Retrograde Amnesie von Mihikoru ================================================================================ Kapitel 8: Zeichnungen ---------------------- Es dauerte gar nicht lange bis Joey vor dem kleinen Spieleladen stand, den Yugi mit seinem Großvater bewohnte. Der Blonde beglückwünschte sich selbst im Stillen das er den Weg ohne weitere Komplikationen gefunden hatte. Seine Freunde hatten wie immer an alles gedacht und ihm von all ihren Häusern und Wohnungen eine Wegbeschreibung angefertigt, so konnte er sie ohne Probleme immer besuchen. Natürlich hätte er seinen jüngeren Klassenkamerad auch anrufen können, jedoch wollte er die Reaktionen in dem violetten Augenpaar analysieren und herausfinden, ob Yugi wirklich etwas über seine Zeichnungen wusste oder ihn anlügen würde, um ihn quasi zu schonen. Mit angespannter Haltung betätigte Joey die Klingel des hinteren Eingangs und musste nicht lange warten bis sich leicht hörbare Schritte hinter dem Holz ankündigten. Das bekannte Gesicht seines Klassenkameraden erschien hinter der leicht geöffneten Tür und blickte ihn sogleich erfreut an. „Joey? Schön, dass du mich besuchen kommst oder ist was passiert?“ „Na ja, noch nicht.“, beantwortete nun der Blonde leise die Frage des Anderen und wog seine Zeichenmappe, die er die ganze Zeit unter dem Arm getragen hatte, in einer Hand. „Kann ich reinkommen? Ich muss dich unbedingt etwas fragen.“ „Natürlich.“ Yugi trat zur Seite, öffnete die Tür nun ganz, sodass Joey in den kleinen Flur treten konnte. „Willst du was vom Abendessen? Ich müsste es nur noch kurz etwas anwärmen.“ „Nein, vielen Dank.“, lehnte der Blonde nun höflich ab, da er im Moment nicht den geringsten Hauch von Hunger verspürte, jedoch dachte er an Mokuba dem er gestern versprochen hatte, nun jeden Abend mit diesem zu kochen. Daraus würde wohl heute nichts mehr werden, er würde sich später bei dem Kleineren entschuldigen. Joey folgte Yugi in sein Zimmer, dessen Tür der Meisterduellant sogleich schloss. „Was willst du denn wissen? - Setz dich doch.“, Yugi deutete auf sein Bett während er sich auf einem Drehstuhl an seinem Schreibtisch niederließ. „Nein, danke. Ich kann nicht sitzen. Ich bin zu aufgeregt.“ „Was ist passiert? Bist du wieder mit Kaiba aneinander geraten?“ „Nein, noch nicht.“ Joey tigerte in dem kleinen Zimmer auf und ab während er die Zeichenmappe in seinen Händen hin und her warf. „Ihr habt doch meine Tasche gepackt, nicht wahr?“ Auf seine Frage nickte sein Freund. „Ja, wir waren in der Wohnung deines Vaters und haben einige Sachen von dir geholt, wieso?“ „Wusstet ihr, dass ich zeichne?“ „Natürlich. Du hattest deine Mappe auch öfters in der Schule mit, während der großen Mittagspause sind viele deiner Bilder entstanden.“ „Dann hast du meine Bilder gesehen?“ „Nicht alle. Nur die, an denen du gerade gezeichnet hast. Einige Landschaftsaufnahmen. Portraits von Tristan oder Tea.“ Yugi warf besorgt die Stirn kraus während er dabei zusah, wie der Blondschopf immer schneller von einer Seite seines Zimmers zur anderen lief. „Joey, was ist denn los? So langsam machst du mir Angst. Wieso bist du so angespannt?“ „Ich...“, setzte der Größere an, brach jedoch ab und schüttelte nur heftig den Kopf. „Sieh selbst.“ Auffordernd streckte er dem Kleineren seine Mappe entgegen. „Du wirst doch wohl keine Aktzeichnungen darin haben, oder?“ Auf Yugis vorsichtige Frage spürte Joey wie seine Wangen heiß wurden. „Nein! Natürlich nicht. Es... es ist viel schlimmer!“ „Viel schlimmer.“, wiederholte Yugi nun voller Ratlosigkeit während er die Mappe öffnete und sich eine Zeichnung nach der anderen besah. „Das ist Tea, Tristan, Duke, ich. Unser Schulgebäude, das ist der Park...“, murmelte er vor sich hin während er ein Bild nach dem anderen besah. „Weiter, weiter...