Ride the Rockers 8 - Love Revolution von raphael_asdrai (6. Sequel zu Ride the Rockers und Fortsetzung von Love Education mit Teilen von SCREW in neuer Hauptrolle) ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Kapitel 9 Es gab verschiedene Wege, wie Aoi in der Vergangenheit mit Aggressionen umgegangen war. Als er noch zur Schule gegangen war, hatte er fast durchgehend das Gefühl gehabt, der nächsten Person, die ihn schief von der Seite ansprach und es wagte, seine bunten Haare, seine gepiercte Lippe oder seinen Lebensstil zu kritisieren, an die Gurgel springen zu wollen. Er hatte lange herum probiert, mit was er sich auspowern konnte, hatte sogar eine zeitlang geboxt, bis er schließlich das Surfbrett gefunden hatte, dessen glattes Holz unter seinen Fußsohlen, wenn er wie ein Blitz in seinem schwarzen Neoprenanzug durch Wellen tauchte und unter den weißen Schaumkronen ritt, ihm einen Adrenalinstoß nach dem anderen und gleichzeitig ein Gefühl der absoluten Entspannung gegeben hatte. Es hatte gegen alles gewirkt. Wut, Zorn, Trauer, Verzweiflung, Angst – als ob das Wasser, das über seinen Körper spülte, alles hinfortwaschen und im Ozean verschwinden lassen würde. Nachdem er Mie hinter sich gelassen hatte, war er ruhiger geworden, hatte sich selbst nicht mehr so ernst genommen und das Leben schon gar nicht. Es hatte so gut gewirkt, dass er sich vielleicht ab und an aufregte – mit Vorliebe über seine geliebten Bandkollegen – aber er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wann er das letzte Mal so wütend oder verletzt gewesen war, dass es ihm seine ganze Selbstbeherrschung abverlangte, nicht wie eine entsicherte Handgranate zu explodieren. In Tokyo konnte man nicht surfen. Schon gar nicht im März. Es war eine knappe Woche her, seitdem er das Gespräch von Kai und Uruha belauscht hatte. Vor einer Woche war er sich noch sicher gewesen, dass keiner von beiden die nächsten Tage überleben würde – zumindest nicht ohne schwere innere Verletzungen. Doch Rache ließ sich sehr schwer verüben, wenn er keinen der beiden zu Gesicht bekam, ohne dass nicht immer mindestens ein anderes Bandmitglied, ein Staff oder eine öffentliche Menschenmasse in unmittelbarer Nähe waren. Und er war sich sicher, dass der Tontechniker nicht in Begeisterungstürme ausbrechen würde, wenn er Uruha in seinen heiligen Hallen mit einem Verstärkerkabel strangulierte. Ebenso wenig wie die Leute in der U-Bahn. Er konnte nicht mal sagen, dass sie ihn absichtlich mieden, auch wenn ein kleiner Teil in ihm paranoid genug war, zu glauben, dass sie merkten, dass er es wusste. Kai hetzte wegen den Vorbereitungen der Willkommensfeier der neuen Bands von einem Termin zum anderen, vor allem, seitdem beschlossen worden war, die Presse zur Feier einzuladen. Uruha war die ersten Tage wie ein verschrecktes Reh von einer Ecke zur anderen gehuscht, hatte sich in jeder freien Minute im PSC-Gebäude rumgedrückt, um nach Kazuki Ausschau zu halten, bis ihm die Dame an der Rezeption mit einem mitleidigen Blick einen Tee in die Hand gedrückt und versprochen hatte, ihn anzurufen, wenn sie den rothaarigen Gitarristen sehen sollte. Danach war er dazu übergegangen, seine Unruhe zu überspielen, indem er seine Trinkbrüderschaft mit Miyavi neu aufleben ließ und so gut gelaunt wirkte, dass selbst ein Blinder sehen konnte, dass er alles andere als ok war. Auch Aoi hatte für einen kurzen Moment die Strategie verfolgt, seine Frustration einfach wegzutrinken, aber nachdem er am Morgen nach diesem äußerst zweifelhaften Selbstversuch vollständig bekleidet in einer mit leeren Bierdosen gefüllten Badewanne aufgewacht war, den Duschkopf im Hosenbein, die ausgeleerte Shampooflasche unter dem T-Shirt und deren glitschigen Inhalt in seinen Haaren, war er zu der Erkenntnis gekommen, dass er ein viel zu schlechter Trinker