Robin Hood von Mara ================================================================================ Gestatten? Adam Bell -------------------- ~*~3~*~ Robin saß in ihrem Zimmer und dachte nach. Ihr Vater hatte sie besucht und ihr erzählt, was im Wald passiert war. Robin war von dieser Tatsache zwar keineswegs beruhigt, doch immerhin schien es den beiden gut zu gehen. Sie spielte abwesend mit ihrer Mütze. Irgendwie verspürte sie einen gewissen Drang, sich ein Pferd zu nehmen und durch den Sherwood zu reiten. Sie öffnete ihren Schrank und kramte nach der Hose und dem Hemd. Sollte sie es riskieren? Sie beherrschte ihren Bogen nahezu blind und mit dem Schwert konnte sie inzwischen auch umgehen. Doch reichte das auch für einen Ernstfall? Sie hatte bis jetzt nie richtig gekämpft, geschweige denn jemanden getötet. Und das wollte sie eigentlich auch nicht so schnell ausprobieren. Sie seufzte. Gedankenverloren starrte sie zu dem Schwert in der Ecke. "Aber Mylady, ihr wollt doch nicht etwa schon wieder..." Ruckartig drehte Robin sich um. Ich muss vorsichtiger sein!, dachte sie. Wenn das Marrin gewesen wäre. Und laut sagte sie "Keine Sorge, Elly, ich habe nur nachgesehen, ob alles in Ordnung ist." Eleanor warf ihr einen besorgten Blick zu. Es war ihr anzusehen, dass sie ihrer Herrin nicht glaubte. Robin seufzte. "Ich mache mir Sorgen um Will...", meinte sie traurig. "Keine Sorge, euer Vater hat doch gesagt, dass es ihm gut geht. Und sobald Sir Marrin Sheriff ist, wird er wieder begnadigt. Das hat er selbst gesagt, nicht wahr?" Robin sah aus dem Fenster. "Schon, aber..." Sie zog die Gardinen zu. "Ich gehe!" "Wohin, Mylady?" "Zu Will. Ich muss wissen, wie es ihm geht!" Eleanor sah ihre Herrin erschrocken an. "Aber ihr könnt doch nicht in den Sherwood Forest... und noch dazu alleine!" Robin war schon aus ihrem Kleid geschlüpft. "Würdest du mir bitte die Brust verbinden? Unter dem Hemd sieht man sonst, dass ich kein Mann bin und im Sherwood ist man als Mann schon gefährdet genug." Sie reichte ihrer Zofe einen weißen Verband. Darüber zog sie ein Hemd. Als sie fertig war, verschwand Eleanor im Nebenzimmer und kam mit einem dicken, grünen Umhang zurück. "Bitte, Mylady, tragt ihn. Dann seid ihr besser getarnt." Robin nahm den Umhang an und schwang ihn um ihre Schultern. "Ich bin spätestens morgen Mittag wieder da. Wenn nicht, dann benachrichtige bitte meinen Vater. Sag aber Marrin nichts. Ich bin bei meinem Vater." Eleanor nickte und gab Robin ihren Bogen und den Köcher. "Bis morgen." Schnell schlüpfte sie durch die Tür und hastete die Gänge entlang. Plötzlich hörte sie vor sich Schritte. "Wer ist da?", fragte eine Stimme, die Robin nur allzu bekannt vorkam. Marrin! Sie zog die Mütze ins Gesicht und betete im stillen, er würde sie nicht erkennen. Da bog er schon um die Ecke. "Wer seid ihr?" Robin holte tief Luft. "Ich bin ein Bote vom Earl.", sagte sie mit tiefer Stimme. "Ich habe Lady Robin eine Nachricht von ihrem Vater überbracht." Marrin musterte sie und Robin traute sich nicht, nach oben zu sehen. "Ich habe euch noch nie gesehen.", meinte Marrin skeptisch. "Das liegt daran, dass ich sonst nicht für Botengänge zuständig bin.", meinte Robin nervös. "Der Earl konnte aber nur mich entbehren." Marrin umrundete sie