Sache hier auch durchaus Perspektiven – aus zwanzig Zentimetern Höhe zumindest. David arbeitete viel – und er hatte dadurch seine Ruhe. Früher oder später – eher früher, hoffte er inständig – würde er nicht mehr an seine Wergestalt gebunden sein. Und er wollte sich nun wirklich nicht zurückverwandeln, während er vor Davids anbetendem Blick im Futternapf herum schlabberte. Außerdem hatte er so Muße zu denken – zu denken wie ein Mensch, nicht wie eine Katze, was in einer Familie, die ständig um ihn gewesen wäre, deutlich schwerer gewesen wäre. Denn die Katze in ihm… sie hatte so ihre eigene Logik. Wollte ans Ruder, wollte sein. Wenn man nicht aufpasste, blieb man dann hängen. Für immer. Sein aktueller Zustand war eine erste Stufe in Richtung der endgültigen Verwandlung. Und er spürte es, die Verlockung, es einfach zu zulassen. Wozu Mensch sein, wenn man auch Katze sein konnte…? Aber das wollte er nicht. Auf gar keinen Fall. Er musste wachsam sein. Aber zu denken wie ein Mensch… das hieß auch darüber zu grübeln, wie sein Schicksal nach dieser Pleite aussehen würde. Er war rasant aufgestiegen. Und er würde jetzt noch viel rasanter fallen. Er war schließlich kein Aushilfs-Fischverkäufer - lecker, Fisch… - oder so, auf den es mal auch nicht so ankommen mochte. Man tauchte nicht einfach mehrere Tage unentschuldigt nicht bei K & K-Enterprises auf, erst recht nicht in seiner Position und der angespannten Lage des Unternehmens. Würden sie Klage gegen ihn anstrengen wegen Vertragsbruchs? Einen Bonus konnte er sich auch abschminken. Er kannte die Firmenpolitik nur zu gut. Er würde fristlos gekündigt werden und ein grottiges Arbeitszeugnis bekommen, mit dem er sich nirgends würde blicken lassen können. Verfluchter Mist. Vorerst würde er über die Runden kommen, er war schließlich nicht gerade arm. Aber wenn er Däumchen drehend herum hocken wollen würde, dann hätte er auch mit seiner Familie nach Australien gehen können. Ach verdammt… all die Arbeit… alles im wahrsten Sinne des Wortes voll für die Katz. Er wollte spielen, pokern, schleichen und zukrallen… aber dazu hatte er ja jetzt einen Kratzbaum. …………………… Tripper schien sein Geschenk wirklich zu gefallen. David unterdrückte nur mühsam ein Lachen – Katzen merkten sofort, wenn man sich über sie lustig machte – aber es sah schon zum Schießen aus, wie sich der Kater wie ein Wilder über sein neues Spielzeug hermachte. Er verdrosch die an einer Spirale fest montierte Plüschmaus als sei sie ein Punching-Ball auf den Hinterläufen hockend und im schnellen Wechsel seiner Pfoten. „Hey, Tripper“, meinte zu der hochkonzentriert weiter prügelnden Katze. „Vielleicht sollte ich dich das nächste Mal mit zum Boxtraining nehmen. War schon viel zu lange nicht mehr da, aber mit dir als Sparrings-Partner könnte das was werden.“ Tripper drehte leicht seinen Kopf, während er jetzt der Plüschmaus Backpfeifen verpasste, sein Schwanz zuckte aufgeregt, und er fauchte ganz leise, wie um David zu sagen, dass der sich in diesem Falle besser warm anziehen solle. So ein Mini-Macho… „Und was ist?“ fragte David ihn. „Willst du erst mal weiterspielen – oder soll ich dir jetzt den Garten zeigen? Ich könnte mich die Woche um eine Katzenklappe kümmern, dann kannst du rein und raus, wie es dir gefällt?“ Abrupt stellte Tripper seine Hiebe ein, drehte sich um, sah ihn aus seinen Bernsteinaugen an und maute einmal ziemlich laut. Verblüfft sah David zu ihm herab. Es kam ihm so vor, als ob der Kater ihn verstanden und jetzt zu ihm gesagt hatte: „Okay, mach schon!“ War er so ein Depp, der in seinem Haustier menschliche Verhaltensweisen erkennen wollte? Nein… Tripper war ein Kater, daran war nichts zu rütteln. Aber Katzen hatten eben durchaus einen siebten Sinn für Dinge, für die ihnen der Verstand fehlte. Dennoch kam er nicht umhin der imaginären Aufforderung zu antworten: „Okay, wie du willst? Ich hole mal die Katzenleine, damit du dich nicht verirrst und verloren gehst. Sobald du Bescheid weißt, lasse ich die weg, versprochen!