Between Potions and Quidditch von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 5: Minervas Idee ------------------------ Am Montagmorgen machte sich Minerva McGonagall auf den Weg in die Große Halle, um sich ein herzhaftes Frühstück zu genehmigen, bevor sie sich den Verpflichtungen als Schulleiterin stellen musste. In ihren Händen hielt sie zusammengerollte Pergamentblätter, wobei es sich um die Ankündigung des ersten und von den Schülern langersehnten Hogsmeade-Wochenendes handelte. Diese würde sie, so wie es für Ankündigungen üblich war, an die Hauslehrer verteilen, damit die sie in den Gemeinschaftsräumen ans Schwarze Brett hängen konnten, wo sie für jeden Schüler einsehbar waren. An den Flügeltüren der Großen Halle traf sie bereits auf die Hauslehrer von Slytherin und Hufflepuff, deren Konstellation nicht gegensätzlicher hätte sein können: Draco Malfoy besaß blondes kurzes Haar und hatte ein sehr blasses Gesicht, wohingegen Aurora Sinistra dunkelhäutig war und ihre Haare ihr in langen schwarzen Strähnen über den Rücken fielen. Aurora Sinistra hatte Pomona Sprout in diesem Jahr als Hauslehrerin der Hufflepuffs abgelöst. Minerva hatte gehofft die Astronomielehrerin beim Frühstück anzutreffen, denn die Hexe, die ihren Unterricht in der Nacht abhielt, pflegte es nach dem Frühstück zu Bett zu gehen, während für die anderen in Hogwarts der Tag gerade erst begann. „Guten Morgen“, grüßte Minerva und die beiden Hauslehrer, die zuvor in ein Gespräch vertieft waren, widmeten ihr ihre Aufmerksamkeit und grüßten höflich zurück. „Wie schön, dass ich Sie beide hier antreffe. Ich habe hier eine Ankündigung“, erklärte sie, während sie die Pergamentblätter entrollte. „Das Datum für das Besucherwochenende in Hogsmeade steht fest“, fuhr Minerva fort und reichte zuerst Aurora, dann Draco jeweils ein Blatt. „Hängen Sie das doch bitte ans Schwarze Brett Ihres Gemeinschaftsraumes, damit ich endlich meine Ruhe bekomme. Seit Tagen liegen mir die Schüler schon in den Ohren mit diesem Termin. Als ob man als Schulleiterin nicht dringlichere Geschäfte zu klären hat.“ In der Tat gab es eine Handvoll Schüler, die die ehemalige Lehrerin für Verwandlung beinahe täglich fragten, wann es ihnen denn nun endlich gestattet wurde ins Zaubererdorf zu gehen. Vor allem die Drittklässler konnten es kaum noch erwarten, nachdem sie zwei Jahre mit ansehen mussten, wie ihre älteren Mitschüler nach Hogsmeade gehen durften und meist mit den Taschen voll Süßigkeiten aus dem Honigtopf nach Hogwarts zurückkehrten und davon schwärmten, wie aufregend ihr Ausflug gewesen war. „Ah, das trifft sich sehr gut“, sagte Draco, als er einen kurzen Blick auf das Datum geworfen hatte. „Da kann ich Gilda’s einen Besuch abstatten und meinen Vorrat an Zaubertrankzutaten aufstocken.“ Das Pergament rollte er wieder zusammen und verstaute es in der Innentasche seines Umhangs. „Madam Pomfrey bat mich für sie einige Aufpäppelungstränke herzustellen. Dafür fehlen mir noch Salamanderblut und Fledermausmilzen.“ Die meisten Tränke, die Madam Pomfrey ihren Patienten verabreichte, wurden in Hogwarts selbst hergestellt. Die vorigen Lehrer für Zaubertränke, Severus Snape und Horace Slughorn, brauten ebenfalls schon diverse Heiltränke für den Krankenflügel. Hogwarts verfügte über eine ansehnliche Ansammlung von Zutaten, die nicht nur für den Zaubertränkeunterricht vorgesehen waren, sondern auch einige Kostbarkeiten beinhalteten. Aber jeder Vorrat ging schließlich mal zur Neige. „Und wie steht’s mit Ihnen, Aurora?