The Dark Abyss von Ritterschaf (Oneshots über Davy Jones) ================================================================================ Kapitel 2: Memories ------------------- "Ihr werdet in unserem Namen Piraten jagen und sie ihrer gerechten Strafe zuführen." "Oder ihr werdet sterben." Dem Kapitän der Dutchman kam es fast schon wie eine Paranoia vor. Jedes Mal, wenn er dem Lord über den Weg lief, hörte er die Worte in seinem Kopf, so als würde Beckett sie genau neben ihm aussprechen. Nicht das das nötig gewesen wäre, um Jones an seine mehr oder weniger freiwilligen "Pflichten" zu erinnern. Pflichten. Allein das Wort genügte, um schon wieder Zorn, so glühend wie Magma, in ihm hochkochen zu lassen. Er fand sich selbst an der Reling stehend, den Blick abwesend auf das, vom Sonnenuntergang rötlich gefärbte, glitzernde Wasser gerichtet, die Gedanken auf Reisen. In letzter Zeit verlor er sich immer mehr in Gedanken. Und das war nicht gut. Denn wenn er auf das abendliche Meer starrte, während die Sonne seine eisigen Augen ebenfalls mit einem sanften, warmen Leuchten versah, dann kamen Erinnerungen in ihm hoch. Erinnerungen von denen er nichts mehr wissen wollte. Erinnerungen an vergangene Tage. Erinnerungen an sie. „Calypso...“ Der Name hatte seine Lippen passiert, ehe er sich dessen überhaupt bewusst war. Ohne wirklich zu realisieren was er tat, holte er das herzförmige Medaillon aus seiner Manteltasche und betrachtete es gedankenverloren. Wie es dir wohl geht? Es war ihre Idee gewesen. Er selbst hatte nie solche Beweise für die Liebe gebraucht. 'Überflüssig' hatte er es genannt. Aber sie hatte darauf bestanden, ihm ihr Herz auch metaphorisch zu schenken. Und sie hatte es getan. Sein Herz hatte schneller geschlagen, als er das kühle Herz auf seiner Handfläche betrachtet hatte. Mit geschickten Fingern hatte sie das Medaillon geöffnet, um ihm das Lied zu zeigen. „Das Meer hat viele Melodien.“ , hatte sie ihm damals ins Ohr geflüstert, „Aber diese hier ist meine Liebste.“ Damals hatte Jones über den Gedanken lächeln müssen. Es war seine Melodie gewesen. Seine, die er für sie geschrieben hatte, damals. Damals... ...es war leicht wie eine Feder gewesen, das Medaillon. Ohne das er etwas dagegen tun konnte, stahl sich ein winziges Lächeln auf sein fahles Gesicht. Beinahe zweieinhalb Jahrhunderte war es her, das er es erhalten hatte. Sind deine Erinnerungen ebenso klar, wie meine es sind? Jones hatte es kaum gespürt, als es kurz über seinem Herzen geruht hatte. Bei jeder Erinnerung daran, hatte sich sein Puls beschleunigt. Bei jeder Erinnerung hatte sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen geschlichen. Er hatte die Monate gezählt, die Wochen, die Tage. Bei jedem neuen Sonnenaufgang hatte sich sein Puls beschleunigt, bei jeder Brise, die sein Gesicht gestreift hatte, war die Erinnerung an ihre sanften Hände in ihm aufgestiegen. Eine weitere Erinnerung, die ihm ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hatte. Kurz nach Sonnenaufgang hatte er die Insel, ihren Treffpunkt betreten. Und kurz vor Sonnenuntergang hatte er sie wieder verlassen. Jedes Mal allein. Habe ich dir eigentlich je etwas bedeutet...? Damals hatte er gedacht, seine Wut und Trauer würden ihn in den Wahnsinn treiben. Wie falsch er doch gelegen hatte. Jones' Hand schloss sich unmerklich fester um das kleine Medaillon, während seine Gedanken immer weiter wanderten. Sein momentaner Gefühlszustand war mit dem Damaligen vergleichbar, wenn er den Damaligen nicht sogar schon übertraf. Nur das in seinem momentanen Gefühlschaos noch zusätzlich ein Hauch von Hilflosigkeit und Verzweiflung mit von der Partie war. Hasst du mich für das, was ich getan habe? Ein leises Seufzen entwich seinen Lippen, ohne das er etwas dagegen tun konnte. Mit einer Feder über dem Herzen hatte er die Insel damals betreten. Mit einem Stein hatte er es wieder verlassen. Schwer wie Blei hatte es monatelang über seinem schmerzendem Herzen gehangen, bis er dieses Gefühl nicht mehr hatte ertragen können. Jedes Mal hatte es ihn daran erinnert, wer es ihm