Gefühllos? von bumble ================================================================================ Kapitel 6: Es war einfach zum Verrücktwerden -------------------------------------------- Hey meine lieben Leser, hier kommt endlich das 6. Kapitel, tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet, aber ich hoffe, der Inhalt entschädigt euch^^. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und hoffe, es gefällt. Greetz, bumble^^ _____________________________________________________________ Harry stocherte lustlos in seinem Abendessen herum. Es war einfach zum Verrücktwerden. Die Aufregung zog sich geradezu wie ein Film über seine Haut. Warum bei Griffindor war er nur so unglaublich nervös? Er traf sich doch nur mit Draco Malfoy. Auf dem Astronomieturm. Allein. Nach dem Essen. Diesem Essen. Verdammt. Seufzend legte er die Gabel nieder. Er bekam sowieso nicht auch nur einen Bissen herunter. Die Schmetterlinge in seinem Bauch ließen ihn wahnsinnig werden. Aber woher kamen die bloß? Es konnten keine Schmetterlinge sein. Er traf sich doch lediglich mit Draco Malfoy. Im Prinzip könnte man auch sagen, er träfe sich mit einem Fremden. Also waren Schmetterlinge einfach nur unsinnig. Ihm war einfach nur schlecht. Genau. Das Essen musste ihm auf den Magen geschlagen sein. Das einzige Problem an dieser Theorie war, dass er gar nichts zu sich genommen hatte. Seufzend schloss er die Augen. Es war einfach zum Verrücktwerden. „Hey, Harry, ist alles in Ordnung? Du isst ja gar nichts…“ Hermines Worte ließen ihn aufschauen. Seine Freunde. Sie machten sich Sorgen. Die ganze Zeit. Das wusste er. Auch wenn man es Ron gerade nicht ansah, der sich wie immer wild und wahllos die vielen Leckereien auf dem Tisch in den Mund schob. Der Junge konnte essen, dass es ihn immer wieder aufs Neue verblüffte. Wie ein Fass ohne Boden. Ein Lächeln schlich sich auf seine Züge. „Mir geht es gut, Hermine. Ich habe nur einfach nicht so viel Appetit heute.“ Er hatte darüber nachgedacht, ob er ihnen nicht einfach erzählen sollte, was er da in der letzten Nacht erfahren und erlebt hatte. Genauso schnell hatte er den Gedanken aber auch wieder verworfen. Dafür klang es einfach zu absurd. Und eigentlich wusste er ja selbst auch nichts wirklich sicher. Außerdem hatte er keine Ahnung, ob Draco überhaupt wollte, dass es jemand erfuhr. Es gab einfach noch zu viele offene Fragen. „Harry!“ Der Angesprochene zuckte erschrocken zusammen und blickte in das Gesicht seines rothaarigen Freundes. „Mann, wo bist du zurzeit nur immer mit deinen Gedanken?“, grinste Ron ihn schief an. „Wir sind fertig mit unserem Essen und wollen zurück in den Gemeinschaftsraum. Kommst du mit?“ „Ich…“ Sein Blick glitt unbewusst zum Slytherintisch gegenüber. „Ich…nein, ich denke, ich werde noch einen Moment…spazieren gehen. Ich brauche ein bisschen frische Luft.“ Als seine grünen Augen von einem undurchdringbaren Grau eingefangen wurden, stellte er fest, dass ein wenig Frischluft gar nicht so verkehrt wäre. Als er seinen Namen erneut hörte, wendete er sich wieder seinen Freunden zu. „Harry, mal im Ernst, du solltest an deiner Aufmerksamkeit arbeiten.“, ermahnte Hermine ihn nun mit einer Mischung aus Sorge und Vorwurf. „Wir wollten nur wissen, ob du vielleicht Gesellschaft bei deinem Spaziergang möchtest. Wir könnten mitkommen.“ „Nein, danke Leute, aber ich wäre lieber ein bisschen allein. Ich muss…nachdenken.“ Einen scheinbar endlosen Augenblick lang bedachte seine Freundin ihn mit einem undeutbaren Blick, dann erhob sie sich. „In Ordnung, dann bis später, Harry. Komm Ron, wir gehen.