war, um damit dauerhaft irgendetwas zu lösen. Auf Aois Frage hin, warum Kazuki ausgezogen sei, hatte Uruha lediglich zugegeben, dass sie einen Streit gehabt hatten, mehr nicht. Aoi glaubte ihm keine Sekunde, dass dies die volle Wahrheit war, aber was er deutlich spürte, war, dass sowohl Uruha als auch Kai davon überzeugt waren, dass Kazuki genug Einfluss hatte, sie einiges zu kosten. Doch es geschah nichts. Kein Telefonanruf, kein unangenehmer Termin mit der Chefetage, noch nicht einmal ein scharfer Blick auf dem Flur von ihrer Managerin, die freundlich wie immer grüßte, ehe sie mit einem großen Kaffee Latte in ihrem Büro verschwand. Und nachdem Kai den zweiten Termin mit ihr wegen Absprachen zur Party gehabt hatte, ohne dass sie auch nur ein Wort über Kazuki verlor, hatte der Leader die vorsichtige Vermutung geäußert, dass sie glimpflich davonkommen würden. Aoi war sich nicht sicher, was er denken sollte. Kazuki war bei Uruha eingezogen, damit dieser seinen Freund spielte. Was auch immer geschehen war, es musste schwerwiegend genug gewesen sein, dass er seinen Koffer gepackt und ihn mitten in der Nacht verlassen hatte. Und hatte Kai nicht erzählt, er wäre mit verheulten Augen zum Management gelaufen? Je mehr Aoi darüber nachgrübelte, umso weniger konnte er sich einen Reim darauf machen, dass sie nicht schon längst ihren Vertrag verloren hatten und auf der Straße saßen. Nur über eines war er sich relativ sicher: Es musste Uruhas Schuld sein. Die Panik in seinen Augen, als Kai ihn damit konfrontiert hatte, war echt gewesen. Irgendwann war Aoi der schlaue Gedanke gekommen, Reita, der seine Freizeit öfter mit Manabu verbrachte (vollkommen harmlos, wie er etwas zu häufig betonte) und immer über den neusten bandinternen Klatsch informiert war, zu fragen, ob er etwas von Kazuki gehört habe. Nachdem dieser lediglich verwundert eine Augenbraue gehoben und gefragt hatte, ob Uruha das nicht besser wissen sollte, wo er doch mit ihm zusammenwohne, hatte sich langsam die Vermutung in seinen Kopf geschlichen, dass sie vielleicht die einzigen waren, die wussten, dass Kazuki Uruhas Wohnung verlassen hatte. Er hatte innerlich der Tatsache gedankt, dass Reita nicht zu den Personen gehörte, die 1 und 1 schnell zusammenzählten, und es nach einigem Überlegen Kai und Uruha berichtet. Er hatte ihnen angesehen, dass sie ebenso verblüfft waren wie er selbst. »Vor der Party kann er sich nicht drücken…«, waren Uruhas einzige Worte gewesen, bevor er sich mit drei Flaschen Wein in der Tasche auf den Weg zu Miyavi gemacht hatte. Aoi wusste nicht, ob er verärgert oder erleichtert sein sollte, wieder eine Nacht allein zu verbringen. Einerseits war es schwer genug, Kai und Uruha auch nur anzusehen, ohne dass bei jedem Herzschlag das Wort ›Verrat‹ durch seinen Körper zuckte – andererseits linderte es nicht gerade den Schmerz, den er jedes Mal spürte, wenn er daran dachte, dass sie ihn verstoßen könnten. Er merkte, wie er innerlich versuchte, sich zu distanzieren, zu üben, dass ihn ihre Reaktionen kalt ließen. Und irgendwann konnte er nicht mehr zuordnen, ob sie ihn abwiesen, oder er sie. ~*~ Es war am Tag der Party, als Aoi den Entschluss fasste, dass heute etwas passieren musste. Es war schon nachmittags, als er im PSC Gebäude eintraf, wo sie später von Vans eingesammelt und in das Hotel gebracht werden würden, wo die Feier stattfinden würde. Vorsichtig zupfte er seine Haare zurecht und warf seinem Spiegelbild einen kritischen Blick zu. Sein sorgsam ausgewähltes Outfit bestand aus einem schwarzen Anzug und einem schwarzen Hemd mit dezenten roten Nadelstreifen, die im Licht leicht schimmerten. Eine silberne Kette, deren Anhänger in der kleinen Kuhle auf seinem Brustkorb ruhte, schmiegte sich um seinen Hals, und an seinem Ohr baumelte ein keltisches Kreuz. Das teure Material des Anzugs, den er sich vor Ewigkeiten in einem Anflug von Shopping-Wahn gekauft, aber so gut wie nie getragen hatte, warf dekorative Falten, spannte sich elegant über seine Schultern und wurde auf seinem Bauch von zwei antik anmutenden Knöpfen zusammengehalten. Unter dem Kragen lugte der Stoff seines Hemds hervor, das er so weit geöffnet hatte, dass man seinen wohldefinierten Oberkörper erahnen konnte. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, eine Krawatte zu tragen, sich jedoch letztendlich für einen dünnen Schal entschieden, der locker um seinen Hals drapiert war. Er grinste, als er sich eine schwarze Brosche in der Form einer Tarantel ans Revers steckte, seine silbernen Manschettenknöpfe befestigte und in seine schwarzen Halbschuhe in Reptiloptik schlüpfte. Er fühlte sich, als wäre er aus dem Werbeplakat eines Edel-Host-Clubs gesprungen – und es gefiel ihm außerordentlich. Sein Plan war einfach. Wenn er etwas herausfinden wollte, musste er den schwächsten Punkt angreifen – und von Kai und Uruha war dies ohne Zweifel Uruha. Er würde ihn betrunken machen, umschmeicheln und notfalls mit seinem Körper verführen, bis er auch die letzte Information ausgespuckt hatte. Aoi stockte in seiner Bewegung und ein trockener Klos formte sich in seiner Kehle, als ihm klar wurde, was er soeben gedacht hatte. Er liebte Sex mit Uruha. Warum fühlte es sich gerade so an, als würde er es lediglich als Notlösung in Betracht ziehen? »Bist du bald fertig?« Reitas Kopf erschien in der Tür der Garderobe und Aoi musste grinsen, als er sah, dass der andere in dem silbernen Anzug steckte, den Ruki für ihn angeschleppt und gegen den er sich die letzten Tage mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Fast bedauerte Aoi es ein wenig, dass sein Vorschlag, aus der Feier eine Kostümparty zu machen, abgeschmettert worden war. Er hätte Reita zu gern noch einmal in seinem Rentierkostüm mit Schlitten gesehen. Doch dieses war seit seinem denkwürdigen Auftritt auf der vorletzten Weihnachtsfeier unter mysteriösen Umständen verschwunden. »Ruki wartet in der Tiefgarage mit dem Wagen auf uns«, fuhr Reita fort und wedelte die Nasenbinde um seinen Finger, ehe er sie in seine Anzugtasche stopfte, froh, dass er sie erst zum offiziellen Teil der Party tragen musste. »Wir sollen ihm beim Einräumen helfen.« »Ich weiß überhaupt nicht, was das soll, vorher noch eine Überraschungsparty, wenn wir eh schon eine Party machen«, murmelte Aoi und griff nach seiner Tasche, um dem Bassisten zu folgen, deutlich missgelaunt darüber, dass Kai ihnen diesen Teil der Planung erst vor einer guten halben Stunde eröffnet hatte. »Reg dich nicht auf, es gibt Alkohol!«, antwortete Reita und wippte mit den Augenbrauen, ehe er aus der Tür verschwand und in Richtung Aufzug sprintete. Aoi warf seinem Spiegelbild einen letzten anerkennenden Blick zu – wenn er nicht er selbst wäre, würde er sich in diesem Aufzug sowas von aufreißen! –, dann folgte er ihm, grüßte Saga, der mit einem Kleidersack über der Schulter in Richtung der Bandräume spazierte, und pilgerte zu den Toiletten, um sich die vom Haargel klebrigen Hände zu waschen. Er sah auf, als nur wenige Momente später Uruha den kleinen Raum betrat. »Hey«, murmelte der größere Gitarrist und schmiegte sich von hinten an Aoi, die Hände um seine Taille gelegt und seinen Kopf auf seiner Schulter. »Du siehst sexy aus!« »Und du siehst aus, als würde Kai gleich mit dir schimpfen, weil du noch nicht in deinem Anzug steckst!«, antwortete Aoi und musterte seinen Freund, dessen weißes Hemd anstatt in einer Anzughose zu stecken über eine löchrige Jeans fiel. Nur seine Haare waren schon gestylt und um seinen Hals und seine Handgelenke hing der teure Schmuck, den er sonst immer nur bei Lives trug. »Muss vorher noch was erledigen«, sagte Uruha und schielte auf sein Handy, ehe er es zurück in seine Hosentasche steckte. »Hab Miyavi versprochen, ihm bei was zu helfen. Ich bin seine Rufbereitschaft. Großes Geheimnis!