einmal. "Ihr kamt durch den Sherwood, nicht wahr?" Robin nickte leicht. "Ja, Mylord." "Habt ihr dort einen Riesen und einen Mann mit rotem Haar gesehen?" "Ihr meint den Sohn des Earls, Mylord?", fragte Robin. Marrin nickte. "Nein, ich habe ihn nicht gesehen. Aber es soll ihm gut gehen." Marrin nickte. "Richtet dem Earl Grüße von mir aus." Robin verbeugte sich und verschwand schnell um die nächste Ecke. Dort lehnte sie sich an die Wand und atmete heftig. Ihr Herz raste und auf ihrer Stirn perlte der Schweiß. Wenn Marrin sie erkannt hätte, dann... Robin mochte gar nicht daran denken. Sie wischte sich über die Stirn und verließ das Schloss schnell. Sie nahm sich ein Pferd aus dem Stall und ritt aus der Burg, Richtung Sherwood Forest. William und John saßen auf einem Baum und beobachteten die breite Straße, die durch den Sherwood führte und Nottingham mit Huntington verband. Wenn sie Adam Bell und seine Bande finden wollten, mussten sie eigentlich nur warten, bis ein reicher Reisender auf der Straße daherkam. Adam Bell würde ihn sicher entdecken und überfallen. Dann könnten sie mit ihm reden. "Da hinten höre ich Hufgetrappel. Da kommt jemand." William starrte angestrengt auf die Wegbiegung. Bald konnte man das Pferd sehen. Kurz darauf auch den Reiter. Er trug einen dicken, grünen Mantel und sein Haar war unter einer großen Mütze verborgen. An seiner Hüfte baumelte ein Schwert und über der Schulter hing ein Köcher mit Pfeilen. "Der kommt mir irgendwie bekannt vor...", murmelte Will und starrte intensiv auf den Reiter. John nickte. "Ich hab auch das Gefühl, dass ich ihn schon mal gesehen hab. Komisch." Der Reiter kam immer näher und schien sich umzusehen. Als ob er etwas suchte. Plötzlich wieherte das Pferd erschrocken auf. Um den Reiter herum stand nun eine Gruppe von Männern, alle mit Messern oder Pfeil und Bogen bewaffnet. John stieß ihm in die Seite "Das ist Adam Bell! Der mit den blonden Haaren und dem langen Bogen." William nickte. "Was sollen wir machen?", fragte er, ohne seinen Blick von der Gruppe abzuwenden. "Warten wir ab, was passiert." Robin zog heftig an den Zügeln ihres Pferdes. Es tänzelte unruhig umher und beäugte die Männer, die im Kreis um sie standen. Robin strich ihm über den Hals und sprach ein paar beruhigende Worte. Auch sie hatte Angst, ließ sie sich aber nicht anmerken. "Was wollt ihr?", fragte sie mit tiefer, fester Stimme. "Euer Geld, Sir." Ein großer, blonder Mann trat aus der Menge und verbeugte sich spöttisch. "Um zu passieren müsst ihr eine kleine Gebühr zahlen.", erklärte er und hob seinen Bogen. "Und wenn ich kein Geld habe?", fragte Robin, bemüht, das Zittern ihrer Stimme zu verbergen. "Dann müssen wir uns eben etwas anderes nehmen." Er umrundete sie einmal. "Das Pferd und euer Schwert würden vollkommen ausreichen." Robin zog ihren Umhang etwas enger, um das Schwert zu verbergen und stieg vom Pferd. "Und was ist, wenn ich es euch nicht gebe?", fragte sie nun schon etwas mutiger. "Ich denke es gibt Mittel und Wege, euch zu ,überzeugen'." Der blonde Mann winkte einem anderen zu, der daraufhin neben ihn trat. Robin musterte den Mann. Er hatte zwei Messer in den Händen und im Gesicht unheimlich viele Narben. Sie schluckte leise. Ihre Gedanken rasten und suchten einen Ausweg. "Gibt