Wanderlust von _Delacroix_ ================================================================================ Morvant ------- Das Lachen der Mädchen erfüllte die Luft, während Anthony Morvant sich wohl zum siebenten Mal in Folge die Frage stellte, wie er mitten im Wald den letzten Hering so tief in den Boden treiben sollte, dass das schlichte Zelt, das er in seinem Rucksack gehabt hatte, auch über Nacht stehen blieb. Es war beinahe als hätte dieser Wald sich vorgenommen ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen. Trockenes Holz schien eine Mangelware zu sein, obwohl die Wege staubtrocken waren und deutlich zeigten, dass es seit Tagen nicht geregnet hatte. Ein Feuer hatte sich erst entzünden lassen, als Robin die Hand auf den eher kläglichen Haufen Brennholz gelegt hatte und mit seltsam verzerrter Stimme das Wort „φωτιά” geflüstert hatte. Was sie genau gemacht hatte, damit das funktionierte, vermochte Morvant nicht zu sagen, aber es hatte funktioniert und dafür gesorgt, dass Donna einen Quietschanfall bekommen hatte. „Du kannst ja zaubern!“ hatte sie erstaunt festgestellt und beinahe im gleichen Atemzug begonnen Robin über irgendwelche Liebestränke auszufragen. Konnte sie welche herstellen? Konnte sie dafür sorgen, dass die süßen Jungen aus der Apollohütte sie beachteten? Dauerte so ein Trank lange? Weil die süßen Jungen in der Apollokabine gerade im Sommer immer die perfekte Bräunung hatten - An dieser Stelle hatte Morvant sich aus dem Gespräch verabschiedet. Er wollte nicht wissen was mit der Bräunung der Söhne des Apollo war, aber es freute ihn, dass die Mädchen scheinbar endlich einen Draht zueinander gefunden hatten. Das machte es sicher leichter ihnen zu erklären, dass sie ihren Wanderausflug am nächsten Morgen fortsetzen würden. Weiter bergauf. Immer auf der Suche nach den verschwundenen Wanderern und dem Wesen, das dafür im schlimmsten Falle verantwortlich war. Nach dem Wesen von dem er bislang noch keine Spur hatte finden können. Kein umgestürzter Baum. Kein Pfotenabdruck auf dem staubigen Weg. Nicht Mal ein Geräusch verriet, dass er hier irgendwo sein mochte. Nichts. Vielleicht suchte er auch nicht richtig. Wenn Morvant ehrlich war, musste er zugeben, dass er keine Ahnung hatte, was für Spuren sein Ziel wohl hinterlassen mochte. Worauf galt es bei der Jagd zu achten? Der Junge kramte in seinem Kopf, aber mehr als eine Folge einer dummen Sitcom kam ihm zum Thema Jagd nicht in den Sinn. Und ehrlich, wie nah mochte eine TV-Sendung an der Realität sein, in der sich der Protagonist selbst mit Schrot in den Hintern schoss, anstatt wie geplant den Truthahn zu erlegen? Mit voller Wut hämmerte er auf den letzten der Heringe ein, bis er einigermaßen im Boden steckte und musterte dann sein Werk. Das schlichte, tarnfarbengrüne Zelt stand - ziemlich windschief - neben einem Baum dessen Art er nicht näher bestimmen konnte. Vielleicht war es eine Tanne. Alles mit Nadeln war doch eine Tanne, oder? Die Schnüre waren straff gespannt, aber die Heringe steckten im Boden. Das war gut, glaubte er. Clarisse hatte ihm gesagt, dass Heringe im Boden stecken sollten. Nur das es so eine Tortur werden würde sie zwischen das Wurzelwerk zu treiben, das hatte seine Halbschwester ihm prompt verschwiegen als er sie gefragt hatte, ob er sich das Ding ausleihen konnte. Zufrieden wischte der Junge sich den Schweiß von der Stirn und wollte gerade den Mund öffnen um die Mädchen auf sein Meisterwerk der Zeltbaukunst aufmerksam zu machen, als ein röhrendes Geräusch ihn innehalten ließ. Erst leise und dann immer lauter wurde es und sorgte sogar dafür, dass die Mädchen zu schnattern aufhörten und ihn irritiert ansahen. „Was-“, begann Robin, aber sie kam nicht dazu die Frage zu Ende zu stellen, denn genau in diesem Moment brach etwas aus dem Gebüsch. Riesig, schwarz-rot und quietschend krachte es auf die Zeltplane, ließ Schnüre und Zelt reißen und riss die mühsam in den Boden gehämmerten Heringe wieder aus ihrer Verankerung. „Verfluchte Scheiße! Welcher Sohn eines Hundes hat dieses Ding hier hingestellt?“, grollte es, bevor ein weiteres Mal Plane riss und Morvant die größte Harley Davidson anstarrte, die er je gesehen hatte. Der Benzintank war mit Flammen bemalt, an den Seiten hingen Holster mit Pistolen und der Sitz war aus hellem Leder, das beinahe die Farbe von Anthonys Arm hatte. Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Schwarze Bikerstiefel fanden ihren Weg auf den Boden. Ein rotes Muskelshirt stach Anthony ins Auge, gefolgt von schwarzen Jeans, einem schwarzen Mantel und einem Jagdmesser mit einer Klinge von mindestens zwanzig Zentimetern Länge. Eine rot getönte Sonnenbrille blitzte im schwachen Licht des Waldes obwohl es unter den komischen, großen Bäumen ganz und gar nicht sonnig war und ein Baseballschläger bewegte sich bedrohlich in seiner Hand auf und ab. Ein heißer Wind fegte über Anthony hinweg, während er stumm geradeaus starrte. „Also?“, erklang die Stimme des Bikers erneut und die Mädchen hatten nichts besseres zu tun, als eingeschüchtert auf ihn zu zeigen. Verräterinnen! Nicht wirklich begeistert hob er die Hand, aber es wäre wohl gar nicht nötig gewesen, sich zu melden, denn der Neuankömmling sah ihn noch nicht einmal an. „Natürlich, Anthony“, redete er trotzdem weiter und schüttelte den Kopf, als hätte er mit dem Zeltbau etwas wirklich Dummes getan. „Ist dir klar, dass Eris so wütend auf dich ist, dass sie den trojanischen Krieg am liebsten ein weiteres Mal auslösen würde? Dass sie extra aufgetaucht ist, um mir den Tag zu vermiesen – äh zu berichten, dass du eine ungezogene, zänkische Missgeburt bist, die es verdient bestraft zu werden? Nein? Prima! Hatte ich auch nicht erwartet. Ich hoffe dir ist wenigstens klar, dass du dir mit ihr einen mächtigen Feind gemacht hast? Ich meine – Klar nervt sie, aber Eris hat die Eigenschaft Menschen wütend zu machen und sobald du auch nur einen Funken Groll auf dich ziehst, wird sie da sein, um ihn zu vergrößern. Wütende Feinde kämpfen besser, war schon immer so“, erklärte er bevor er das Zelt abschätzig von oben bis unten musterte. „Scheint aber als hättest du dir eh vorgenommen zu verrecken, bevor Eris geeignetes Material für ihre Rache findet. Coole Sache, ehrlich. Dabei hatte ich eigentlich darauf gewettet, dass ihr die kleine Aufgabe gelöst bekommt, die man euch gestellt hat. Na, aber wenn ich mir die zwei Süßen so angucke mit denen du ausgezogen bist - Tzz, tzz. Ich sehe Schwierigkeiten auf euch zukommen. Größere als Eris. Also will ich Mal nicht so sein und euch aus der Patsche helfen. Sag 'Danke, Daddy'.“ Er machte eine erwartungsvolle Pause, bevor er den Baseballschläger ein weiteres Mal auf seine flache Hand klatschen ließ. Plötzlich kam Leben in das Zelt. Gerissene Löcher flickten sich grob, Seile spannten sich und bevor Morvant auch nur blinzeln konnte, stand ihr Zelt aufgebaut wie auf einer Seite im Katalog mitten im Wald. „Hast Recht, 'Danke Daddy' klingt schwul“, knurrte Ares, aber ein fröhliches: „Wenn das Ding einen Schminkspiegel und einen Mückenschutz hat, sage ich 'Danke Daddy' für ihn“, ließ ihn für einen Moment innehalten. „Schminkspiegel sind nicht unbedingt mein Metier, aber für dich mach ich mal 'ne Ausnahme, Süße.“ Ares Mundwinkel zuckten, während der Baseballschläger erneut in seiner Hand auf- und abwippte, dieses Mal begleitet von Donnas erfreutem Quietschen. „Vielen Dank, 'Daddy'!“ rief sie begleitet von ihrem schönsten Augenaufschlag und streckte prompt eine Dose in seine Richtung. „Wollen Sie auch eine Diät-Tofu-Wurst? Die sind lecker!“ fragte sie und Morvant glaubte für einen Moment pure Abscheu im Blick seines sonst so strengen Vaters zu erkennen. „Nee, lass Mal, Süße. Kein Bedarf. Aber vielleicht möchte deine kleine Freundin mir ihr Spielzeug reichen?“ Interessiert richtete Morvant den Blick auf Robin, die unter der Aufforderung des Gottes ziemlich hart zu schlucken begann. „D-Das Iynx?