Auf die Dunkelheit folgt Unwissen von NekoBastet (Betrayal IV) ================================================================================ Kapitel 1: Auf die Dunkelheit folgt Unwissen -------------------------------------------- Alles was er noch sah, war eine dieser vermummten Gestalten, die in das Haus eingedrungen waren und die nun mit einem gezogenen Breitschwert einen Schritt auf ihn zu machte, eine weitere Person, die halb verborgen in der Dunkelheit stand und ein Pfeil der durch die abendliche Luft glitt. Dann wurde es Schwarz. Rufus Blickfeld verdunkelte sich zunehmend. Der letzte kleine Lichtschimmer, der noch zu sehen war, wurde mehr und mehr von den voran kriechenden Schatten seiner Ohnmacht verschlungen. Die Dunkelheit ließ dem Jungen nichts, außer einem stechenden Rauschen in den Ohren und dem schwachen Pulsieren des Herzschlages, der Rufus' gesamten Körper erfüllte. Kurz darauf herrschte Stille. Eine unheimliche Stille. Es verging einige Zeit. Rufus' Lider zuckten. Langsam erwachte er aus seiner Ohnmacht. Stimmen waren zu hören. Sie hallten in Rufus' Kopf wider, wie tausende Echos. Erst war es nur fernes Gemurmel. Dann verklangen die Echos. Immer deutlicher kristallisierten sich unterschiedliche Worte aus dem Schall und Dröhnen. Rufus vernahm die Stimmen zweier Männer. Sie sprachen in so tiefen Tönen, dass es dem Jungen im Kopf schmerzte. „Warum bist DU hier? Wo ist Fox?“ „Er...“ Ein Seufzen. Danach sprach die Stimme hasserfüllt weiter. „Er wurde auf den letzten Metern von einem Pfeil dieses alten Mannes getroffen. Fox war sofort tot.“ „Dass dieser Alte nach all der Zeit noch soviel Ärger machen würde.“ Ein Stab oder Stock wurde fest auf den Boden gestoßen. Es krachte kurz auf und kratzte dann grässlich über den Boden. „Verflucht soll er sein! Fox war einer meiner besten Männer.“ Rufus verstand kaum, von was die Männer redeten, doch er fürchtete, dass mit dem alten Mann vielleicht sein Stiefvater gemeint sein könnte. Zunehmend erwachten auch die übrigen seiner Sinne wieder aus der Bewusstlosigkeit. Nach dem Hören meldete sich zuerst sein Schmerzenssinn zurück, der ihm schlagartig unbarmherzig seine Wunden und Prellungen meldete. Kurz konnte Rufus nichts anderes wahrnehmen. Sein Geist warnte ihn nur vor den Schmerzen, wodurch er es nicht vermochte, auch nur einen einzigen Gedanken, eine einzige Frage, zu formulieren. Zudem drückte man ihm erbarmungslos auf eine seiner Verletzungen am Oberarm. Doch mit den verstrichenen Sekunden erahnte Rufus die etwaige Situation, in der er sich befand. Regungslos hingen seine Glieder an ihm herab und schleiften auf dem Boden. Nur durch das Pochen an seinem rechten Arm war er sich sicher, dass er festgehalten wurde. Doch er war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Zu erschöpft waren seine Muskeln, zu geschwächt sein Körper und zu stark waren die mit Bewegung verbundenen Schmerzen. Dennoch versuchte er, sich aufzurichten, zog eines seiner Beine an und brach diese Bemühung augenblicklich wieder ab. Reflexartig zog Rufus die Luft zwischen den Zähnen ein und verzerrte das Gesicht. Offensichtlich hatte er mehr abbekommen, als ihm im vergangenen Angesicht des Todes bewusst gewesen war. Sein Zischen schien gehört worden zu sein. Die Stimmen schwiegen kurz. Dann war wieder - zu undeutlich, um es zu verstehen - das Grollen einer der Stimmen zu hören. War es eine Frage gewesen? Die nähere Stimme antwortete ebenso unverständlich und festigte den Griff um Rufus' Arm. Dann warf der Besitzer dieser zweiten Stimme Rufus wie ein Spielzeug vor sich auf den Boden. Der Junge schlug hart auf und keuchte vor Schmerz. Doch noch immer, nun sogar noch stärker, schrien seine Sinne von den Strapazen und verweigerten jegliche Regung. Glatter, nackter