es nicht eine andere Möglichkeit, meine Herren?" Sie versuchte, ihre Stimme so keck wie möglich klingen zu lassen. "Zum Beispiel mit einer Wette." Sie musste es einfach versuchen. Außerdem hatte sie nicht das Gefühl, dass ihr Leben in akuter Gefahr war. "Was für eine Wette denn?", der Blonde, der ihr Anführer zu sein schien, zeigte sich interessiert. "Wie wäre es mit einem Wettbewerb im Bogenschießen?" Die Männer lachten rau und auch der Blonde stimmte mit ein. "Wisst ihr, wen ihr vor euch habt, Sir?" Robin schüttelte den Kopf. "Ich bin Adam Bell. Der König des Sherwood Forest und bester Bogenschütze weit und breit.", stellte sich der Blonde vor. Robin lächelte leicht. "Das mit dem besten Bogeschützen werden wir noch sehen!" Jetzt, wo sie wusste, wen sie vor sich hatte, war ihr schon um einiges wohler zu mute. "Ich fordere euch heraus. Wenn ich gewinne, dann lasst ihr mich ohne Widerspruch ziehen, wenn ich verliere, dann bekommt ihr mein Pferd, mein Schwert und meinen Bogen." Sie hielt zum Beweis den Bogen nach oben. Adam Bell lachte siegessicher. "Wenn ihr meint. Der Einsatz scheint mir fair." Er winkte seinen Leuten, die eine Strecke abmaßen und eine Zielscheibe in einen Baum ritzten. "Wer fängt an?", fragte Robin. Sie fühlte sich nun mehr und mehr in ihrem Element. "Ich lasse euch den Vortritt." Robin nickte, stellte sich auf und zog einen Pfeil aus ihrem Köcher. Liebevoll strich sie über die Federn und legte den Pfeil dann an. Tief holte sie Luft, spannte die Sehne und zielte. Dann ließ sie den Pfeil los und er fand seinen Weg mitten ins Ziel. Die Umstehenden klatschten bewundernd. "Zeiht den Pfeil heraus, dann schieße ich." Ein junger Mann rannte, um den Pfeil, zu holen und Bell stellte sich auf. Auch er schoss mit höchster Konzerntration und verfehlte sein Ziel nicht. "Gleichstand. Ich denke, wir müssen das Ziel weiter entfernen und die Schwierigkeit erhöhen." Robin nickte zustimmend. Für sie war das kein Problem. Sie hatte schon als kleines Kind den Umgang mit dem Bogen gelernt und ihr Vater meinte stolz, sie könne kein Ziel verfehlen. Sie entfernten sich etwas von dem Bau, und beide schossen erneut. So ging es bis sie ihr Ziel fast nicht mehr erkennen konnten. Wieder schoss Bell und traf sein Ziel. Als er den Befehl geben wollte, den Pfeil zu entfernen, gebot Robin ihm Einhalt. "Ich denke, wir könnten noch lange so weitermachen. Wir sind beide sehr gut und fast ebenbürtig. Aber eben nur fast." Sie setzte einen Pfeil an und konzentrierte sich. "Aber wie wollt ihr das überbieten? Wenn ihr gewinnen wolltet, müsstet ihr meinen Pfeil spalten und das schaffe nicht einmal ich." Robin lachte und konzentrierte sich auf ihr Ziel. Wenn sie es schaffen würde, den Pfeil zu spalten, dann hätte sie gewonnen und niemand könnte das anzweifeln. Sollte sie jedoch nicht treffen... nun ja, dann würde im Stall des Sheriffs ein Pferd weniger stehen und sie müsste sich einen neuen Bogen zulegen. Es traf sie in keinem Fall sehr schlimm. Konzentriert starrte sie auf das Ziel und schoss ab. Dann schloss sie die Augen und drehte sich um. Eigentlich wollte sie nicht wissen, ob sie getroffen hatte. Sie sprang auf ihr Pferd und grub die Fersen in seine Seite. Das Pferd galoppierte los und ließ die Männer um Adam Bell