“, fragte sie mit roten Wangen und wühlte einen endlosen Moment lang in ihrem Rucksack herum, bevor sie die wohl merkwürdigste Kette aller Zeiten hervorzog und sie zögernd emporhielt. Es war eine sonderbare, gezackte Scheibe, aber wenn sein Vater nach ihr fragte, dann musste mehr an ihr sein, als nur das seltsame Aussehen. „Nun, ich bin weder Hekate noch Peitho“, erklärte dieser das Offensichtliche, „obwohl ich den Job von Letzterer wirklich gerne Mal für ein Weilchen übernehmen würde, aber wenn mich nicht alles täuscht, dann müsst ihr Tranpfeifen das Ding benutzen, damit es euch helfen kann.“ Manikürte Finger streckten sich in die Luft, als würde gerade eine etwas ungewöhnliche Schulstunde stattfinden in der Ares und sein Baseballschläger den Lehrer darstellten. „Ähm...Wobei helfen, Herr Ares, Sir?“, zirpte Donna so liebenswürdig, dass sich Morvants Magen beinahe umdrehte, aber seinem Vater schien das zu gefallen, denn der Kriegsgott wandte sich tatsächlich an die lächelnde Blondine. „Ist doch ganz einfach, Süße“, erklärte er und musterte sie über seine rot getönte Sonnenbrille hinweg von oben bis unten, „Hekate ist die Göttin von was?“ „Die Göttin der Magie“, schlug Morvant vor und verschränkte die Arme vor der Brust als Donna ein: „Die Göttin des Herbstmondes?“ einwarf, das in seinen Ohren irgendwie deutlich mehr nach der falschen Antwort klang, als seine. Es war Robin, die ihn überraschte, indem sie sich plötzlich mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug. „Die Göttin der Wegkreuzungen!“, rief sie aus als wüsste sie ganz genau wovon sein Vater sprach, „Natürlich, danke Herr Ares.“ Donna schüttelte den Kopf. „Ich versteh es immer noch nicht!“, klagte sie unzufrieden und Morvant hätte sich gerne angeschlossen, aber da dieses Mal auch Donnas Bettelblick seinen Vater nicht wirklich zu interessieren schien, ließ er den Einspruch lieber sein.Wenn Robin es verstanden hatte, konnte er es sich auch später von ihr erklären lassen. Bei ihr bestand zumindest keine Gefahr, dass sie vor Wut explodierte, wenn er das Offensichtliche nicht erkannte. „Zwei erledigt“, erklärte Ares stolz und ignorierte die Blondine und ihren Schwall an weiteren Fragen jetzt einfach. „Bleibt noch einer und ich denke ich weiß schon was dir fehlt mein Sohn.“ Morvant runzelte die Stirn. Sein Vater wollte wissen, was ihm fehlte? Na da war er ja mal gespannt. „Was?“, fragte er, bemüht interessiert zu klingen. Immerhin, den Gott des Krieges zu verärgern war nichts worauf man es anlegen sollte. Auch wenn sein Vater nach eigenen Aussagen deutlich härter im Nehmen war als viele andere Götter. Was Eris betraf hatte er damit sogar Recht. Immerhin war mit der ja gar nicht gut Kirschen essen. „Ein Rückgrat“, verkündete Ares mit einem dreckigen Grinsen, schüttelte dann aber den Kopf und verbesserte sich „Nein, im Ernst. Ich denke, was du brauchst ist das hier.“ Seine Hand wanderte in die Tasche seines Ledermantels und Morvant rechnete eigentlich mit allem. Vielleicht bekam er ja die Schusswaffe, die er schon haben wollte seit er fünf Jahre alt war, oder vielleicht brauchte er in den Augen seines Vaters einen Schild. Ein eigenes Zelt wäre sicher auch nützlich, genau wie die Erlaubnis den Streitwagen seines Vaters auszuleihen. Das war ein Privileg um das er Clarisse wirklich beneidete. Doch es war nichts von alledem. Etwas kleines Rechteckiges wurde ihm zugeworfen und Morvant schaffte es nur es zu fangen, weil seine Reflexe schon immer außergewöhnlich gut gewesen waren. Lag an seinem ADHD. Langsam öffnete er seine Faust, neugierig darauf, was sein Vater für ein Geschenk für ihn hatte, doch was er dann zu sehen bekam, ließ ihn erst einmal stumm den Mund öffnen und wieder schließen. „Dad, das ist eine Ente“, entfuhr es ihm, nachdem er einen langen Blick auf den Plastikanhänger geworfen hatte, auf dem eine große, gelbe - vermutlich weibliche - Ente mit pinker Haube eine dunkelgrüne Axt schwenkte. „Genaugenommen ist es ein Schlüsselanhänger mit dem Bild von einer Ente, Anthony“, verbesserte der Kriegsgott und benutzte mit voller Absicht Morvants Vornamen, den dieser eigentlich nicht leiden konnte. Es war natürlich nicht Ares Schuld, dass seine Mutter ihm ausgerechnet den Namen Anthony aufgedrückt hatte. Zumindest wäre es ihm neu. Trotzdem stellten sich beinahe automatisch seine Nackenhaare auf und wäre es nicht sein Vater gewesen, er hätte den Fehler sicherlich korrigiert. Er hätte es nicht zugegeben, aber er war schon ein wenig enttäuscht. Clarisse bekam in der Regel wirklich coole Geschenke von seinem Vater und er bekam einen Schlüsselanhänger der aussah, als hätte der Kriegsgott ihn aus einem Kaugummiautomaten gezogen. Hatte er vielleicht auch. Auch wenn die Vorstellung von seinem Vater an einem Kleinkinderautomaten reichlich lächerlich auf ihn wirkte. „Verzeihung“, lenkte Morvant unter dem strengen Blick seines Vaters ein. „Es ist ein Schlüsselanhänger mit dem Bild von einer Ente.“ „Sie hat ein Beil“, erklärte Ares scheinbar begeistert und ganz langsam hatte Morvant das Gefühl, dass sein Dad ihn absichtlich verarschte. „Ja, sie hat ein Beil“, stimmte er zu, auch weil er förmlich sehen konnte, dass Ares irgendetwas von ihm zu erwarten schien. Vielleicht erwartete er ja tatsächlich Begeisterungsstürme von ihm wegen diesem hässlichen Entending. „Ach ja“, bemerkte Ares fast beiläufig, „wir hatten das 'Danke Daddy' ja schon an die süße Blonde abgetreten. Stimmt ja.“ Seine Hand wanderte in die Luft und schnipste als würde er die Aufmerksamkeit einer Kellnerin erregen wollen. „Dein Typ wird gefragt, Süße!“ Glücklicherweise musste man Donna nicht lange bitten. Sie lehnte sich betont langsam in Ares Richtung, lächelte ihn an als hätte sie schon längst vergessen, dass er sie gerade noch ignoriert hatte und flötete ein fröhliches „Danke, 'Daddy'!“ Sie war wirklich eine gute Schauspielerin, denn obwohl eigentlich sonnenklar war, dass das Mädchen keinen Grund hatte Ares gerade jetzt dankbar zu sein, hätte selbst Morvant ihr die Dankesbekundung beinahe abgenommen. Ares jedenfalls schien zufrieden zu sein, obwohl auch er wissen musste, dass das Mädchen es nicht zu hundert Prozent ernst meinte. „Dad, wieso brauche ich einen Schlüsselanhänger mit dem Bild von einer Ente mit einem Beil?“ fragte Morvant vorsichtig.Wenn Donnas Verhalten seine Laune verbesserte, dann würde er vielleicht auch auf diese Frage eingehen. Manchmal klappte diese Masche ganz gut. Leider schien die Blondine diese Strategie nicht zu kennen, denn genau in dem Moment in dem Ares den Mund öffnete, fiel sie ihm mit einem unschuldigen „Einer unmodischen Ente mit einem Beil. Ähm, nichts für ungut, Sir“, ins Wort. Donna kicherte wie eines der Mädchen, die zuerst sprachen und dann dachten und in der Tat schien es, als hätte sie es mit der Bemerkung geschafft seinen Vater zu verärgern. Er schob sich die Sonnenbrille wieder höher auf die Nase und sein ganzes Verhalten wurde spürbar aggressiver. „Ich kann es auch wieder mitnehmen“, schnappte er sauer, „oder mit dem Motorrad drüber fahren wenn es euch dann besser geht.“ Morvant schüttelte den Kopf. Nein, das wollte er natürlich nicht. Es war vielleicht nur ein dummer Anhänger, aber es war ein Geschenk seines Vaters und das sollte nun wirklich nicht von einem Motorrad überrollt werden, selbst wenn es vielleicht nicht ganz das war, was er gerne hätte haben wollen. „Nein, nein. Nicht nötig“, beeilte er sich zu beschwichtigen, „Vielen Dank für die Ente mit dem Beil, Dad. Wirklich, die wollte ich schon immer haben.“ „Schön das du es einsiehst“, gab Ares nach und Morvant atmete innerlich auf, weil der Gott ihm seine letzte Aussage scheinbar trotz allem glaubte. Ares klopfte ihm auf die Schulter. Eine Geste die er auch nicht alle Tage gebrauchte. Dann beugte er sich in seine Richtung und murmelte ein „Du solltest ihr den Schnabel drücken, wenn dir einer ans Leder will.