Extravaganza von Sengo-sun ([HolmesxWatson]) ================================================================================ Kapitel 20: Während Walzer den Marsch angibt -------------------------------------------- Bevor das Kapiel beginnt, wage ich es ein Dankeschön an _Shutenshi_ ausprechen und all die anderen Kommischreiber... es freut mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich eure wunderbaren, freundlichen Zeilen lese! Danke vielmals! Dass ihr derzeit Glück habt und ich immer wieder neue Kapitel in so rascher Folge hochlade, liegt wohl daran, dass ich einen richtigen "Flash" in Sachen Schreiben abbekommen habe...*drop* Danke erneut und nun solls weiter gehen ;)! ____________________________________________________________ Woyzeck drehte sich. Die Bildfetzen folgen in einem schwindelerregenden Walzer vor seinen Augen vorbei. Er breitete die Arme aus. Dunkelheit, Tiefe, unsagbare friedvolle Leere krabbelten aus den Ecken seines Verstecks auf ihn zu. Mit einem Ruck hob er den Toten auf. Auf dem Schiff hatte er nie tanzen wollen, doch nun tanzte sein schlaffer Leib mit ihm – mit Woyzeck, dem Dummen, dem Narr, dem Idioten. Er lachte, drehte sich weiter. In seinem Kopf erklang ein Walzer, schwermütig, boshaft, träge und für ihn absolut wunderbar. „Wiegekind, Zwetschgenwind… Wunderbar, wunderbar! Herrliche Melodie…“, er schloss die Augen, schleuderte den toten Leib fort, er interessierte Woyzeck nun nicht mehr. Plötzlich hielt er abrupt an und legte lauschend den Kopf schief. Big Ben ließ seine mächtige, taktvolle Stimme ertönen. Glockenschläge hallten in Woyzecks Brust wieder. „Es ist soweit. Die Karten sind verschickt, jetzt müssen die Gäste kommen… Vater, väterlich, töricht… Törichter Vater, dummer Teufel, dummer Heiliger…?“ Seine Worte wurden dumpf, unsicher, verloren ihren als irr zu bezeichnenden Klang. Woyzeck sackte in sich zusammen, wiegte vor und zurück. Knabberte an seiner Lippe. In seinem Kopf stritten sich zwei Parteien. „Ohh, hört auf, bitte, hört auf, es tut weh, es tut so weh.“ Gequält presste er Lider fest zusammen. Die Parteien in seinem Kopf stritten sich heftiger. „Bitte, bitte, bitte, nicht…. Es war so schön, bitte, Chopin war so schön… Beethoven… Bach… ruhiger, träumerischer Debussy.“ Er vergrub den Kopf immer tiefer zwischen den Knien. „Ich muss es beenden… Damit sie aufhören sich zu streiten…“ Er sprach mit niemandem, nur mit sich selbst und hörte seine eigenen Worte nicht einmal. „Wann wolltest du mir sagen, dass du bei unserem Klienten warst?“, ich wollte mich aus dem schraubstockartigen Griff reißen, doch die hellen, schlanken Finger verstärkten diesen nur. Ich spürte die Kühle von Sherlocks Hand, wie sie durch den Stoff meiner Jacke und den Pulli sickerte. „Er ist nicht mein Klient… Sein Fall schneidet sich nur andauernd mit dem meinen, dass ist alles.“ Wind heulte auf, Straßenlärm schienen die wütend klingenden Worte zu verschlucken. „Und was ist das für ein anderer Fall? Du erwähnst ihn selten bis nie! Herrgott, wie soll ich dir helfen, wenn ich noch nicht mal weiß, worum es geht oder was du vorhast!“ Sherlock sah zu mir, missmutig die Brauen nach unten gezogen, der harte Zug um seinen Mund vertiefte sich und erneut erinnerte er mich an eine Statue, diesmal jedoch wirkte er wie ein unheilvoller Richter, kurz davor sein Urteil zu fällen. „Das hat dich bis jetzt noch nie gestört. Kommt dies auf die negative Seite der Liste? Ungenügend Informationen oder besser: unvorbereitetes Handeln ohne Sicherheit. Nein… klingt nicht militärisch genug: Rückendeckung verweigert… ja das klingt besser.