hinter sich, die keine Chance hatten, sie einzuholen. Erst als sie an den Waldrand kam, wagte sie, ihr Pferd anzuhalten und aufzuatmen. Sie glitt vom Pferd und ließ sich in die Wiese fallen. Schwer atmend versuchte sie, sich wieder zu beruhigen. Sie war wirklich nicht ängstlich, doch alleine im Sherwood von Geächteten umgeben, das war schon eine sehr beängstigende Situation. Langsam beruhigte sie sich wieder und dachte nach. Jetzt wollte sie schon gerne wissen, ob sie denn den Pfeil von Bell gespalten hatte, oder nicht, doch das würde sie sicher nie erfahren. Sie konnte ja schlecht zurückreiten und sich danach erkundigen. Bei der Vorstellung musste sie unwillkürlich lachen. Das Lachen tat gut, lenkte sie ab und beruhigte sie. Eigentlich war alles doch gar nicht so schlimm gewesen. Sie hatte es Bell richtig gezeigt. Sie schloss die Augen, um ein wenig auszuruhen. "Du hast es Bell aber ganz schön gezeigt!" Erschrocken fuhr Robin hoch. Verdammt, sie war eingeschlafen! Mit großen Augen drehte sie sich zu dem Sprecher um. "Will!" Sie ließ sich vor Erleichterung wieder ins Gras plumpsen. "Mensch, hast du mich aber erschreckt!" Will lachte und winkte John, der schwer atmend hinter ihm angelaufen kam. Robin stand auf und umarmte ihren Bruder herzlich. "Wir haben dir von einem Baum aus zugesehen. Erst hab ich dich gar nicht erkannt, doch als du den Bogen herausgeholt und geschossen hast, ging mir ein Licht auf." Robin lachte verlegen. "Aber du hättest nicht abzuhauen brauchen. Du hast Bells Pfeil genau in der Mitte gespalten und ihn rechtmäßig besiegt." Robin sah ihren Bruder erstaunt an. "Du hast geblufft, oder?" Robin nickte. Will ließ sich laut lachend ins Gras fallen und hielt sich den Bauch. "Unsere Robin, wie sie leibt und lebt." Robin grinste entschuldigend. "Schön, dich wiederzusehen.", meinte John und setzte sich auch ins Gras. "Ich bin so froh, dass es euch beiden gut geht!" William nickte und nahm seine Schwester in den Arm, die sich nun auch ins Gras gesetzt hatte. "Vater hat uns Waffen und etwas Geld gegeben. Wir können also ein Weilchen durchhalten." Robin spielte mit ihrem Bogen. "Ich finde die Vorstellung schrecklich, dass ihr nachts alleine hier in diesem Wald seid.", meinte sie leise. "Kein Problem. Ich passe schon auf Will auf!" "Ach du! Du hast ja schon selber Angst im Dunkeln, wie willst du da auf mich aufpassen?" John grinste unbeholfen und kratzte sich am Kopf. "Ich mein ja nur..." Wieder lachten alle drei laut. Robin war seit langem einmal wieder richtig glücklich. Es tat gut, zu wissen, dass es ihrem Bruder gut ging, wo sie sich doch solche Sorgen gemacht hatte. Sie lehnte sich an Will und schloss die Augen, genoss einfach nur die Sonne und die Geräusche der Tiere, die aus dem nahen Wald drangen. Ganz langsam glitt Robin wieder in einen Halbschlaf, sodass sie erschrocken auffuhr, als sie Stimmen hörte. "Na, meine Herren, haben sie angenehm geruht?" Robin stand schon fast wieder, als sie endlich realisierte, wen sie vor sich hatte. Es war Adam Bell. Schnell prüfte sie, ob ihr Hut richtig saß, dann sah sie sich nach Will und John um. Die beiden waren inzwischen auch wieder aufgestanden und hatten sich halb schützend vor sie gestellt. "Was wollt ihr?", fragte Will bedrohlich. Bell lachte