“ Morvant wollte etwas erwidern, aber er kam nicht mehr dazu, die scheinbar lächerliche Aussage überhaupt zu überdenken, denn nicht Mal einen Wimpernschlag später war der Gott mitsamt Motorrad auch schon verschwunden. Wenn er das seinen Geschwistern erzählte – Die würden sicher neidisch werden, oder sich über diese blöde Ente totlachen. Immerhin hatten sie ja schon aus Clarisse überhaupt nicht komischen Speer 'Maimer' heimlich 'Lamer' gemacht. Was würde ihm dann wegen dieser Ente blühen? „Dein Vater ist so cool“, quietschte Donna, kaum das das Mädchen sich sicher war, dass der Gott wirklich verschwunden war. „Ehrlich. Er ist richtig heiß und die Sonnenbrille ist voll der letzte Schrei“, schwärmte sie begeistert. Morvant verzog das Gesicht. Bei aller Liebe, 'heiß' fand er seinen Vater nun wirklich in keinster Weise. Zumindest wenn man von den gruseligen Flammenaugen Mal absah, die möglicherweise wirklich heiß werden konnten, wenn man sich zu dämlich anstellte. Möglicherweise war er cool, so im Vergleich zu anderen Vätern, die es nicht Mal für nötig hielten ihre Söhne anzuerkennen und die armen Jungen in der Hermeshütte hocken ließen, bis sie alt und grau waren. Okay, die Option hatte Percy Jackson erfolgreich abgeschafft, aber Morvant war trotzdem stolz darauf, dass man seinen Vater nicht dazu hatte zwingen müssen ihn als Sohn zu betrachten. Er hatte ihn von sich aus anerkannt und er hatte sich ja auch wirklich bemüht zu helfen. Das seine Hilfe die Form einer hässlichen Ente hatte... Nun, das war vielleicht einfach ein dummer Zufall. Morvant atmete tief durch. Vielleicht nahm er die Sache einfach zu schwer. Immerhin war es gut gemeint gewesen. Sein Vater hatte sich sogar Fleischersatzprodukte anbieten lassen. Wenn das kein großes Opfer war... Ein Schmunzeln trat just in dem Moment auf seine Lippen, in dem Donnas Stimme ihn auch schon wieder unsanft zurück in die Realität holte. Scheinbar war ihr inzwischen aufgefallen, dass Robin verdächtig ruhig war. „Was machst du da?“, wollte die Blondine von ihr wissen und Morvant wandte sich beinahe instinktiv der kleinen Hexe zu. Sie hockte immer noch neben den Gepäckstücken, ein schwarzes Stück Faden in der Hand. Mitten auf dem rabenschwarzen Band tänzelte mit einem surrenden Geräusch die seltsame, gezackte Bronzescheibe vor sich hin. „Es reagiert“, antwortete Robin mit ungewöhnlich rauchiger Stimme und ließ die Scheibe langsam ausdrehen. Morvant warf Donna einen fragenden Blick zu, aber die zuckte nur mit den Schultern und musterte den seltsamen Kreisel. Wirklich sehr hilfreich. Vorsichtig und bedacht darauf sie nicht zu stören trat er näher, doch auch das wollte ihm nicht den Durchblick bringen. „Heißt das, du kannst ihn damit finden?“, fragte er das Erste, was ihm in den Sinn kam. Sein Vater hatte gesagt, dass das Ding helfen konnte und Hekate war die Göttin der Wegkreuzungen, das hatte er ja auch gerade gelernt. Vielleicht konnte man die Scheibe ja als Wanderkarte nutzen. Er hatte zwar keine Ahnung wie das genau funktionieren sollte, aber das musste er ja auch nicht solange Robin in der Lage war mit der Scheibe umzugehen. Wie aufs Stichwort nickte diese bedächtig und schenkte ihm ein schüchternes Lächeln. „Ich glaube“, flüsterte sie, während sie sich die komische Scheibe um den Hals hängte, als wäre sie ein Modeaccessoire. Donna quietschte, offensichtlich hoffend, dass diese Entwicklung ihre weitere Reise erleichtern würde und auch Morvant hätte Robin im Augenblick küssen können. „Du bist klasse, Robin!“, entfuhr es ihm. Sie hätten über Wochen in diesem Wald herumirren können, ohne irgendeine Spur zu finden, aber wenn Robin eine Möglichkeit hatte ihr Ziel zu finden, dann würde das ihnen mit Glück eine Ewigkeit der Qualen und Dreisamkeit ersparen. Die kleine Hexe lief wie auf Befehl kirschrot an. „J-Ja? Ja... Ja! Danke“, stotterte sie verlegen und verschwand für den Moment komplett hinter den Rucksäcken. „Morgen früh werden wir uns gleich auf die Suche machen“, entschied Morvant knapp. Am liebsten wäre er sofort losgegangen, aber er wusste, dass er das nicht machen konnte. Sein Vater hatte das Zelt extra für sie aufgestellt. Wenn sie es jetzt nicht nutzten, dann würden sie ihn mit Sicherheit schwer beleidigen. Außerdem stand die Sonne schon tief und im Dunklen im Wald herumzuirren war auch alles andere als lustig. Nein, es war klüger, wenn sie die Nacht abwarten würden, auch weil sie so neue Kräfte sammeln konnten und das hatte besonders Donna bitter nötig. Das dichte Blattwerk verhüllte den Mond und die Sterne und sorgte dafür, dass die einzige Lichtquelle das fröhlich prasselnde Lagerfeuer war. Morvant legte einen halbwegs trockenen Ast nach und blickte in die Flammen. Nachtwache hielt er eigentlich nicht besonders gerne. Es langweilte ihn wenn ewig nichts geschah und er nichts tun konnte aber er war auch nicht so blöde davon auszugehen, dass ihr Lager keinen potentiellen Angriffspunkt bieten würde. Er war nicht mal sonderlich überrascht, als plötzlich hinter ihm ein Ast knackte und sich Robin neben ihm niederließ. Das Mädchen schenkte ihm ein knappes Lächeln, bevor sie die Hände ausstreckte um sich die Handflächen an den Flammen zu wärmen. „Es ist zwei Uhr nachts, Robin. Du solltest schlafen“, begrüßte er sie und warf einen beinahe sehnsüchtigen Blick in Richtung Zelt. Er hätte auch gerne ein wenig geschlafen, aber er hatte die Mädchen nicht wecken wollen, nachdem sie bei ihrem spärlichen Abendessen erzählt hatten wie hundemüde sie waren. Als hätte sie seine Bedenken geahnt, öffnete Robin den Mund und murmelte ein leises „Du aber auch“ ohne ihren Blick von den tanzenden Flammen zu lösen, „Jemand muss Wache halten“, verteidigte Morvant sich, während er das seltsame Spiel der Schatten beobachtete. Ob Robin in diesen Flammen etwas sehen konnte? Mehr als er? Man sagte ja, dass Hekatekinder ungewöhnliche Kräfte hatten und vielleicht wirkte sich das ja auf diese Art und Weise aus. Langsam drehte das Mädchen ihren Kopf in seine Richtung. Ihre Augen funkelten unnatürlich im Schein der Flammen, fast als wäre sie aus einer anderen Welt. „Dann löse ich dich jetzt halt ab“, erklärte sie mit einem vorsichtigen Lächeln und schlang die Arme um ihren Körper, als hätte sie wirklich nicht vor wieder zurück in das Zelt zu gehen. Morvant legte den Kopf schief. „Du wirst morgen müde sein“, versuchte er es mit dem nächsten Argument gegen die plötzliche Wachablösung doch auch damit biss er auf Granit. „Du wirst mindestens genauso müde sein“, entgegnete seine Gegenüber stur, „Aber Morvant sag Mal... Das was du da zu Eris gesagt hast, dass du uns nicht böse bist, weil wir dich aufhalten. War das dein Ernst?“ Langsam ließ er den Blick über die Flammen schweifen. Eigentlich wollte er nicht schon wieder über Tante Eris sprechen. „Sie hätte es gemerkt, hätte ich gelogen“, antwortete er knapp und war eigentlich schon froh zu hören wie sie ein eiliges 'Gute Nacht' stotterte, als sich plötzlich doch seine eigene Neugierde meldete. „Glaubst du wir werden den Teumessischen Fuchs finden?“, platzte er heraus anstatt sich endlich in Richtung Zelt zu bewegen wo Morpheus bereits darauf wartete ihn endlich in seine Arme zu schließen. Wie er gerade auf diese Frage kam, konnte er nicht einmal sagen. Vielleicht lag es daran, dass Robin im Schein der Flammen ein wenig wie ein gruseliges Orakel wirkte, dass die Antwort auf alle Fragen hatte. Vielleicht interessierte ihn auch einfach ihre Meinung. Das Mädchen hatte sich vorhin so über sein Lob gefreut, dass er sie gerne ein wenig besser kennengelernt hätte. Hinter Donna ging sie öfter ein wenig unter, wenn sie nicht gerade versuchte der Blondine unter dem Einfluss seiner Tante den Hals umzudrehen. Robin schien für einen Moment über die mögliche Antwort nachzudenken, bevor sie den Mund öffnete.