Addiction von Jeschi ================================================================================ Kapitel 5: Weitere Schwierigkeiten ---------------------------------- „Das Training war heute wirklich gut, Leute,“ lobe ich alle zufrieden und ziehe mir das verschwitzte Shirt über den Kopf. „Wenn wir so weitermachen, dann gehört der Titel vielleicht bald uns.“ Ich bin wahnsinnig glücklich, dass gerade alles so gut läuft. Natürlich soll man den Tag nicht vor dem Abend loben, aber ich glaube, wenn alles so weiter geht, haben wir echt Chancen auf den diesjährigen Titel. „Endlich mal wieder,“ stimmt Lukas zu und greift nach seiner Wasserflasche. Da hat er Recht. Diese Schule hat schon lange keinen Titel mehr abgeräumt. Sie war zwar ab und an nahe dran, aber es hat nie gereicht. „Dann redet nie wieder jemand davon, dass wir nichts drauf haben,“ fügt er hinzu. Wir schwärmen noch ein wenig, wie toll wir sind, während wir uns umziehen. Doch ehe jemand Anstalten machen kann, zu den Duschen zu gehen, meint Mike ungläubig: „Ihr wollt doch nicht ernsthaft nackt rumlaufen, solange er noch im Raum ist?“ Er deutet auf Jona, was diesen entgeistert aufsehen lässt. Was soll das denn jetzt wieder werden? Ich sehe Mike warnend an, aber er ignoriert mich. Kann er es nicht einfach gut sein lassen? „Warum sollten wir das nicht?“, fragt auch Josh ihn nun wütend, da es einfach keinen Grund gibt, warum wir das nicht sollten. „Wieso?“ Mike schüttelt dramatisch den Kopf, als würde er seit neuestem in GZSZ mitspielen. „Sagt bloß, ihr wisst es nicht?“ Er sieht uns bestürzt an, ganz das große Theater noch weiter ausweitend. „Es reicht, Mike,“ will ich dazwischen gehen, weil mich plötzlich eine Ahnung überkommt, aber da lässt er die Bombe auch schon platzen: „Hat er euch nicht gesagt, dass er auf Kerle steht?“ Er sieht fies zu Jona, dem der Mund aufklappt und nach Worten sucht. Sicher will er etwas zu seiner Verteidigung sagen, findet aber nichts. „Wahrscheinlich geilt er sich jetzt gerade daran auf, wie ihr hier alle halbnackt herumsteht.“ Die darauf folgende Reaktion ist einfach nur schrecklich, wenn man sie aus Jonas Sicht miterleben muss. Die meisten keuchen erschrocken auf und Felix und Leon reißen sich sogar reflexartig ihr Trikot vor die Brust, um Jona keine Möglichkeit mehr zu geben, sie zu… bewundern. Ich sehe, wie Jona erschrocken diese Reaktionen verfolgt und dann zu Mike sieht. Er sieht verletzt aus und kann wohl gar nicht fassen, dass Mike das gerade echt getan hat. Ich kann das auch nicht. „Stimmt das?“, will nun Vic wissen und sieht fragend zu unserem neuen Shooter. Wahrscheinlich will er das gar nicht, aber dennoch klingt er ein wenig befremdet. Jona zuckt daraufhin zusammen, als hätte man ihn geschlagen. Nun warten alle auf eine Antwort von ihm, aber statt diese zu geben, packt er in rasend schnellem Tempo seine Sachen und stürmt davon. Ich sehe ihm geschockt nach, wie er fluchtartig den Raum verlässt, dann wende ich mich sauer an Mike: „Musste das sein?“ „Hey man… Ist gut, dass er es gesagt hat! Immerhin glotzt der Typ uns beim Umziehen zu!“, stellt sich David auf Mikes Seite. Dieser grinst triumphierend. „Tut doch nicht so, als hätte er euch was weggeguckt!“, fauche ich. „Bisher hat noch nie einer sagen können, Jona hätte ihn bespannt!