Eisvogel von Anemia (Der erste Stock) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Oft, wenn ich allein auf meinem Bett saß, die Sehnsucht nach Liebe mich übermannte und ich mich nach intensiven Glücksgefühlen verzehrte, verschaffte ich mir einfach ein wenig Freude. Einsame Freude an einem Empfinden, welches man eigentlich mit einer zweiten Person teilen sollte, einem Menschen, dem man vertraut, dem man am liebsten die ganze Welt zu Füßen legen würde, weil er sie verdient. Ich glaubte noch immer daran, an dieses Märchen von der immerwährenden Liebe, auch wenn ich häufig resigniert den Kopf schüttelte, wenn ich mein Antlitz im Spiegel betrachtete und mir ein nur durchschnittlich hübsches Gesicht entgegenschaute. Meine Augen waren klein und rund und von meiner Nase wünschte ich mir, dass sie stupsig wäre und nicht so merkwürdig spitz, dass es gar nicht zu meiner runden Gesichtsform passen wollte. Die Haare wollten auch nicht so wie ich, der Pony bog sich fürchterlich zur Seite und verdeckte meine Augen nicht mehr, so, wie ich es eigentlich anstrebte. Aschblond - wer war schon freiwillig aschblond? Und dann diese Pickel... Von meinem Körper fing ich besser gar nicht erst an zu berichten. Dabei war Optik so wichtig in der heutigen Zeit, die Medien übermittelten mir dies täglich. Frauen mit großer Oberweite und langen, schlanken Beinen. Männer mit Sixpack und kantigem Gesicht. Auch wenn ich wusste, dass diese Schönheitsideale nur Klischees waren, so erlangte ich ebenfalls die Erkenntnis, dass der Durchschnittsbürger eben auf dieses Klischee stand. Fragte sich nur: Stand ich auf den Durchschnittsbürger, den Nullachtfünfzehnmenschen? Nein. Aber auf was stand ich denn überhaupt? So wie ich wusste, dass ich Glück und tiefes Empfinden wie die Luft zum Atmen benötigte, so wenig wusste ich eigentlich über meine Seele, konnte ihre Wünsche nicht deuten und schon gar nicht in die Tat umsetzen. Letzteres scheiterte vor allem an meinem größten Manko, der fast schon krankhaften Schüchternheit. Machte ich den Mund auf, um etwas zu sagen, purzelten garantiert gestotterte Halbsätze heraus, für die man mich ganz sicher schon verlacht oft verlacht hatte. Behindert kam ich mir in solchen Momenten vor. Die anderen mussten doch denken, ich sei geistig nicht ganz auf der Höhe, zurückgeblieben, einfach dumm. Noch so ein Punkt, von dem ich dachte, damit niemals ein Herz gewinnen zu können. Machos will die Frauenwelt, auf was die Männerwelt aus war, konnte ich nur erahnen. Ich zumindest wusste nicht, was ich wollte. Ich wollte etwas, das spürte ich, da war ein Verlangen in mir, ein unsägliches gar. Und wenn ich diesen Gefühlen entkommen wollte, machte ich es mir eben, und wenn es dreimal täglich geschah, es war angenehm, oftmals das angenehmste Empfinden, welches ich mir an einem tristen Alltag bereiten konnte. Denn Triebe hatte auch ich, starke Triebe, die jedoch kein Medium verlangten. Richtigen Sex konnte ich mir nicht vorstellen, das lag alles noch in weiter Ferne. War das normal für einen Jugendlichen, fragte ich mich in stillen Momenten? Wollte sich denn nicht jeder gern einmal ausprobieren, diese Gefühle erforschen und damit sein Erwachsensein unterstreichen? Vielleicht machte ich mir aber auch ganz umsonst Gedanken darüber, dass es nun endlich einmal geschehen musste? Aber ich meine, welcher normale Mensch ist mit 18 Lenzen auf dem Buckel noch jungfräulich? Keiner, eben. Und ich schämte mich dafür. Auch wenn ich es eigentlich noch gar nicht wollte, da ich im Herzen noch ein Kind war, es machte mir zu schaffen, denn ich hatte keinen Bock, dass es irgendjemand erfahren könnte und mich somit zum Gespött der ganzen Schule machte. Wenn die anderen über ihre Erlebnisse sprachen, ganz unverblümt, als sei es das Normalste und zugleich Wichtigste auf der Welt, konnte ich nur zuhören und hoffen, dass mich niemand darauf ansprach. Denn im Lügen war ich grottenschlecht. Wenn mich nicht meine Worte verrieten, dann meine Gesten und meine Mimik. Deshalb verfluche ich einen gewissen Tag noch heute, weil ich so ein Idiot war. Ein hässlicher, liebessüchtiger und zugleich sozial inkompetenter Idiot. Und ich hasste meine Ohren. Die gehörten echt dem Hund vorgeworfen, damit er darauf herumkauen kann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)