“, fragte Minerva, die sich nicht erinnern konnte ihre Kollegin, die an dieser Schule beinahe genauso lange lehrte, wie sie selbst, schon einmal im benachbarten Zaubererdorf gesehen zu haben. „Gehen Sie nach Hogsmeade?“ „Wohl eher nicht. Vielleicht beim nächsten Mal“, lautete die Antwort, die Minerva bereits erwartet hatte. „Aber die Schüler werden sich sicher freuen. Nun werde ich einen kleinen Zwischenstopp bei den Hufflepuffs einlegen, bevor ich mich in den Astronomieturm zurückziehe.“ Aurora verbarg ein Gähnen hinter ihrer Hand. In der anderen hielt sie das zusammengerollte Pergament und wank zum Abschluss. „Gute Nacht. Wir sehen uns beim Abendessen.“ Auch Draco verabschiedete sich und verschwand in den Kerkern, sodass Minerva allein in die Halle ging und am Lehrertisch Platz nahm. Für die Schulleiterin gab es ein typisch schottisches Frühstück: kleine, gebratene Würstchen, Omelette, gebackene weiße Bohnen und eine Schüssel Haferbrei. Im Anschluss daran unterhielt sie sich mit Emeric Wendel, der zu ihrer Linken saß. Emeric hatte nach ihr den Posten als Lehrer für Verwandlung eingenommen und war kein geringerer als der Autor der Lehrbücher, welche die Schüler in ihrem Unterricht gebrauchten und obwohl der Zauberer schon weit über einhundert Jahre alt war, war er immer noch in guter Form und voller Engagement den Schülern etwas beizubringen. Minerva konnte sich keinen besseren Nachfolger vorstellen. „Im Anschluss habe ich Unterricht mit den Erstklässlern“, begann er zu erzählen, als sie darauf warteten, dass der Nachtisch erschien. „Wissen Sie, da ist dieser Junge, Compton oder Caldwell, – ich hab’s nicht so mit Namen, wie Sie wissen – ich glaube, er ist aus Gryffindor, der besitzt kein Fünkchen Talent in der Kunst der Verwandlung.“ Emeric ließ einen langen, niedergeschlagenen Seufzer von sich hören. „In der letzten Stunde sollte er eine Feder in einen Brieföffner verwandeln. Das ist ja nun wirklich nicht schwer, aber er hat stattdessen den ganzen Tisch in Brand gesetzt.“ Er machte eine ausladende Bewegung über die Tischplatte hinweg und Minerva neben ihm nickte wissend. Sie konnte sich noch gut an so einige Erstklässler erinnern, die ähnliche Katastrophen zustande gebracht hatten. Brennende Tische waren im Gegensatz zu ihren Erfahrungen noch ganz harmlos. „Das sorgte für solch ein Durcheinander, dass ich die Stunde abbrechen musste“, fuhr Emeric fort. „Ich überlege, ob ihm Nachhilfeunterricht helfen könnte. Es soll mich der Lethifold holen, wenn ich es bis zum Schuljahresende nicht schaffe ihm beizubringen wie man einen Knopf in einen Spitzhut verwandelt!“ Daraufhin griff er nach seinem Trinkkelch, stieß ihn in die Luft, als würde er einen Toast aussprechen und nahm einen großen Schluck von seinem Goldlackwasser. Mit einem zufriedenen „Aaah“ wischte er sich mit dem Handrücken die hängengebliebenen Tropfen von seinem weißen Schnurbart. „Warten Sie es erst einmal ab, Emeric. Das Schuljahr ist noch jung. Es hat gerade erst begonnen.“ Der Elan ihres Kollegen erfreute Minerva. Nicht jeder Lehrer war so um seine Schüler bemüht. Bei einigen galt die Devise: Wer im Unterricht nicht folgen konnte, der hatte eben Pech gehabt. „Einige Schüler haben ihr Potenzial noch nicht ganz ausgeschöpft. Sie sind noch zu schüchtern und trauen sich nicht viel zu.“ Minerva musste an Neville denken, der in den ersten Jahren seiner schulischen Ausbildung eine komplette Katastrophe gewesen war. Dabei hatte ihm nur ein wenig mehr Selbstvertrauen gefehlt. Mittlerweile war er zu einem bemerkenswerten Zauberer herangereift. „Die Idee Nachhilfestunden zu geben ist lobenswert, aber wenn wir jedem Schüler unter die Arme greifen würden, dann bräuchten wir einen Korb voll Zeitumkehrer, um das alles zu bewerkstelligen.