“ „Benni,“ meint Lukas und sieht mich irgendwie undefinierbar an. „Du hast doch nicht etwa etwas davon gewusst, oder?“ Ertappt sehe ich zu Boden. „Na ja… irgendwie… schon. Aber ich wusste nicht, ob er das ernst meint…“ „Du hast es gewusst und uns nichts gesagt?“, empört sich nun auch Vic. „Leute, jetzt kommt. Dann ist er eben schwul, was ist daran so schlimm?“ Ich sehe sie alle genervt an. Nicht schon wieder so eine blöde Diskussion! „Ich finde es auch nicht schlimm,“ wirft nun Chris ein. „Nicht schlimm,“ wiederholt Lukas. „Ich mag den Kleinen, aber ich will nicht, dass er mir beim Duschen zusieht.“ Nicht auch noch Lukas! „Nun… ich finde auch, wir sollten da eine andere Lösung finden,“ schlägt sich zu allem Übel auch noch Joshua auf die Seite der Anderen und sieht mich entschuldigend dabei an. „Sag mir bitte nicht, dass du das auch eklig findest!“ Ich wende mich enttäuscht von meinem besten Freund ab. „Man, Benni! Ich finde es nicht eklig. Aber es muss auch nicht unbedingt sein, dass er mit uns zusammen duscht…“ „Du willst doch sicher auch nicht, dass er dir auf den Arsch starrt, oder?“, stimmt ihm Felix zu. Ich seufze. „Na schön!“, zucke ich mit den Schultern, „Finden wir eine andere Lösung. Ist es okay, wenn er nach euch duscht?“ Als sie zustimmend nicken, nicke auch ich und meine: „Dann rede ich mal mit ihm.“ Ich ziehe los, um Jona zu suchen. Er könnte natürlich schon über alle Berge sein, dann werde ich ihn nicht finden. Aber ich habe Glück. Er sitzt in der Aula. Sein Zeug neben ihm am Boden verstreut, hockt er auf einer der Bänke und starrt betrübt auf seine Füße. „Hey,“ meine ich leise und lasse mich neben ihm nieder. „Jetzt halten sie mich nicht nur alle für einen Freak, sondern auch noch für abartig.“ Er schluchzt auf und ich sehe, dass ihm Tränen über die Wange rollen. Unbeholfen lege ich einen Arm um ihn. Irgendwie komme ich nicht damit klar, wenn jemand heult. Weil ich nicht weiß, wie ihn trösten, versuche ich, ihn abzulenken. „Jetzt erfüllst du so ziemlich alle Klischees eines Emos,“ necke ich ihn und entlocke ihm ein kleines, flüchtiges Lächeln. „Werft ihr mich jetzt raus?“, will er dann wissen und ich schüttle entschieden den Kopf. „Gut, weil… es mir langsam wirklich Spaß macht.“ Ich lächle und wuschle ihm die Haare durcheinander. „Keine Angst. Du kannst bleiben. Du musst nur nach uns duschen, nicht mehr mit uns,“ erkläre ich ihm dann. „Okay,“ stimmt er leise zu und blickt erleichtert drein. Langsam versiegen seine Tränen. „Benni,“ flüstert er dann heißer, „Ich habe euch nie angestarrt oder mich an euch aufgegeilt.“ Ich sehe ihn an und er blickt mit herzzerreißendem Blick zurück. Ich seufze. „Das weiß ich doch.“ „Ich finde ihre Reaktion ja auch übertrieben, aber was soll ich tun?“ Ich verdrehe die Augen. „Ich denke aber, die Lösung, die wir gefunden haben, ist okay, oder?“ Er nickt, meint aber: „Ich kann es irgendwie ja sogar verstehen… aber… naja… irgendwie auch nicht.“ Ich drücke ihn nochmal eng an mich. „Wenn wir das so durchziehen, wird sich keiner daran stören. Versprochen.“ Er nickt. Dann steht er auf. „Ich gehe jetzt lieber nach Hause. Ich stinke… Ich hab ja vorhin nicht mehr geduscht.“ Ich muss lachen und stehe ebenfalls auf. „Komm, ich fahre dich!