“ „Sherlock…“- „Was kann noch Kontra sein? Violinspiel, wobei, meistens gefällt es dir, außer Mycroft ärgert mich wieder… ah, genau, Mycroft, der dich andauernd mit einem schwarzen Wagen abschleppt, definitiv gehört dies auf die Kontraseite, aber sei nicht albern! Ich habe nichts mit Mycrofts Entscheidungen zu tun!... Was noch?“ –„Sherlock… bitte.“- „Mangelndes Interesse an den Gefühlen der Umwelt, bitte, John, ich habe doch bereits erwähnt, dass ich ein hoch funktioneller Soziopath bin, kein Anderson. Aber gut, sieht man es aus deiner Sicht, könnte dies ebenso auf der Kontraliste stehen, also ungefähr wie folgt – ich hoffe doch, du schreibst das in Gedanken mit-: keinerlei Kompetenz für moralisches Feingefühl… ich hoffe doch sehr, dass dir bald klar wird, dass dieses Feingefühl nur wenig mit Vorankommen in Sachen Aufklärung der Kriminalität zu tun hat? Vor allem das ‚moralisch‘ davor…“ „Sherlock! Lass das!“, selten erhob ich meine Stimme und selten fühlte ich mich so… bloß gestellt. Ich riss mich von ihm los und spürte wie plötzlich all meine Kraft verschwand, einfach so im Boden unter mir versickerte und ich mich unsäglich alleine fühlte. „Du magst ein Genie sein… aber in Wahrheit bist du nur ein emotionaler, gesellschaftlicher Krüppel…“ Sie waren einfach so in meinem Kopf gewesen, diese Worte und hatten alles vergiftet. Ich spürte ihr Toxin, wie es meine Lungen verätzte und ich keuchend da stand. Das wollte ich nicht. Aber die Wut darüber, wie Sherlock meine Gedanken so… so niedermachte, zerquetschte, weil sie nun mal nicht so komplex und schwierig waren, wie die seinen, nein, das konnte ich nicht akzeptieren. Diesmal wollte ich den Fall ohne Sherlock lösen, weil es mein privater Fall war, mein Interesse mehr über mich zu erfahren und die Gründe, warum ich noch hier war und nicht bereits bei den ersten Sätzen dem Mann vor mir das markante Gesicht zertrümmerte… Aber Sherlock ließ meine Gedanken als perfide und subtil dastehen. Als dumm und einfach. Ich hörte wie Sherlock schluckte und sein Atem hektisch aus seinem Mund hervorkam. Er sah mich an und die Welt zeigte mir einen einsamen, grausamen Abgrund, tiefgründig und endlos, wie er sich langsam in den grauen Augen ausbreitete, während ein schillernder, brillanter Verstand dagegen ankämpfte, gegen etwas Surreales. „Ich schätze, wir sollten…“ – „Nein, Sherlock, es wäre besser, wenn wir das hier vergessen, bitte… ich bin müde, habe die letzten Nächte nur seltsame Sachen geträumt und dadurch kaum geschlafen… aber wem erzähle ich das eigentlich? Das hast du bestimmt bereits gesehen…“ „Wenn es dir so schwer fällt mit mir unter einem Dach zu wohnen…“ Er ließ den Satz offen, aber ich wusste was er sagen wollte und es zerriss mich. Leib und Seele schrien im Chor in meinem Kopf auf, als die Bedeutung seines Satzes mich durchzuckte wie ein harter Schlag. Ich starrte meinen Wohngenossen ungläubig an. Er wich meinem Blick aus und fixierte einen Punkt neben meinem Ohr. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass es dir schwer fällt mit mir zusammen zu wohnen…“ Bitter verzog ich das Gesicht. Es ging alles schief, alles drohte aus den alten Gewohnheiten zu kippen und uns in ein Chaos zu stürzen, dessen wir nicht gewachsen waren. Sherlock seufzte. Es klang zittrig und in seinen Augen sah ich zum ersten Mal Verlustangst. Nebst dem beängstigend intensiven Blick, verhangen von einer ebenso präsenten Finsternis, glomm darin das Feuer von Verlustangst auf. Ich ballte kurz die Hände zu Fäusten. „Sherlock… es tut mir leid…“ Er erwiderte nichts, starrte immer noch an meinem Ohr vorbei, bis er sich abwandte und kühl, gänzlich frei von Emotionen sagte: „Wir haben einen Fall zu lösen.“ Ja, dachte ich. Das und noch vieles mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)