“ Damit zog sie einen etwas verwirrten Rotschopf von seinem Platz und beförderte ihn in Richtung Tür. Harry wusste nicht ganz, was er davon halten sollte. Manchmal wurde er aus Hermine einfach nicht schlau. Aber nicht nur aus ihr… Seine Augen richteten sich erneut auf den Slytherintisch, doch so oft sie die Reihen auch absuchten, sie fanden nicht, wonach die Ausschau hielten. Kein weißblondes Haar. Keine grauen Augen. Er war weg. Aber wann war er denn aufgestanden und gegangen? Harry erhob sich und machte sich auf in Richtung Ausgang. Er seufzte. Hermine hatte recht. Seine Aufmerksamkeit war heute echt erbärmlich. Als die Tür zum großen Saal ins Schloss fiel, atmete Harry erst einmal tief durch, um die immer weiter wachsende Nervosität zurückzudrängen. Allerdings konnte er nicht gerade behaupten, dass es half. Niemand befand sich in der Halle und Stille lag in der Luft. Ob es eine angenehme oder unangenehme Ruhe war, konnte er noch nicht wirklich sagen. Aber er bekam sowieso keinen klaren Gedanken mehr zu fassen. Das Einzige, was in seinem Geist herumschwirrte, war das unmittelbar bevorstehende Treffen mit Draco Malfoy. Sie wollten sich nach dem Essen treffen. Und jetzt war nach dem Essen. Er spürte, wie ihm mulmig wurde. Ob er schon dort war? Sein Blick wanderte zur Treppe, die vor ihm lag, die ihn zum Astronomieturm führen würde, zu Draco. Harry schüttelte den Kopf. Es war einfach zum Verrücktwerden. Er musste aufhören, soviel darüber nachzudenken. Es führte ja doch zu keinem Ergebnis. Langsam lenkten ihn seine Schritte in Richtung Treppe und aus Angst, er könnte sich die Sache am Ende vielleicht noch selbst ausreden, rannte er plötzlich los. Er rannte die Treppen hinauf, über die Flure, durch die Gänge, weitere Treppen nehmend, bis er schließlich atemlos vor dem Eingang zum Astronomieturm zum Stehen kam. Keuchend lehnte er sich an die Wand und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Seine Hand fuhr lautlos über die Oberfläche der Tür. Dahinter würde er sein. Dort würde er auf ihn warten, falls er denn schon da war. Aber dieser Sache war sich Harry merkwürdigerweise sicher, wenn er sich auch sonst nichts so richtig gewiss war. Er lehnte sich frontal gegen die Tür und ließ seinen Kopf dagegen sinken, wobei er die Augen schloss. Gleich würden sie sich gegenüber stehen. Es war einfach zum Verrücktwerden. Plötzlich verlor er ruckartig die Lehnfläche vor sich und versuchte erschrocken, sein Gleichgewicht wiederzufinden, was ihm allerdings nicht gelang. Einen Moment später klammerte er sich an die Schultern seines Gegenüber, der ihn sofort festhielt und vor einem Sturz bewahrte. Und als er erneut mit diesem unergründlichen Grau konfrontiert wurde, waren sie wieder da, als wären sie nie fort gewesen, diese verdammten Schmetterlinge. Im Moment verstand er sich selbst nicht. Was war nur los mit ihm? Das war nur Draco Malfoy. Niemand besonderes. Niemand, der ihn interessierte. Doch unerträglicherweise war ihm nur allzu klar, dass das nicht stimmte. Draco Malfoy war immer interessant gewesen. Vor allem für Harry. Aber warum, das hatte er sich bisher nicht erklären können. Oder vielleicht hatte er es auch nicht gewollt. Schnell verdrängte er diesen Gedanken. Es war einfach zum Verrücktwerden. Als Harry sich gewahr wurde, in welcher Position er sich immer noch befand, zuckte er zurück und brachte etwas Abstand zwischen sich und den Jungen vor sich. Draco stand regungslos da und blickte ihn an. Nichts hätte Harry im Moment nervöser machen können. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glauben, dass der andere das mit Absicht machte. Für den alten Draco, den er zu kennen gemeint hatte, wäre das typisch gewesen. Aber diesen Draco Mafloy gab es ja eigentlich nicht, oder? Und während er darüber nachdachte, wurde ihm nur allzu bewusst, dass er es nicht mehr schaffte, sein Gegenüber lediglich beim Nachnamen zu nennen. Nicht einmal in Gedanken. „Kannst du mir sagen, warum du lieber vor der Tür stehst und nicht reinkommst? Es erscheint mir nicht sehr logisch.