“ „Dein schlauer Plan ging kein Stück auf,“ schreie ich Amelie am nächsten Tag an und mache mir auch nicht die Mühe, leiser zu sein. „Er duscht jetzt zwar nach uns, aber ansonsten hat niemand etwas gegen ihn gesagt!“ Wütend sehe ich sie an. Diese dumme Kuh und ihre blöden Ideen. „Glaubst du, ich hab mir das nicht auch anders vorgestellt?“, will sie wissen und sieht mich genervt an. „Dann müssen wir uns eben was anderes überlegen. So schwer kann das ja nicht sein!“ „Wir?“, echoe ich. „Wir schon mal gar nicht. Wenn, dann ich! Was bei deinen Ideen rauskommt, hat man ja gesehen!“ Ich lasse sie stehen und rausche wütend davon. Sie hat ja keine Ahnung, was sie mit ihrem blöden Plan angerichtet hat. Weil Benni meint, dass mein Verhalten unsportlich war und ich das auch anders hätte zur Sprache bringen können, hat er mich fürs nächste Spiel komplett gesperrt. Das heißt, dass Jona nicht nur in der Startmannschaft spielt, sondern dass ich nicht mal die Chance habe, eingewechselt zu werden. Abgesehen davon halten mich einige andere jetzt auch noch für einen totalen Arsch. Ich könnte kotzen, am liebsten auf Amelie oder Jona. Und um mir meinen Tag noch mehr zu versüßen, taucht letzterer plötzlich in meinem Sichtfeld auf. Ich beschleunige meine Schritte. „Hey, Emo!“ Er blickt auf und mich an. Ich renne zu ihm und er sieht mich grimmig an. „Was willst du?“, fragt er und seine Augen blitzen herausfordernd. Wo kommt denn der plötzliche Kampfgeist her? Sicher nimmt er mir die Sache mehr als nur übel. „Nur ein wenig quatschen,“ grinse ich ihn hämisch an. „Eins sag ich dir, Schwuchtel. Es wird dir noch verdammt leidtun, mir meine Position weggeschnappt zu haben! Also überleg dir in Zukunft lieber, wie du reagierst, wenn ich dich antreffe…“ Ich stoße ihn hart weg und er taumelt zurück und sieht mich wütend an. „Das hast du dir alles selbst zuzuschreiben!“, brüllt er mir nach, aber ich ignoriere ihn, zeige ihm nur meinen Mittelfinger. „Wenn wir heute auch gewinnen, stehen wir erstmal auf Platz eins der Tabelle,“ erkläre ich den Jungs stolz und grinse vor mich hin. Heute haben wir ein Auswärtsspiel und zwar gegen das Team, das bisher mit wenigen Punkten vor uns liegt und genauso viele Siege verbucht hat. Das heißt, wenn wir sie schlagen, setzen wir uns von Platz zwei auf Platz eins der Tabelle. Das heißt, wir müssen gewinnen. „Dann kann ja kaum noch was schiefgehen,“ meint Lukas und versucht sich an Zuversicht, was ihm leider misslingt. Klar… es wäre fast zu schön, um wahr zu sein, das muss ihm als überzeugtem Schwarzseher ja auffallen. Aber seit Jona im Team ist, sind wir einfach noch besser, als eh schon. „Vielleicht solltet ihr dennoch euer Bestes geben,“ faucht Mike und lässt sich auf der Bank nieder, wünscht Jona sicher die Pest an den Hals. Aber er hat gesagt, was ich gerade sagen wollte. Auch, wenn der Sieg nahe liegt, kommt er nicht von alleine. Sonst hat Lukas am Ende noch recht. „Zieh nicht so ein Gesicht, nur weil du auf der Bank sitzen musst,“ neckt Chris jedenfalls Mike und lehnt sich dabei gefährlich weit aus dem Fenster. Ehe Mike aber etwas entgegnen kann, was sicher nicht freundlich ausgefallen wäre, rufe ich alle auf das Spielfeld. Gleich geht es los. Wir nicken uns allen noch mal zu und die