Words von Alibear (Theme Challenge-Kurzgeschichten) ================================================================================ Federboa -------- Welch mannigfaltig Gestalt die Sünde annahm. Wohl wissend, dass hierhin mitzukommen ein Fehler war, ließ er sich dennoch in dieses verruchte Etablissement führen. Schließlich brauchten sie allen Beistand, den sie finden konnten, um gegen den schier übermächtigen Feind bestehen zu können. Wo immer sie welchen finden konnten, wurde er zumindest aufgesucht und – im bestmöglichen Fall – überredet, den richtigen Weg zu beschreiten. Warum aber nur mussten sie gerade hier, in diesen Hallen, nach dieser Hilfe suchen, finden, überzeugen? Wo leicht bekleidete Mädchen zu sinnlicher Musik tanzten, ihre spärlichst bekleideten Körper räkelten und streckten vor den gierigen Augen, Händen, Körpern reicher, im Alltag ehrbarer Männer. Männer, die sich nicht satt sehen konnten an den knappen Höschen, den vollen Bustiers. Die Bewegungen strammer Hintern, praller Oberweiten und nackter Haut zog sie in ihren Bann. Betörte sie vollkommen. Federboa – Medaillon der Huren. Hypnose der Sinne mit Mitteln des Fleisches. Welch mannigfaltig Gestalt die Sünde annahm. So oft hatte er sie schon gesehen, so oft erlebt, durchfahren, ausgeübt. Und doch, trotz all dieser Erfahrung, widerte ihn diese Form an. In Gedanken hoffte er mehr und mehr, dass sie die hiesige Aktion bald durchzogen, damit sie so schnell wie möglich diesen Ort verlassen könnten. Äußerlich versuchte er, sein unantastbares Ich zu bewahren. Die Maskerade aufrecht zu erhalten. Jedoch schaffte es einer, ihn zu durchschauen. Egal, wie gleichgültig und kalt er sich gab, es gab immer jemanden, der ihn verstand. Der ihn zu diesem Ort geführt hatte, zu so vielen Orten schon. Dem er blindlings gefolgt war – weil er ihm vertraute. Dieser jemand drehte sich nun zu ihm, nachdem er vorher so zielstrebig durch das Bordell gelaufen war. Lächelte ihn an. Redete mit ihm. Unterhielt sich mit ihm nicht oberflächlich. Nicht durch die Meute hindurch, die diese Worte, die nur für ihn bestimmt waren, hätten vernehmen können – wären sie nur dazu im Stande,ihre Blicke einmal von der Verführung abschweifen lassen. Sie brauchten so etwas profanes wie Sprache nicht, verstanden sich so – mental. Klar, deutlich, beruhigend, beschwichtigend hörte er die Stimme tief in seinem Innersten, in seinem Kopf – in seinem Herzen. Keine Sorge – ich bin bei dir, Erik. Kaum hatte sein Verstand dies vernommen, wurde er ruhiger. Störte sich gar nicht mehr an seiner Umgebung, dachte nur an ihr Ziel, ihre Mission, den Auftrag. Kam mit sich wieder in Einklang, zeigte wieder sein kontrolliertes Ich. Früher, das wusste er, hätte er sich nicht beherrschen können. Hätte seiner Wut freien Lauf gelassen, dies hier alles verwüstet, diese Degradierung des weiblichen Geschlechts. Früher, als er auf sich gestellt, allein war. Vergangene Zeit, nun vorbei. Er war nicht mehr einsam, nicht mehr allein. Er hatte zwar immer noch Feinde, doch nun hatte er auch Verbündete, vielleicht sogar Freunde. Hatte Charles. Charles, der sich nun umdrehte, sich des Sinns ihres Besuchs, ihres Aufenthalts wieder gewahr wurde und erneut voran schritt. Bin immer hinter dir, Charles. Seine Umgebung keinerlei abfällige Beachtung mehr schenkend, folgte Erik seinem Freund