Das Wunder von Ba Sing Se von Shinosuke ================================================================================ Kapitel 2: Ursas Tagebuch ------------------------- Die Konferenz zog sich ewig hin. Zumindest für Zuko und Aang, die ja beide nicht so geduldig waren. Während der Feuerlord allerdings die ganze Zeit aufmerksam geblieben war und versucht hatte, sich zu konzentrieren, hatte Aang irgendwann angefangen, einen Diener wahnsinnig zu machen, in dem er sich unauffällig an den Feuern zu schaffen gemacht hatte, die in einer Seitenbahn des Saals brannten. Es gab kaum einen Raum in diesem Palast, indem nicht irgendwo ein Feuer knisterte. Toph machte dieses Dauerbrutzeln immer wahnsinnig, wenn sie in den Palast kam –was selten genug passierte. Allerdings hatte sich das ganze Team Avatar nun mit Zuko angefreundet und sie alle trafen sich regelmäßig, um wenigstens noch ein kleines Bisschen von ihrer Kindheit zu haben. „Musste das unbedingt sein?“, fragte Zuko den Avatar genervt, als sie den Saal nebeneinander verließen. Er rieb sich beruhigend die Schläfen, während sie an den großen Wandteppichen mit den Bildern von Sozin und Azulon vorbeigingen. „Was meinst du?“, fragte Aang unschuldig. „Na was wohl? Du warst gar nicht bei der Sache!“ Sein Ton war vorwurfsvoll und streng und der Mönch neben ihm schien noch etwas kleiner zu werden als er es ohnehin schon war. „Aang, du weißt genau, wie wichtig das jetzt ist, wieso hast du so einen Quatsch-„ Der Avatar unterbrach ihn. „Dir war doch genauso langweilig! Ich hab‘ doch genau gesehen, dass du unter dem Tisch gezündelt hast!“, beschwerte er sich schmollend. Zuko sah ihn ertappt an. „Das ist doch was ganz anderes.“, wehrte er sich halbherzig. Das war es tatsächlich. Anders hatte er seine Ungeduld nicht zu zügeln gewusst. Vermutlich hätte er angefangen, aus der Einrichtung Kleinholz zu machen, wenn er sich nicht wenigstens ein bisschen abgelenkt hätte und die Kontrolle einer so kleinen Flamme forderte genauso viel Konzentration wie die Kontrolle eines riesigen Feuerballs. Der einzige Unterschied dabei war, dass die größeren Flammen mehr Kraft forderten. „Ach ja? Ist es?“, fragte Aang skeptisch. Er sah Zuko mit dem bohrenden Blick eines Zwölfjährigen an und wirkte dabei eigentlich nur lächerlich. „Ja.“, sagte Zuko und sah nach vorne. „Irgendwie musste ich mich ja beherrschen, bei so viel Starrsinn an einem Tisch!“ Aangs Mine veränderte sich. Er verstand, dass Zuko wieder ernst wurde und besann sich selber darauf, die Kindereien auf später zu verschieben. „Ich meine, wie kann man nur so… So…“ Er rang nach Worten und gestikulierte dabei hilflos in Richtung Decke. „Feuernationig?“, schlug Aang leise vor. Eigentlich hatte er beabsichtigt, es so leise zu murmeln, dass Zuko ihn nicht hörte, aber das ging schief. Einen Moment sah Zuko ihn ungläubig an, doch dann stimmt er zu. „Ja! Genau das! Wie kann man nur so sehr an dem festhalten, was mein Vater hier verzapft hat?!“, fragte er fassungslos. Die Generäle hatten viele Ideen gehabt, wie man die Feuernation wieder aufbauen und von neuem stärken konnte, doch keine hatte dem Feuerlord gefallen. Weder ihm, noch dem Avatar. Viel zu sehr beharrten sie alle auf den bewährten Methoden: Die Stärke und Überlegenheit des Feuers. Keiner der Vorschläge hatte wirklich internationale Nachhaltigkeit und so waren sie allesamt verworfen worden, bis General Shi-Fu –der Leiter eines Komodorhinogeschwaders- entnervt den Saal verlassen hatte. Zuko hatte das für einen guten Moment erklärt, eine kurze Pause einzulegen, damit sie alle sich ein wenig beruhigen und neu sammeln konnten. Nach dieser Pause, in der sich alle scheinbar ein wenig darüber Gedanken gemacht hatten, wie Zuko sich seine Regentschaft vorstellte, waren die Vorschläge annehmbarer geworden. Shi-Fu war nicht wieder aufgetaucht, aber das war dem jungen Feuerlord egal gewesen. Ein Hitzkopf weniger, der bloß vorschlug, das Land zu vergrößern und mit bewährter Härte zu kontrollieren. „Naja, das ist das einzige, was sie kennen.