Jungs auf der Bank drücken fest die Daumen, dann ist Anpfiff. Der Schiedsrichter wirft den Ball nach oben, Jona springt, erwischt ihn und donnert ihn mit ganzer Gewalt in meine Richtung. Das Spiel beginnt. Wir stürmen los, ich werfe Jona den Ball wieder zu, der wirft zu Vic, erster Korb. Wir gehen in Führung. Lukas blockt einen Gegenspieler ab, der wirft aber rechtzeitig zu einem anderen, ehe er den Ball greifen kann. Jona aber luchst diesem anderen geschickt den Ball ab und rennt wieder auf den gegnerischen Korb zu. Er ist echt ein Naturtalent! Wenn ich daran denke, wie lange ich trainieren musste, ehe ich es so weit geschafft habe, wie ich heute bin… Jona wirft und trifft. Es geht weiter und mir wird wieder mal bewusst, was für ein schnelles Spiel Basketball eigentlich ist. Vor allem, weil die Gegner auf so hohem Niveau und folglich Tempo und Technik eh gehoben sind. Die Anderen machen einen Korb. Vic schnappt sich den Ball und spielt ihn weiter zu Lukas. Langsam machen sich Zweifel breit, ob die Gegner nicht zu schnell sind. Die kriegen jetzt auch richtig Fahrt, fangen den Pass ab, den Lukas eigentlich Chris zuspielen wollte und stürmen wieder vor. Noch ein Korb. Lukas fängt den Ball, spielt ihn zu mir. Ich gehe vor, aber ein Gegner blockt mich und der Shooting-Guard der anderen Mannschaft nimmt mir den Ball ab. Nun ist es Jona, der ihm nachstürmt, den Ball zurückerobert und sich Richtung Korb bewegt. Er wirft mir den Ball zu, ich werfe den Korb. Nun sind die Anderen wieder beim Angriff. Wir rennen mit zurück, aber sie werfen bereits den Korb. So geht es eine ganze Zeit hin und her. Ich wechsle Josh für Chris ein, weil die Anderen diesen ständig abdrängen. Jona wuselt wie ein Wiesel zwischen den Gegnern hin und her, sieht unglaublich klein und hilflos aus, hat aber ein ebenso unglaubliches Talent, den Ball zu stehlen. Unsere Gegner holen wieder auf, dann treffe ich wieder und kurz darauf Vic. Dennoch habe ich Zweifel, ob das so klappt, wie gedacht. Kurz darauf foult Lukas hart und der Gegner kriegt ganze drei Freiwürfe, macht diese auch rein. Ich wechsle Leon ein, weil mir Lukas gerade zu aggressiv spielt. Die Punkteanzeige rattert ständig, aber noch führen wir. Noch. Ich sehe zu Joshua, der über das Feld hinweg brüllt. Ich verstehe ihn nicht, aber ich glaube, er hat auch Vic gemeint. Dieser hat den Ball, gibt zu mir ab und ich mache den Korb. Es geht weiter und die Gegner legen wieder los, treffen ein paar Mal. Ausgleich. Das kann ja gar nicht wahr sein. Ich fluchte laut auf und in dem Moment ist das erste Viertel vorbei. Keuchend kommen wir an den Rand. „Scheiße,“ fluche ich und stürze das Wasser in einem Zug runter. Ich sehe zu den Anderen, die genauso geschafft sind, wie ich. „Die haben ein Tempo drauf, man,“ jammert Vic und lässt sich ächzend auf die Bank fallen. „Was haben die sich denn reingezogen, Alter!“ „Wir können kaum mithalten,“ stimmt Lukas zu und lehnt sich mit ganzem Gewicht gegen Vic, obwohl er eigentlich schon ein wenig Zeit hatte, sich auszuruhen. „Ich finde, ihr macht das gut,“ wirft Chris ein. Er war lange genug auf der Bank, um das Spiel analysieren zu können. „Aber ich will wieder rein, ich hab mir da was überlegt.“ Ich nicke und auch Josh hat nichts dagegen. Dann sehe ich zu Jona. „Alles klar?