“, drängte der Blonde ihn mit einer hektischen Handbewegung sodass sein Freund seufzend einige Zeichnungen übersprang. „Wirklich Joey, was ist...“, murmelte der Kleinere, brach jedoch ab als er zu einer Zeichnung kam die er so nicht erwartet hätte. „Oh... das ist Kaiba.“ „Ist das alles was du dazu sagst?“, brauste der Blonde ganz in alter Manie auf während er sich nervös durch die Haare fuhr. „Warum regst du dich so auf? Du hast Kaiba gemalt, na und? Der ist in unserer Klasse, davor hast du viele unserer Mitschüler gemalt.“ „Blätter weiter.“ Auf Joeys verzweifelten Ausruf tat sein Freund wie geheißen und besah sich eine weitere Zeichnung nach der anderen. Einige Sekunden herrschte Stille. „Du hast ziemlich oft Kaiba gemalt, findest du nicht auch?“ Auf Yugis lapidaren Satz stieß Joey heftig Luft durch beide Nasenlöcher. „Nein! Wirklich?“, seine Tonlage war an Sarkasmus nicht mehr zu überbieten. „Schön, dass dir das aufgefallen ist. Wunderbar.“ „Nun beruhige dich doch.“ „Beruhigen? Beruhigen! - Spinnst du!“, die Stimme des Blonden überschlug sich beinahe vor Panik. „Kaiba hasst mich! Er kann mich nicht ausstehen. Er gibt mir beleidigende Spitznamen wie Köter oder Töle und schikaniert mich wo er nur kann. Ich habe in der ganzen Zeit kein einziges freundliches Wort von ihm gehört und das liegt sicherlich nicht an meinem Gedächtnisverlust und erst heute, hat er mich zum Unfallort geführt. Kannst du dir das vorstellen?“ „Vielleicht wollte er ja, dass du dich möglichst schnell erinnerst. Ist doch nett von ihm.“ „Yugi, komm schon, sei nicht so naiv. Kaiba ist doch froh, wenn er mich wieder aus seiner Villa hat. Je eher desto besser. Weißt du was passiert, wenn er jemals diese Zeichnung zu Gesicht bekommt? Er wird mich qualvoll erwürgen, danach meine Leiche auseinander hacken, in den Mixer stecken und danach alle Beweise mitsamt meinem fauligen Leichnam im Klo herunterspülen.“ „Joey, du wirst hysterisch. Beruhige dich.“ Yugi blieb die Ruhe selbst. „Wieso sollte dich Kaiba wegen dieser Zeichnungen denn angreifen wollen. Es sind nur Bilder.“ „Das sind zweiunddreißig Zeichnungen von ihm! ZWEIUNDDREISSIG!!“ „Was ist daran so schlimm?“ „Hast du dir die Bilder mal angeschaut.“, Joey riss seinem Freund die Mappe aus der Hand und blätterte zu einer Skizze die auch noch farblich hervorgehoben war. „Hast du dir die farblichen Zeichnungen angeschaut?“ „Ja, die sind wirklich gut.“ Auf Yugis lobendes Kommentar runzelte der Blonde verärgert die Stirn, da er auf so eine Aussage sicherlich nicht hinauswollte. „Yugi, bin ich schwul?“, wollte er nun mit verzweifelter Tonlage wissen sodass der Kleinere sich nervös räusperte. „Keine Ahnung. Ich meine, Kaiba hat ein hübsches Profil.“ „Hör auf zu unken, Yugi. So etwas ist doch nicht normal. Wir sind doch Feinde, oder? Wir streiten uns nur.“ „Trotzdem ist es nicht verboten ihn zu zeichnen. Kaiba hat immerhin einen eigenen Fanclub mit sage und schreibe siebenundzwanzig-tausend Mitgliedern und viele davon sind Männer.“ „Darum geht es doch gar nicht. Es ist mir doch egal wie viele ihm hinterher hecheln, ich will nur wissen, ob du die Zeichnungen kennst.“ „Nein, ich sehe sie zum ersten Mal.“ Yugi schüttelte wie zur Untermalung seiner Worte den Kopf. „Sicher? Bitte lüge mich nicht an. Das kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen. Ich bin so verwirrt.“ „Ich lüge dich nicht an.“, beteuerte der Kleinere mit offenem Blick. „Ich wusste, dass du zeichnest und ich habe dir auch ab und an dabei zugesehen aber diese Bilder von Kaiba, die kenne ich nicht. Wahrscheinlich, wolltest du es uns nicht sagen.“ „Wieso? Ich dachte, ihr seit meine Freunde. Ich muss es doch irgendeinem erzählt haben.