“, sagte Aang vorsichtig. Wieder einmal ging die Weisheit der Luftbändigermönche mit ihm durch. „Sie kennen die Stärke ihres Nation und können sich einfach noch nicht vorstellen, sich anderen unterzuordnen. Du musst einfach Geduld mit ihnen haben.“, sagte er und legte eine Hand an Zukos Arm. Sein Blick war so unerträglich altklug und fügte förmlich noch „So wie ich mit dir Geduld hatte“ hinzu. Wie gut, dass er diesen letzten Satz aber nicht aussprach. Zuko atmete durch. Dabei entzog er Aang seinen Arm und legte seine Hand auf Wunde, die von seinem Kampf mit Azula übrig war. Das letzte Geschenk seiner Schwester. „Ich weiß.“, sagte er seufzend. Sie traten aus dem gewaltigen Tor des Palastes und ins Licht des Tages. Aang legte sich eine Hand über die Augen, um sie zu beschatten, als er zu Zuko hinaufsah. Er musste dabei genau gegen die Sonne gucken und kniff die Augen zusammen. „Kommst du noch mit zu deinem Onkel?“ Der Jasmindrache war ganz von alleine der Treffpunkt des Teams geworden. Aang hatte sich in der Wohnung darüber einquartiert, weil ihm der Palast angeblich zu eindeutig feurig war. Er hatte gesagt, als Avatar dürfe man ihn nicht allzu sehr mit einem einzigen Element in Verbindung bringen. Zuko glaubte das nicht. Oder zumindest glaubte er, dass es nur die halbe Wahrheit war. Er vermutete, dass Aang sich in den düsteren Hallen einfach nicht wohlfühlte. Der Luftbändiger brauchte einfach seinen Freiraum. Er würde sich einfach nicht an den Palast gewöhnen können und dachte vermutlich, Zuko sei beleidigt, wenn er ihm das so sagte. Bei dem Gedanken schüttelte der Feuerlord kurz innerlich schmunzelnd den Kopf. Als ob er sich avon beleidigen ließe… Er war lange genug mit Aang gereist –oder hinter ihm her gereist- um zu wissen, wo der Junge sich wohlfühlte und hätte er ihn suchen müssen und die Wahl gehabt: Im Palast oder in der Wohnung über dem Teeladen… Er wäre ohne zu zögern zuerst zu der Wohnung gegangen. Sie hatte diese herrliche Dachterasse, von der aus man über den Hinterhof des Teeladens auf die ganze Stadt sehen konnte. Bevor er antwortete, machte Zuko einen Schritt zur Seite, sodass Aang im Schatten stand und nicht mehr zu gegen die Sonne gucken musste. Das war allerdings nicht reine Höflichkeit. Es irritierte ihn einfach, wenn die Glatze des Mönches in der Sonne glänzte. „Nein, heute nicht. Ich hab‘ noch was zu tun.“ „Ach so?“, fragte Aang. „Was denn?“, setzte er sofort neugierig nach. „Er ist noch verabredet.“ Hinter ihnen trat die forderndste, strengste und gelangweilteste Frau der gesamten Nation aus dem Palast: Zukos Freundin. „Mai!“, sagte Zuko erstaunt und Aang trat einen Schritt nach hinten, wobei er eine Stufe verfehlte und zu stürzen drohte. Er ruderte wild mit den Armen und ehe Zuko ihn am Kragen packen und hochziehen konnte, pustete der Luftbändiger sich wieder in die Senkrechte. Verlegen grinsend stellte er sich ein wenig hinter Zuko. Mai war ihm wirklich nicht geheuer. Sie war so alt wie Zuko, aber so unglaublich ernst. Nicht, dass er jetzt so eine Stimmungsbombe wäre, aber Mai war wirklich die absolute Spaßbremse. „Hast du etwa vergessen, dass wir nachher noch verabredet waren?“, fragte sie kühl. „Du hast doch gesagt, wir gehen nach der Konferenz noch ins Spa“, erinnerte sie ihn geduldig. Langsam und ermessen kam sie auf ihn zu. „und lassen uns dort ein wenig verwöhnen…“ Ihre Finger tippten seinen Arm hinab, bis sie seine Hand in ihrer hielt und Zuko zwang sich zu einem untertänigen Lächeln. „Natürlich weiß ich das noch. Du glaubst doch nicht, ich hätte das vergessen.