“, durchbrachen nun Dracos Worte Harrys verworrene Gedankengänge. „Ähm…nein, ich, klar will ich reinkommen…“ Damit schritt er an dem anderen vorbei in den Raum, während er hörte, wie hinter ihm die Tür ins Schloss fiel. Er stand etwas unschlüssig da, als sich eine Hand auf seinen Rücken legte und ihn sanft Richtung Fenster schob. Mit unerwartet zittrigen Knien schritt er voran und war dankbar, sobald er sich an dem Sims vor sich festhalten konnte. Draco stieß die Fensterläden vor ihnen auf und stützte sich rechts neben ihm auf der Fensterbank ab. Harry sog die angenehme Brise, die ihm entgegenwehte, tief in seine Lungen. Sein Blick glitt über die Landschaft rings um Hogwarts. Die ganze Situation machte ihn immer noch sichtlich nervös. Es war einfach zum Verrücktwerden. Zögerlich wanderte sein Blick nach rechts, erst zu dem weißblonden Haar, dann über das makellose Profil des Gesichtes, die helle Haut, bis hin zu den feingliedrigen Händen. Es war der gleiche Draco Malfoy, den er schon früher so oft beobachtet und studiert hatte, und doch… Wenn er ihn jetzt ansah, hatte er das Gefühl, er hätte ihn nie zuvor gesehen. Und als sich ihm diese tiefen, grauen Augen zuwandten, versuchte er auch nur irgendetwas in ihnen zu lesen. Doch er fand nichts. Als wären sie völlig leer, gar nicht da. Und plötzlich wurde ihm ganz kalt. Dann durchbrach Draco die Stille. „Also, wir sind hier um uns über den Zauber, den ich verwendet habe, und seine Auswirkungen zu unterhalten. Ich habe drei Fragen. Ich würde sie jetzt gleich stellen. Hast du irgendwelche Einwände?“ Seine Worte waren direkt und höflich. Harry spürte die Kälte immer noch. Da er seiner Stimme nicht traute, nickte er lediglich. Dann stellte Draco seine erste Frage. „Wie ist es, Gefühle zu haben? Denkst du, es ist wichtig?“ Harry brauchte nicht lange darüber nachdenken, was er sagen könnte. Mit dieser Frage hatte er gerechnet. Er räusperte sich. „Ähm, ja, ich halte Gefühle für wichtig. Sie…sagen irgendwie so viel über einen Menschen aus. Wegen der Emotionen erkennst du, wie jemand ist. Und wie es sich anfühlt, Gefühle zu haben…na ja, gut, glaube ich…“ Harry zögerte. Es war schwerer zu erklären, als er anfangs gedacht hatte. Wie konnte er das so rational wie möglich erläutern, dass es auch für Draco logisch klang? „Weißt du, als ich an…deiner Stelle war in…in diesem Traum, da…diese Leere, das war… Ich denke, ich weiß erst dadurch, dass Gefühle wichtig sind. Ich habe sie vorher immer für so selbstverständlich gehalten. Sie sind eben einfach da. Manchmal brechen sie sogar schlagartig über einen herein, ohne dass man sie aufhalten kann. Ich habe mir oft gewünscht, doch einfach gar nichts fühlen zu können, vor allem keinen Schmerz.“ Harry schloss die Augen und atmete tief durch, um die Tränen zurückzuhalten. „Sirius zu verlieren, tat so weh, dass ich dachte, ich müsste sterben. Dass ich nur weiterleben könnte, wenn ich nichts mehr zu spüren brauchte. Aber eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich mir da wünschte. Jetzt weiß ich es. Den Schmerz zu fühlen, erscheint mir nun wichtig. Außerdem glaube ich, dass die guten Gefühle ohne die schlechten keine Bedeutung hätten, verstehst du?“ Er blickte Draco direkt in die Augen. Dieser nickte. „Beantwortet das deine Frage?