“, frage ich ihn, weil er so ruhig ist. „Ich versuche, in der nächsten Runde schneller zu sein,“ meint er. In der Tat ist noch nicht ausdauernd genug, um das hohe Tempo zu halten. „Ruh dich erst aus, Josh kann ein paar Minuten auf deiner Position spielen.“ Und so geht es weiter und Josh übernimmt Jonas Rolle. Die Idee ist gut, aber ich hoffe, Jona hat sich bald wieder erholt. Die Gegner gehen weiter in Führung, aber ihr Tempo ist langsamer geworden. Mir kommt die Vermutung, dass sie übertrieben haben und nun genauso zu kämpfen haben, wie wir. Irgendwann gibt Jona mir ein Zeichen und ich hole ihn wieder rein. Jona stiehlt einen Ball und prescht vor. Er will gerade werfen, als ein Idiot ihn foult und er den Ball verliert. Ich blicke erwartungsvoll zum Schiedsrichter, aber der lässt weiterlaufen. Ich runzle die Stirn, während die Anderen treffen. Normal hätte das zwei Freiwürfe gegeben! Lukas fängt den Ball, gibt zu Vic ab, der den Ball aber verliert, als er ihn zu mir passen will. Chris versucht, den Ball zu fangen, ehe es der Gegner schafft, aber plötzlich pfeift der Schiri ab. Er gibt den anderen ein Foul, obwohl Chris den Gegner gar nicht berührt hat. Ich könnte kotzen, als ich zur Anzeigetafel blicke. 41:34. Die letzten zwei Minuten der ersten Hälfte laufen und ich bekomme den Ball, werfe ihn zu Chris. Dieser läuft vor, spielt zu Jona. Der rennt los, will mich anspielen, weil ich bereits vorne am Korb bin, aber ein Gegner blockt ihn. Also springt er hoch und versucht, mir den Ball irgendwie zukommen zu lassen und in dem Moment passiert es. Der Gegenspieler springt ebenfalls mit hoch, sie prallen hart in der Luft zusammen und der Ball landet im Aus. Sie fallen beide nach unten und ein ekliges Geräusch erfüllt die Halle, als sie auf dem Boden aufkommen. Stille in der Halle. Alle blicken auf die beiden, von denen sich keiner rührt. Mir rutscht das Herz in die Hose. Der Schiri pfeift ab und ich finde meine Sprache wieder: „Jona!“, rufe ich panisch und renne zu ihm. Lukas ist als erstes bei ihm, beugt sich über den am Boden Liegenden und schüttelt ihn sanft. Ich quetsche mich durch die Anderen und gehe neben ihm in die Knie. „Alles klar?“, frage ich Lukas und sehe dann zu Jona, der scheinbar bewusstlos am Boden liegt. Die Spieler der anderen Mannschaft scharen sich nun um ihren Spieler, während auch Vic und Chris zu uns finden. Als ich gerade anfange, mir ernsthaft Sorgen zu machen, öffnet Jona die Augen, kneift sie aber gleich wieder zusammen und stöhnt auf. „So ein Fuck,“ flucht er leise und richtet sich letztlich langsam auf, sieht zu mir. Im Gegensatz zu ihm, kann sich unser Gegner nicht mehr berappeln. Man trägt ihn vom Feld. „Kannst du weiterspielen?“, will ich von Jona wissen, der natürlich viel wichtiger ist. Hoffentlich ist er nicht angeknackst. Ich blicke kurz zur Bank, wo alle anderen besorgt zu uns blicken. Mike hingegen strahlt, als hätten wir Weihnachten. Er wittert seine Chance. Aber er hat Pech, denn Jona nickt: „Geht schon, ich mache weiter.“ Für die Gegner geht ein anderer Spieler ins Rennen und die Partie geht weiter. Noch eine Minute. Ich sehe besorgt zu Jona, der in seinen Bewegungen irgendwie verlangsamt scheint. Dennoch wirft er zu Lukas, der gerade echt günstig steht, sodass dieser in den letzten Sekunden noch einen Treffer erzielt. 