leise. "Nur dem Herrn Hochwohlgeboren seine Pfeile zurückbringen." Wie zum Beweis hob er die Pfeile in die Höhe. Robin nahm sie schnell an sich und pfiff nach ihrem Pferd, um sie in der Satteltasche zu verstauen. "Danke sehr und jetzt entschuldigt uns." John und William folgten Robin und bedeuteten ihr, aufs Pferd zu steigen. "Nicht so schnell, meine Herren." Robin blieb wie erstarrt stehen. "Ich würde gerne den Namen des Mannes erfahren, der den König von Sherwood im Bogenschießen schlägt." Robin drehte sich um und sah Bell erschrocken an. Was sollte sie jetzt sagen? "Robin von Locksley.", warf Will dazwischen, bevor sie auch nur den Mund aufmachen konnte. Dafür müsste sie ihrem Bruder noch danken. Und es war nicht einmal gelogen! Es wusste ja niemand, dass Robin nicht die Abkürzung für Robert war, sondern dass sie wirklich so hieß und Locksley gehörte ihr. Zumindest im Moment. Ihr Vater hatte es ihr als Brautgeschenk übergeben. Bis zur Hochzeit mit Marrin gehörte es also rechtmäßig ihr. "Den Namen habe ich noch nie gehört. Seid ihr von Adel?" Robin nickte. Ihr Vater war schließlich der Earl von Huntington. Bell schien sich damit zufrieden zu geben und fragte nicht weiter nach. "Und jetzt?", fragte Will leise an Robin gewandt. Robin zuckte ratlos mit den Schultern. Sollten sie einfach gehen? Aber was wurde dann aus Will und John? Sie konnte ja nach Nottingham zurückkehren, aber ihr Bruder und John mussten hier im Wald bleiben. Von einem plötzlichen Mut erfasst, trat sie einige Schritte auf Bell zu und begann zu sprechen: "Bell, ich hätte eine Bitte an euch.", begann sie vorsichtig. Bell nickte nur, um ihr zu bedeuten, dass sie weitersprechen sollte. Robin fasste all ihren Mut zusammen und sprach weiter. "Diese zwei Männer hier", sie deutete auf Will und John, "hatten leider eine kleine Unstimmigkeit mit dem Sheriff von Nottingham." Bell und seine Kumpanen lachten bei dieser Ausdrucksweise laut auf. "Mit anderen Worten: sie wurden aus der Stadt verbannt?", rief einer der Leute dazwischen. Robin lächelte und nickte. "Hier im Sherwood müssen sie leider um ihre Sicherheit fürchten. Daher möchte ich euch bitten, sie in eure Gruppe aufzunehmen. Der eine ist stark wie ein Bär und der andere ausgezeichnet im Umgang mit dem Schwert. Es würde sich für euch also auf alle Fälle lohnen." Bell runzelte die Stirn. "Warum sollte ich mit einem feinen Pinkel Geschäfte machen und noch dazu Leute beherbergen, die zu unseren Feinden gehören?" Robin seufzte. Die Bauern und einfachen Leute, die Geächteten im Besonderen hatten einen -nicht ganz unverständlichen- Hass auf den Adel. Der Adel, fast alles Normannen, die einmal in England eingefallen waren und nun die Engländer unterdrückten, stand bei dem Volk in einem sehr schlechten Licht. Aber nicht alle Adligen waren Normannen und, was noch viel wichtiger war, nicht alle Adligen waren Tyrannen. Sie war das beste Beispiel. Ihr Vater würde seine Burg für das Leben eines Bauern geben, da war sie sich sicher. Bloß wie sollte sie das Adam Bell erklären? Sie beschloss, alles zu riskieren und die Karten aufzudecken. "Nicht alle Adligen sind schlecht! Kennt ihr den Earl von Huntington?" Bell nickte. Der Earl war im ganzen Land für seine Güte und Gerechtigkeit bekannt. "Nun, ich bin