Wer suchet, der findet. von haki-pata (Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache) ================================================================================ Kapitel 47: Eintausend einhundert und eins. Plus eins. ------------------------------------------------------ Tatsächlich steht mein Partner wenig später neben mir, trockene Socken und Schuhe an den Füßen. Den Trick mit dem Ersatz sollte ich mir merken. Der ist gut! Die erste Stufe emporgeklommen kommt eine ältere beleibte – mir nicht unbekannte – Dame meinem Klopfen zuvor. Die Tür des Wohnwagens von innen geöffnet, tritt sie einen Schritt heraus und bleibt auf der obersten Stufe stehen. Damit ist sie über einen Kopf größer als ich, der ich weiterhin auf der untersten Stufe harre. „Dave! Davie! D. J.! Dave Joseph Hollister!“ ruft sie in alle Richtungen. „Essen ist fertig!“ Erst im nächsten Moment beäugt sie meinen Partner ein bisschen und mich ein bisschen mehr. „Aaron? Das bist doch du, oder? Aaron Meyers?“ Ich nicke und Mildred Hollister strahlt. „Aaron! Lieber Junge! So im feinen Zwirn nicht, aber am Haar hab ich dich gleich erkannt! Was bist du groß geworden! Der Uniform entwachsen! Und ein Detective jetzt! Ja, ja… Das habe ich ja immer gesagt! Kannst alle hier fragen! Der Aaron, der macht sich!“ Alles, ohne einmal Luft zu holen. Hinzu gefügt noch folgendes: „Warum hast du dich nicht gemeldet? Lass dich ansehen und komm in meine Arme, mein Junge!“ Bevor ich fliehen oder mich dagegen wehren kann werde ich schon von ihr umschlungen, an ihre massigen Brüste gedrückt und ringe mit dem Tod um jeden Happen Luft. Ein epischer Kampf, dessen Ausgang ungewiss ist. Die Umarmung wird fester und ich vermag mich nicht daraus zu lösen. Ergo doch nicht so ungewiss… An Atemnot werde ich jämmerlich dahinsiechen… Ich kenne eintausend einhundert und eine Art zu sterben. Damit eintausend einhundert und eine Art zu töten. Dank Mildred Hollister sogar plus eins… Ausgefallen, aber wirksam… Von überschwänglichen Muttergefühlen zerquetscht. So wie Sergeant Dave Hollister mein väterlicher Freund ist, sieht sich dessen Frau – Mildred – wohl als Ersatzmutter. Besser: Als Ersatzübermutter, die mich mit ihrer Zuneigung erstickt. Und mein Partner? Rettet er mich? Nein! Er lacht! Hoffentlich drückt Milly ihn gleich genauso! In meiner Verzweiflung starte ich einen Hilferuf. Ein kaum hörbares „Hnf…“ ist alles, was ich zustande bringe und habe damit mein letztes Quäntchen Vorrat an wertvoller Luft verschwendet. Jetzt gilt es. Jetzt ist Schluss. Adieu, du schnöde Welt! Einen Eichensarg, bitte. Naturbelassen. „Milly! Lass mal besser los!“ höre ich die – mich vor dem Erstickungstod rettende Stimme des Sergeants. „Der arme Junge läuft ja schon blau an!“ Mildred tut es, nachdem sie mich noch einmal kräftig herzt. Bei den Göttern! Diese Frau hat mehr Kraft in den Armen, als manch anderer in den Beinen und was da bedenklich knackt sind meine Rippen… Japsend taumele ich ein Stück zurück, stolpere rückwärts die eine Stufe herunter – einigermaßen das Gleichgewicht haltend – und bin unfähig irgendetwas zu sagen. An der Außenwand des Wohnwagens gelehnt sortiere ich meine Lungenbläschen und Rippen. Meine Hoffnung auf Gerechtigkeit geht gleichermaßen dahin. Mildred Hollister gibt Gerrit Berger nur die Hand, lächelt und spricht direkt eine Einladung zum Essen aus. Natürlich. Mein Partner nimmt direkt an. Wo lässt er das alles? Milly fragt mich auch, nur kriege ich keinen Ton raus und fühle mich wie sich ein gepresster Ballon fühlen muss. So einfach und pragmatisch meine Wohnung eingerichtet ist, so überladen wirkt das Innere des Wohnwagens des Sergeant und seiner Frau. Die Wände hängen voll Fotos und Postkarten, alles gerahmt. Auf Regalen türmen sich