“ Bei der Vorstellung daran schüttelte sie den Kopf und empfahl stattdessen: „Beauftragen Sie doch die Vertrauensschüler mit dieser Aufgabe, insofern sie in diesem Fach qualifiziert sind. Aber mal ganz unter uns, Emeric“, sie beugte sich zu ihrem Sitznachbarn hinüber und sprach nun mit gesenkter Stimme. „Bei einigen Schülern sind Knut und Sickel verloren. Nicht jeder hat das Talent für Verwandlung. Wenn Compton–“ „Cadbury!“, brach es aus Emeric hervor. „Ja, ich glaube er hieß Cadbury!“ „Wenn Cadbury tatsächlich so schlecht in Verwandlung ist, dann lassen Sie ihn eben durchfallen.“ Nach dem Frühstück begab Minerva sich zunächst wieder ins Schulleiterbüro, da ein Termin mit dem Schulbeiratsvorsitzenden auf dem heutigen Tagesplan stand. Er wollte sie anflohen, um einige wichtige Angelegenheiten zu besprechen. Dies zog sich so lange hin, dass sie beinahe das Mittagessen verpasst hätte. Im Anschluss daran begab sie sich auf den Weg die letzten beiden Hauslehrer aufzusuchen, um ihnen die offiziellen Ankündigungen für das Hogsmeade-Wochenende auszuhändigen. Vermutlich hatten die Schüler sich bereits untereinander von Hogsmeade erzählt, denn in Hogwarts verbreiteten sich Neuigkeiten wie ein Lauffeuer. Im Pausenhof traf sie auf Neville Longbottom, den Hauslehrer von Gryffindor, in Begleitung von Ginny Weasley. Als Minerva sich ihnen näherte, erkannte sie, dass Nevilles Kleidung sowie sein Gesicht mit Erde besudelt waren. „Anscheinend haben Sie an diesem Morgen schon eine sehr lebhafte Stunde hinter sich gebracht“, äußerte Minerva schmunzelnd, während sie ihm die Pergamentrolle überreichte. „Allerdings“, seufzte Neville ein wenig erschöpft. Neugierig musterte er die Pergamentrolle und Minerva erklärte: „Am neunten Oktober dürfen die Schüler, so wie die Lehrer natürlich ebenfalls, nach Hogsmeade gehen.“ „Das ist ja bereits dieses Wochenende“, stellte Neville fest, während Ginny sich an ihn anlehnte, um einen Blick auf die Ankündigung werfen zu können. Die Schulleiterin nickte. „Können Sie dieses Schreiben ans Schwarze Brett hängen?“ „Selbstverständlich. Werden Sie auch ins Zaubererdorf gehen, Minerva?“ „Dass ich der guten alten Rosmerta einen Besuch abgestattet habe, ist schon eine Weile her. Ich werde es mir nicht nehmen lassen, in den Drei Besen vorbeizuschauen.“ Bei dem Gedanken an das Wirtshaus stieg ihr schon der vertraute Duft von Butterbier in die Nase. Seitdem sie die Stellung der Schulleiterin einnahm, besaß Minerva leider nicht mehr ganz so viel Freizeit, sodass sie in den letzten Jahren nur sehr selten in Hogsmeade gewesen war. Nicht einmal in den Ferien war ihr dies vergönnt, da sie mit der Anwerbung und Einstellung der neuen Fachlehrer beschäftigt gewesen war. „Wollen wir auch hingehen?“, fragte Ginny mit leuchtenden Augen an Neville gewandt. „Ich war schon ewig nicht mehr in Hogsmeade.“ Neville machte eine entschuldigende Miene. „Ich muss leider absagen. Meine Schüler halten mich ganz schön auf Trab. Es warten ein ganzer Haufen Aufsätze und Hausarbeiten auf mich, die ich am Wochenende korrigieren muss.“ Die Enttäuschung in Ginnys Gesicht war nicht zu übersehen. „Oh.