“ Joey konnte nicht recht verstehen, dass keiner etwas davon wissen sollte. Gerade weil er es für am wahrscheinlichsten hielt, dass er sich Yugi anvertraut hatte, war er zu ihm gegangen. Leider hatte er sich wohl getäuscht, denn sein Freund wahr viel zu ehrlich um ihm offen etwas vorzulügen. „Es tut mir Leid, Joey aber mir hast du dich nicht anvertraut. Vielleicht heißt das aber auch, dass diese Zeichnungen keine hintergründigen Emotionen haben.“ „Ich weiß nicht.“ Daran zweifelte der Blonde stark. Er hatte Magenschmerzen und sein Herz klopfte viel zu laut und er war so verwirrt wie seit langem nicht mehr. Was hatten diese Zeichnungen zu bedeuten und wieso musste es ausgerechnet Kaiba sein. Der Blonde wollte sich gar nicht ausmalen, was der Brünette mit ihm anstellen würde, wenn er seine Mappe in die Finger bekäme. Doch vor allem machte es ihm Angst, dass er selbst nicht wusste wie er die Bilder beurteilen sollte. Er mochte den Firmenchef nicht. Wirklich nicht. Er war ihm durch und durch unsympathisch und das er ihn früher auch nur ansatzweise gemocht hatte, konnte er nicht verstehen. Gerade weil er so viele Skizzen von dem Brünetten angefertigt hatte sprach es dafür, dass er mehr als Sympathie für ihn empfunden haben musste aber vor diesem weiteren Gedankengang krauste es ihm. Nein, an so etwas wollte er sich sicherlich niemals erinnern. Und nun hatte Yugi auch noch die letzte Hoffnung zerschlagen, dass er ihm weiterhelfen konnte. Der Blonde konnte sich nicht vorstellen, dass er es jemand Anderem erzählt hatte, als seinem gutherzigen Freund. Tristan und Duke hassten Kaiba genauso inbrünstig wie er es in seinem vorherigen Leben anscheinend getan hatte und mit Tea, einem Mädchen, hatte er sicherlich nicht darüber geredet. Die Brünette ein gutes Herz und war seine langjährige Freundin, aber sie zog gerne in der Schule über andere Mitschüler her und er hatte sicherlich nicht mit ihr darüber geredet, wenn er Kaiba ansprechend gefunden hätte. „Yugi, was soll ich bloß tun?“ „Zwing dich zu nichts. Du wirst dich schon im gegebenen Zeitrahmen an die Sachen erinnern die wichtig sind.“ „Das sagst du so leicht. Ich fühle mich so machtlos und so verwirrt. Diese dämlichen Zeichnungen!“ Joey ließ einen typischen Fluch los, was seinen Freund schmunzeln ließ. „Du hast einen Gedächtnisverlust und da kommen nicht alle deine Erinnerung von heute auf morgen zurück. Der Arzt hat gesagt Entspannung ist das wichtigste, also sei ruhig. Ein Tag nach dem Anderen und was Kaiba angeht: Sei einfach so wie du bist und gib ihm keinen Grund an dir herum zu meckern.“ „Leichter gesagt als getan.“' „Du schaffst das schon, Joey. Soll ich die Mappe bei mir verstecken? Nicht, dass sie Kaiba doch noch findet oder eines seiner Zimmermädchen.“ „Gute Idee.“ Joey nickte erleichtert und spürte wie langsam seine Magenschmerzen aufhörten. „Danke Yugi, wirklich. Du bist ein echter Freund. Ich bin froh, dass ich dich habe.“ „Das ist doch selbstverständlich. Ich verstecke deine Mappe zwischen meinen Fachbüchern, mein Großvater putzt zwar manches mal mein Zimmer aber meine Bücher räumt er nie um.“ „Dann ist die Mappe ja gut bei dir aufgehoben. Ich bin wirklich erleichtert.“ Joey warf einen Blick auf die Uhr über der Tür. „Ich sollte langsam gehen. Nicht, dass mir Kaiba noch die Hölle heiß macht, weil ich zu spät in die Villa zurück komme.“ „Ich begleite dich zu Tür.“ Yugi erhob sich um seinen Kumpel zu begleiten. Vor dem Hauseingang erwarteten die beiden jedoch eine Überraschung als sie sahen, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein schnittiger Sportwagen geparkt hatte und kein Anderer als Kaiba hinter dem Steuer saß. „Mist.“ Joey rutschte das Herz in die Hose als der Brünette ihn durch die Seitenscheibe durchdringend ansah und mit einer unmissverständlichen Handbewegung klarmachte, dass er einsteigen sollte. „Ist doch nett von Kaiba, dass er dich abholt.