Extravaganza von Sengo-sun ([HolmesxWatson]) ================================================================================ Kapitel 17: Unvollendetes Crescendo ----------------------------------- Der Baron wartete. Mirco war nicht mehr gekommen und nun da der Tag sich zum Erwachen erhob und London erneut in einen dunstigen Schleier aus Regen und Nebel steckte, machte sich der Baron immer mehr Sorgen. Denn auch ein… Individuum wie er, verspürte Sorge und Emotionen. Er benötigte Gefühle um andere besser zu manipulieren, doch diesmal waren sie echt, real, ebenso wie der Schmerz in seiner Brust. „Beeil dich Detektiv, sonst erreicht das Spiel eine neue Ebene…“ Der Baron hatte eine Ahnung wie es weitergehen würde und er fürchtete sich davor. Das Päckchen neben seinem Bett war nur ein weiteres Indiz für seine Gedanken. Dunkel hatte sich der Teppich rund um den Pappkarton verfärbt. Ein metallischer Geruch verpestete das Schlafzimmer. Müde lehnte der Baron am Türrahmen. „Ein Präsent, ein Präsent.“ Hörte er seine eigene, brüchig klingende Stimme. „Komm zurück, Mirco.“ In meiner alten Wohnung war es einfacher gewesen. War irgendwie alles einfacher, denn außer der bedrückenden Stille, dem stetigen Ticken zerrinnender Zeit, war die Wohnung nur mit lähmender Resignation gefüllt, gemischt mit ruhelosen Träumen, welche im Gewand des Krieges meinen Kopf heimsuchten, also besaß ich grob gesagt nichts aufregendes. Seufzend räumte ich mehrere Reagenzgläser und Erlenmeyerkolben, in denen Tinkturen und Flüssigkeiten mit den haarsträubendsten Farben sowie Gerüchen waren, weg. Es klapperte leise, als ich Geschirr neu ordnete und Tassen aus dem Schrank holte. Eine warme Stille erfüllte die, von Experimenten und detektivischen Errungenschaften im Geiste würzige Atmosphäre in der Baker Street 221B. Versonnen hoben sich meine Mundwinkel. Irgendwo im Wohnzimmer hörte ich das leise Geräusch eines stetigen, lebendigen Atems. Ich war nicht in Afghanistan. Hier gab es keine Detonationen, die wie der Zusammenbruch der Welt klangen, untermalt mit einer zerfetzten optischen Umgebung. Keine Maschinengewehre ratterten einem unheilvollen Crescendo gleich in meinem Gehör. Da war keine fremde Sprach, nur die heimelig gewordenen Wände der Wohnung. Pfeifend kochte Wasser auf und ich lehnte mich gegen die Küchenablage. Mit einem tiefen Atemzug sank mein Kinn auf die Brust. Ungeduldig trommelten meine Finger auf der Ablage. „Rondo alla Turca. Lässt dich der nahe Osten nicht mehr los?“ Mit einem halbunterdrückten Aufschrei wirbelte ich herum. Sherlock ignorierte mich und schritt zu seinen Experimenten. „Wa…“-„Der Takt. Deine Finger trommelten Mozarts Stück und während ich versuchte der Beziehung zwischen einem Lord und einer Magd zu ergründen, wohl eher mich an ihrer Kleingeistigkeit erfreute und mir erneut klar wurde, dass ich als geniales Individuum einen hoffnungslosen Kampf gegen die Blindheit und emotional bedingte Verblendung der Masse kämpfe, vernahm ich den mir allbekannten Rhythmus des Wiener Künstlers und ich erinnerte mich daran, dass…“ Er beugte sich über eine flache Schale mit gelblichem Inhalts, „… meine eigenen Improvisationen mehr…“, herablassend wedelte er mit der Hand, „Fülle haben. Worin ich bereits mehrfach durch dein offenes Mienenspiel in Kenntnis gesetzt worden bin. Wirklich John, merkst du nicht, wie ganze Gedankengänge auf jeden musculus deines Gesichts geschrieben stehen?