« Er grinste und zupfte ein paar Papierhandtücher aus dem Spender, um sie Aoi, welcher ihn mit hochgezogener Augenbraue musterte, in die nassen Hände zu drücken. »Rufbereitschaft für irgendeinen idiotischen Plan, den ihr euch im Alkohol-Delirium ausgedacht habt?«, fragte er, doch Uruha überhörte die Spitze geflissentlich und drückte ihm stattdessen einen Kuss auf die Wange. »Ich wollte dich nur vorwarnen, wenn du mich suchen solltest«, antwortete er und verstärkte den Druck seiner Umarmung für ein paar Sekunden, so dass Aoi ganz heiß wurde, ehe er sich von ihm löste und die Toilettenräume verließt. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Aoi sich wieder bewegen konnte. Mit glasigem Blick ließ er die Papiertücher in den Mülleimer fallen und stützte die Handflächen auf den kühlen Marmor des Waschbeckens, ehe er tief ein- und ausatmete, jeden Atemzug mit seinem ganzen Körper spürend, um die Wellen zu beruhigen, die bei Uruhas Berührung in ihm aufgeschlagen waren. Er konnte das nicht. Er konnte nicht behaupten, es wäre alles in Ordnung, konnte sich nicht so verhalten, als hätte er nicht gehört, was sie besprochen haben. Oh ja, er hatte darüber nachgedacht, hatte sich vorgestellt, wie er die Erinnerungen einfach aus seinem Kopf verdrängen und weiterleben würde, als sei nichts geschehen. In Gedanken war er ihnen einfach nicht gefolgt, war in die andere Richtung des Gangs abgebogen, hatte nichts durch die Glastür gehört. Oh, die Verlockung war groß, gerade in diesem Moment, in dem Uruhas Wärme all seine Sinneszellen flutete, wie ein Echo in ihm nachklang und ihn erschaudern ließ, als hätten sich die starken Arme nie von ihm gelöst. Er hasste sich dafür, dass er sie nicht mehr so arglos genießen konnte wie noch vor ein paar Tagen, wenn gleichzeitig jede Faser in ihm danach schrie, genau dies zu tun, ihm zu vertrauen, weil Uruha ihn niemals hintergehen würde. Seine Wange brannte an der Stelle, an der Uruhas Lippen sie berührt hatten. Er hätte sich das Gefühl am liebsten aus seinem Herzen geschnitten, denn es war so klar und präsent, dass er es nicht ignorieren konnte. Das Geräusch der Tür ließ ihn aufschrecken und hastig ein Lächeln auf sein Gesicht zwingen, als er Kaggras Nao sah, der stutzte, als er sein blasses Gesicht sah. »Alles ok?«, fragte er besorgt, doch Aoi winkte nur ab und nickte. »Gestern zu lang gefeiert«, gab er die Antwort, von der er wusste, dass sie von allen Mitgliedern der PS Company kommentarlos akzeptiert werden würde. Und tatsächlich, Nao grinste nur und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er um die Ecke des Waschraums zu den Toiletten verschwand. Aoi warf seinem Spiegelbild einen letzten Blick zu, seinen müden Augen, die von den ganzen Sorgen einfach genug hatten, dann spritzte er sich ein paar Wassertropfen ins Gesicht und straffte die Schultern. Er war Aoi! Er würde nicht so einfach einbrechen! ~*~ Die Autofahrt zum Hotel war alles andere als schön. Ruki und Reita, die neben ihm auf dem Rücksitz saßen und davon überzeugt waren, dass es niemandem auffiel, dass Rukis Hand schon seit einer ganzen Weile hinter Reita in dessen Hose verschwunden war und dieser ab und an unterdrückte Töne von sich gab, waren noch das geringste Problem. Aoi hatte keine Ahnung, was er verpasst hatte, aber Kais Laune war auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Der sonst so ruhige Leader hatte das Steuer so fest umfasst, dass seine Knöchel weiß hervortraten, die Augen zu zwei schmalen Schlitzen zusammengekniffen, und schimpfte zwischen zusammengebissenen Zähnen auf Miyavi und mit welchen Foltermethoden er ihn umzubringen gedachte. Ab und an warf er Uruha einen tödlichen