“ Er spürte, wie eine Träne über seine Wange glitt, doch es spielte keine Rolle. Er hatte bisher mit niemandem darüber sprechen können, wie er sich seit Sirius Tod fühlte. Er begriff nicht, warum er es gerade hier vor Draco schaffte. Aber es machte ihn freier und sein Herz weniger schwer. Deshalb war es in Ordnung. Als die Hand des anderen auf einmal näher kam, wagte er es kaum zu atmen. Und als sie sanft die Nässe von seiner Wange wischte, konnte man ihm sein Erstaunen sicherlich problemlos vom Gesicht ablesen. Als Draco nachdenklich auf seine Hand sah, wurde Harry für einen kurzen Moment ganz heiß. „Tränen…Das heißt, du bist traurig, oder?“ Ihre Blicke trafen sich erneut. „Ähm…ja und…nein, lässt sich schwer erklären…“ Draco nickte nur, als würde er tatsächlich verstehen, was Harry da eben gesagt hatte. Doch dieser war sich nicht einmal sicher, ob er es selbst verstand. „Ich…du hattest doch noch zwei Fragen, oder?“ „Ja, aber du hast sie bereits beide beantwortet. Meine Fragen sind geklärt. Du bist an der Reihe.“ Welche Fragen das wohl waren? Eigentlich müsste er doch darauf kommen, schließlich hatte er sie anscheinend bereits beantwortet. „Ich wollte noch wissen, wie sich meine…Leere, wie du sie nennst, angefühlt hat. Außerdem hat mich interessiert, wie du diesen Schmerz, den beim Tod deines Paten, wie du ihn ertragen kannst.“ Mit diesen Worten zauberte sich Draco einen Pullover und setzte sich auf den Boden an die Wand. Wow, Harry war sichtlich verblüfft. Dafür, dass der Slytherin nichts fühlte, konnte er anscheinend Gedanken lesen. Vielleicht konnte er aber auch einfach nur seine Gedanken lesen… Harry ließ sich ebenfalls sinken und nahm neben Draco Platz. Er spürte wieder die Kälte, doch war er sich fast sicher, dass ein Kleidungsstück mehr daran nichts ändern würde. Als er neben sich schaute, begegnete er Dracos fragendem Blick. Dieser bedeutete ihm, dass er nun an der Reihe wäre. Er atmete abermals tief durch. Ihm lagen so viele Fragen auf der Zunge. Aber die, die ihm am wichtigsten erschien, war… „Warum ich? Ich meine, warum hast du dir mich für diesen Zauber ausgesucht?“ Für eine Weile sah Draco ihm einfach nur in die Augen. Dann setzte er zum Sprechen an. „Weil du immer so emotional reagierst. Mit so vielen unterschiedlichen Gefühlen. Ich habe mich viel mit Empfindungen beschäftigt, um mich besser anpassen zu können, wenn ich unter Menschen bin. Das meiste habe ich von dir gelernt, indem ich dich beobachtet habe. Außerdem haben wir beide etwas durch den gleichen Fluch verloren. Ich dachte, der Zauber würde mir helfen, besser zu verstehen, ob mir etwas beziehungsweise was mir fehlt. Ob Gefühle was Erstrebenswertes oder eher eine Belastung sind. Ich war der Meinung, dass du mir dabei am ehesten helfen könntest.“ „Und? Konnte ich dir helfen?“ Harry versuchte in den Augen des anderen zu lesen. Stattdessen verlor er sich darin. Es war einfach zum Verrücktwerden. „Ja.“, war alles, was Draco sagte. Doch Harry war das nicht genug. „Wie? Ich meine, zu welcher Erkenntnis bist du gekommen?“ „Ich weiß jetzt, dass ich Gefühle für etwas Wünschenswertes halte. Selbst rein rational betrachtet, erscheinen sie wichtig. Aber im Endeffekt bringt diese Erkenntnis mehr Probleme als Lösungen. Denn ich kann es nicht ändern.“ Seit dem Beginn dieses Gespräches hatten sie den Blickkontakt nicht abgebrochen. Harry wusste selbst nicht, wie er es bisher geschafft hatte, nicht wegzusehen. Vielleicht weil er nicht verpassen wollte, wenn sich etwas änderte. Wenn er etwas finden würde, das er zu suchen glaubte. Und plötzlich war es da. Auch wenn er nicht erklären könnte, was es eigentlich war. Doch irgendetwas in Dracos Augen hatte sich verändert. Wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. „Aber da ist doch dieser andere Zauber, den du gefunden hast. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann könntest du durch den wieder fühlen, oder? Genau habe ich es mir leider nicht gemerkt…“ Er konnte sich nicht mehr wirklich daran erinnern, um was für Magie es sich handelte, aber es hatte wieder irgendetwas mit einem Trank zu tun, darin war er nun wirklich nicht gerade eine Leuchte. Solche Dinge im Gedächtnis zu behalten, gehörte nicht unbedingt zu seinen Stärken. „Ja, aber dieser andere Zauber kommt nicht in Frage. Er verbindet die Gefühlswelten und damit zusammenhängend auch die Leben zweier Menschen unabänderlich miteinander. Ein ewiges Band. Außerdem erfordert es absolutes Einverständnis auf beiden Seiten.“ Wow, Harry hätte nicht gedacht, dass es so problematisch wäre. Demnach würde es bedeuten, dass Draco jetzt zwar wusste, was Gefühle wert sind, sie aber dennoch niemals fühlen können wird. Er schloss einen Moment die Augen, lehnte den Kopf an die Wand hinter sich und atmete tief durch. Aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht so recht erfassen konnte, versetzte es seinem Herzen einen Stich. Draco Malfoy würde niemals Gefühle haben. Für nichts. Für niemanden. Auch nicht für… Schnell verwarf er seinen letzten Gedanken wieder. Was dachte er da eigentlich? Es war einfach zum Verrücktwerden. Konnte er denn wirklich gar nichts fühlen? Harrys Augen suchten wieder die des anderen, um ihn genau das zu fragen. Und die Antwort überraschte ihn. „Also…doch. In gewisser Weise kann ich fühlen. Emotional zwar nur sehr minimalistisch, aber körperlich ist es kein Problem. Meine Sinne können alles ebenso wahrnehmen wie deine.“ Mit diesen Worten nahm Draco Harrys Hand in seine und fuhr sanft mit den Fingerspitzen über den Handrücken. Dabei sah er ihm unverwandt in die Augen. „Das hier kann ich genauso fühlen wie du. Den Druck, das Kribbeln, die Wärme.“ Draco wandte sich Harry zu und legte dessen Hand auf seine Brust, direkt über sein Herz. Seine eigene platzierte er auf der Brust des anderen. „Ich fühle die Schläge unter meinen Fingern, nehme die Wärme deiner Hand war. Ich spüre, wie unsere Herzen beginnen im gleichen Takt zu schlagen. Ich habe den Schmerz wahrgenommen, wenn wir uns geprügelt haben. Ich kann ebenfalls sagen, dass ich das eine als positiv und das andere als negativ betrachte. Dennoch ist es nicht das Gleiche.“ Mit dem letzten Klang der Worte verließ die Hand Harrys Brust und sein Gegenüber entfernte sich wieder von ihm. Harry hatte das Gefühl, sein Herz wäre für einen kurzen Augenblick stehengeblieben, nur um jetzt in erhöhter Geschwindigkeit weiterzuschlagen. Dracos Handeln hatte ihn völlig überrascht. Die plötzliche Nähe hatte ihn schlicht überrumpelt. Er schloss die Augen und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Das war nicht normal. So zu reagieren, war einfach nicht normal. Wieso passierte ihm das nur? Und warum hatte er Angst vor der Antwort? Weil er sie bereits kannte? Es war einfach zum Verrücktwerden. Eine Hand auf seiner Schulter ließ ihn zusammenzucken. Draco… Und als er aufsah, waren sie wieder da, diese verfluchten grauen Seelenspiegel, die nicht einmal ansatzweise eine Seele zu spiegeln schienen. „Was ist los, Harry? Was auch immer du gerade fühlst, ich habe es vorher noch nie bei dir gesehen.“ Harry. Er hatte ihn Harry genannt. Als wäre es völlig selbstverständlich. Als hätte er nie etwas anderes zu ihm gesagt. „Es…es ist…nichts. Ich bin nur…verwirrt…“ Das war nicht einmal gelogen. Er war wirklich verwirrt. Vermutlich nie mehr als in diesem Moment. „Warum?“ Dracos Fragen waren wirklich…direkt. Auf den Punkt. Aber Harry hätte im Augenblick wirklich etwas mehr verschnörkeltes Drumherumreden gebrauchen können. „Ich…kannst du das genauer erklären, inwiefern du…na ja…das eine als positiv und das andere als negativ betrachtest?