sein Sohn." Robin fühlte sich vielen ungläubigen Blicken ausgesetzt. "Ich wusste nicht, dass der Earl einen Sohn hat, der Robert oder Robin heißt." "Kannst ihn ruhig fragen, wenn du mir nicht glaubst!", maulte Robin und schlug sich die Hand vor den Mund, als ihr bewusst wurde, was sie gerade gesagt hatte. Also wenn sie bis jetzt auch nur die kleinste Chance gehabt hatten, nun war es aus! Erschrocken sah Robin zu Will und John, die sich das Grinsen nicht verkneifen konnten. Doch entgegen aller Befürchtungen lachte Adam Bell nur und kam einige Schritte auf die drei zu. "Ich glaube, es wäre fehl am Platz, an euch zu zweifeln." Er reichte Robin die Hand. Robin ergriff sie etwas schüchtern und lächelte dann ebenfalls. "Ich wäre wirklich glücklich, wenn ihr euch den Beiden annehmen würdet." Bell nickte. "Dürfte ich die Namen der Herren erfahren?", fragte er an Will und John gerichtet. "Ich bin William Scarlett. Waffenknecht am Hof des Earls." Robin runzelte die Stirn, verstand aber, dass William nicht preisgeben wollte, wer er wirklich war. "Und ich bin John Little. Schafhirte aus Locksley." John grinste unbeholfen und hob seinen Stab, um seine Aussage zu bekräftigen. Bell nickte. "Wenn ihr wirklich so gut im Umgang mit Waffen seid und keine Arbeit scheut, dann seid ihr bei uns herzlich willkommen." Robin fühlte sich, als ob ihr ein Stein vom Herzen gefallen wäre. Endlich konnte sie sicher sein, dass ihr Bruder wenigstens einigermaßen sicher war. "Könnt ihr mir euer Wort geben, dass ihr ein Auge auf sie haben werdet?", fragte Robin, um sich noch einmal zu vergewissern. "Nicht nur ein Augen, Mylord! Nicht nur eines..." "Gut, dann kann ich ja jetzt gehen. Auf bald, meine Freunde." Sie schüttelte Will und John noch einmal die Hand und schwang sich dann auf ihr Pferd. Glücklich und verrichteter Dinge ritt sie nach Nottingham zurück. "Mylord Marrin, ich habe eine schreckliche Nachricht für euch." Marrin sah von seinem Schreibtisch zu dem Boten auf, der in der Tür stand. "Was ist denn? Geht es um meinen Vater?" Der Bote schüttelte den Kopf. "Der König!", rief er atemlos. Er musste sehr schnell gerannt sein. Marrin sprang auf und schloss die Tür hinter dem Boten. "Was ist mit dem König?", fragte er dann leise. Es musste ja nicht gleich das ganze Schloss davon erfahren. "Er... er wurde gefangengenommen und nach Deutschland verschleppt." Marrin starrte den Boten fassungslos an. Das war eine furchtbare Nachricht. "Von wem?", war alles, was er sagen konnte. "Von Heinrich, Mylord. Er verlangt Lösegeld für die Freilassung des Königs. Eine Summe, so hoch, dass wir sie in hundert Jahren nicht zahlen könnten." Marrin setzte sich in den nächsten Sessel. Diese Nachricht war furchtbar. England wurde sowieso schon ausgebeutet und war arm. Wie sollte es da die große Summe des Lösegeldes aufbringen? "Seit wann ist er gefangen?", fragte Marrin. "Seit ungefähr drei Monaten. Einige seiner Leute konnten fliehen und sind vor einer Woche in England angekommen. Von dort wurde die Nachricht gleich an alle weitergegeben.", berichtete der Bote. "Weiß mein Vater schon davon?" Der Bote nickte. "Danke, du kannst gehen." Der Bote verbeugte sich und verließ das Zimmer. Marrin hingegen versank in trübe Gedanken. Wenn Richard Löwenherz nicht