„Ehrlich gesagt glaube ich, wir sind mitten in seinem Jagdgebiet“, eröffnete sie Morvant und er nickte knapp. Das hatte er sich auch schon gedacht. Die verlassenen Autos auf dem Parkplatz sprachen voll dafür, genau wie die Stille und der Fakt, dass ihnen obwohl sie den ganzen Tag gelaufen waren, noch kein anderer Wanderer entgegengekommen war. Nicht Mal einen Hasen oder einen Vogel hatte er bislang in diesem Wald entdeckt. Eindeutig kein gutes Zeichen wie er fand. „Hast du es Donna erzählt?“ wollte er wissen, aber Robin schüttelte den Kopf. „Sie würde sich doch bestimmt nur aufregen oder Angst bekommen“, murmelte sie und wahrscheinlich hatte sie damit recht. Das sie einen riesigen Fuchs jagten, würde ihn an ihrer Stelle auch verunsichern. Besonders wenn er scheinbar schon einen halben Parkplatz voller Menschen gefressen hatte. Gerade als er zu überlegen begann, ob er jetzt aufstehen und ins Bett gehen sollte, erhob Robin erneut ihre Stimme. „Morvant? Wieso hast du sie mitgenommen?“, wollte sie wissen und schenkte ihm einen ungewohnt ernsten Blick. „Weil sie hübsch ist?“, riet sie beinahe sofort blind drauf los. Ein Schuss, der so in ziemlich komplett daneben ging. Er konnte zwar nicht leugnen das Donna hübsch war – Das war sie durchaus. Sehr hübsch anzusehen, mit ihren langen Beinen und dem fröhlichen Lächeln, aber das hatte letztlich nichts mit seiner Entscheidung zu tun gehabt. Beinahe automatisch schüttelte er den Kopf und erreichte damit, dass sich Robin ein wenig mehr in seine Richtung lehnte. „Warum dann?“ Morvant überlegte. Warum hatte er sie mitgenommen? Vielleicht weil Chiron es so gewollt hätte? Nein, eigentlich hatte er sie aus einem anderen Grund mitkommen lassen. Nicht wegen dem Zentauren oder der Prophezeiung aus dem Mund des Camp-Orakels sondern in erster Linie weil eine Stimme in seinem Kopf geflüstert hatte, dass das vollkommen in Ordnung war. Wessen Stimme es war, wusste Morvant nicht. Wohl aber, das er sich auf sie verlassen konnte. Seine innere Stimme lag nie falsch, wenn es um Gefühlsentscheidungen ging. „Weil ich denke, dass sie eine Chance verdient hat“, hörte er sich antworten und war von sich selbst überrascht. Der Grund war ihm noch völlig neu, aber der klang viel nobler als der, der Robin in den Sinn gekommen war und der irgendwie so halb danach klang, als hätte er sich von der Blondine einwickeln lassen. Für einen Augenblick herrschte überraschte Stille, dann hörte Morvant sie auch schon weiter fragen: „Und darum schleppst du auch ihren Rucksack?“ Donner und Doria. Er hatte gar nicht gewusst, dass seine Entscheidungen bezüglich Donna so viel Potential boten missverstanden zu werden. Natürlich schleppte er ihren Rucksack nicht um ihr eine Chance zu geben. Hätte er ihr eine Chance geben wollen es selbst zu machen, er hätte ihn mit ihr zusammengepackt und dafür gesorgt, dass sie ihn tragen konnte ohne unterwegs zusammenzubrechen. „Nein“, knurrte er also, „Den schleppe ich weil mich ihr Gejammer nervt.“ Robin begann hinter vorgehaltener Hand zu kichern. Es war ein ungewohntes Geräusch, aber es war angenehm und sorgte dafür, dass seine aufgebaute Spannung wie von selbst wieder von ihm abfiel. Ungewollt begann er sich zu entspannen. Ein Hexenzauber? „Danke, dass ich dich begleiten darf“, murmelte sie nachdem ihr Kichern verstummt war und starrte plötzlich wieder sehr interessiert in die leuchtenden Flammen. „Es ist doch deine Quest“, entfuhr es Morvant überrascht. Dank war etwas womit er bislang noch nicht so oft zu tun gehabt hatte. Etwas, was er nur bedingt einschätzen konnte und was ihm gerade in dieser Situation auch ein wenig deplatziert vorkam. Er hatte doch gar nichts getan. „Ich dachte es ist deine“, widersprach ihm Robin mit einem Unterton in der Stimme, der ziemlich deutlich widerspiegelte, was Morvant gerade fühlte. Verwirrung. „Vielleicht gehört sie ja Donna“, scherzte er nur um im gleichen Augenblick in Gelächter auszubrechen. Die Vorstellung, dass das blonde Mädchen diese Quest anführte, war aber auch einfach zu gut. Amüsiert beobachtete er, wie Robin sich vor lachen den Bauch hielt. Scheinbar war er nicht der Einzige, der den Gedanken an eine Schminktäschchen tragenden Questführerin komisch fand. Es dauerte einen Moment bis sich Robin so weit wieder einbekommen hatte, dass sie in ganzen Sätzen sprechen konnte. „Du machst das alles wirklich gut“, erklärte sie noch immer glucksend und kichernd, so dass Morvant nicht darauf hätte schwören können, dass sie das Kompliment wirklich ernst meinte. „Du hast bestimmt schon viele Quests gehabt, oder?“, löcherte sie ihn weiter. Morvant bemerkte zwar, dass das Mädchen ihn aushorchte, aber wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass es ihn nicht störte. Die Unterhaltung war angenehm und er hatte Spaß an ihr. So viel Spaß, dass er auf Robins Frage hin mehr als bereitwillig zu erzählen begann. Eigentlich sprach er nicht gerne über seine Quests. Besonders die mit den styphalischen Vögeln war unschön gewesen und hatte fast dafür gesorgt, dass er Körperteile verloren hatte, die ihm wirklich wichtig waren. Trotzdem begann er jetzt von den Monstern zu erzählen. Er berichtete Robin von ihren riesigen Schwingen, von ihren Schnäbeln und auch davon wie knapp es letztlich geworden war. Und die kleine Hexe lauschte mit großen Augen der Geschichte und wagte es kaum noch ihn zu unterbrechen. Einmal entfuhr ihr sogar ein kleines Quietschen, als er es schaffte sie mit dem Verhalten eines styphalischen Vogels zu erschrecken. „Ist das hier deine erste Quest?“, wollte Morvant wissen, als er seine Ausführungen endlich beendet hatte und feststellen musste, dass sie ihm immer noch an den Lippen hing, wie ein kleines Kind, dem man ein Märchen versprochen hatte. Für einen Moment schien das Mädchen zu überlegen, ob sie ihm das wirklich erzählen sollte, dann nickte sie aber und war wieder ganz die schüchterne, kleine Robin, die er inzwischen eigentlich ganz gern hatte. Komisch, wenn man bedachte, dass sie auch ganz anders konnte, wenn sie wollte. Kurz erinnerte er sich an Robins Aussetzer unter dem Einfluss seiner Tante. Wenn sie richtig sauer war, konnte sie ganz schön ungemütlich werden. Das gefiel ihm. „Für deine Erste schlägst du dich echt gut“, lobte er und beobachte wie ihre ohnehin schon geröteten Wangen wieder eine Nuance dunkler wurden. „Danke“, murmelte sie, „Bist du eigentlich schon lange im Camp?“ Morvant nickte obwohl es sie eigentlich nichts anging. „Seit meinem zwölften Geburtstag.“ Wenn er ehrlich war, kam es ihm viel, viel länger vor. An die Zeit vor dem Camp konnte er sich schon kaum noch erinnern. Er wusste nur noch, dass es nicht unbedingt seine Schönste gewesen war. Er hatte Probleme gehabt. Probleme mit Monstern, Probleme mit seiner Aggressivität, die teilweise so extrem geworden war, dass seine Schulkameraden regelmäßig vor ihm geflüchtet waren und natürlich Probleme mit seiner Mutter. Letzteres hatte ihn angeheizt und dafür gesorgt, dass er noch schneller aus der Haut gefahren war als normal. Dabei hatte sie nur Zweifel angemeldet, dass die Monster, die er zu sehen glaubte wirklich echt waren. Kurz um, er war damals wirklich gefährlich gewesen und das Camp hatte ihn davor bewahrt irgendwann mit einem Knall – oder einer der Schusswaffen vom Schießstand - zu explodieren. „Das ganze Jahr über?“, riss ihn Robin aufgeregt aus seinen Gedanken, „Ich würde so gerne das ganze Jahr über im Camp bleiben.“ „Wieso?“ „Henderson hat neun Mittelschulen“, erklärte sie und Morvant nahm sich fest vor bei Gelegenheit herauszufinden in welchem Staat dieses Henderson eigentlich lag, „und ich war auf jeder Einzelnen von ihnen. Und die neun Highschools schaffe ich vermutlich auch. Zwei habe ich schon weg. Weißt du, immer wenn ich mich einigermaßen an eine von ihnen gewöhnt habe, dann – Dann geht einfach alles schief.