“ „Nun, wenn dies so ist, kannst du eindeutig lesen, was ich gerade denke“, sagte ich leise, aber mein scharfer Unterton zerschnitt jegliche Ruhe in meiner Stimme. Sherlock hob den Kopf nur minimal, sodass sein Blick mich streifend analysieren konnte. So wie er da stand, halb gebeugt, jeden Muskel unter der fast totenbleichen Haut angespannt, wirkte mein Kollege wie ein Jagdhund, der die Witterung aufgenommen hatte, Ich registrierte nebst dem analysierenden Blick und den dunklen Augenringen unter Sherlocks immer faszinierender werdenden grauen Pupillen, auch noch wie schmal sein Gesicht wirkte. Die Wangenknochen stachen mehr hervor, die geschwungenen Lippen waren leicht spröde und seine Haut wirkte aschfahl. Ich wollte gerade ansetzen, ihn darauf hinzuweisen, dass er mehr als nur Schlaf benötigte, als seine um einige Nuancen rauer gewordene Stimme jeglichen Gedankengang löschte. „Offenkundig würdest du am liebsten zwei Dinge tun: dein Körper versteift sich, Muskeln angespannt, ein Bein wird mehr belastet als das andere, folglich lässt dein psychosomatisches Hinken grüßen, dann eine Faust geballt, du ringst um Fassung, bist hin und her gerissen mich wegen meiner Dreistigkeit für eben zu schelten. Schweißperlen an Schläfen und den Seiten das Halses, erhöhter Puls: du bist aufgebracht, weil ich dich in die unangenehme Lage versetze mich weiterhin nackt zu sehen, denn du weißt eindeutige nicht wohin du schauen sollst. Ehrlich John! Dass ist nur ein nackter Körper! Außerdem habe ich nicht mehr oder weniger als du. Und nun zu dem nicht ganz so offensichtlichen Teil…“ Ein Schnurren! Es klang eindeutig wie ein Schnurren, als Sherlock die letzten Silben genüsslich aus seinem Mund entließ, der zu einem spöttischen fast selbstsicherem Lächeln verzogen war. Ich spürte wie mein Körper immer mehr in die Defensive gedrängt wurde, obwohl Sherlock immer noch an Ort und Stelle verharrte, nur mit seinen Worten hatte er mich symbolisch immer mehr in die Enge getrieben. Die Symptome, die mein Körper mir sagte, waren eindeutig: Gefahr im Vollzug. „Nun, seit unserer Fahrt zum ersten Treffen mit dem Baron, arbeitest du an einer gedanklichen Liste – nicht sehr originell John!- und wie die Schatten unter deinen Augen, die abgenagten Fingernägel am rechten Daumen, sowie Zeigefinger und vor allem die zerrupfte Haut n deiner Unterlippe bezeugen, hast du nicht gerade viel Erfolg damit. Die Liste beschäftigt sich eindeutig mit mir. Und bevor du den Raum mit der Präsenz einer unnötigen Frage besudelst, wie ich darauf komme: im Umkreis von circa hundert Kilometern gibt es niemanden interessanteren in deinem Umfeld über den du tagtäglich schreibst und nachdenkst außer ich. Außerdem ist dein Blog Beweis genug für das rege Interesse an mir, nebst deinen immer wieder laut ausgesprochenen… Bekundungen meiner Genialität vor allerhand Leuten. Nicht zu vergessen deine Loyalität und…ah! Deine Liste beschäftigt sich eindeutig mit deiner hundegleichen Treue mir gegenüber. Soll ich dir die Lösung verraten, John?“ Zum Abschluss legte Sherlock den Kopf leicht schief und fixierte mich mit einem bohrenden und… ein kalter Schauer rann meinen Körper hinab, ja sogar mit einem gewissen Hunger beseelten Blick. „Der Kopf.“, presste ich atemlos hervor. Ich brauchte ein anderes Thema, er sollte mich nicht weiter analysieren, denn es zeigte mir, wie leicht er mich durchschaute – alle durchschauen konnte. Und diese Erkenntnis traf mich wie ein Donnerschlag. Es war nicht so, dass ich es nicht wusste, sonst wäre ich nicht nur selten dämlich, sondern absolut hirnrissig. Ein resigniertes, beinahe enttäuscht klingendes Seufzen entkam Sherlocks Lippen. Er wusste genau warum ich einen Rückzug machte, ich sah es ihm an und auch die plötzliche Kraftlosigkeit, die seinen bis eben angespannten Körper erschlaffen ließ. Träge, lethargisch schlürfte er aus dem Raum, ich hörte wie Stoff raschelte und als ich fertig mit dem Tee war und ihn ins Wohnzimmer brachte, saß Sherlock bekleidet mit seinem Morgenmantel auf seinem Sofa, vor ihm der Kopf des Toten. Augenblicklich verlor ich meinen Appetit auf Tee. „Also?“, abwartend ließ ich mich in den Sessel fallen, stellte Sherlock seine Tasse Tee hin, doch er schien sie gänzlich zu ignorieren. Langsam lehnte sich Sherlock zurück, zog die Knie an und legte die Fingerspitzen aneinander. Sein Blick wurde müde, abwesend, während graue Augen unter halb geschlossenen Lidern hervorblitzten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)