“ ………………… Katzenleine… was denn noch… hörte das denn nie auf… hatte sich David wirklich jeden Dreck andrehen lassen, den der Markt zu bieten hatte? Nox fühlte sich in dem um seine Brust und seinen Bauch gewundenem Ledergestell wie der Stargast einer BDSM-Party. Oder eher das Maskottchen. Kratz mich, beiß mich, gib mir Tiernamen? Das Letzte war ihm auf jeden Fall bereits widerfahren. Für die beiden ersten Punkte war wohl eher er zuständig. Aber das passte schon, in der Beziehung Mensch-Katze war nach seinem Verständnis sowieso der mit den Pfoten der „Meister“. David öffnete die Hintertür, die aus der Küche hinaus führte. Draußen roch es nach Herbst, nach verblühenden Blumen, fallendem Laub und Feuchtigkeit. Aber das störte ihn nicht, notfalls würde ihn David schon brav wieder trocken föhnen, wenn seine Fellspitzen ein kleines bisschen nass geworden wären. Das war schon okay. Mehr – igitt! Bloß nicht! Schon in seiner Menschenform hielt er Duschen so kurz wie möglich und schwimmen ging er niemals. Whirlpools waren ihm ein Graus. Daheim hatte er zwar ein teuer eingerichtetes Marmorbad, aber das eher wegen des innenarchitektonischen Konzeptes und weil er es sich leisten konnte, als dass er diese „Annehmlichkeiten“ ernsthaft zu nutzen pflegte. Er war ein Werkater, kein Werfrosch. David trat vor und sah ihm erwartungsvoll an. Er erwies ihm die Ehre und folgte ihm. Der Garten war eher überschaubar und sichtlich mit Liebe fürs Detail angelegt, doch inzwischen etwas verwahrlost. Wahrscheinlich hatte David in seiner Krise anderes zu tun gehabt, als Laub zu haken. Er folgte David schicksalsergeben auf spitzen Pfoten, um nicht allzu tief in den widerlich feuchten Rasen zu sinken. Dennoch war es gut, draußen zu sein. Ein paar Vögel zeterten ihn wütend an. Sein inneres Auge führte ihm vor, wie erquicklich es wäre, ihnen mal zu zeigen, wer hier der Boss war. Aufpassen… wenn er jetzt auch noch anfing zu jagen und rohe Amsel zu futtern, wäre er bald verloren. Aber der Instinkt war da. Beim Anblick des klammen Bodens der Blumenbeete revidierte er sein Urteil. Nein, das Katzenklo war doch besser. Wie sowieso jedes Klo, dass anschließend jemand anderes für einen putzte. „Oh, Herr Schönteich – Sie haben jetzt eine Katze?“ erschallte eine weibliche Stimme von jenseits des Bretterzauns. Nox blinzelte nach oben. Eine alte Frau streckte neugierig ihren Kopf hinüber. Sie war ziemlich hager und hatte dieses merkwürdig blau-grau gefärbte Haar, wie es vor zwanzig Jahren der neuste Schrei in den Bestattungsunternehmen von Florida gewesen sein mochte. Und sie trug eine Hobbygärtnerschürze. Ekelhaft. „Ja“, lächelte David höflich, seinen Namen geflissentlich unterschlagend. Wie sollte das überhaupt laufen? Wollte David an der Tür stehen und „Komm zu Herrchen, mein süßer Tripper?“ brüllen, wenn er mal nicht sofort bei Fuß wäre? Immerhin wäre er so nicht der Einzige, der mit diesem Namen geschlagen wäre… „Ein Kater aus dem Tierheim. Er gewöhnt sich gerade ein.“ „Ein schönes Tier“, lobte ihn die Alte und musterte ihn als sei er eine Fleischwurst. „Aber… Molly ist gerade rollig. Ist er kastriert?“ „Nein“, gestand David. „Ich hab’s nicht übers Herz gebracht. Aber gut, dass sie das sagen, ich werde aufpassen solange!“ Das konnte er sich getrost sparen. Die Damenwelt konnte ihm in jeder Form gestohlen bleiben. Und solange sein Geist menschlich dachte, waren auch die Avancen schwuler Nachbarskater eine gruselige Vorstellung. Ein weiterer Punkt, den er absolut nicht zu ändern gedachte. Er linste nach oben. Sehr guter Blickwinkel, direkt in Davids Schritt, nach hinten ging es in Richtung eines äußerst knackigen Polizistenpos, nach vorne wölbte es sich auch sehr vielversprechend. Bei seiner Berufserfahrung würde dem jede Stripperorganisation die Ehrenmitgliedschaft anbieten. Der Anblick wirkte wie ein Notnagel für sein Denken. Genau… sowas willst du, bloß nicht vergessen. Und falls ihm doch nach einem Katzenhintern sein sollte – das Wunder der Natur machte es ja möglich, dass er sich aktuell da auch bei seinem eigenen bedienen konnte. Nichts gegen Autoerotik – aber sonderlich verführerisch war das nicht. David beugte sich zu ihm herab und kraulte ihn voll Besitzerstolz. Die Nachbarsoma grinste ihn gönnerhaft an. Das war ihm definitiv schon seit einer Ewigkeit nicht mehr passiert. Die Nachbarsomas seiner Kindheit hatten ihn für einen kriminellen Tunichtgut gehalten, dem prinzipiell zu misstrauen war. So konnten sich die Zeiten ändern. Und trotz deren Geunkes war er keinesfalls frühzeitig im Knast gelandet, sondern in einem dicken, fetten Managerbüro. Nehmt das, ihr