“ Verzweiflung erschien in ihren Zügen. Ihre Stimme klang jetzt höher, fast als müsste sie sich zusammenreißen um nicht noch in Tränen auszubrechen. Der bewegte Schatten des Feuers versteckte viel. Hoffentlich irrte er sich mit seiner Einschätzung deshalb. „Die Jungen reden nicht mit mir, weil sie glauben ich opfere Haustiere", fuhr sie schniefend fort, „Angeblich verehre ich den Teufel und die Mädchen haben Spaß daran mir Sachen in den Spind zu stecken, oder hinter meinem Rücken über mich zu lachen. Eine hat mal behauptet, ich hätte ihre Katze gehäutet. Das würde ich nie tun. Ich will doch nur herausfinden, wie das mit der Zauberei funktioniert. Das ist harmlos, ehrlich. Und wenn ich ihnen dann Mal die Meinung sage, dann gerät mir alles außer Kontrolle u-und dann... Dann verliert eine Cheerleaderin alle ihre Haare und alle glauben ich hätte ihr was in ihr Salatblatt g-gemischt...“ Morvant wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Auf der einen Seite fand er den Gedanken an eine haarlose Cheerleaderin schon erheiternd, auf der Anderen sorgte er sich um die kleine Hexe, die zum Ende ihrer Ausführungen unglücklich zu Schniefen begonnen hatte. Scheinbar ging ihr das Ganze wirklich nahe. Es fiel Morvant schwer sich vorzustellen, wie es sein musste, wenn die Anderen einen mobbten. In Arlington traute man sich nicht so mit ihm umzuspringen, wohl wissend, dass die Gefahr bestand, dass er wütend wurde und wieder – Nein, daran wollte er jetzt nicht denken. Es gab Wichtigeres zu überdenken. Zum Beispiel die Frage, wie er das weinende Mädchen trösten konnte. Vorsichtig streckte er die Hand nach Robin aus. „Ich verstehe schon“, murmelte er in erster Linie damit das Mädchen aufhörte zu weinen und strich ihr vorsichtig über den Rücken. Es war sicher nicht leicht in der Schule wenn man körperlich nicht in der Lage war potentiellen Gegnern die Knochen zu brechen, aber diesen Job würde er zumindest im Camp gerne für sie übernehmen. „Guten Morgen ihr Süßen!“, flötete Donna, als sie aus dem Zelt kroch und weckte Morvant damit aus seiner Starre. Jetzt hatte er es doch noch geschafft. Er hatte die ganze Nacht vor dem Feuer verbracht. Sein Rücken schmerzte und aufstehen konnte er auch nicht denn Robin lag seelenruhig in seinem Schoß und schlief. Sie hatte die halbe Nacht geweint und als sie dann endlich eingeschlafen war, hatte er es nicht mehr über sich gebracht sie aufzuwecken. „Hab ich was verpasst?“, fragte Donna mit einem skeptischen Blick und stöckelte auf ihren unglaublich hohen Absätzen näher an ihn heran. Dachte sie etwa... „Oh nein, nein. Sie wollte die Wache übernehmen und ist dabei eingeschlafen“, beeilte er sich das Ganze klarzustellen, ahnte aber schon, dass sie ihm nicht glauben würde. Unter normalen Umständen hätte er das vielleicht bedenklich gefunden, aber er war todmüde und hielt Donna für nicht so gefährlich, dass er sich ernsthafte Gedanken um sie machen musste. Im schlimmsten Fall fand sie das Ganze ein wenig komisch, aber was sollte schon passieren? Wenn sie je aus diesem Wald herauskamen, würde er halt eine Weile das Gesprächsthema der Aphroditekinder sein. Auch egal, er konnte sie verprügeln wenn sie zu dreist worden oder Clarisse bitten die Mädchen für ihn ruhigzustellen. „Tatsächlich?“, fragte Donna und musterte ihn von oben bis unten. Fast so wie sie am vergangenen Abend auch seinen Vater angesehen hatte. „Ihr seht schrecklich aus“, urteilte sie plötzlich. „Da hilft nur noch Concealer. Am besten eine ganze Wagenladung.“, Eilig lief sie auf ihren Rucksack zu, „Ich habe eine Notfallcreme dabei“, erklärte sie, während sie anfing verschieden Döschen aus dem pinken Ding zu ziehen, von denen eine gruseliger wirkte, als die Andere. „Die hilft prima gegen Augenringe und Schwellungen.“ Morvant wurde spontan wacher. Irgendetwas in ihm sagte, dass er nicht wollte, dass sich Jemand mit seinen Augenringen beschäftigte. Besonders nicht wenn dieser Jemand einen pinken Rucksack hatte. „Ist nicht nötig. Wirklich“, erklärte er zwischen zweimaligem Gähnen und ignorierte sogar Donnas: „Aber Robin sieht aus, als hätte sie die halbe Nacht geheult.“ Leider war das Mädchen nicht so schnell ruhigzustellen wie er hoffte. „Ihre Augen sind geschwollen“, behauptete sie und ließ sich mit einem Seufzer neben ihm nieder. „Das bildest du dir ein.“ Das Mädchen kräuselte für einen Augenblick die Stirn, hörte aber so plötzlich damit auf, dass er sich fast sicher war, dass ihr eingefallen war, dass das Falten verursachen konnte. „Ich bin blond, nicht blöd“, erklärte sie ungewohnt kühl, „Also was ist passiert? Hast du sie geärgert?“ Ihre Hand näherte sich vorsichtig und legte sich schließlich auf Robins Haar, während ihre Lippen ein falsches Lächeln formten. „Nein. Ich... sie...“, begann Morvant einen Erklärungsversuch und war überrascht wie schwer ihm das fiel. Am liebsten hätte er augenblicklich alles ausgespuckt, was er in der letzten Nacht erfahren hatte. Musste an der Magie der Aphroditetochter liegen. „Wir haben über die Schule gesprochen“, würgte er schließlich hervor und brauchte seine ganze Selbstbeherrschung um nicht einfach weiterzureden. Große, blaue Augen guckten ihn misstrauisch an: „Und?“ „Dann hat sie geweint“, presste Morvant heraus. Es kam ihm nicht richtig vor ihr zu viel von dieser Sache zu erzählen. Ein Mädchen wie Donna hatte für solche Probleme doch sicher kein Verständnis. Sie sah aus wie eine von denen, die nie Probleme mit Schulkameraden hatten, außer sie lästerten hinter ihrem Rücken und dann konnte sie sicher einen Footballer überzeugen sich für sie einzusetzen. Robin würden sie für einen ähnlichen Versuch vermutlich auslachen. „Geht das etwas ausführlicher?“, beschwerte sie sich, „Zum Beispiel in Sätzen, die ich auch nachvollziehen kann?“ Gerne hätte er 'nein' gesagt, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Vielleicht waren es ihre blauen Augen, die ihn irgendwie an Robins erinnerten, vielleicht war das auch ein Aphroditetrick. Sie lächelte liebevoll und strich mit ihren perfekt manikürten Fingern durch seine Haare. „Sie hat Ärger mit ihren Mitschülern“, spuckte er aus. „Kein Wunder mit der Frisur“, verkündete Donna, „Das kriegen wir hin. Wir gehen einfach in die nächste Stadt und schicken sie zum Frisör und vielleicht auch gleich noch zur Kosmetikerin und dann -“ Morvant wurde spontan ganz anders. Ein seltsames Gefühl, dass ihn aber zumindest dazu brachte sich aus der Starre zu befreien, die ihn spontan befallen hatte. Er wusste, dass die Blondine es wahrscheinlich gut meinte, aber wenn er jetzt nichts sagte, dann würde er demnächst mit zwei Modepüppchen durch den Wald laufen und das wollte er ganz sicher nicht. „Donna, wir haben eine Quest zu erfüllen“, wagte er ihr zu widersprechen und ignorierte tapfer die Unterlippe, die sich vorschob und deutlich ihr persönliches Missfallen zeigte. „Du bist so ein alter Spielverderber.“ „Wir müssen da lang“, flüsterte Robin mit rauchiger Stimme und ließ ihren Blick nicht eine Sekunde lang von der goldenen Scheibe weichen, die in einem seltsamen Rhythmus zu rotieren schien.Woran sie die Unterschiede zwischen den Richtungen erkannte, konnte Morvant nicht sagen, aber seit drei Stunden folgten sie jetzt schon den Anweisungen der surrenden Scheibe und immer war es ihm, als wenn der neue Weg noch unwegsamer und steiler werden würde, als der Letzte. Selbst er war inzwischen einigermaßen erschöpft und auch wenn die Mädchen nichts sagten, er wusste, dass es ihnen ähnlich ging. Robin neigte inzwischen dazu sich in jeder freien Minute die Schläfen zu massieren, was vermutlich ein Zeichen dafür war, dass das Sirren des Iynx ihr genauso Kopfschmerzen verursachte wie ihm. Nur das sie nicht Mal vorneweg gehen konnte, um dem furchtbaren Geräusch zu entgehen, so wie er. Nein, sie musste das Band anziehen und lockern, damit sich die Scheibe in Bewegung setzen konnte und das bedeutete für sie nicht nur dauerhaftes Anstarren der tanzenden Scheibe, sondern auch dauerhaftes Ertragen des pfeifenden Geräusches, dass langsam aber sicher heftig an Morvants Nerven zehrte. Donna stöhnte genervt, als Robins Hand erneut zielsicher den steilsten Anstieg auswählte. „Hat das Ding überhaupt noch eine andere Einstellung als Bergauf?