zurückkehren würde, käme sein Bruder John an die Macht. Ein grausamer Tyrann, der nur an Geld und Macht dachte und das Volk ausbeutete. Prinz John war jetzt, wo er den König vertrat schon schlimm genug, aber als rechtmäßiger König wäre er sicher noch schlimmer. Marrin seufzte. Er sah sehr schlimme Zeiten auf England zukommen. Robin schlich vorsichtig in den Stall, um ihr Pferd dort abzustellen. Sie musste darauf achten, von möglichst wenig Leuten gesehen zu werden. Sie zog den Sattel vom Rücken des Pferdes und verschwand dann schnell wieder aus dem Stall. Irgendeiner der Gesellen würde sich schon um das Pferd kümmern. Auf leisen Sohlen schlich sie in den Garten, um durch den Geheimgang ins Schloss zu gelangen. Doch leider machte ihr das Schicksal einen Strich durch die Rechnung. Direkt vor dem Eingang standen einige Knechte und unterhielten sich. Robin stieß einen leisen Fluch aus, für den ihr Vater sie mit Sicherheit mehr als nur gerügt hätte. Dann schlich sie leise weiter. Der Eingang war versperrt, so viel stand fest. Wenn nicht in den nächsten Minuten ein Wunder geschehen würde, dann müsste sie sich wohl oder übel einen anderen Weg suchen. Jetzt schon um einiges lauter fluchend kehrte sie zum Eingang zurück. Nun musste sie wohl doch durch das Haupttor und lief Gefahr, Marrin zu begegnen. Leise vor sich hin schimpfend betrat sie das Tor und versuchte, zu wirken, als ob sie hier hergehörte, was sie ja eigentlich auch tat. Sie ging schnell die Treppe nach oben und in Richtung ihres Schlafgemaches. Plötzlich stupste sie von hinten jemand an und kicherte leise. Erschrocken drehte sich Robin um. "Aber Mylady, was macht ihr denn so alleine und schimpfend auf dem Gang?" Es war Eleanor. Robin warf ihr einen bösen Blick zu und zog sie dann am Ärmel mit sich. "Ging nicht anders. Und nenn mich gefälligst nicht so!", rügte sie ihre Zofe schlechtgelaunt. "Wo ist Marrin?", fragte sie dann doch leicht besorgt. "In seinem Arbeitszimmer. Ihr müsst euch keine Sorgen machen." Robin nickte und lächelte. "Gut. Würdest du mir etwas Wasser warm machen? Ich muss unbedingt baden." Eleanor nickte und verschwand durch die große Tür. Robin folgte ihr und schloss die Tür hinter sich wieder. Dann schmiss sie sich auf ihr Bett und schloss die Augen. Genau in diesem Moment war sie einfach nur froh. Froh, dass ihr Bruder gut aufgehoben war; froh, dass sie im Sherwood gewesen war; froh, alles gut überstanden zu haben und froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Sie musste wohl eingedöst sein, denn als sie die Augen öffnete, stand Eleanor vor ihr und sah sie liebevoll an. "Euer Wasser ist fertig, aber wenn ihr euch nicht beeilt, ist es wieder kalt." Robin richtete sich auf und zog als erstes den Hut vom Kopf, sodass ihr langes Haar über die Schultern und den Rücken fiel. "Und euer Haar! Ihr seid ja völlig zerzaust. Wenn das euer Vater sehen würde!", schalt Eleanor ihre Herrin. Robin grinste nur, streckte ihr die Zunge raus und rannte schnell ins Bad, um weiteren Moralpredigten zu entgehen. Lachend zog sie sich aus und sprang ins Wasser. Aus dem Nebenzimmer konnte sie Eleanor immer noch lauthals schimpfen hören. Marrin stand vor der Tür seiner Verlobten und zögerte. Nach kurzer Zeit beschloss er, zu klopfen. Eleanor