Blick zu, der demonstrativ desinteressiert aus dem Fenster starrte. Alles in allem trug nicht viel dazu bei, dass Aoi sich auf die nächsten Stunden freute. Auch als das Rätsel wenig später endlich gelöst wurde, ein verärgerter Saga mit einer Konfettistaubwolke aus dem Festsaal verschwand, nachdem er ihre Überraschung für die fehlenden SuG-Mitglieder ruiniert hatte, und endlich jemand Aoi darüber aufklärte, dass das ganze Theater, das völlig an ihm vorbeigegangen war, der selbe Plan war, von dem Uruha ihm noch vor wenigen Stunden erzählt hatte, trug es nicht sonderlich zur Verbesserung seiner Laune bei. Alkohol-Delirium, er hatte es doch gleich gewusst! Bei Uruha überraschte es ihn kein Stück, aber dass auch Kai davon gewusst hatte (auch wenn er nicht einverstanden gewesen war) wunderte ihn doch gewaltig. Und nun war Kai verschwunden, um sich um die bewusstlosen Bandmember und Saga zu kümmern; Uruha war in Richtung Alkohol gewandert, um sich – wie er es ausdrückte – zu beruhigen, und Aoi stand verloren mit einem albernen Partyhut auf dem Kopf und einem Bowleglas in der Hand zwischen seinen lachenden und schwatzenden Kollegen. Er beäugte das Glas in seiner Hand mit einem skeptischen Blick, den Morgen in seiner Badewanne noch sehr bildhaft vor Augen. Die kleingehackten roten und gelben Früchte schwammen träge in der quietschpinken Flüssigkeit umher und irgendwo in seinem Hinterkopf hörte er Naos Stimme, der ihnen vor wenigen Minuten eine Predigt darüber gehalten hatte, dass der Alkohol nur zum Anstoßen gedacht sei und nach dem offiziellen Teil der Feier mit Presse und Management noch genügend Zeit wäre, sich ausgiebig zu betrinken. Aoi zog diese Option ganze zehn Sekunden lang in Betracht, dann kippte er das Glas mit einem Zug hinunter. Der Alkohol brannte seine Kehle hinunter und heizte ihm für einen kurzen Moment ordentlich ein, bevor er erleichtert aufseufzte und das Prickeln genoss, dass von seiner Kehle aus seinen ganzen Körper zu durchfluten schien. Er merkte, wie ihm ein klein wenig schwummrig wurde, als er sich auf den Weg zum Bowle-Eimer machte, aber nachdem er das zweite Glas hinuntergestürzt hatte, störte es ihn schon gar nicht mehr. Er warf einen Blick in die Menge, doch niemand hatte gemerkt, dass er sich nicht wirklich an die Regeln hielt. In diesem Augenblick war ihm egal, was später auf der offiziellen Party passieren sollte. Er hatte ein Pfefferminz in der Tasche, das sollte die auffälligsten Anzeichen vertuschen können. In der nächsten Stunde schaffte er es, noch drei weitere Gläser zu trinken. Er hatte sich auf einem Stuhl neben der Klimaanlage niedergelassen und genoss die abwechselnd kühlen und warmen Windstöße in seinem Nacken, während er wie durch eine Brille aus Milchglas das Geschehen um sich herum beobachtete. Irgendwann waren die restlichen SuG-Mitglieder erschienen (zumindest glaubte er dies, er konnte sie noch immer nicht auseinanderhalten) und auch Saga tauchte wieder auf, nur um sofort von Hiroto und Uruha in Beschlag genommen zu werden, die sich ab diesem Moment nicht mehr von seiner Seite lösten. Aoi schnaubte leise, als er aus dem Augenwinkel Kazuki in einer Ecke bei seinen Bandmitgliedern sah, verstärkt durch Reita und Ruki, die sich viel zu schnell mit den Neuen angefreundet hatten. Einen kurzen Moment überlegte Aoi, ob er hingehen und versuchen sollte, herauszufinden, was wirklich zwischen ihm und Uruha vorgefallen war. Doch die bunten Früchte in der quietschpinken Flüssigkeit waren viel zu verlockend, um sich von ihnen loszulösen. Und wenn er ehrlich war – Herrgott noch mal, er hatte keine Lust mehr auf den ganzen Mist! Er wollte nichts wissen, denn jedes Mal, wenn er mehr erfuhr, schien es noch viel schlimmer zu werden! Er wollte hier sitzen, sich selbst bemitleiden und betrinken, wie es jeder vernünftige Mensch tat, der mit dem Gefühl kämpfte, dass innerhalb der nächsten Tage sein gesamtes Leben zusammenbrechen könnte. Denn ja, Uruha und Kai waren sein Leben! »Fuck you!«, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen, als er sah, wie Uruha Kazuki entdeckte, der bis jetzt recht verdeckt hinter den anderen gestanden hatte. Er wusste nicht genau, ob er einen von den beiden oder sich selbst meinte, denn in diesem Augenblick fiel ihm plötzlich wieder ein, dass er eigentlich Uruha hatte betrunken machen wollen, nicht sich selbst. Mit grimmigem Gesichtsausdruck beobachtete er, wie Uruha Kazuki am Arm fasste und ihn aus dem Raum auf den Flur zog, um sich abseits der anderen mit ihm unterhalten zu können. Kazuki versuchte sich zu lösen, den Blick auf den Boden gerichtet, doch für Aois Geschmack wehrte er sich viel zu wenig. War das sein Plan? Uruha dazu zu bringen, sich bei ihm zu entschuldigen, für was auch immer vorgefallen war? Dann hatte er die Rechnung ohne Aoi gemacht! Aoi wusste nicht genau, ob es die angestaute Wut der letzten Wochen oder einfach nur der Alkohol war, der ihn plötzlich dazu bewegte, aufzustehen und den beiden hinterherzulaufen. Er rannte beinahe Nao um, der mit einem überraschten Laut in Toras Arme taumelte und ihm einen seltsamen Blick zuwarf, doch er nahm es nicht einmal wahr, bis er schließlich bei Uruha und Kazuki angekommen war und den rothaarigen Gitarristen an der Schulter packte. Kazuki brach mitten im Satz ab und starrte ihn verstört an, ehe er zurückstolperte, als Aoi ihm einen groben Stoß gab. »Zieh Leine!«, fuhr er den Jüngeren an und trat zwischen ihn und Uruha, die Arme demonstrativ vor seiner Brust verschränkt. »Aoi, was zum Teufel-«, begann Uruha, doch Aoi ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich hab keine Ahnung, was du dir einbildest, aber lass die Finger von Uruha!«, zischte er und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, sich überhaupt nicht bewusst, wie verräterisch seine Worte klangen. Kazuki weitete erstaunt und auch ein wenig erschrocken die Augen, ehe sein Blick über Aois Schulter zu Uruha schnellte. »Aoi, ich weiß nicht, worauf du anspielst, aber ich-«, begann er sich zu verteidigen, verstummte jedoch, als Aoi ein zorniges Schnauben von sich gab. Er wollte das aufmüpfige Balg zusammenstauchen, ihm gehörig die Meinung geigen, dass er sich aus seinen Angelegenheiten rauszuhalten hatte – und ja, Uruha WAR seine Angelegenheit! – und danach würde er ihm sehr freundlich ans Herz legen, sich gefälligst eine andere Company zu suchen. »Aoi!«, hörte er Uruhas Stimme, die deutlich verärgerter klang als noch vor ein paar Momenten, doch er stieß den Arm, der ihn zur Seite schieben wollte, einfach weg. Er war wütend, so wütend, wie schon lange nicht mehr. Normalerweise gehörte er nicht zu den Leuten, die anderen einfach ihre Meinung sagten, und es war ihm sehr peinlich, wie enthemmt er sich unter Alkoholeinfluss verhalten konnte, aber die Worte wühlten sich so unaufhaltsam durch ihn hindurch, dass er den bunten Früchten und der pinken Flüssigkeit am liebsten einen Dankesgruß geschrieben hätte, dass sie ihm endlich den Mut gaben, sie auszusprechen. »Du denkst vielleicht«, begann er, »nur weil du reich bist, kannst du dir alles kaufen? Eine Band, einen Vertrag? Lass mich etwas für dich klarstellen, was du vielleicht noch nicht wusstest: Es gibt Leuten, denen es egal ist, dass du mit Geld um dich schmeißt! Du kannst nicht einfach in unser Leben platzen und dir nehmen, was du willst! Das lasse ich nicht zu! Ich lasse nicht zu, dass du uns erpresst, mit uns spielst und uns kaputt machst! Du dachtest wohl, wenn du dir Uruha kaufst und ihn zwingst, dein Freund zu sein, wird er sich in dich verlieben? Falsch gedacht, du nervst ihn, du nervst uns alle! Verschwinde einfach und lass dich von deinen Freunden trösten – wenn es überhaupt jemanden in deinem Leben gibt, den du dir nicht gekauft hast!