“ Sie sah sie völlig zurecht skeptisch an, tat es aber mit einem zufrieden gestellten Blick ab. „Okay.“, meldete Aang sich da kleinlaut hinter Zuko. „Ich will euch dann mal nicht weiter stören.“, sagte er und verneigte sich mit einem Feuergruß vor den beiden, die den Gruß erwiederten –Zuko wegen seiner Verletzung ein wenig zurückhaltender. „Bis dann.“, mit diesen Worten formte er eine Luftkugel, auf der er die Treppe hinabsauste. Die langen, roten Gewänder des Pärchens wehten dabei ein wenig zurück. „Also. Wollen wir dann?“, fragte Mai erwartungsvoll. Zuko sah sie ausweichend an. „Geh doch schon mal vor. Ich muss noch ganz kurz etwas erledigen.“, sagte er leise und beugte sich zu ihr, um sie besänftigend auf die Wange zu küssen. „Es dauert auch nicht lange. Versprochen.“ Kritisch zog sie eine schmale Augenbraue nach oben. „Hm.“, machte sie schnippisch. Sie mochte es gar nicht, wenn er sie so vor sich herschob. Immerhin war sie eine Frau mit hohen Ansprüchen. „Wehe dir, wenn du nicht bald nachkommst.“ Man sollte sich wirklich wundern, was er an ihr fand, aber wenn sie mal gut gelaunt war, war sie eben durchaus eine liebevolle Freundin. Seufzend dachte sich Zuko, dass sie es eben einfach nicht so zeigen konnte. „Ich komme direkt dorthin, wenn ich fertig bin.“, versprach er und ging in den Palast zurück. Die Augen verdrehend machte Mai sich auf den Weg ins königliche Spa. Eine angenehme Wärme empfing sie und sie zog sich in einem Raum um, der als Umkleide einem ganzen Bataillon hätte dienen können. Stattdessen aber war sie ganz allein in dieser Privatkabine –normalerweise wartete hier eine Dienerin darauf, ihr die feingearbeiteten, für das Spa angemesseneren Kleider zu geben und Mais Robe ordentlich aufzuhängen. Die junge Frau zog es aber vor, sich allein umzuziehen und hatte die Dienerin daher angewiesen, ihr die Kleider direkt zu geben und dann draußen zu warten. Sie legte ihr Kleid auf die steinerne Bank und verließ dann in dem Umhang die Umkleide. Die Dienerin verneigte sich vor ihr und ging dann in den Raum, um Mais Kleid und Schmuck ordentlich wegzuhängen. Das beachtete die Adlige allerdings gar nicht. Sie ging direkt in einen der Massageräume und legte sich auf die Liege. Zuko war kein Freund der Massage, also konnte sie sich noch ordentlich durchkneten lassen, solange er noch irgendwelchen Geschäften nachging. Geschäfte waren das allerdings eher weniger. Zuko ging direkt in ein Zimmer des Palastes, das seit Jahren nicht mehr betreten worden war: Das Zimmer seiner Mutter. Anfangs etwas unsicher, begann er sich umzusehen. Er wusste nicht genau, wonach er suchte… Vielleicht irgendeinen Hinweis darauf, wohin sie damals verschwunden war. Genaugenommen wusste er ja noch nicht einmal, warum sie überhaupt gegangen war. Ein leiser Seufzer entfloh ihm und er sah nach draußen. Dort war der Garten. Man sah genau auf den Teich, wo er früher viel Zeit mit seiner Mutter verbracht hatte, und sein Blick verdüsterte sich ein wenig. Ungehalten wandte er den Blick ab und suchte weiter –wonach auch immer. Als er eine Schublade in ihrem Nachttisch öffnete, fiel ein Bild, das sie darauf stehen hatte, hinter den kleinen Schrank. „Ups.