Nippes-Figürchen – hauptsächlich Frösche – von Mildred und Dave gleichermaßen gesammelt. Gemütlich ist es. Der Geruch von Gemüseeintopf zieht durch den Wohnwagen. Milly kocht hervorragend. Als ich noch ein blauer Junge war, durften Lars und ich des Öfteren bei den Hollisters essen. Mildred hat für uns Meyers-Bengels immer extra gekocht, da wir doch… Nun ja… empfindlichen Mägen haben und nicht alles essen und trinken können. Damals wohnten Dave und Milly noch in Southern Bay. Reihenhaus in einer kleinen Siedlung, in der alles gleich aussieht. Tagein tagaus der gleiche Trott. Bis beide die Nase davon voll hatten. Sie haben keine Kinder, also brauchten sie dahingehend keine Rücksicht nehmen. Hier ist immer was los, wie Mildred gerade berichtet, während sie meinem Partner und mir die Teller hochvoll macht. Auch Dave bekommt eine große Portion und sie streicht ihm über das graue Haar und den Rücken. Ab und an schimpft Dave auf seine Frau, nennt sie einen Drachen – erst gestern noch, am Tatort. Aber jetzt… Er hebt den Kopf, spitzt die Lippen und kriegt seinen Kuss. So was möchte ich im Alter auch haben. Ja… Da kommt wieder das Sensibelchen in mir zum Vorschein. Erzählt es im Revier! Tut euch keinen Zwang an! Macht nur eure Witze! Bitte sehr! Wenn ihr später mal einsam und verlassen in irgendeiner Bingo-Halle sitzt und ich – Arm in Arm mit Julian – daran vorbeiflaniere… Dann lache ich! Und nur um euch Alleinstehende zu ärgern küssen und befummeln wir uns vor euren Augen, bis ihr einen Herzinfarkt bekommt! Selbstverständlich kann ich euch dieses Schicksal auch ersparen. Hier und jetzt. Dazu brauche ich nur meine… „Aaron!“ tadelt Milly, neben Dave Platz genommen. „Keine Waffe am Tisch!“ Sie hält die Hand auf, nimmt mir – Euer Glück! – die Seavers ab und legt sie hinter sich auf eine kleine Kommode. „Nach dem Essen hast du sie wieder.“ Sie zwinkert meinem Partner zu. „So war er früher auch. Immer die Pistole in der Hand und damit rumfuchteln und…“ Bei den Göttern! Will sie etwa… Aus meiner Zeit als blauer Junge… Das muss ich verhindern! „Äh…?“ Mal ehrlich. war doch ein ziemlich guter Anfang, oder? „Wir sind hier, weil…“ Ja. Weiter so, Meyers! Du schaffst das! „Dave… Wir haben da was vor und ich möchte dich im Team.“ Yeah! Ich bin stolz auf mich! Mildred das Wort abgeschnitten und ohne weitere ‚Äh…?‘ direkt auf den Punkt. Bin ich gut, oder bin ich gut? Wie? Warum sollte ich das Julian fragen? Hm? Ach so… Ja. Ich werde gerade rot… „Eine Sonderkommission wegen diesem Irren.“ mutmaßt Dave und liegt vollkommen richtig. „Wer ist noch dabei?“ Berger zählt auf und erwähnt auch diese… Unperson, die er einfach ‚Artus-Tussi‘ nennt. Schlagartig den Appetit verloren schiebt der Sergeant seinen Teller von sich. „Carol Artus?“ hakt er nach. „Diese verkappte Profiler-Tante?“ Einträchtiges Nicken bei Berger und mir. „Oh Scheiße!“ flucht… Mildred…? „Diese bekloppte…“ Den Begriff überhört ihr jetzt bitte. „Wenn ich die in die Finger kriege, mache ich… Mus aus ihr! Oh ja! Und kippe es in den Abfluss! Selbst die hartgesottensten Ratten würden sich an dieser…“ Auch diesen Begriff bitte schön überhören. „… den Magen verderben. Selbst in der Kloake würde die das schlimmste Dreckloch verseuchen!“ „Sie können diese Tussi nicht leiden?“ erkundigt sich mein Partner zwischen zwei Löffeln Eintopf. „Und wie ich das nicht kann!“ Milly sammelt sich und teilt mit uns ihre Erfahrung. Mildred Hollister kommt aus einer Polizisten-Familie – schon ihr Urgroßvater war Gesetzeshüter mit Leib und Seele – dadurch ist sie hart im Nehmen, nur schwerlich aus der Fassung zu bringen und immer die Ruhe selbst. All das fällt mit jedem ihrer Worte von ihr ab und als sie endet nimmt Dave sie in die Arme. Von ihrem Mann gehalten schluchzt Mildred leise an seiner Schulter. „Sch, sch. Liebes.