gegeben hatte, was sie ihm angetan hatte; was er ihr schlussendlich aus Rache angetan hatte. Und was sie ihm immer noch bedeutete. Doch trotz des Gewichtes, welches ihn jedes Mal aufs Neue an seinen Verrat erinnerte, konnte - und wollte - er sich nicht davon trennen. So war es in seiner Manteltasche verschwunden, immer noch in seiner Nähe, nur nicht allzu nah. Doch auch dadurch waren die lähmenden Schmerzen, der ohnmächtige Zorn und die verzweifelte Trauer nicht verschwunden. Es hätte den Kapitän des verfluchten Schiffes wahrscheinlich in den Wahnsinn getrieben, bis er in einer Nacht diese wahnsinnige Entscheidung gefällt hatte. All sein momentaner Schmerz, all sein momentaner Hass. Diese eine Entscheidung war der Beginn von alledem gewesen. Ist für so etwas wie „Vergebung“ überhaupt Platz in dieser Welt? Auch wenn es schon zwei Jahrhunderte zurücklag, erinnerte er sich trotz allem an jede Einzelheit. Der Mond war in dieser Nacht besonders hell gewesen, hatte das Meer in einen, sich kräuselnden, Spiegel aus reinem Silber verwandelt. Er wusste noch genau, wie scharf die Klinge im Mondlicht ausgesehen hatte, wie eisig sie war...und er hörte immer noch den erschrockenen Aufschrei seines ersten Maats. Mit blankem Horror in den Augen hatte er seinen Kapitän angestarrt, welcher in einer immer größer werdenden Blutlache stand, in einer Hand eine Klinge und in der anderen sein...sein... Jones schloss die Augen kurz und verscheuchte die Erinnerung mit einem unwilligen Kopfzucken. Er hatte das ungute Gefühl das ihn jemand beobachtete und fuhr in einer einzigen fließenden Bewegung herum. Sein Gefühl hatte ihn bisher nur selten getäuscht und auch jetzt leistete es ihm gute Dienste. Hinter ihm stand, die Arme lässig vor der Brust verschränkt, der Schoßhund seines „Meisters“ persönlich. Jones machte sich gar nicht erst die Mühe etwas zu sagen, sondern starrte Mercer nur mit unverhohlener Verachtung in den hellblauen Augen an. Nicht für sie. „Lord Beckett verlangt Euch zu sehen, Jones.“, Mercer schien Jones' verächtlichen Blick nicht zu bemerken, und falls er es doch tat, dann sagte er nichts dazu. Der Kapitän der Dutchman nickte einmal wortlos, dann wandte er seinen Blick wieder auf die glitzernde See. Ob es für mich Vergebung gibt? Wer weiß. Sein Blick streifte das silberne Schmuckstück in seiner Hand erneut, welches ebenfalls von den roten Strahlen der untergehenden Sonne nicht verschont wurde. Er unterdrückte ein weiteres Seufzen und starrte kurz hinauf zum Himmel. Dann ließ er das Medaillon ohne ein weiteres Wort in seiner Manteltasche verschwinden und ging passierte Becketts Schoßhund, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Auf seinem Weg durch sein Schiff fiel sein Blick auf die mittlerweile schon recht zahlreich gewordenen Company-Soldaten. „Company Schiff, Company Crew“, wie Mercer zu sagen pflegte. Jones beobachtete wie ein paar ihre Bajonette reinigten und schnappte ein paar Wortfetzen über Schlachttaktiken auf. Ohne sein Zutun verzogen sich seine Lippen zu einem wölfischen Lächeln. In dem Moment, wo er sein Herz wieder unter seiner Kontrolle wissen würde, würden ihnen selbst die genialsten Waffen und Taktiken nicht helfen...er hatte den Namen „Teufel der Meere“ schließlich nicht ohne Grund erhalten. Und es war seit Urzeiten ein ehernes Gesetz, das man sich mit Teufeln und ihresgleichen nicht anlegte. Ihn und die Dutchman kontrollieren zu wollen, war wie der Wunsch den Wind zähmen zu wollen; es war schlicht und ergreifend nicht möglich. Früher oder später würde sich Jones aus Becketts Griff befreien und dann würde das Blut nur so vom Himmel regnen. Company-Blut. Jones schob den Gedanken beiseite. Die Zeit für Rache würde kommen, aber leider war diese Zeit noch in etwas weiterer Ferne, wie es schien. Das Gespräch mit Beckett hatte momentan Vorrang. Und der Kapitän der Dutchman hatte keinerlei Bedürfnis den Lord warten zu lassen. Er besitzt vielleicht mein Herz, doch es gehört ihm nicht. Dieses Herz gehört niemandem. Außer ihr. Für alle Zeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)