41:37. Dann endlich wird das zweite Viertel abgepfiffen und ich will mich gerade Lukas um den Hals werfen, der gerade einen wahnsinnig geilen Korb gemacht hat, als ich aus den Augenwinkeln sehe, wie Jona zum Spielfeldrand rennt und dort in die Knie sinkt. Ich löse mich von unserem Center und renne ihm nach. Vorsichtig knie ich mich hinter ihn und lege ihm eine Hand auf die Schulter. „Alles klar?“, frage ich, aber er reagiert nicht. „Jona?!“ Er antwortet nicht, bäumt sich nur auf und ich höre ein ersticktes Geräusch, ehe mir klar wird, was los ist. Hastig halte ich ihm einen Mülleimer unter die Nase, der gerade günstig in der Nähe steht und im nächsten Moment kotzt er sich auch schon die Seele aus dem Leib. Hastig schnappe ich mir seine Haare und halte diese nach hinten, damit er sich nicht einsaut und sehe ihm zu, wie er… naja… seinen Mageninhalt zu Tage fördert. Unser Trainer kommt zu uns, aber ich wedle ihn weg. Ich brauche ihn nicht und Jona ist es sicher unangenehm, wenn ihm alle zugucken. Irgendwann hat er wohl nichts mehr drin, denn er atmet schwer ein und richtet sich auf, lehnt sich völlig entkräftet gegen meine Brust. Vorsichtig schlinge ich die Arme um seinen Körper und bringe uns in eine bessere Position. Er ist ganz verschwitzt und keucht auf. Ich bette mein Gesicht in seinem Haar. „Du spielst nicht weiter,“ bestimme ich. Im nächsten Moment schüttelt er so heftig den Kopf, dass er mir beinahe die Nase anhaut. „Nein!“, meint er entschieden. „Ich mache weiter. Mir geht es gut.“ Er löst sich aus meinem Griff und steht auf. Ungläubig sehe ich ihn an, wie er da steht und mich entschlossen anfunkelt. „Du hast gerade gekotzt! Ich lasse dich nicht mehr spielen, das wäre sinnlos und gefährlich!“ Langsam trete ich zu ihm und lege ihm die Hände auf die Schultern. „Jona, wirklich. Ich will dich auswechseln.“ „Nein! Ich werde Mike zeigen, wer der Bessere ist,“ meint er entschlossen und sieht zu mir. „Diesen Triumph gönne ich ihm nicht.“ Ich will gerade widersprechen, da kneift er die Augen zusammen und lehnt sich gegen mich. „Was ist?“, frage ich ein wenig hysterisch. „Nichts. Geht gleich wieder.“ „Jona, du kannst so nicht mehr spielen,“ meine ich und mein Griff um seine Schulter festigt sich. Meine Güte, so ein Sturkopf. Als hätte ich es beschrieen, knicken ihm in dem Moment die Beine ein und er greift hilfesuchend nach meinem Arm, als ihm schwarz vor Augen wird. Ich kann ihn gerade noch mit ganzer Kraft packen, ehe er hart zu Boden knallt. Langsam lasse ich ihn dann nach unten sinken und winke einen Sanitäter heran. „Fuck,“ keuche ich auf und murmle es dann immer wieder: „Fuck, fuck, fuck, fuck, FUCK!“ „Wohl eine Gehirnerschütterung,“ lasse ich die Anderen wissen, als ich zu ihnen trete. Ich bin aschfahl, während ich zusehe, wie ein Arzt und ein Sanni sich um Jona kümmern. Er kommt langsam wieder zu sich, aber er kann nicht mehr spielen! Das hat uns noch gefehlt. Ich seufze. Obwohl es das Letzte ist, was ich will, winke ich Mike rein. Wir hätten sicher ein paar Minuten jemand anderen für Jona spielen lassen können, aber nicht so lange. Mike strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Ich kann nicht