“ tröstet er flüsternd und streichelt ihr Haar. Ich kenne diese Frau jetzt schon… zehn Jahre. Heute sehe ich sie zum ersten Mal weinen. Dave drückt sie etwas fester an sich und schaut abwechselnd auf Berger und mich. „Diese Artus…“ sagt er heiser. „Die kam davon.“ „Partner…“ wendet sich Berger leise an mich. „Ist mir scheißkackegal, wie wir das anstellen, aber… Diese… Unperson muss weg!“ So sehr waren wir noch nie einer Meinung. „Ach je…“ Ruckartig setzt sich Mildred auf, wischt sich über das Gesicht und lächelt tapfer. „Da heule ich euch was vor, wo doch der Nachtisch serviert werden will…“ Für den Trost von ihrem Mann bedankt sie sich bei ihm mit einem Kuss und steht auf. „Milly… Verzeih. Wir müssen weiter.“ erkläre ich bedauernd. Um vieles mehr bedauert mein Partner, der gern noch Nachtisch gehabt hätte. „Sicher…“ Meine Seavers in der Hand wuschelt mir Milly mit der anderen durch mein Haar – wie sie es zweifellos bei einem Sohn tun würde. „Ich bin stolz auf dich.“ sagt sie und reicht mir meine Waffe. „D-d-danke…“ stammele ich und stecke die Seavers in meinem Holster. Milly nickt, zieht mich auf ihre Größe und umarmt mich. „Wenn Dave in dein Team kommt…“ wispert sie mir ins Ohr. „Du gibst auf ihn Acht. Versprochen?“ „Versprochen.“ Einen Kuss auf die linke und einen auf die rechte Wange muss ich über mich ergehen lassen und noch einmal Haare wuscheln. Meinen – breit grinsenden – Partner verabschiedet sie mit einem Händedruck und einem Lächeln. „Danke fürs köstliche Essen.“ bedankt er sich und zeigt eine Verbeugung. In Begleitung von Dave verlassen wir den Wohnwagen. Er knufft Berger und mich. „Habt euch doch zusammengerauft, hm?“ fragt er und ist sichtlich zufrieden. „Gut so! Ein Partner ist wichtig. Bei dieser Sache sowieso. Wir sehen uns morgen auf dem Revier.“ Nach je einem weiteren Knuff dreht er sich um und ist schon auf der Treppe. „Dave…“ beginne ich. „Hm?“ meint er über seine Schulter. „Willkommen an Bord.“ „Jau.“ Er grinst und meint hörbar, was er sagt als er sagt: „Ist mir eine Freude.“ Wenn man unterwegs ist, vergeht die Zeit wie im Fluge. Auf den Weg zum Kensington-Asylum – und damit zu Roberta – sprechen mein Partner und ich über dies und das. Bergers Telefon meldet sich. Mit ‚I was made for loving you, Baby…‘ Bei den Göttern. Warum kriegen alle anderen das hin und ich nicht? Meins piept. Und nur das. Bah! Berger nimmt das Gespräch entgegen. „Berger.“ meldet er sich und lauscht, seine Miene verdüstert sich und er stellt auf laut. „Okay, Captain.“ sagt er. „Nochmal bitte. Mein Partner hört mit.“ „Ja. Gut. Hören Sie zu.“ Oh. Captain Brace klingt angepisst. „Artus hat Doktor Maddern aus dem Team gekegelt. Will keine externen Kräfte in ihrem Betätigungsfeld. Commissioner und Bürgermeisterin haben zugestimmt.“ Sie seufzt tief und gut hörbar. „Ich habe alles versucht.“ „Ja. Schöne Scheiße!“ flucht Berger. „Diese Tussi ist schlimmer als ein Kollaborateur!“ „Ich hole mir Bobby ins Boot!“ setzte ich mich über sämtliche Anweisungen hinweg. „Und ich übernehme dafür die volle Verantwortung!“ Unsere Vorgesetzte zieht scharf die Luft ein. „Meyers.“ sagt sie. „Das können Sie sich auf Grund der Einträge in Ihrer Personalakte gar nicht erlauben!“ „Klar.“ erwidere ich. „Ich tue es trotzdem. Wir werden uns nicht nur den Irren schnappen, sondern dieser… Unperson ihre Inkompetenz und Falschaussagen nachweisen!“ „Jau! Und ob wir das werden!“ stimmt Berger mir zu. „Und der ganze Scheiß geht auf meine Kappe.“ Das lobende Schulterklopfen von mir hat sich mein Partner redlich verdient. „In Ordnung.“ ist Captain Brace einverstanden. „Machen wir es so!“ Ein weiterer Seufzer. „Viel Glück bei der Sache.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)