“, sagte er noch. Vorsichtig zog er den Schrank etwas von der Wand weg, um das Bild wieder hervorzuholen, da sah er noch etwas, was zwischen dem Schrank und der Wand verborgen lag: Ein kleines Buch. Es war in rotes Leder Gebunden und vorne standen die verschnörkelten Zeichen für „Tagebuch“. Er las das Wort leise vor und starrte ungläubig auf seine Entdeckung. Beinahe schuldbewusst, sah er sich um, doch natürlich war außer ihm niemand in dem Raum. Er schob den Schrank wieder zurück, stellte das Bild ab und setzte sich aufs Bett. Kurz atmete er durch, dann schlug er das Buch auf. 3. Tag der Sommerperiode, 478. Sonnenjahr: Ein Ende des Krieges ist endlich in Sicht! Wir haben Neuigkeiten von der Front in Ba Sing Se erhalten. General Iroh hat mit seinen Streitkräften die Stadtmauer überwunden und ist nun endlich in die Stadt vorgedrungen. Es ist nun bloß noch eine Frage der Zeit, bis er die Stadt einnehmen und das Erdkönigreich damit endgültig in die Knie zwingen wird. Damit wird die Feuernation endlich mächtig genug sein, diesen elendigen Krieg zu beenden. Ich bin so froh, dass es vorbei sein wird, bevor mein geliebter Sohn hinausbeordert würde. Ich würde es nicht ertragen, ihn auf dem Schlachtfeld zu wissen. Welch Glück, dass mein anderes Kind ein Mädchen ist. Auch Azulas Fernbleiben mag ich mir nicht einmal vorstellen. Das war noch zu früh. War sie wirklich so naiv gewesen, zu glauben, der Krieg sei bald vorüber? Zuko schüttelte kurz den Kopf, als er daran dachte, wie lange der Krieg tatsächlich noch gedauert hatte und dass Ursa sich durchaus verschätzt hatte. Und wie er hatte kämpfen müssen. Vielleicht war es gut, dass sie das nicht hatte ertragen müssen… Die nächsten Seiten erzählten von Irohs Niederlage und der Nachricht von Lu Tens Tod. 24. Tag der Sommerperiode, 478.Sonnenjahr: Allmählich bange ich um die geistige Gesundheit meines Mannes. Bei einem Treffen mit seinem Vater heute verhielt er sich so kühl. Zudem hat er Machtwünsche geäußert, die vor allem in den Tagen der Trauer um Lu Ten und die Enttäuschung über die beschämende Niederlage in Ba Sing Se sehr gewagt waren. Ich glaube fast- Der Text brach ab, wurde aber fortgesetzt. Nur war ihre Schrift nun hektischer. Nicht mehr so besonnen. Es ist grauenhaft. Feuerlord Azulon hat meinem Mann eine unsagbare Strafe auferlegt: Für seine Äußerungen und für seinen Mangel an Respekt vor dem Verlust Irohs soll auch Ozai einen Verlust erleiden. Er hat ihm befohlen, seinen einzigen Sohn zu töten. Meinen Sohn. Das kann ich nicht zulassen. Das werde ich nicht zulassen. Nach dieser Nacht werde ich verschwinden. Ich werde fliehen müssen und hoffe, dass ich mich bis zur Grenze durchschlagen kann. Ich muss versuchen, unerkannt zu bleiben und hoffe nur, dass mein Plan überhaupt gelingt. Das einzige, was meinen Sohn jetzt noch retten kann ist ein Machtwechsel. Ich werde dafür sorgen, dass Azulon seinen letzten Atemzug heute Nacht tut. Heute Nacht, bevor er Zuko etwas antun kann. Ich muss meine Kinder beschützen, koste es, was es wolle. Die darauffolgenden Seiten waren leer. Atemlos starrte Zuko auf den Text. Er erinnerte sich sehr deutlich an diese Nacht, in der seine Schwester zu ihm gekommen war und ihm feixend prophezeit hatte, ihr Vater würde ihn töten. Er hatte ihr nicht geglaubt und auch bis heute nicht herausgefunden, was sie damit gemeint hatte. Nun wusste er es und plötzlich ergaben auch die letzten Worte seiner Mutter einen Sinn. „Alles, was ich getan habe, habe ich für dich getan!“ Damit waren auch die mysteriösen Umstände geklärt, in die Azulons Tod damals gehüllt gewesen war. Seine eigene Mutter hatte ihn getötet. Kein Wunder, dass sie hatte fliehen müssen. Vermutlich auch vor Ozai, der mit Sicherheit nur ein einziges Problem damit gehabt hätte, Zuko zu töten: Nämlich, dass dieser sein einziger männlicher Erbe war. Das gefiel ihm ja bis heute nicht. Die Frage war jetzt nur, wohin Ursa geflüchtet war –wenn sie denn noch lebte. Als er so darüber grübelte, fiel ihm ein, dass Mai ja noch auf ihn wartete. Er ließ das Buch wieder hinter den Schrank sinken und verließ das Zimmer so, wie er es vorgefunden hatte. Dann machte er sich auf den Weg ins Spa, um sich dort zumindest ein paar seiner Sorgen im heißen Dampf zu entledigen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)