zum Treffen mit ihrem potentiellen neuen Verbündeten. Winterlandschaft ---------------- Kälte. Welch Geheimnisse verbarg dieser Zustand, dieses Wort? Wie lange nur verlangte er schon nach dem Wissen, wie es sich anfühlen müsse, ihr ausgesetzt zu sein? Drängender denn je lag ihm diese Angelegenheit auf dem Herzen, wo er nun durch die ewiglich herrschende Winterlandschaft Jötunheims streifte. Gekleidet in seiner üblichen, eher sommerlichen Kluft, durchschritt er tiefsten Schnee, war unbarmherzigen Windböen ausgesetzt, die ihm Schauer im ganzen Körper bescheren sollten. Jedoch spürte er sie nicht. Fühlte sie nicht, diese ihm mystische Kraft, die jedem Asen Schmerz und Pein in Adern, Glieder und Gelenke trieb. Für ihn war sie einfach nicht da, nicht existent. Nicht existent in der Weise, wie andere sie wahrnahmen. Kälte war für ihn nichts, dass er fürchten müsse. Nichts Fremdes. War eher ein Teil von ihm, welchen er vor langer Zeit verloren und nun wiederzufinden schien. Ein Stück seiner selbst, sein eigen Fleisch und Blut. Fremd waren nur die, von denen er Jahrzehnte lang glaubte, er wäre einer der Ihren. In diesem Moment spürte er nur allzu deutlich, wie sehr er doch nie dazu gehört hatte. Traf ihn zutiefst, im Innern – wo niemand zu denken gewagt hatte, dass er derlei überhaupt besaß. All die strahlenden Asen, diese Rasse, so stark, so schön, so eins. Beherrscht von einem Königsgeschlecht, so rein und so anmutig, dass es ihn anwiderte. Wie sehr hatte er doch versucht, dazu zu gehören. Welch mannigfaltig Mittel hatte er doch genutzt, um nur einmal den würdevollen Blick auf sich ruhen zu spüren, dem sein Bruder ewiglich geniessen konnte. Wie sehr schmerzte es ihn. Schmerzte mehr, als jede Kälte ihm hätte schaden können. Es brach ihm das Herz. Zugehörigkeit – dies war etwas, was Loki nie hätte spüren können, würde er weiterhin unter Asen weilen. Immer schon hatte er es geahnt. Zu groß war die Kluft zwischen ihm und seinen Eltern, zu groß der Unterschied zwischen Thor und seiner Wenigkeit. Thor, der Held – Loki, der Betrüger. So wurde er genannt, so würde er genannt, gestern, heute und bis ans Ende aller Zeit, bis zum Ragnarök. Auch wenn nicht seine Lügen es waren, die zu diesem Moment geführt hatten. Die Schuld lag nicht bei ihm – er hatte den Stein nicht ins Rollen gebracht. Nicht er war es, der ein fremdes Kind für sein Eigenes ausgab, wie sein eigen Blut behandeln wollte – und dann doch nur verachtete. Nicht er würde für solch einen Akt bestraft werden. Das asische Geschlecht würde leiden für die Sünde, die ihr großer, gütiger Herrscher ihnen auferlegt hatte. Odinsson, nimmermehr. Weiterhin stakste er durch den hohen Schnee, näherte sich immer mehr den Forts der Eisriesen, den Feinden der Asen. Dort würde er seinesgleichen finden. Sie würden ihn aufnehmen. Ihm helfen. Helfen, Rache zu nehmen. Rache an denen, die ihn zu dem gemacht hatten, was sein Leben seit Anbeginn war: Eine Lüge. Und die Asen würden seinen Namen fürchten bis ans Ende aller Zeit und darüber hinaus. Loki Laufeysson – der Lügner, der ihnen Ragnarök brachte. Der Bringer ihres Untergangs, den sie selbst erschufen. Mit diesen ihn heiter stimmenden Gedanken marschierte er weiter durch die Kälte, die ihn wie seiner Mutter Schoß zu empfangen schien. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)