humorlosen Vetteln! War mir ein Vergnügen meine Kippen in euren Zierpflanzenkübeln auszudrücken und eure degenerierten, verfetten Schoßhündchen mit meinen Krallen zu perforieren! Das aktuelle Exemplar dieser Gattung klopfte derweil weise Sprüche über sein Fell, denen David aufmerksam Gehör schenkte. Nox nutzte die Gelegenheit lieber, den popeligen Garten weiter unter die Lupe zu nehmen. Das war zwar auch nur graduell spannender – aber immerhin. Zu guter Letzt wurde er erlöst, David schleifte ihn noch in den Vorgarten, warnte vor der bösen Straße, die aus mehr Blumenkübeln, Bodenschwellen und „Achtung Kinder“-Schildern zu bestehen schien als aus Straße, dann wurde er wieder hinein geleitet und aus seiner Ledermontur befreit. „So“, sagte David, „jetzt weißt du Bescheid. Wir üben… und dann kannst du bestimmt bald alleine raus. Ich erkundige mich wegen der Katzenklappe. Bisschen nass bist du geworden… und ein wenig dreckig. Aber das haben wir gleich.“ Er streckte sich zu einem der oberen Regale aus, riss irgendeine Packung auf und hielt Nox eine weitere seiner Neuerwerbungen vor die Nase. Eine Katzenbürste. Hätte schlimmer sein können. Einen Friseurbesuch hatte schon längst mal wieder nötig gehabt. ………………………… Der Fernseher lief. Raumschiff Enterprise: The next Generation. Hatte er schon tausend Mal gesehen. Theo hatte es auch geliebt, wenn sie auch immer ein wenig über sich selbst dabei gelacht hatten. Aber wen scherte es schon, dass sie keine obercoolen Szene-Idioten waren, sondern lieber das machten, was sie eben mochten, egal, was andere darüber dachten. Aber auch jetzt, allein, war die Serie etwas Vertrautes, das ein Gefühl von Zuhause vermittelte. Eines leeren Zuhauses, aber immerhin. Er legte sich ein Kissen auf den Schoß und klopfte einladend darauf. „Komm her, Tripper, Zeit für dein Schönheitsprogramm!“ Der Kater saß schneller auf ihm, als er zum Betteln und Locken übergehen konnte, das man als Katzenkenner immer schon schicksalsergeben bereit hatte. Ohne viel Theater streckte sich der Kater in eine ideale Position. David fing an, ihn mit der weichen, mit leichten Widerhaken besetzten Bürste zu striegeln. Tripper schnurrte leise. Als David mit seinem Rücken fertig war, drehte er sich ohne viel Federlesens, damit sein Bauch dieselbe Behandlung bekommen konnte. Das war zwar sehr praktisch, aber schon irgendwie merkwürdig. Tripper musste wirklich ein immens kluger Kater sein. Oder es war Zufall… aber diese Reaktionen wirkten so gezielt?! Ach was, er drohte schon wieder, irgendetwas Menschliches in seinem Haustier sehen zu wollen. Als er halbwegs fertig war, schloss er kurz die Augen. Dieses tiefe, wohlige Schnurren wirkte beruhigend auf sein zerfleddertes Nervenkostüm. Der Katzenkörper war warm und lebendig auf ihm. Die bernsteinfarbenen Augen sahen ihn ruhig an. Das war das Besondere an Katzen. Diese felsenfeste, selbstbewusste Ruhe, die hinter ihrem verspielten, neugierigen und manchmal gierigem oder gar grausamen Auftreten lauerte. Als würden sie etwas wissen, ein Geheimnis, auf das ein dummer Mensch niemals kommen würde. ……………………. Heia-Time im Spießer-Heim. David hatte seinen dunkelblauen Schlafanzug akkurat zugeknöpft und war unter die kuschelige Flanell-Bettdecke gekrochen. Himmel… was sollte das, den sah doch hier niemand? Außer ihm, natürlich, aber das dürfte David wohl kaum auf der Rechnung haben. Es war gerade mal zehn Uhr. Und Flanell… okay, bequem. Aber bequem war nicht gerade das Kriterium, nach dem er zu leben pflegte. Bequem wäre das Outback. Und grottenöde. Genau wie das hier. Aber grottenöde war immer noch besser als die Hölle auf Erden – und er musste das hier ja auch nicht auf ewig durchhalten. Und wenn doch… dann sollte er früher oder später zumindest diese schrecklichen Kaufhaus-Pyjamas zerfetzen, von denen David garantiert mehr als nur diesen einen hatte, bis der sich etwas Passableres anschaffte. Oder es einfach völlig ließ. Er war ja ein ansehnlicher Knabe, wenn man mal verdrängte, was er sonst noch alles so war. Ein äußerst ansehnlicher Knabe, der ihn gerade freudig dazu einlud, mit ihm in die Kiste zu springen. Wenn er jetzt nicht in dieser verdammten Katzengestalt feststecken würde… Tat er aber. „Gute Nacht, Tripper.“ Mach dich nackig! Miau… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)