“, maulte sie, schlug aber tapfer die angegebene Richtung ein. „Ich schwöre euch, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dass wäre reine Schikane. Ich meine ist dem Ding das Tal ausgegangen, oder was?“ Morvant zuckte mit den Schultern. Es war ja nicht so, dass er sie nicht verstehen konnte, würde er Robin nicht vertrauen, er hätte dieses blöde Iynx sicher schon in den Wald gepfeffert. Aber Robin schien ihren Wegangaben zu vertrauen und er vertraute Robin. Also knurrte er nur leise und machte sich erneut an den steinigen Aufstieg. Er kam bis zur nächsten Kurve, denn als er vorsichtig um die Ecke spähte, halb auf einen Abstieg hoffend, halb auf das Ziel, blieb ihm fast das Herz stehen. Bäume waren umgeknickt wie Streichhölzer, Steine lagen kreuz und quer auf dem Weg umher. Und der Boden sah an diversen Stellen aus, als habe es gebrannt. Ein Rehkadaver lag, grausig aufgerissen unter einem der wenigen, noch stehenden Bäume und zog die Fliegen der gesamten, näheren Umgebung an. Jedes Kind der Demeter wäre bei dem Anblick wohl in perfekt ph-neutrale Ökotränen ausgebrochen. „Igitt“, kommentierte Donna angewidert und selbst Robin löste ihren Blick für einen Augenblick von dem Iynx, das inzwischen lauter surrte, als je zuvor. Wäre er kein Sohn des Ares gewesen, er hätte den Angriff sicher nicht kommen sehen. So aber spürte er es mehr, als das er es irgendwie bemerkte. Die kleine Stimme in seinem Kopf schrie 'Ducken!' und Morvant gehorchte ohne darüber nachzudenken wie er jetzt genau darauf kam. Er dachte nie wenn diese Stimme ihm etwas befahl. Das zahlte sich jetzt aus. Krallen sausten Millimeter über seinen Kopf hinweg, kaum das er auf dem steinigen Boden aufgeschlagen war. Donna kreischte in einer Tonlage, die Morvants Ohren klingeln ließ und sein Überlebensinstinkt schrie erneut: 'Ausweichen!' Der Junge verlagerte sein Gewicht und rollte sich zur Seite. Gerade noch rechtzeitig um den größten Fangzähnen zu entkommen, die er je gesehen hatte. Ein kleinbusgroßer Fuchs stieß ein wütendes Kekkern aus, bevor er ein weiteres Mal nach ihm schnappte. Ein dicker Ast war es, der letztlich verhinderte, dass Morvant endete wie ein Snack für zwischendurch. Wie das Teil zwischen ihn und den Fuchs geraten war, wusste er nicht und er hatte auch keine Zeit es herauszufinden. Während der Fuchs das Holz ausspuckte und erneut wütend zu kekkern begann, rappelte sich Morvant hoch und ließ die Hand in seine Tasche gleiten. Guter Zeitpunkt um auf seinen Vater zu hören und die Ente auszuprobieren. Kaum hatte er den Schnabel gedrückt – etwas was er nach wie vor albern fand – begann der Anhänger sich zu verändern. Die Schneide eines Axtkopfes glänzte im Sonnenlicht und schien förmlich nach Monsterblut zu schreien. Der Schwerpunkt verlagerte sich nach vorne, das Gewicht nahm zu. Morvant hatte noch nie eine Axt geführt, aber die Stimme in seinem Inneren ließ ihn wie immer nicht im Stich. Er wusste, dass er mit Kraft zuschlagen musste und auch, dass er es sich nicht leisten konnte das Monster zu verfehlen weil die Waffe nicht zum parieren gedacht war. Sie wollte nicht parieren. Das hier war Aima und was sie brauchte war ganz eindeutig Blut. Der Schlag war perfekt gezielt und traf den Fuchs mitten in die Flanke. Aima bohrte sich durch Fell, Haut und Fleisch, jubilierte, als heißes Monsterblut ihre Klinge traf und ächzte unzufrieden, als Morvant sie mit aller Kraft aus der klaffenden Wunde riss. Er würde sich bei Gelegenheit bei seinem Vater entschuldigen müssen. Der Fuchs stieß ein hohes Winseln aus und schnappte erneut nach ihm. Morvant war sich sicher, dass er seine Zähne hätte zählen können, hätte das Biest nicht gleich wieder angegriffen und ihn so genötigt eilig vor ihm zurückzuweichen. Speichel tropfte aus seiner Schnauze, traf auf den Boden und versenkte die letzten Reste Gras so wie Teile seiner Jacke. Erneut traf ein Stück Holz den Fuchs am Kopf und sorgte dafür, dass das Tier seine Interessen vorübergehend verlagerte. Der riesige Körper spannte die Muskeln an, sprang ab, schien für einen Moment in der Luft zu fliegen und landete schließlich mit einem dumpfen Knall, mitten zwischen den Mädchen. Donna kreischte und stöckelte für ihre Verhältnisse wirklich schnell von der Stelle weg an der das Monster gerade die Erde aufzuwühlen begann. In ihrem Schminktäschchen wühlend, als ginge es um ihr Leben, steuerte sie auf den nächsten Baum zu. Ob sie wusste, dass der keinen großen Schutz bieten würde, wenn das Biest es wirklich auf sie absehen würde? „Ich hab's gleich“, rief sie in seine Richtung, aber Morvant beschloss sie zu ignorieren. Er hatte jetzt wirklich keine Nerven für weitere Schminktipps Marke Donna. Er ließ das Mädchen wühlen, holte erneut mit seiner Axt aus und ließ sie von hinten auf den buschigen Schwanz des Fuchses sausen. Es war ein bisschen wie Holzhacken, glaubte er. Nur das ohrenbetäubende Brüllen des Fuchses war irgendwie mit gar nichts zu vergleichen was er kannte. Ein großes Stück Schwanz fiel leblos auf den Boden. Rotes Blut breitete sich aus, nahm ihn für einen Moment völlig gefangen und verhinderte kurz, dass er auf seine Umgebung achtete. „Vorsicht!“, hörte Morvant Robins Stimme wie aus weiter Ferne und konnte sich gerade noch zur Seite werfen um nicht von einem heransausenden Stein erwischt zu werden. Leider war der Aufprall härter als gedacht. Erde spritzte ihm ins Gesicht. Etwas Spitzes drang zwischen seine Rippen und dann – Für einen endlosen Augenblick war die Welt einfach nur noch blutrot. Scharfer Schmerz schnitt durch seinen Körper, brachte Morvant zum Keuchen und plötzlich waren die klaffenden Zähne des Monsters direkt vor ihm. Er wollte sich zur Seite rollen. Ausweichen! Nicht gefressen werden, aber sein Körper reagierte nicht wie gewünscht. Zwischen seinen Rippen breitete sich ein heißes, feuchtes Gefühl aus und Morvant war sich sicher, dass er blutete. Der faulige Atem des Fuchses schlug ihm ins Gesicht. Riesige Reißzähne kamen näher und näher und dann plötzlich – Ein blumiger Geruch. Ein leises Winseln und ein dumpfer Knall erklangen und als Morvants Blick wieder klar wurde, war der Fuchs auch schon verschwunden. „Morvant!“ hörte er seinen Namen, nur um Sekunden später auch schon von einer mehr als besorgten Robin umarmt zu werden. „Ein Glück! Ich dachte schon -“ begann sie und schniefte, fast als wollte sie gleich wieder zu weinen beginnen und auch Donna stolzierte mit samt ihrer Schminktasche näher, warf dem Rehkadaver einen angewiderten Blick zu und hockte sich dann vor seine Nase, fast als wollte sie prüfen ob wirklich noch alles an ihm dran war. Ihre schwarze Jacke hatte dicke Dreckflecken davongetragen. Vermutlich von dem Staub, den der Fuchs aufgewirbelt hatte, aber sie wirkte unverletzt. „Das war wirklich haarscharf“, stimmte sie Robin zu und seufzte schwer, „Tut mir leid, aber das Puder ist immer ganz unten in der Tasche. Ihr wisst ja wie das ist.“ Morvant überlegte. Sollte er das wissen? Er hatte noch nie Puder in einer Tasche gesucht und irgendwie sagte ihm sein Gefühl, dass ihn ein durchgedrehtes Küchenmesser beim Brotschneiden erstechen würde, würde er damit freiwillig beginnen. Aber sein Körper schmerzte und er wollte auch nicht mit Donna streiten. Besonders nicht über Dinge wie Puder, wo er ja doch nur verlieren würde. „Das war dein Puder?“ fragte er stattdessen und die Blondine nickte heftig. „Sondermischung von Mom“, erklärte sie, als wäre es die Antwort auf alles, „Solltest du dir auch besorgen, deckt prima Pickel ab.