Feel for you von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1 --------- „Holst du mich heute Mittag von der Schule ab?“ Roman sah seine Schwester an, die gerade am Küchentisch saß und in der Zeitung blätterte. „Ach, Roman!“ Carolin sah auf. „Ich dachte, du hast eine Busfahrkarte! Im Moment bin ich so im Stress wegen der ganzen anstehenden Prüfungen, da habe ich echt keine Zeit, dich in der Weltgeschichte herumzukutschieren!“ „Bitte! Nur heute! Es ist doch schließlich der erste Tag an meiner neuen Schule!“ Mit einem flehenden Blick versuchte er, seine Schwester zu überzeugen. Sie war bereits 23 Jahre alt, also acht Jahre älter als er, und studierte Deutsch, Mathematik und Sport an einer Universität in der Stadt, in der sie noch vor wenigen Tagen gewohnt hatten. Später wollte sie Lehrerin werden und lernte daher so viel, wie sie nur konnte. Nach den Semesterferien, die noch eine Woche lang gingen, begannen die alljährlichen Prüfungen, die sie unbedingt bestehen wollte. Genervt seufzte sie auf. „Okay, dann hole ich dich halt ab. Aber hinfahren werde ich dich nicht!“ „Alles klar!“ Roman packte eine Flasche Wasser in seinen orangefarbenen Rucksack, warf sich diesen dann über die Schulter und sagte: „Tschüss, bis heute Mittag!“ „Ja, bis dann! Viel Spaß auf der neuen Schule!“ „Danke, den werde ich haben!“, erwiderte er, obwohl er sich dabei nicht wirklich sicher war. Um ehrlich zu sein, war er nervös. Schließlich hatte er keine Ahnung, was ihn auf seiner neuen Schule alles erwarten würde. Wie seine Klasse wohl war? Hoffentlich nett. Er verließ das Haus. Es war schon ziemlich alt, stellenweise bröckelte die blassgelbe Farbe von den Wänden. Ein großer Garten grenzte an das Haus, an manchen Stellen war es mit Efeu überwuchert. Romans Vater hatte das Haus für nicht allzu viel Geld erworben. Es lag am Rande der Stadt, aber nahe an der Firma, die der ausschlaggebende Grund für den Umzug gewesen war. In dieser Firma hatte sein Vater einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Seine Mutter hatte sich bereits für einen Job in der Stadt umgeschaut, allerdings noch nichts passendes entdeckt. Roman hatte sich sehr über diesen Umzug geärgert. Schließlich hatte er alles aufgeben müssen: seine alten Freunde, die alte Schule, seine Hobbys. Okay, letzteres konnte er auch hier tun. Einen Fußball- und einen Basketballverein gab es auch in dieser Stadt. Bereits am Wochenende hatte er sich bei beidem angemeldet. Aber auch dort kannte er niemanden. Überall war er jetzt der „Neue“. Der Neue in der Stadt, der Neue auf der Schule, der Neue im Sportverein. Er beneidete seine Schwester. Diese hatte sich nämlich eine kleine Wohnung in ihrer alten Stadt gesucht, um weiterhin auf derselben Universität studieren zu können. Am liebsten hätte er sich diese Wohnung mit ihr geteilt, aber das erlaubten ihm seine Eltern nicht. Er machte sich auf den Weg zur Bushaltestelle. Eine Weile lang kickte er einen kleinen Kieselstein vor sich her, bis dieser in einem Gully landete und mit einem leisen „Platsch“ ins Wasser flog. Kurz darauf hatte er die Bushaltestelle erreicht. Es waren schon ein paar Schüler anwesend, die ihn allerdings nicht weiter beachteten. Er sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach sieben. Gerade, als er überlegte, wann wohl der Bus käme, hörte er ein Motorengeräusch und sah ihn herbeifahren. Er hielt direkt vor seiner Nase. 