In Memoriam von K2K ================================================================================ Kapitel 1: Teil 1 - Vorgeschichte --------------------------------- Teil 1 - Vorgeschichte Ich denke oft zurück und sehe dann den Umzugswagen, der die Auffahrt des Hauses neben unserem hinauf fährt. Wenig später kommt ein Auto angefahren und hält vor dem Haus am Bürgersteig und hinaus steigen drei Personen, ein Mann, eine Frau und ein Mädchen - Sie. Zu dem Zeitpunkt war ich 13 Jahre alt und saß mit meinen Eltern in unserem Vorgarten auf der Terrasse und beobachtete das ganze Geschehen. Wenig später sollte sich herausstellen, dass das Mädchen in meinem Alter ist. Ich sah interessiert weiter dabei zu, wie die Eltern geschäftig hin und her rannten und den Möbelpackern sagten, wo was zu stehen hat und welches Zimmer zuerst eingeräumt werden solle. Einen Augenblick später wurde mir dies ziemlich langweilig und ich lies meinen Blick schweifen. Das Gebäude sah Schön aus, es war nicht überdimensional groß, jedoch auch nicht winzig klein, es schien die richtige Größe für drei Personen zu haben. Es hatte eine komische Farbe, gelblich orange und das Dach schimmerte grünlich im Sonnenlicht. Der Vorgarten war schön bepflanzt, meiner Meinung nach, aber ich bin nun auch kein wirklicher Kenner. Zur Straße hin war er durch eine niedrige Hecke abgetrennt. Das Mädchen stand teilnahmslos an der Mauer, die unsere beiden Häuser voneinander abtrennte und sah in meine Richtung. Als ich damit fertig war, das Haus genauer zu betrachten sah auch ich in ihre Richtung und lächelte sie leicht an, doch sie starrte nur traurig zurück und so lies auch ich mein Lächeln schnell wieder verschwinden, mein Blick jedoch ruhte weiterhin auf ihr. Erst als ich meinen Namen vom inneren unseres Hauses hörte sah ich, dass nur noch ich alleine da saß und wendete meinen Blick ab. Es war schon etwas dunkel und so ging auch ich hinein. Ich war schon immer ein Mensch, den vieles beschäftigte und so ließen mich auch an diesem Abend die Geschehnisse des Tages nicht mehr los. Vor allem jedoch beschäftigte mich dieses traurig blickende Mädchen. Noch, als ich schon lange in meinem dunklen Zimmer im Bett lag und meine schwarze Decke anstarrte, musste ich an sie denken. So ging es mir noch einige Tage. Ich beobachtete sie von meinem Zimmer aus. Mein Zimmer und ihres lagen sich gegenüber und so konnte ich genau hinein sehen. Jetzt im Nachhinein weiß ich, es hatte ein wenig was von stalken, aber ich war 13 und neugierig auf das traurig dreinblickende Mädchen. Meistens sah ich sie in ihrem Zimmer auf dem Bett sitzen und lesen, manchmal sah ich sie, wie sie an ihrer Wand lehnend auf dem Boden saß, die Augen geschlossen, die Arme um ihre Beine geschlungen und der Musik lauschend, die leise aus ihren Boxen zu kommen schien. In den ersten zwei Wochen geschah nichts weiter. Ich saß in meinem Zimmer, vor meinem Fenster mit meinem Fernglas bewaffnet und spannte regelrecht in ihr Zimmer hinein. Ab und zu sah ich, wie sie aus ihrem Zimmer verschwand. Es geschah immer plötzlich, als ob ihr etwas Wichtiges eingefallen wäre. Sie sprang auf, wie von der Tarantel gestochen. Kurz entzog sie sich meinem Gespanne, bis ich sie aus dem Haus laufen sah, an der Mauer lehnend und dort hin sehend, wo sich unsere Blicke das erste Mal trafen. Als sie jedoch niemanden dort sah ging sie wieder, scheinbar lustlos, in das Haus zurück. ~ Ich glaube man fragt sich nun so langsam, wie ich die Zeit dazu gefunden habe und ob ich nicht besseres zu tun gehabt hätte, als einem Mädchen hinter her zu spionieren, welches gerade nebenan eingezogen war. Das ist leicht zu beantworten, ich hatten gerade Sommerferien und mir war sehr langweilig. Wenn mir langweilig war kam ich schon immer auf so komische Ideen und es sollte sich herausstellen, dass es ihr nicht anders ging. Aber dazu später mehr. ~ Ich schwenkte wieder mit meinem Fernglas zu ihrem Fenster und hätte es fast wieder fallen lassen. Da stand sie, hatte ihren Vorhang beiseite geschoben und blickte ausdruckslos aus ihrem Zimmer geradewegs in meines hinein. Man konnte fast schon in Zeitlupe sehen, wie sich ihre Gesichtszüge veränderten. Erst senkte sie leicht ihren Kopf, dann kniff sie die Augen so zusammen, das nur noch zwei schmale Schlitze zu sehen waren und zu guter Letzt lief sie Puter rot an. So stand sie eine Weile lang da, mir kam es wie eine Ewigkeit vor und ich wagte kaum zu atmen. Doch dann, ganz plötzlich entspannten sich ihre Züge wieder, sie legte den Kopf zur Seite und