“ „Sie können natürlich jederzeit nach Hogsmeade gehen“, versicherte Minerva, die Ginny zum Trost die Schulter tätschelte. „Sie sind nicht wie die Schüler an die wenigen Termine gebunden. Lewis geht jeden Mittwochabend auf ein Gläschen in den Eberkopf. Er hat dafür einen eigenen Begriff. Bergfest, oder so ähnlich. Muss irgend so ein Begriff der Muggel sein“, fügte sie nachdenklich hinzu und da Neville und Ginny sie verständnislos ansahen, erklärte sie: „Lewis Proudfoot ist ein Halbblut. Seine Mutter ist ein Muggel. Von daher ist er mit der Muggelwelt sehr gut vertraut. Wie auch immer. Vielleicht könnten Sie jemand anderen fragen“, schlug Minerva vor, der ganz spontan eine Idee kam. „Vorhin habe ich mit Draco gesprochen und er sagte mir, dass er in Hogsmeade einige Besorgungen zu erledigen habe. Vielleicht fragen Sie ihn, ob Sie gemeinsam hingehen.“ Ginny und Neville sahen sie mit dem gleichen verdutzten Gesichtsausdruck an und für eine Sekunde lang blieb dieser Satz in der Luft hängen. Minerva war sich natürlich im Klaren darüber, was sie da gerade vorgeschlagen hatte. Aber mittlerweile waren sie keine Schüler aus unterschiedlichen Häusern mehr, sondern Lehrer, die Hand in Hand miteinander hergingen und Minerva hielt beide für erwachsen genug, um damit umgehen zu können. Und da Draco es für gewöhnlich vorzog ein Einzelgänger zu sein, würde ihm ein wenig Gesellschaft bestimmt gut tun. Ginny, der die Worte fehlten, sah hilfesuchend zu Neville, aber dieser zuckte nur mit den Schultern und seine Geste schien sagen zu wollen: Wieso nicht? Schließlich rang Ginny sich zu einer Antwort durch: „Naja, ich kann ihn ja mal fragen.“ „Schön“, sagte Minerva zufrieden. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich muss noch Septima aufsuchen. Wir sehen uns beim Mittagessen, nehme ich an? Schön“, wiederholte sie und nickte zum Abschied, bevor sie die beiden zurückließ und ins Schloss ging, um die Hauslehrerin von Ravenclaw aufzusuchen. Oh ja, dieses Hogsmeade-Wochenende würde sicherlich interessant werden. * * * An diesem Abend musste Mary Baker nachsitzen. Es war der erste Termin von vielen. Gemeinsam mit ihrem Lehrer befand sie sich in seinem Büro und erledigte ihre Strafarbeit. Draco ließ sie einen Aufsatz über Höflichkeit schreiben, der aus tausend Wörtern bestehen sollte, während er die Zeit, in der er sie beaufsichtigte, nutzte, um die Hausarbeiten der Sechstklässler zu korrigieren. In der nächsten Stunde würde er sie dann den Trank brauen lassen, den sie verpfuscht hatte, was überhaupt der ganze Auslöser für Bakers Nachsitzen war. Draco würden schon genügend Strafarbeiten einfallen, mit denen er sie in diesem Monat quälen konnte. Vor etwa einer halben Stunde hatte er ihr ihre Aufgabe erteilt und Mary hatte ihre Schreibutensilien hervorgeholt; seitdem hatte keiner von beiden mehr ein Wort gesprochen. Nur das Kratzen der Federn sorgte dafür, dass das Schweigen im Zimmer nicht zu unangenehm wurde. Ab und zu warf Draco einen Blick zu der Gryffindor, wenn das Kratzen ihrer Schreibfeder innehielt, nur um zu sehen, wie sie sich mit ihr an der Nase kratzte oder sich das lange, glatte, braune Haar zurückwarf, was ihr immer wieder ungebändigt über die Schulter fiel, wenn sie sich während des Schreibens tief über den Tisch beugte. Manchmal trafen sich ihre Blicke und Draco konnte in ihren Augen Trotz sehen. Sie fühlte sich ungerecht behandelt, aber hier machte er die Regeln. Draco ließ sich nicht ungestraft beschimpfen. Ein Klopfen an der Tür durchbrach die Stille. „Herein.“ Draco versah den Aufsatz, den er gerade korrigierte, mit einem ‚S‘ und blickte dann zur Tür, wodurch gerade ein roter Haarschopf lugte. Ginnys Augen wanderten zwischen ihm und der Schülerin hin und her. „Störe ich?“ „Keinesfalls“, sagte er und bedeutete Ginny einzutreten. „Hab ich etwas von aufhören gesagt?“, tadelte Draco seine Schülerin, die es gewagt hatte mit schreiben aufzuhören, nachdem es an der Tür geklopft hatte. Das Kratzen der Feder ertönte wieder in raschem Tempo. „Was willst du?