“ Draco lehnte sich zurück und schien nachzudenken. Gut. Es war nicht Harrys Art eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, aber eine echte Antwort darauf, warum er verwirrt war, hatte er leider nicht. Und diesen einen Gedanken, der dort in seinem Hinterstübchen immer wieder herumschwirrte, versuchte er, so gut es ging, auszublenden. Das klang einfach zu absurd. Kopfschüttelnd wandte er sich wieder Draco zu, der soeben zum Sprechen ansetzte. „Ich empfinde es als unangenehm, wenn ich mich verletze, ich bin nämlich nicht völlig gefühllos, jedenfalls nicht körperlich, weißt du? Aber es ist eben kein Schmerz der Wut oder Trauer oder Ähnlichem. Und wenn…mir der Geruch des Waldes in die Nase steigt, wenn ich die Süße von Kuchen auf meiner Zunge schmecke, dann fühlt sich das angenehm an. Und körperliche Nähe…deinen Herzschlag zu fühlen…“ Draco schenkte ihm einen intensiven Blick, der Harry die Luft anhalten ließ. „…das war auch angenehm…“ Einen Wimpernschlag später brach Draco den Augenkontakt ab und Harry, der wieder begonnen hatte zu atmen, bemerkte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck auf seiner Miene. „Du siehst aus, als wärst du mit irgendetwas nicht zufrieden. Was ist los?“ „Ich…weißt du, da ist eine Sache, die ich mir logisch nicht erklären kann. Deine Nähe ist irgendwie…anders…“ „Wie meinst du das? Wie anders?“ Ob es das gleiche Anders war, was er selbst fühlte? „Ich habe ganz ehrlich keine Ahnung. Aber…ich würde gern etwas ausprobieren. Ein Experiment sozusagen.“ „Ein Experiment? Und welches?“ Harry spürte, wie ihm heiß wurde. „Ich habe gelesen, dass ein Kuss eine sehr intime und emotionale Verbindung ist. Ich habe es ein paar Mal probiert, habe es dann aber wieder verworfen, da es nichts bewirkt hat. Ich würde gern wissen, ob es einen Unterschied macht, wenn ich dich küsse.“ Dracos Stimme war sachlich und doch… Was er sagte, löste in Harry einen Sturm aus. Ein Kuss… Draco wollte ihn küssen. Harry spürte, wie sich diese vermaledeiten Schmetterlinge wieder bemerkbar machten. Er wollte das, verdammt noch mal. Er hatte es die ganze Zeit gewollt. Er wollte wissen, wie es ist. Seit er Cho geküsst hatte, war ihm klar gewesen, dass etwas fehlte. Es interessierte ihn ebenso wie Draco, ob es einen Unterschied machen würde. Doch er hatte auch Angst. Vor dem, was passieren beziehungsweise nicht passieren würde. Aber bevor er sich noch weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, hatte er auch schon genickt. Draco wandte sich ihm zu und legte seine Hand an Harrys Wange. Sie blickten einander erneut in die Augen, wobei Harry wieder versuchte, darin zu lesen. Im nächsten Moment überbrückte Draco die letzte Distanz zwischen ihnen. Und dann stand einen Augenblick lang alles still. Seine Gedanken hatten aufgehört zu kreisen. Alles, was er noch vermochte, war zu fühlen. Er fühlte die Lippen des anderen auf seinen. Er fühlte eine warme Zunge, die ihm kleine Schauer schickte. Er fühlte Dracos Atem auf seiner Haut. Eine kleine Ewigkeit später trennten sie sich voneinander, allerdings nur wenige Zentimeter. Er spürte immer noch die Hand des anderen auf seiner Wange. Und als er in Dracos Augen blickte, sah er zum ersten Mal keinen undurchdringbaren Nebel mehr sondern einen Sturm. Und schon verließ die Frage, die ihm so bedeutungsschwer auf der Zunge lag, seinen Mund, bevor er auch nur richtig darüber nachdenken konnte. „Und? Macht es einen Unterschied?“ Es war nur ein Flüstern. Mehr brachte er nicht zustande. Doch er wusste, dass Draco ihn gehört hatte. Er schien einen Moment zu überlegen, doch dann nickte er. Nichts weiter. Nur ein Nicken. Harry konnte nicht anders und lächelte. Ja. Es war ein verdammt großer Unterschied. Einen Augenblick lang sahen sie einander nur an. Dann ließ Draco seine Lippen erneut auf Harrys sinken und die Welt verschwamm… Es war einfach zum Verrücktwerden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)