fassen, dass er so skrupellos ist, dass ihn dieser Umstand auch noch freut! Das dritte Viertel beginnt und entpuppt sich als einzige Katastrophe. Mike ist nur mit sich selbst beschäftigt und verpasst ein paar Pässe, trifft einige Körbe nicht. Die andere Mannschaft macht hingegen Körbe über Körbe und wir haben Mühe, immerhin einen Ausgleich zu schaffen. Hinzukommt, dass ich mich kaum konzentrieren kann, weil ich so besorgt um Jona bin. Ich gehe kurzerhand raus und überlasse es David, meine Aufgaben zu meistern. Aber ich bin kaum draußen, muss ich feststellen, dass sich David noch blöder anstellt, als ich. Also gehe ich nach drei Minuten wieder rein. Wenigstens habe ich in der Zeit, in der ich draußen war, von Jona erfahren, dass er nur eine leichte Gehirnerschütterung hat und beim nächsten Spiel einsatzbereit ist, solange er sich die Woche über schont und dann nicht alle vier Viertel spielt. Immerhin! Aber obwohl ich das jetzt weiß, bin ich noch zu besorgt, um wirklich gut zu spielen. Am Ende des dritten Viertels liegen wir noch immer – wenn auch nur mit wenigen Punkten – hinten. Im vierten Viertel kommt Mike endlich ins Spiel und wirft nun ein paar gute Körbe. Wenig später haben wir tatsächlich den Ausgleich geschafft. Die Partie ist wirklich nervenaufreibend! Immer wieder wandert mein Blick zu Jona. Ich kann mich noch immer nicht ganz auf das Spiel konzentrieren und überlege schon, mich noch einmal auszuwechseln, entscheide mich dann aber dagegen. Im nächsten Moment spüre ich einen Blick auf mir und sehe mich um. Es ist Vic, der mich fragend ansieht. Ihm ist es also auch aufgefallen. Ich winke ab und nehme mir vor, mich jetzt endlich um das scheiß Spiel zu kümmern. Im nächsten Moment kriege ich den Ball und gebe ab zu Victor, der einen Korb macht. Ein wenig glücklicher sehe ich zu Jona. Warum, weiß ich auch nicht. Aber in dem Moment, in dem ich zu ihm blicke, blickt er auch zu mir. Kurz bin ich aus dem Konzept, sodass ich fast nicht merke, dass mir Chris einen Ball zuwirft. Dann aber sammle ich mich wieder und werfe, ehe der Gegner meine Verwirrtheit für sich nutzt. Tatsächlich treffe ich auch. Während ich juble, spüre ich Jonas braune Augen auf mir ruhen. Glücklich lächelnd erwidere ich den Blick. Dann geht es weiter. Er beobachtet mich weiterhin - warum auch immer - und ich laufe zu Höchstformen auf, werfe noch einen Korb. Sofort blicke ich wieder zu ihm und er grinst und zeigt mir einen erhobenen Daumen. Plötzlich merke ich, dass es genau das ist, was mich beflügelt. Seine Anerkennung. Und es wirkt Wunder. Weil ich wieder im Spiel bin, können auch die Anderen wieder mehr Leistung geben und im nächsten Moment führen wir. Wir führen, man! Zwar nicht lange, denn bald gleichen sie aus, aber unser Kampfeswille ist nun voll da. Und als abgepfiffen wird, führen wir mit ganzen zwei Punkten! „Wir sind tatsächlich Spitzenreiter,“ murmle ich ungläubig. Und das trotz Jonas Fehlen! Und trotz meiner anfänglichen Abwesenheit! Erleichtert atme ich aus und laufe zu den Bänken, während die Anderen sich noch auf dem Spielfeld umarmen. Ich schnappe mir eine Wasserfalsche und nehme einen großen Schluck, ehe ich mich neben Jona fallen lasse. Er grinst mich an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)