“, fragte er Ginny mit offenem Desinteresse in der Stimme. Dies schien ihre gute Laune jedoch nicht zu trüben. „Fragen, ob wir am Wochenende zusammen nach Hogsmeade gehen“, erklärte Ginny während sie sich im Raum umsah. Ihr Blick blieb im Regal bei den Gläsern mit den Aalaugen hängen. Sie lehnte sich gegenüber von Dracos Schreibtisch, an die Kante des Tisches, an dem Baker saß. Draco musterte sie ungläubig. Er hatte ihre Frage verstanden, er war ja schließlich nicht taub, aber es konnte sich ihm dennoch nicht erschließen, wie Weasley auf diese aberwitzige Idee kam, sich mit ihm verabreden zu wollen. Er legte seine Feder nieder und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sah Ginny einen Moment abschätzend an. „Wie kommst du darauf, dass ich nach Hogsmeade gehen werde?“, stellte er die Gegenfrage. Ein siegessicheres Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie antwortete. „Weil mir ein Vöglein gezwitschert hat, dass du Zaubertrankvorräte einkaufen willst.“ Das konnte nur bedeuten, dass Minerva getratscht hatte. Draco konnte es nicht fassen. Wieso konnten Frauen nichts für sich behalten? Er dachte, dass wenigstens auf die Schulleiterin Verlass wäre. In Gedanken machte er sich eine Notiz, dass er in Zukunft seine Privatangelegenheiten für sich behalten würde. Fieberhaft suchte Draco nach einer Ausrede, bis ihm klar wurde, dass er die gar nicht nötig hatte. Er konnte einfach „Nein“ sagen. Fertig. Und genau das wollte er gerade tun, als Baker sich einmischte. „Na kommen Sie schon, Professor. Geben Sie sich einen Ruck!“ Ginny warf ihr über die Schulter ein verschwörerisches Grinsen zu, aber Draco hatte die Nase nun gestrichen voll. Dieses Gespräch sollten sie wohl besser ungestört fortführen, damit er Klartext reden konnte und nicht vor einer Schülerin auf seine Worte achten musste. Draco erhob sich von seinem Platz und bedeutete Ginny ihm zu folgen. Gemeinsam verließen sie das Zimmer, sehr zum Missfallen von Mary, die die vorige Szene mit höchster Spannung verfolgt hatte. Draco lehnte sich gegen die schwere Eichentür, nachdem er sie verschlossen hatte. Mit verschränkten Armen sah er auf Ginny hinab. „Und das konnte nicht bis zum Abendessen warten?“, fragte er ein wenig gereizt. „Nein.“ Ihre Antwort klang eher wie eine Frage. „Wir sitzen beim Essen nebeneinander. Du hättest dort fragen können und nicht unbedingt herkommen müssen.“ „Ich wusste doch nicht, dass du eine Schülerin bei dir hast. Nimmst du jetzt meine Einladung an, oder was?“ Mit den Armen in die Hüften gestemmt sah sie ihn abwartend an. Ihre gute Laune hatte von Dracos abweisender Art nun doch einen Dämpfer erhalten. Weasley hatte also vorgehabt ihn alleine anzutreffen und ihn, statt in der Großen Halle, unter vier Augen zu fragen? Ein seltsamer Gedanke beschlich Draco. Sie fragte ihn da gerade doch wohl nicht nach einem Date? Sein Magen verkrampfte sich. Diese Vorstellung war absurd! „Das ist aber kein …“, mit der Hand machte er eine unbeholfene Geste. „Na du weißt schon was.“ Ginny schien sofort zu verstehen, was er meinte. „Igitt, nein!“ Sie verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen und boxte ihn leicht gegen die Schulter. „Jetzt übertreib mal nicht!“ „Wollte nur sichergehen.