Stein kühlte sein von Angstschweiß bedecktes Gesicht. Wie Lava, so heiße Tränen bahnten sich schließlich ihren Weg über seine blassen Wangen und tropften auf die Steine. Das Salz tat sein Übriges und brannte leicht auf den Schrammen des armen Jungen. Er musste erneut aufstöhnen, als er mit einem Fuß getreten und damit auf den Rücken gedreht wurde. Ein Lachen. Es klang kühl und rücksichtslos. Dann hörte Rufus Schritte. Sie kamen näher und hallten ebenfalls. Weshalb hallte es überall so? Rufus erlangte die Fähigkeit zurück, sich Fragen zu stellen. Das war sicher ein gutes Zeichen. Sein Gehirn hatte noch nicht aufgegeben und ließ ihn denken! Doch in eben dieser Sekunde wünschte sich Rufus, er wäre nicht wieder dazu in der Lage gewesen, denn sofort brachen sämtliche Fragen über ihn herein. Wo war er? Wie war er hierher gekommen? Was war geschehen? Bevor er versuchen konnte, sich die Antworten auf all diese Unklarheiten zusammenzureimen, durchbrach einer der Männer das Hallen der Schritte und das bedrohliche Schleifen langen Stoffes über das Gestein. Es sprach der, der vorher weiter weg gestanden hatte. „Was ist mit IHM?“ Rufus war dankbar, die Worte mittlerweile erneut besser verstehen zu können. Auch fiel ihm der etwas untertänige Tonfall des nun antwortenden Mannes auf. Anscheinend gab es hier eine Rangordnung. „Er hatte das Buch.“ „Das Buch? Er?“, fragte der Höhergestellte überrascht und lachte spöttisch auf. „Wie sollte ein kleiner, unbedeutender Bengel wie er an das Betrayal kommen?“ Sofort reagierte der andere. Er redete schnell und ließ keine Pause zwischen den vorangegangen und seinen eigenen Worten. „Verzeiht bitte, Meister. Wir wurden...“ Bildete Rufus sich das ein, oder zitterte die Stimme des Untergebenen? Erneut blitzte eine Frage in Rufus auf. Doch diesmal konnte er sie nicht so schnell verdrängen, als die anderen. Wo war das Buch?? Es war fort. Verloren! Gestohlen! Rufus keuchte wieder auf. Der Schreck dieser Erkenntnis hatte ihn Zucken und damit seine Verletzungen spüren lassen. Ungeachtet des Leides, das er ertragen musste, richtete der Ranghöhere sein Wort nun an Rufus und stieß ihn mit dem Stab an. „Nenne mir deinen Namen, Junge.“ Rufus konnte nicht antworten, denn als er seinen Mund zum Sprechen bewegte und seine Stimme erheben wollte, verschluckte er sich an angesammelter Spucke und Blut und hustete instinktiv. Erst ein paar Atemzüge später kam er wieder zu Luft und ließ den frischen Sauerstoff keuchend in seine Lunge strömen. „Antworte, wenn du gefragt wirst!“, rief der Untergebene erneut und zerrte Rufus brutal am Kragen hoch. „R- Rufus.“, krächzte der Junge panisch und unterdrückte die erneut aufsteigenden Tränen. „Rufus ist mein Na-“ Er wurde von einem wütenden Aufschrei unterbrochen. „Warum habt ihr ihn am Leben gelassen, ihr Tölpel?“ Ein Klatschen ertönte und Rufus knallte wieder hinab auf den Boden. Er zwang sich nun, seine Augenlider zu öffnen und erspähte in den verschwommenen Lichtern, wie der Lakai, oder was er war, auf dem Boden kniete und sich die Wange hielt. Offenbar hatte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. Doch anstatt aufzustehen, verneigte er sich vor dem anderen nur noch tiefer. „Meister, ich flehe euch an! Es war das Betrayal! Es-!“ „Das Betrayal?!“, wiederholte der Meister belustigt. „Das Betrayal würde niemals jemanden schützen.“ Gnädigerweise wurde dem Lakaien diesmal Gelegenheit gelassen, um zu schildern, was nach Fox' Tod geschehen war. So erfuhr auch Rufus etwas mehr über die Zeit, in der er ohnmächtig gewesen war und lauschte angestrengt der zittrigen Erzählung, die mit jedem Wort mehr den Anschein erweckte, als bettelte er um Vergebung und damit um sein Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)