“ Auf Yugis freundliches Kommentar konnte sich der Blonde gerade noch so ein hämisches Lachen verkneifen. Als ob der Geschäftsmann ihn freiwillig abholen würde, wenn er nicht irgendeine Gemeinheit im Hinterkopf hätte. „Wir sehen uns morgen in der Schule. Danke, Yugi.“ „Nichts zu danken und lass dich nicht unterkriegen.“ Joey hob die Hand zum Abschied und überquerte mit langsam Schritten die Straße um zu Kaiba ins Auto einzusteigen. Nun wuchsen seine Magenschmerzen wieder. Kaiba hatte versuchte weiterzuarbeiten nachdem sein ungebetener Gast mit lautem Türschlagen die Villa verlassen hatte. Ihn ging es immerhin nichts an das Wheeler wie ein aufgescheuchtes Kaninchen aus seinem Zimmer geflüchtet, die Treppe nach unten gestürmt und fast noch hingefallen war. Ihm konnte es vollkommen egal sein, warum dieser Idiot jetzt noch zu Yugi wollte und was er diesen kleinkarierten Duellanten fragen wollte. Ihm sollte es egal sein. - War es aber nicht. Eine ganze halbe Stunde starrte er auf seine angefangene Tabellenkalkulation und konnte an nichts mehr anderes denken als den Blonden. Warum war er so panisch aus seinem Haus verschwunden und dann auch noch zu Yugi? Dies war seine Villa, er war hier Hausherr und er hatte ein Recht zu erfahren, was der Köter im Schilde führte. Er traute dem Blonden Chaoten fast alles zu und er wollte nicht, dass er oder sogar Mokuba unter dem Leichtsinns dieses Trottels leiden mussten. So schloss er sein Dokument, zog sich Schuhe und Mantel an und stieg in einen seiner Wagen um zu der Adresse von Yugi zu fahren. Sein Stolz verbot es ihm zu klingeln. Er wartete lieber mit Argusaugen bis der Blonde wieder an der Tür erschien, was einige Zeit später der Fall war. Die Reaktion des Blonden auf sein Auftauchen, war greifbar als er die Panik in den braunen Augen sah. Irgendwas musste den Blonden aus der Fassung gebracht haben, denn heute Morgen war er bei weitem nicht so nervös gewesen wie jetzt, als er sich neben ihn auf dem Beifahrersitz niederließ. „Danke, dass du mich abholst.“ murmelte der Blonde während er sich anschnallte. „Bild dir nichts darauf ein, Wheeler. Mokuba hat mich darum gebeten, er wollte nicht das du zu nächtlicher Stunde zurück läufst.“ Sein kleiner Bruder hatte nicht mal gemerkt, dass Joey aus der Villa verschwunden war, aber das musste er ihm ja nicht auf die Nase binden. Während der Brünette in der kleinen Seitenstraße das Auto wendete und zurück auf die Hauptstraße fuhr war von dem Blonden kein Ton zu hören. Mit präzisen Augenbewegungen erhaschte Kaiba die Gestalt seines Klassenkameraden wie er mit gesenkten Kopf und gefalteten Händen mehr als angespannt auf dem Sitz saß. „Was hast du bei Yugi gewollt?“ Eigentlich hatte er die Frage gar nicht stellen wollen, immerhin ging es ihn nichts an und er interessierte sich ja auch gar nicht dafür. Er traute Wheeler bloß nicht. Der Kerl zog Katastrophen quasi an. „Wir haben nur geredet.“, gab der Kleinere mit leiser Stimme langsam zurück sodass der Brünette automatisch die Stirn runzelte. „Geredet? Und über was, wenn ich fragen darf.“ „Das geht dich nichts an.“ Kaiba glaubte sich verhört zu haben. - Das ging IHN nichts an? Seine Fingern verkrampften sich um das Lenkrad und er biss sich auf die Innenseite seiner Wange um nicht ein bissiges Kommentar loszuwerden. Was erlaubte sich dieser Köter eigentlich? Wenn es irgendjemanden etwas anging, was der Blonde trieb dann wohl ihn. Er wohnte immerhin in seinem Haus, aß sein Essen und beanspruchte sein Gästezimmer. Er hatte ihm Obdach gewährt und das war der Dank. Kaiba schwieg aber Innerlich brodelte es in ihm. Das musste ja was ganz prekäres sein, wenn Wheeler so abblockte. Er würde dem Anderen schon zeigen, wie ihn das was anging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)