“ Auch wenn das Draco ein wenig erleichterte, so konnte er sich mit diesem Gedanken dennoch nicht anfreunden. Eigentlich hatte er vor nur einige Besorgungen in Hogsmeade zu erledigen, auf rein beruflicher Basis, und sonstige Geschäfte, geschweige denn Gaststätten, zu meiden. Und dann sollte ausgerechnet Weasley seine Begleitung sein? Das konnte einfach nicht gut gehen. Das würde in einem Streit enden und sie würden sich womöglich noch duellieren. Draco konnte sich noch gut an so manche Flüche erinnern, die sie ihm in ihrer Schulzeit aufgehalst hatte. Wenn er allerdings ehrlich zu sich war, dann war er es meistens gewesen, der einen Streit provoziert hatte. „Draco“, begann Ginny nachdem sie einmal tief Luft geholt hatte. „Wieso stellst du dich so an? Ich will hin, du willst hin. Lass uns doch einfach gemeinsam gehen. Wir können etwas trinken gehen. Das wird bestimmt witzig.“ „Witzig“, begann Draco gedehnt, der ihre Zuversicht nicht im Geringsten teilte, „ist nicht unbedingt das Wort, das mir zu dieser Verabredung eingefallen wäre.“ Langweilig, grässlich, schrecklich, nervtötend, katastrophal … All diese Wörter passten viel besser. Draco überlegte. Inzwischen gehörte Weasley zu den Spielerinnen der Holyhead Harpies, jeder Quidditchfan kannte ihren Namen. Sie war nicht nur in England bekannt, sondern europaweit und außerdem auch noch sehr beliebt. Das war sie schon früher in der Schule gewesen. Es könnte durchaus von Vorteil sein, sich mit ihr zu arrangieren, denn wie sein Vater schon sagte waren gute Beziehungen das A und O in der magischen Welt. Der alte Slughorn konnte ein Lied davon singen. Wenn man Draco mit Ginevra Weasley zusammen in der Öffentlichkeit sehen würde, dann würde das seinem Ruf ganz sicher nicht schaden. Ganz im Gegenteil. Und die Stimme, die „Blutsverräterin“ schrie, war bereits so leise geworden, dass es ihm leicht fiel, sie zu ignorieren. Letztendlich gab Draco sich geschlagen. „Na schön, wenn’s sein muss.“ Ginny lächelte ein halbes Lächeln. „Na geht doch.“ Sie wandte sich zum Gehen und verabschiedete sich. „Wir sehen uns dann beim Abendessen.“ Als sie den Korridor entlangging konnte Draco sie leise murmeln hören: „Date … Das hätte er wohl gern!“, bevor sie um die nächste Ecke bog und somit aus seinem Sichtfeld verschwand. Draco wurde das Gefühl nicht los, dass er diese Entscheidung noch bereuen würde. Als er sein Büro betrat, sah Mary sofort auf. Große, neugierige Augen musterten ihn. „Und?“ Draco verdrehte die Augen und seufzte genervt, aber dies schien als Antwort schon zu reichen. Baker versteckte ihr breites Grinsen hinter ihrem Aufsatz, der allerdings ihr Kichern nicht zu verbergen vermochte. „Wie weit sind Sie mit dem Aufsatz gekommen?“, erkundigte sich Draco mit einem Blick auf die Uhr. Das Nachsitzen wollte er demnächst beenden, schließlich war es bald Zeit für das Abendessen. „Ich bin längst fertig, Sir.“ Wortlos nahm Draco ihren Aufsatz und tippte ihn kurz mit dem Zauberstab an, um die Wortanzahl zu überprüfen, die in leuchtend roten Ziffern am unteren Rande des Pergaments erschien. Es waren exakt eintausend Wörter. „Sie können gehen“, sagte er und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Den Aufsatz legte er neben den Stapel Hausarbeiten, die er noch kontrollieren musste. „Wollen Sie ihn denn nicht lesen“, fragte Mary verwundert. „Vielleicht später.“ Draco befasste sich schon längst wieder mit den Hausarbeiten seiner Sechstklässler. Einige Sekunden lang sah die Gryffindor ihren Lehrer fassungslos an. Sie hatte sich mit dem Aufsatz solche Mühe gegeben und nun las er ihn sich nicht einmal durch. Ihre Meinung behielt sie aber lieber für sich, denn ein Monat Nachsitzen bei Malfoy war schon mehr als ein Mensch überhaupt ertragen konnte. Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Büro und ließ Draco allein mit seinen Gedanken zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)