“ Grelles Licht drang zwischen den Bäumen hindurch und entpuppte sich recht schnell als Scheinwerfer einer riesigen, weißen Limousine. Der Motor war so leise, dass Morvant beinahe geglaubt hätte, dass er inzwischen ob des Blutverlustes halluzinierte, aber Donna quietschte, kaum das der Wagen vor ihnen stand und auch Robin wirkte erleichtert, als eine feingliedrige Hand aus dem Fenster gestreckt wurde und sie mit einer federleichten Bewegung einlud in den Wagen zu steigen. Unter anderen Umständen hätten alle Alarmglocken in ihm Sturm geklingelt, aber ihm war schwindlig und er ahnte, dass Robin ihn nicht bis zum Parkplatz stützen konnte, selbst wenn sie sich bislang noch tapfer auf den Beinen hielt. Um so glücklicher war er, als er sich auf die weichen Sitze im Inneren des Wagens fallen lassen konnte und endlich der stechende Schmerz ein wenig nachließ. Das tat gut und gab Morvant die Kraft sich in der Limousine umzuschauen. Er sah Robin, die unsicher neben ihm saß und ihm immer wieder einen Seitenblick schenkte, der sicher zeigte, dass sie sich nicht wohl fühlte, Donna mit einem glücklichen Strahlen im Gesicht und – Morvant hatte Mühe den Mund geschlossen zu halten, aber ihre Gastgeberin war die wohl schönste Frau, die er je gesehen hatte. Perfektes Gesicht, umwerfendes Make-up, wunderschöne Augen und ein Lächeln für das er augenblicklich Jemanden ermordet hätte. Sie lächelte ihn an und für einen Augenblick sah sie aus wie Karima Adebibe aus dem letzten Tomb Rider. Fehlte eigentlich nur die Knarre um richtig geil auszusehen. Leider störte der esstellergroße, polierte Spiegel das Bild, der in ihrer perfekt manikürten Hand ruhte. „Ah, da seid ihr ja. Ich bin Aphrodite, meine Süßen. Keine Sorge, ich werde euch unterwegs absetzen“, erklärte sie und Morvant war froh, dass Donna ein erfreutes: „Du bist die Beste, Mom“, quietschte, das es ihm ersparte in seinem völlig leergefegten Kopf nach einer angebrachten Antwort suchen zu müssen. „Ihr seid ja wirklich ganz reizend“, flötete die Göttin und schürzte die Lippen auf eine Art, die dafür sorgte, dass ihm zunehmend heiß wurde, „aber ich glaube, so ist es ein wenig besser.“ Sie schnipste mit den Fingern. Eine Bewegung die Morvant normalerweise nicht mal interessiert hätte, die ihm jetzt aber so wichtig vorkam, wie die Sonne, die Sterne oder die vollständige Anzahl an Waffen in seinem Waffenschrank. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass sich Donnas Kleidung verändert hatte. Ihre dreckige, schwarze Jacke mit den hässlichen Glitzerdingern am Kragen, ihr orangefarbenes Camp-Half Blood T-Shirt und ihre Shorts waren einem goldfarbenen Paillettenkleid gewichen, das sie prompt zu einem weiteren Quietschen verleitete. Und irgendwie sahen auch ihre Haare ein wenig verändert aus. Fast als hätte sie sie innerhalb der letzten Sekunde gewaschen und professionell frisiert. Morvant blinzelte einmal, zweimal, dreimal doch das komische Bild wollte einfach nicht weggehen. Eigentlich machten ihm Wunden nicht auf diese Art zu schaffen. Sichtlich verunsichert löste er seinen Blick von dem Mädchen, dass schon wieder Dankbarkeitsbekundungen herunterratterte und auch von seiner eindeutig viel zu gutaussehenden Mutter. Langsam ließ er den Kopf zur Seite gleiten und erstarrte mitten in der Bewegung. Robin saß mit offenem Mund neben ihm und starrte ihn an als hätte sie einen Geist gesehen. Wobei – vermutlich war das gar nicht Robin. Das Mädchen das ihn angaffte wie ein Ritter eine Bazooka, sah nämlich irgendwie kein Stück wie die kleine Hexe aus, an die er sich eigentlich schon so gewöhnt hatte. Die Tunika die sie jetzt trug, war nicht schwarz so wie ihr alter Pullover, sondern leuchtete in einem Himmelblau, das genau zu ihren Augen zu passen schien, die ihm vorher noch nie so ins Auge gestochen waren, Ihre Jeans war enger geworden, da war er sich sicher und ihre Haare wirkten irgendwie wie ein ganzer Vorhang aus dunkler Seide. „Du siehst aus wie Ken“, flüsterte sie, aber es dauerte, bis diese Nachricht in seinem Kopf angekommen war. „Wie?“, fragte er nicht sonderlich intelligent und das Mädchen wurde rot wie eine Tomate. „Du siehst aus wie Barbies Puppenfreund“, wiederholte sie und streckte die Hand aus, nur um kurz durch seine Haare zu streichen und ihm dann die Finger vor die Nase zu halten. Durchsichtiges Zeug – vermutlich Haargel - klebte an ihren Fingerspitzen und ganz langsam kam Morvant ein grausiger Gedanke. Konnte es sein, dass – Er blickte an sich hinab und sog scharf die Luft ein. Auch seine Kleidung war nicht mehr, was sie mal gewesen war. Die schwarzen Springerstiefel hatte sie ihm wenigstens gelassen, aber diese Hose, dieses Oberteil... Gott, er sah aus, als wäre er aus einem Kaufhaus entlaufen und – War dieses gelbe Ding da ein Halstuch? Es war sicher ein Halstuch. Er hasste Halstücher. Am liebsten hätte er sich das Teil sofort vom Hals gerissen, aber so eine Reaktion in Gegenwart einer Göttin konnte er sich nicht erlauben. Er hatte es sich schließlich schon mit Eris versaut und gerade Aphrodite war bekannt dafür ihren Groll nicht einfach zu vergessen. Ein Zupfen an dem gelben Ding ließ ihn seine Aufmerksamkeit wieder auf Robin lenken. Sonderlich glücklich sah sie auch nicht aus. Kein Wunder, schließlich wirkte sie als hätte Jemand ihre Haare gebügelt. Morvant stöhnte leise, als er sein Gewicht verlagern musste und fing sich einen weiteren, besorgten Blick der kleinen Hexe ein. Genauso hatte sie ihn angesehen, als sie ihn gebeten hatte sie auf diese Quest mitzunehmen. Misstrauisch, vermutlich halb in der Erwartung er würde es ihr verbieten und trotzdem irgendwie – Vielleicht hätte er ihr doch erlauben sollen einen Blick auf die Wunde zu werfen, anstatt einfach zu behaupten es würde schon gehen. Eigentlich war es ja auch dumm von ihm, dass er kein Ambrosia dabei hatte. Aber auf all seinen anderen Quests hatten sich seine Geschwister um solche Nebensächlichkeiten gekümmert und da hatte er eben automatisch geglaubt, dass die Mädchen diese Aufgabe übernehmen würden. Ein Fehler wie er inzwischen wusste. Sie hatten zwar insgesamt stolze sieben Dosen mit Tofuwürstchen, ein paar schwarze Ersatzschuhe in Größe 3 mit einer Absatzhöhe von sieben Zentimetern, drei Tafeln Schokolade, ein kaputtes Zelt, eine Feldflasche mit Wasser, ein Schweizer Taschenmesser, zwei Dosen Coca Cola Light, zwei Dosen mit Bohnen, drei Schlafsäcke, ein pinkes Kuschelkissen, diverses Make-Up das er nicht näher benennen konnte, ein Buch mit Hinweisen für das Brauen von Tränken, ein paar Plastikdosen mit fragwürdigem Inhalt, einen Kompass, Ersatzsocken, Blasenpflaster, Feuchttücher aber nicht einmal einen Krümel Ambrosia. Scheinbar meinte das Schicksal es einfach nicht gut mit ihm. „Du hast so schöne, blonde Haare“, schnurrte Aphrodite gerade und strich mit der flachen Hand über Donnas Kopf. Die Bewegung war einfach und fließend und trotzdem hatte sie etwas an sich, was Morvant beinahe vergessen ließ, dass er ihr eigentlich zuhören sollte. „Wisst ihr, der Teumessische Fuchs ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Kein Jäger vermag ihn zu fassen, darum schicken wir seit Jahrhunderten immer Halbgötter aus, die mit der Jagd so gar nichts zu tun haben. In der Regel ein langweiliges Unterfangen und ich wäre gar nicht hier, aber nachdem Hekate und Ares es für nötig hielten sich einzumischen, war ich ja quasi im Zugzwang. Soll schließlich niemand sagen, die Göttin der Liebe wäre nicht am Sieg ihrer Tochter interessiert. Auch wenn es ein furchtbar langweiliger Auftrag war. Wirklich, du hättest lieber einem hübschen Jungen das Herz brechen sollen. Damit hättest du deine Zeit sinnvoll verbracht. Aber nein – Es ist immer das gleiche. Taucht der dumme Fuchs auf, müssen meine armen Kleinen leiden.