öffnete die Tür. "Ist Robin da?" Eleanor nickte zögernd, worauf Marrin die Stirn runzelte. "Mylord, die Lady... kann euch jetzt nicht empfangen...", druckste Robins Zofe herum. "Warum nicht?", fragte er, schon leicht verwundert. "Nun ja... sie... badet gerade..." Marrin bemerkte schmunzelnd, wie die Zofe rot wurde. "Ach so! Na, dann schick sie doch bitte nachher in mein Arbeitszimmer!" Eleanor nickte und schloss dann wieder die Tür. Marrin schlenderte schmunzelnd in sein Arbeitszimmer zurück. William und John trabten müde hinter den restlichen Geächteten her. Adam Bell hatte sie in seine Truppe aufgenommen und führte sie nun, wie er gesagt hatte, in ihr geheimes Lager. Es musste sich wohl mitten im Wald befinden, da sie nun schon Stunden gelaufen waren und ihr Ziel immer noch nicht erreicht hatten. Plötzlich stoppte John und Will stieß gegen ihn. "Autsch!" John drehte sich verwundert an und lächelte müde. "Ich glaube, wir sind da.", sagte er und deutete nach vorne. Will riss erstaunt seine Augen auf. Vor ihm lag eine Lichtung, die von mindestens zwanzig Baumhäusern umgeben war. In der Mitte brannte ein Feuer und einige kleine Hütten standen dort. "Willkommen in Sherwood Shelter!" Bell machte eine einladende Handbewegung und bedeutete ihnen so, näher zu kommen. Will und John sahen sich staunend um. Beide hätten es nicht einmal in ihren Träumen für möglich gehalten, dass mitten im Sherwood Forest solch eine Zuflucht versteckt war. "Jeder hier hat ein Baumhaus, in dem er seine Familie versteckt. Wir haben auch Ziegen und Schafe und übriges Essen und Kleidung tauschen wir gegen unsere Beute in den umliegenden Dörfern.", erläuterte Bell. "Ihr könnt dort oben wohnen." Bell zeigte auf ein Baumhaus, dass relativ nah am Boden war. "Morgen reden wir dann weiter." Robin stand vor Marrins Arbeitszimmer und klopfte an. "Herein!", kam es von drinnen. Sie drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür. "Ich bin es, mein Lieber!" Marrin saß an seinem Tisch und brütete über verschiedenen Dokumenten. Jetzt sah er auf. Robin bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. "Was hast du denn? Ist etwas passiert?" Marrin stand auf und führte sie zu einem Sessel. "Setzt dich lieber!" Robin wurde immer beunruhigter, über das Verhalten ihres Verlobten. Was war bloß passiert? "Es geht um König Richard." "Was ist mit ihm? Sag schon!" Nun befürchtete Robin schon das schlimmste. "Er ist in Gefangenschaft in Deutschland. Und Heinrich fordert für seine Freilassung eine immense Menge an Lösegeld." Robin sah ihn mit großen, schreckgeweiteten Augen an. "Aber..." Das durfte einfach nicht sein! "Doch, meine Liebe. Wir sollten es sofort an alle weitergeben und anfangen, das Lösegeld zusammenzutragen. Ich glaube nämlich kaum, dass John so unheimlich viel daran liegt, seinen Bruder wieder zu befreien." Robin nickte. "Ich werde gleich zu meinem Vater reiten. Er soll dann jemand zu William und John schicken, damit die beiden es auch erfahren." Marrin schüttelte den Kopf. "Das ist zu gefährlich! Es wird bald dunkel und ich möchte nicht, dass du jetzt noch wegreitest. Dein Vater weiß es bestimmt schon und bald wird es jeder wissen. Auch die Geächteten im Sherwood Forest." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)