« Aoi holte tief Luft und ballte seine Hände, die aus irgendeinem Grund zu zittern begonnen hatten. Der Alkohol wirbelte noch immer die Gedanken in seinem Kopf durcheinander, doch selbst durch seine Milchglasbrille hindurch konnte er sehen, dass Kazuki zur Salzsäule erstarrt war und ihn mit einem so schockierten Blick anstarrte, wie er ihn noch nie zuvor von einem Menschen gesehen hatte. Sein Mund stand offen, seine Augen waren unnatürlich geweitet und seine Hände suchten Halt an der Flurwand, an die er bei Aois Worten zurückgewichen war. Aoi sah, wie der Jüngere leicht zitterte, und als er die klare Flüssigkeit in dessen Augen bemerkte, wendete er den Blick ab. Unter normalen Umständen hätte er nun Mitleid bekommen. Doch er wollte nicht hinsehen. Kazuki war an allem schuld! »Aoi, hast du den Verstand verloren!«, holte ihn Uruhas aufgebrachte Stimme wieder in die Realität zurück, und als er aufsah, sah er das wutverzerrte Gesicht seines Freundes, ehe ihn dieser an den Schultern packte und rüttelte. »Bist du betrunken? Bekommst du überhaupt noch mit, was du von dir gibst?! Du bist wohl nicht mehr ganz dicht, ihm sowas zu sagen! Lass ihn in Ruhe und entschuldige dich!« Aois Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen und er schubste Uruha von sich. Wie konnte er es wagen, sich auf Kazukis Seite zu stellen? Er würde den Teufel tun, und sich entschuldigen! Doch Uruha ließ sich nicht abschütteln. Er packte Aoi an beiden Handgelenken und zerrte ihn mit sich hinfort, nur ein paar Meter, doch weiter genug, dass Kazuki sie nicht mehr hören konnte. Sein Blick war drohend und gefährlich, als er Aoi gegen die Wand stieß und sein Gesicht ergriff, so dass er ihn ansehen musste. »Du wirst dir jetzt auf der Stelle einen kalten Waschlappen ins Gesicht klatschen und dich eine halbe Stunde hinlegen, verstanden?«, zischte er so schneidend, dass Aoi zusammenzuckte. Der Alkohol machte ihn übermütig und wollte ihn protestieren lassen, doch Uruha schnitt ihm das Wort im Mund ab. »Hast du eigentlich eine Ahnung, was du vielleicht gerade angerichtet hast?! Kazuki hat uns das letzte Mal nicht verraten – Gott weiß warum! Er hätte es machen und uns alle feuern lassen können! Was denkst du dir eigentlich dabei, ihm sowas ins Gesicht zu sagen?! Denkst du allen Ernstes, das würde irgendwas bringen?« Seine Stimme war so eindringlich, dass Aoi erschauderte, doch der Inhalt der Worte drang nicht wirklich in sein Gehirn durch. »Du willst mich für ihn verlassen, oder?«, stieß er erstickt hervor und biss sich auf die Unterlippe, als plötzlich ein Schwall von Emotionen in ihm aufkochte, wie es nur geschah, wenn er sich vollkommen abgeschossen hatte. Verdammt, was hatte er sich eigentlich dabei gedacht, sich von den bunten Früchten so verführen zu lassen?! Er wollte nicht wie ein wehleidiges, eifersüchtiges Mädchen wirken, das ihrem Freund eine Szene machte – doch genau das tat er in diesem Augenblick. Uruhas Blick wurde mit einem Mal weich und er warf einen kurzen Blick zu Kazuki, ehe er Aoi in seine Arme zog und dessen Kopf an seine Brust drückte. »Aoi, ich liebe dich, nicht ihn, dich!«, flüsterte er leise und hielt Aoi so eng, dass dieser glaubte, jeden Moment sterben zu müssen. »Ich verlasse dich nicht, niemals! Vertrau mir einfach, bitte…« Die Wellen des Schams, die durch Aois Körper schwappten, waren beinahe nicht mehr zu ertragen. Er fühlte sich so unglaublich dumm, so kindisch, dass er auch nur für einen Augenblick an Uruha gezweifelt hatte. Er wusste, dass er ihm vertrauen konnte, dass Uruha ihn nie hintergehen würde. Und doch reichte es nicht aus, die Zweifel zu beseitigen, die sich in seinem Herzen eingenistet hatten und heimtückisch darauf lauerten, ihn an den Füßen zu packen und zu Fall zu bringen. »Lass mich bitte«, brachte er schließlich heraus und schob Uruha von sich. Er bereute die Worte, sobald er den verletzten Ausdruck auf dem Gesicht des anderen sah, doch er konnte sie nicht mehr zurücknehmen. Zärtlich strich er mit der Hand über Uruhas Gesicht, hoffend, dass es etwas die Schärfe seiner Aussage lindern würde, und tatsächlich nickte Uruha nach einigen Sekunden. »Ich ruf dich morgen an, ok?