“ Aphrodite hielt für einen Moment inne bevor sie ihren Blick zur Tür schweifen ließ. „Egal ihr Süßen, eure Zeit ist um. Ihr müsst jetzt aussteigen“, verkündete sie und es war fast, als hätte sie verkündet, dass sämtliche Schusswaffen in Amerika verboten werden würden. Morvant wollte nicht gehen. Er wollte nicht wieder bei jedem Schritt Schmerzen verspüren und er wollte eigentlich auch nicht die Gegenwart dieser Frau missen. Trotzdem stand er schneller wieder auf der Straße als er gucken konnte und sah die Rücklichter der weißen Limousine in der Ferne verschwinden. Neben ihm seufzte Donna ein „Schade“ und der Junge hätte ihr am liebsten Recht gegeben. Er wäre auch gerne noch länger geblieben und das nicht nur, weil er sich in seiner neuen Kleidung ein bisschen wie ein Clown fühlte. Noch nie war Morvant der Hügel mit der Fichte so hoch vorgekommen wie an diesem Tag. Der Wachdrache schlief zufrieden im Schatten des Baumes an dessen unterstem Ast das Goldene Vlies hing, dessen Magie das Camp vor Eindringlingen schützte. Obwohl er wusste, dass auf der anderen Seite grüne Wiesen, Wald und leuchtend weiße, griechische Gebäude auf ihn warteten, fiel ihm jeder Schritt schwer. Aphrodite hatte sich zwar um seine Kleidung gekümmert, nicht aber um die Wunde, die sein Sturz hinterlassen hatte. Das vierstöckige Hauptgebäude thronte zwischen den Erdbeerfeldern, genau wie er es gewohnt war. Aber richtig freuen konnte Morvant sich darüber nicht. Er war sich ziemlich sicher, dass er dringend die Krankenstation besuchen musste und er ahnte, dass er es seinen Mitstreitern gerade wirklich schwer machte. Robin keuchte ihm ins Ohr. Sie hatte sich zwar gleich wieder freiwillig angeboten ihn zu stützen, aber es war offensichtlich, dass sein Gewicht zusätzlich zu ihrem Rucksack eigentlich zu viel für sie war. Vermutlich hätte er ihr Angebot nicht angenommen, hätte er sich in der Lage gesehen das Stück alleine zu laufen. Aber jeder Schritt verursachte einen stechenden Schmerz in seiner Brust und verriet deutlich, dass er sich glücklich schätzen konnte, dass das Mädchen ihm helfen wollte. Und Donna trug zwar tapfer die beiden verbliebenen Rucksäcke, aber die Art wie sie sich immer wieder umdrehte und ihnen böse Blicke zuwarf, verriet ihm recht deutlich, dass sie ihr eigentlich zu langsam vorwärts kamen. Komisch, auf dem Weg durch den Wald war sie nicht halb so schnell gewesen wie jetzt wo es darum ging nur noch den letzten Hügel zu überstehen. Einige Pegasi flogen über die Bäume hinweg, Flötengesang erklang und irgendwo lachten ein paar vereinzelte Camper. Alles wirkte ruhig und friedlich, als ein überraschtes „Morvant?“ die Szenerie zerstörte. Eine wohlbekannte Speerspitze schob sich in sein Blickfeld und hielt Zentimeter vor seinem Gesicht inne. Ja, die gehörte ganz eindeutig Clarisse. Ein Grund mehr jetzt besser nicht auszuweichen oder vor Schmerz zusammenzubrechen. Clarisse sah noch genauso aus, wie sie ausgesehen hatte, als sie ihn am Vortag am Wagen abgesetzt hatte. Sie hatte ihre strähnigen, braunen Haare mit einem dieser ätzenden Tücher zusammengebunden, die sie so gerne trug und in Morvant wuchs das Bedürfnis ihr das hässliche, gelbe Ding aufzuschwatzen, das er um den Hals trug. Vielleicht würde es ihr ja trotz der dotterblumengelben Farbe gefallen. „Wow, du siehst aus wie eine Nacktschnecke. Eine sterbende Nacktschnecke“, stellte sie ungerührt fest und ließ langsam ihren Speer sinken, bevor sie sich unsanft auf seine freie Seite drängte um ihn zusätzlich zu stützen. Robin seufzte erleichtert, als sich Morvants Gewicht auf seine Halbschwester verlagerte. Clarisse war robust und deutlich stärker als die kleine Hexe, das machte sich beinahe sofort bemerkbar. Endlich konnte Morvant sich abstützen ohne Sorge haben zu müssen, dass es dem Mädchen zu viel werden würde. Clarisse würde vermutlich nicht Mal zusammenbrechen, würde er darauf bestehen den Drachen auch noch mitzunehmen. Allerdings bestand die leichte Gefahr, dass sie ihn loslassen würde, wenn sie erfuhr, was ihm in den letzten vierundzwanzig Stunden so alles zugestoßen war. Vermutlich war es klüger gleich zu gestehen, bevor sie die Hände wieder so weit frei bekam, dass sie ihm deshalb wehtun konnte. „Eine sterbende Nacktschnecke, die dein Zelt kaputt gemacht hat“, erwiderte er, bemüht es nicht wie eine große Sache klingen zu lassen. Clarisse knurrte, aber es klang nicht wirklich echt. Es fehlte die Tiefe und der tödliche Blick, den sie Jackson immer zuwarf, wenn er ihr zu nahe kam. Musste an dieser Klo-Geschichte liegen, bei der Clarisse ziemlich baden gegangen war. „Na toll“, urteilte sie, ließ aber glücklicher Weise trotz allem nicht los, sondern setzte stur ihren Weg in Richtung Haupthaus fort. „Dussel. Was ist passiert?“ „Dad ist durchgefahren“, flüsterte Morvant. Musste ja nicht die halbe Hermeshütte mithören, wenn er erzählte, dass der Kriegsgott persönlich das Zelt seiner Schwester zerstört und dann notdürftig wieder geflickt hatte. Immerhin war das schwer zu glauben und vermutlich eine Geschichte, die die anderen Camper als guten Witz ansehen würden. Genau wie die Sache mit der Ente. „Durchgefahren?“, echote Clarisse und sah dabei aus, als wäre sie nicht sicher, ob sie ihn wegen des kaputten Zeltes würgen oder bedauern sollte. „Naja, wenigstens hast du den Fuchs erschlagen. Das können wir heute Abend feiern“, presste sie hervor aber Morvant wusste, dass sie nicht glücklich über das Geständnis war. Wenn er wieder in Arlington war, würde er ihr ein neues Zelt kaufen müssen. Um des allgemeinen Weltfriedens willen. „Also eigentlich...“, gestand er unter dem prüfenden Blick seiner Halbschwester, „Hab ich das nicht.“ Clarisse buschige Augenbrauen hoben sich misstrauisch. „Wie jetzt?“, fragte sie streng, „Willst du mir sagen, dass die kleine Satanistin ihn erwischt hat?“ Morvants Blick huschte zur Seite und erfasste den unglücklichen Ausdruck Robins, die inzwischen mit einem Meter Abstand neben ihnen her marschierte und angestrengt so tat als würde sie nicht lauschen. Gerne hätte er sie wieder an seine Seite zurückgerufen, aber das war vermutlich gerade keine besonders gute Idee. Erinnerungen an die letzte Nacht kamen in ihm auf und er erinnerte sich daran, dass man sie in der Schule auch für eine Satanistin hielt. „Sie heißt Robin und nein, will ich nicht“, verbesserte er Clarisse, auch wenn er wusste, dass es sie nicht einmal interessiert hätte, wäre der Name Marie Antoinette gewesen. Bei Clarisse musste man sich ein wenig mehr anstrengen um zumindest ein bisschen ernstgenommen zu werden. Jackson hatte dafür das Klo fluten müssen. Bei ihm hatte ein rechter Haken ausgereicht. Allerdings war er mit Zwölf auch noch bereit gewesen den einen oder anderen Knochen zu brechen um nicht mit dem Kopf voran in einer Toilette zu landen. Etwas was er heutzutage vermutlich nicht mehr tun würde. - Oder zumindest nicht mehr mit solcher Leidenschaft. „Spuck's aus, Morvant“, forderte Clarisse ohne auf die Namensverbesserung einzugehen. Was das betraf würde er wohl noch einmal ernsthaft mit ihr reden müssen, wenn die Sache nicht mehr ganz so aktuell war und sie sich abgeregt hatte. Morvant holte tief Luft obwohl sein gesamter Brustkorb schmerzte und presste ein „Donnas Puder war's.“, zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor. Das war auch noch so ein Punkt auf der Liste der Dinge, die Clarisse sicher gar nicht gefallen würden. Und tatsächlich wurde der Blick seiner Halbschwester düsterer, während Donna freudestrahlend ein „Deckt auch prima Pickel ab“, ergänzte, bevor sie zu lachen begann. Ihr Kichern hallte in seinen Ohren wieder und gab ihm das Gefühl, sie habe gerade einen besonders guten Witz erzählt obwohl das ja nun wirklich nicht stimmte. „Wenn ich es mir so überlege“, erwiderte Clarisse und funkelte Donna an, damit sie endlich wieder zu glucksen aufhörte, „Solltest du bis zur Krankenstation doch besser die Klappe halten. Ich glaube du hast so viel Blut verloren, dass inzwischen sogar schon deine Begleitung Schwachsinn redet.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)