ich traute mir das Atmen wieder zu. Ich fühlte mich ertappt und schlecht, aber vor allem ertappt. Ich beschloss meine Spannerkarriere an den Nagel zu hängen und verstaute das Fernglas wieder in meinem Schrank. Einmal noch huschte mein Blick zu ihrem Fenster, doch sie war nicht mehr da.Wahrscheinlich erzählt sie ihren Eltern gerade, von dem 13 jährigen Spanner im Nachbarhaus, dachte ich und setzte mich leicht deprimiert auf meinen Bürostuhl. Ich erschrak, als ich keine zehn Minuten später die Klingel unseres Hauses klingeln hörte und betete, dass es nicht ihre Eltern waren, während mein Herz so laut zu pochen schien, dass ich mich fragte, ob es nicht noch Kilometer weit weg zu hören war. Über das Pochen hinweg hörte ich aus der Ferne meinen Namen, genauer gesagt hörte ich ihn von unten, denn meine Mutter hatte die Tür geöffnet und mich gerufen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und gleichzeitig rutschte es mir in die Hose. Langsam erhob ich mich von meinem Stuhl und überlegte auf was ich mich vorbereiten musste, Geschrei vielleicht? Als ich unten ankam, hatte ich schon so viele Szenarien durch, dass mir schlecht war. Als ich zu meiner Mutter an die Tür ging und zu ihr hoch blickte sah ich zu meinem Erstaunen keinen Ärger in ihrer Miene. Sie schenkte bloß noch dem Mädchen, dass in der Tür stand ein Lächeln und wuselte dann weiter im Haus herum. Nun stand ich genau vor ihr, sie war etwas kleiner als ich. Ihre Miene war unergründlich - so unergründlich eben, wie die Miene einer 13 jährigen sein konnte. Darum war ich ziemlich unschlüssig, ob ich mir erlauben konnte die Übelkeit in die Flucht zu schlagen oder ob ich mich ihr ganz hingeben sollte und dem Opfer meiner scheinbaren Perversion vor die Füße kotzen sollte. Offenbar stellte ich meinen ernsten, inneren Konflikt zu sehr zur Schau und musste dabei ziemlich lächerlich ausgesehen haben, denn mein vermeintliches Opfer lachte. Sie lachte mich an, zum ersten Mal seit sie nebenan eingezogen war sah ich sie lachen und viel wichtiger, zum ersten Mal hörte ich sie lachen. Unwillkürlich freute ich mich über diese Tatsache, bis mir klar wurde, dass sie mich viel mehr aus- als anlachte. Ich musste wirklich bescheuert ausgesehen haben. Aber als stolzer oder eher trotziger 13 jähriger lies ich so etwas natürlich nicht auf mir sitzen und so verfinsterten sich meine Züge und sie hörte auf zu lachen, ein grinsen konnte sie sich jedoch nicht verkneifen. ~ Unser erstes Treffen hätte besser verlaufen können, das gebe ich gerne zu, aber es hätte auch schlechter sein können. Sie hatte zumindest gelacht. Hätte ich damals schon gewusst, was ich heute über sie weiß hätte ich mir mehr Mühe gegeben sie zum Lachen zu bringen. ~ ‚Hallo‘, sagte sie und die Spur ihres Lachens lag noch auf ihrem Gesicht. ‚Hallo‘, sagte ich daraufhin schmollend, ‚so lustig bin ich also, hm?‘ ‚Nö‘, entgegnete sie und wieder fing sie leicht an zu lachen, als sie mich schmollen sah lachte sie nur noch mehr. Ich zog die Tür hinter uns zu. Sie hatte mich überredet mit raus zu kommen. Ich war noch nie der Typ gewesen, der gerne hinaus in die Natur ging, aber sie hatte gute Argumente, unter anderem, dass ich sie dann auch ohne zwei Gläsern vor den Augen sehen durfte und dass es dann nichts Perverses mehr wäre. Bei diesen Argumenten wurde ich unwillkürlich rot, ich versuchte es vor ihr zu verbergen, aber ich versagte und sie grinste. Es war später Mittag als wir losgingen. Ich zeigte ihr das Kaff, in das sie gezogen war. Wir gingen einen Feldweg entlang und ich erzählte ihr irgendetwas und sie erzählte mir irgendetwas. Wir gingen und redeten so lange, bis die Sonne die Grenzen des Horizontes überschritt. Ich redete über nichts Tiefgründiges und sie auch nicht, doch es hatte gereicht, um uns für den nächsten Tag zu verabreden. ~ Für die nächsten Tage und Wochen hatten wir uns noch oft verabredet und unsere Eltern hatten sich auch immer besser kennen gelernt. Sie trafen sich immer öfter zum Essen, was sie auch heute noch machen. Nach den Sommerferien sind wir auch in dieselbe Klasse gekommen und unsere Freundschaft wurde immer inniger. Doch je enger unsere Freundschaft wurde, desto mehr habe ich auch gesehen, wie traurig sie wirklich war. Ich habe sie in der Schule erlebt und danach zu Hause. Es schien mir immer, als ob sie sich eine Maske aufsetzte, um den Tag unbeschwert zu überstehen und abends nahm sie sie ab, um das kleine bisschen Selbst zu beweinen, das von ihr übrig war. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)