«, sagte er nur und brachte ein kleines Lächeln zustande, als Aoi nickte, bevor er sich zu Kazuki umdrehte, der alles aus einiger Entfernung beobachtet hatte. Aoi biss die Zähne zusammen, als Uruha den Arm um Kazuki legte und mit ihm den Gang hinunterging, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwanden. Uruha würde sich wohl einiges einfallen lassen müssen, um den jungen Gitarristen zu besänftigen. Doch obwohl Aoi wusste, was er soeben offenbart hatte und dass er vermutlich daran schuld sein würde, wenn sie nun alles verlieren würden, bereute er es nicht. Sollte Kazuki ruhig wissen, dass Uruha jemand anderem gehörte und er keine Chance bei ihm hatte! Er hatte nichts anderes getan, als sein Revier zu markieren, und ein nicht unbeträchtlicher Teil von ihm war stolz darauf, dass er sich nicht länger von Kazukis Erpressung unterkriegen ließ. »Alles ok hier?«, holte ihn mit einem Mal eine Stimme aus seinen Gedanken zurück, und als er sich umdrehte, sah er Nao, der den Kopf durch die Tür steckte und Aoi misstrauisch musterte. »Hast du etwa zu viel getrunken?« Sein scharfer Blick hatte Aoi innerhalb von Sekunden durchschaut, und dieser versuchte nicht mal, es zu leugnen. Der Alice Nine Leader seufzte tief und tätschelte ihm die Schulter, bevor er ihn mit leichtem Kopfschütteln zurück in den Raum führte, dessen laute Musik, die wie ein Feuerwerk in Aois Ohren explodierte, diesem erst wirklich klar machte, WIE betrunken er wirklich war. »Das kriegen wir wieder hin«, sagte Nao und holte ein paar Tabletten aus seiner Tasche. »Waschraum, frische Luft – komm mit!« Aoi ließ sich willenlos mitziehen, fasziniert davon, dass der bunte Trubel noch immer genauso war wie zu dem Zeitpunkt, als er den Raum verlassen hatte. Es hatte niemand bemerkt, dass sie verschwunden waren. Alle waren da, feierten, lachten, scherzten; niemand fehlte bis auf … »Kai.« Nao hielt inne und sah ihn fragend an. »Was?« »Kai!« Aoi war mit einem Mal furchtbar aufgeregt, und er konnte nicht sagen, woher dieser Zustand kam. Aber der Gedanke, der fast zeitgleich in seinem Kopf auftauchte, war so genial, dass er sich wunderte, dass er ihm erst jetzt kam. »Du hast doch Kais Zweitschlüssel, oder? Den Schlüssel zu seinem Apartment?« Nao sah ihn skeptisch an, nicht wirklich davon überzeugt, dass Aoi in seinem betrunkenen Zustand wusste, wovon er redete. Doch er nickte. »Gib ihn mir! Es handelt sich um einen Notfall!« tbc. ****************** Tada! XD Das war das Kapitel, vor dem ich mich so lange gedrückt hatte, da ich die ganzen Stellen aus Party Time heraussuchen musste, die etwas mit der Party zu tun hatten. Wir befinden uns gerade ca. in der Hälfte der FF, wenn ich das richtig kalkuliere. Langsam wird es dramatisch, oder? Btw, wenn ihr wissen wollt, welche Lieder mich diesmal begleitet haben. So fühlt sich Aoi gerade die meiste Zeit: http://youtu.be/DjKs9lFkbGc So fühlt er sich bei der Party: http://www.youtube.com/watch?v=iPcadWYSCsM+ Und so, wenn er um Uru kämpft: http://www.youtube.com/watch?v=rFZgxcfsHrs Ich muss einfach mal loswerden, dass ich diese drei Lieder LIEBE LIEBE LIEBE. Besonders Warrior höre ich in Dauerschleife. Ja, ich bin auch K-Pop Fan XD Und noch etwas: diese Bowle gibt es wirklich! Meine Freundin Pinky hat sie erfunden. Oh, hat sie uns an einem Silvester damit abgeschossen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)