'Hoffentlich ist das der richtige Bus', dachte Roman, als er einstieg und sich auf einen freien Platz setzte. Sich im Bus zu irren und irgendwo am Arsch der Welt abgesetzt zu werden – das fehlte ihm gerade noch. Der Bus fuhr los. Roman schaute die meiste Zeit aus dem Fenster. Überall waren Menschen zu sehen. Mit ihren Autos, auf Fahrrädern oder auch zu Fuß machten sie sich auf den Weg zur Arbeit, in die Schule oder sonstwohin. So hektisch war es in seinem alten Wohnort auch zugegangen. Er war an das alles schon gewohnt. Nach etwa zehn Minuten hielt der Bus. Er war an der Schule angekommen. Roman stand auf, nahm seinen Rucksack und stieg zusammen mit den anderen Schülern aus dem Bus. Jetzt war er also da. Er lief über den Schulhof und sah sich um. Das Schulhaus war groß, grau und uneinladend. Stellenweise waren die Wände bunt bemalt, um an die ehemaligen Schüler zu erinnern, die schon längst ihr Abitur in der Tasche hatten. Aber der größte Teil war grau und farblos. Die schrille Schulglocke läutete. Überall drängelten sich jetzt Schülerinnen und Schüler durch die große Eingangstür des Schulgebäudes. Roman wartete etwas abseits, bis der größte Teil der Menschenmenge drinnen war und betrat dann ebenfalls das Gebäude. Seinen Stundenplan hatte er bereits erhalten, als er zur Anmeldung gekommen war. Er suchte kurz in seinem Rucksack herum, zog dann einen zerknitterten Zettel heraus, faltete ihn auf und schaute nach, wo er jetzt hinmusste. 'Montag, erste Stunde... Mathe in Raum 354...', sagte er in Gedanken und steckte den Zettel wieder ein. Ohne zu wissen, wo der Raum überhaupt war, begann er, durch das Schulhaus zu irren. Alle Wege führten nach Rom, irgendwann musste er ja an dem Zimmer ankommen. Er ging eine Treppe nach oben, sah sich kurz um, lief durch ein paar Gänge, merkte, dass er falsch war, kehrte wieder um, lief eine andere Treppe nach oben, fand sich plötzlich in der Bücherei wieder, kehrte wieder um, … Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er das Zimmer endlich gefunden. Glücklicherweise hatte der Unterricht noch nicht angefangen. Alle seine neuen Mitschüler standen oder saßen vor dem Klassenzimmer und warteten auf den Lehrer. Als Roman sich zu ihnen stellte, schauten in ein paar an, andere begannen, zu tuscheln, aber niemand sprach ihn an. Kurz darauf kam der Lehrer und schloss die Tür auf. Wieder begannen alle, zu drängeln. Roman ging als Letzter hinein, woraufhin der Lehrer ihn ansprach. „Hallo, bist du Roman? Ich habe vorhin gehört, wir bekommen einen Neuen“, sagte er. Roman nickte. „Ja, der bin ich.“ „Okay, dann herzlich Willkommen hier an der Schule! Ich bin Herr Bührer und sowohl dein Mathe- als auch dein Klassenlehrer. Würdest du noch hier vorne bleiben und dich den anderen kurz vorstellen?“ „Klar!“ Daraufhin wandte sich der Lehrer an die Klasse. „Guten Morgen, alle miteinander. Vielleicht habt ihr es ja schon bemerkt, wir haben einen neuen Schüler hier in der Klasse. Bitte stellt jetzt eure Gespräche ein, damit er sich kurz vorstellen kann.“ Roman räusperte sich kurz, ehe er zu sprechen begann. „Also, mein Name ist Roman, ich bin 15 Jahre alt und erst vor ein paar Tagen hier hergezogen. Ihr könnt mich ja selbst fragen, falls ihr noch irgendetwas wissen wollt, ich lerne gerne neue Leute kennen.“ Er lächelte leicht. „Gut. Danke, Roman. Such dir einen freien Platz aus“, sagte Herr Bührer, nahm das Klassenbuch und trug etwas ein. Roman nickte und ging zu einem freien Platz in der zweiten Reihe. Aber gerade, als er sich setzen wollte, flüsterte ihm der Junge, der neben dem Platz saß, zu: „An deiner Stelle würde ich mich da nicht hinsetzen!“ „Okay, dann eben nicht...“, antwortete Roman irritiert und setzte sich ein paar Meter weiter weg auf einen anderen Platz. Jetzt saß er direkt am Fenster. Der Unterricht begann. Herr Bührer schrieb ein paar Aufgaben an die Tafel, die jeder eigenständig lösen sollte. Obwohl Roman genau solche Aufgaben schon an seiner alten Schule rechnen hatte müssen, fielen sie ihm schwer. Mathe war noch nie sein Lieblingsfach gewesen, eher das Gegenteil. Immer wieder sah er auf die Uhr und hoffte, dass die Stunde schnell vorübergehen würde. 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