Wer suchet, der findet. von haki-pata (Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache) ================================================================================ Kapitel 25: Beliebtheitsskala… ------------------------------ Für den Toten will ich nicht zu sehr singen, gebe ein paar Töne von mir und fertig. Karl Lipinski. Chief Karl Lipinski. Ich kenne ihn aus meiner Zeit, als ich noch ein blauer Junge in Uniform war. Ein Sackgesicht. Lipinski war ein Sackgesicht, der das Gesetz bog und seine fragwürdigen ‚Verbindungen‘ ausspielte wie es ihm gefiel. Darüber hinaus ein Schwarzen-Hasser. Asiaten-Hasser. Frauen-Hasser. Schwulen-Hasser. Wer ihm nicht passte, bekam es deutlich zu spüren. Hauptsächlich mit Beleidigungen, Ausgrenzung und Hetze. Vereinzelt mit ‚Handauflegen‘ – wie er seine Schläge gern umschrieb. Hm, hm… Ich passte ihm nicht. Meine Haare passten ihm nicht. Meine Art passte ihm nicht. Und wie mir das alles am Arsch vorbeiging – ob ich ihm passte oder nicht passte – passte dem Sackgesicht am wenigsten. Den Tod hat er nicht verdient. Verzeiht. Das war… Ich sollte explizierter werden. Diesen Tod hat er nicht verdient. Durchgeprügelt oder niedergestochen oder angeschossen oder alles zusammen und dann gemächlich und unter Qualen verbluten… Das – Und allein das! – wäre sein passender Abgang gewesen. Gründe ihn nicht zu mögen gibt es genug und es stimmt – Karl Lipinski war auf meiner Beliebtheitsskala ganz weit unten. Eingewachsene Fußnägel stehen höher im Kurs. Jetzt ist sein Platz frei und Berger kann ihn einnehmen. Soweit habe ich alles gesehen und spreche flüchtig mit Charlene. Einen kleinen Spaziergang machend hänge ich meinen Überlegungen nach und versuche Schlüsse zu ziehen. Was haben die beiden gemeinsam. Was machte Rupert Wellington zum Opfer? Und was Karl Lipinski? „Keiner der Jungs in Uniform weint ihm eine Träne nach.“ höre ich Sergeant Dave Hollister. „Das war ein Schinder.“ Er holt tief durch die Nase Luft. „Wahrscheinlich muss ich mich bei seiner Beerdigung zusammennehmen… Um nicht laut loszulachen!“ Er wiegt den Kopf. „Vielleicht tanze ich auf seiner zugeschütteten Grube und pinkle gegen seinen Grabstein.“ „Ja… Man merkt es.“ Ich stupse ihn. „Die Trauer hat dich überwältigt. Du bist geradezu von Sinnen…“ „Und wie!“ Dave grinst schief und reicht mir eine Liste. „Das sind alle, die bis vor seinem – allzu raschen und bedauernswert leidlosen Ableben in seiner… Ich nenne es mal… Einheit waren. Vielleicht willst du die mal befragen.“ Ich bedanke mich und überfliege die Liste. Noch bei dem Buchstaben ‚A‘ bleibe ich hängen. Aparo, Julian. Hm… „Sag mir, wenn einer von denen voll der Lobhudelei für Lipinski ist.“ Dave verschränkt die Arme. „Der macht sich – Ruckzuck! – verdächtig.“ „Klar doch.“ Nach einem weiteren Dank gehe ich und sehe mir die Umgebung an. Hier gibt es keine Obdachlosen zum Befragen. Der Supermarkt gehört zu den feineren Läden in einer feineren Gegend und hat keine vierundzwanzig Stunden geöffnet. Die Örtlichkeit ist dem Täter möglicherweise egal. Ich drehe mich um und schaue mir die Mauern und Fassaden sorgfältig an. Keine Kameras. Schande! Alles hinter mir lassend gehe ich noch ein paar Meter. Mein Telefon piept. Ja. Das hatten wir schon. Blick auf das Display. Unbekannte Rufnummer. Zu neunundneunzig Komma neun Prozent der Irre. „Meyers.“ „Halli Hallo… Detective Aaron Meyers.“ Zu hundert Prozent. „Wie gefällt dir mein Geschenk?“ Er harrt einer Antwort. Die kommt aber nicht und er spricht weiter. „Sein Herz, Detective Aaron Meyers… Das habe ich gegessen! Es hat mir nicht so gut geschmeckt, wie das vom Wellington-Bengel. Das des Chiefs… Es war alt. Und es war zäh. Aber seine Zunge, Detective Aaron Meyers… Damit habe ich was Feines vor… Ich schicke sie dir, ja?“ Wie bisher verzichte ich auf irgendetwas Verbales. „Und? Hast du schon das Foto gesehen?“ Sein Lachen ist nach wie vor blechern. „Ich habe es extra für dich gemacht, Detective Aaron Meyers.“ Seine Stimme nimmt einen lauernden Klang an. „Nun? Sag schon! Hast du es gesehen? Und? Hast du dich gefreut?“ Er lacht erneut. „Ich bin immer in deiner Nähe… Oh ja… Dein Schutzengel, sozusagen.“ Er folgt mir. Inwieweit werde ich noch herausbringen. Oder – im Ermittler-Angeber-Jargon ausgedrückt – eruieren. Ich sehe mich nicht nach ihm um. Es wäre das, was er will. „Was ist mit dem Cop? Der junge. Hat er sich über die Rosen gefreut? Rote Rosen! Hat er sich bedankt? Geknutscht habt ihr ja wieder. Oh ja! Leider hatte ich meine Kamera nicht mit. Sag mal…? Habt ihr es auch miteinander getrieben, Detective Aaron Meyers?“ Er wird aggressiver und vulgär, was an meinem Schweigen liegen mag. Oder meiner Weigerung, mir den Hals nach ihm zu verrenken. „Habt ihr? Hattest du deinen Schwanz in seinem Arsch? Oder hatte er seinen Schwanz in deinem? Und? Hat es dir gefallen? Das sollte es! Vielleicht war es das letzte Mal und er hat bald keinen Schwanz mehr…“ Blechern lachend ist er es wieder, der das Gespräch beendet. Irre. Der Kerl ist irre. Seine Anrufe dienen dazu, mich zu verunsichern und einzuschüchtern. Die Sache mit dem Foto hat keinen anderen Zweck. Es wird mehr Opfer geben. Er wird wieder töten. Bleibt er bei seinem Modus Operandi, tötet er heute. Zu gern möchte ich mich bei Julian melden und ihn warnen, habe aber seine Karte nicht mit und seine Nummer noch nicht eingespeichert. Moment… Anruflisten. Klar. Da müsste er… Ja! Doch keine komplett technische Niete! Während in meinem Telefon der Hit aus den Charts läuft, höre ich den rockigen Song seines Telefons. Verwundert drehe ich mich um. Er kommt auf mich zu, zwei Pappbecher in den Händen. „Frühstück? Hab einen Kakao für dich.“ ()Aaron sieht blass aus, was Julian sofort auffällt. „Der Irre hat dich angerufen.“ stellt er fest. „Und er hat dich bedroht.“ Seine Hand ist nicht die ruhigste, als Aaron den Becher an sich nimmt. „Nein. Dich hat er bedroht.“ sagt er heiser und nimmt einen Schluck, an dem er sich verschluckt. Julian klopft ihm auf den Rücken. „Dieser Irre kann mir nichts antun, Aaron.“ meint er und revidiert seine Äußerung. „Doch. Das grausamste. Wenn er… Wenn er dich mir wegnimmt.“ „Er ist hier irgendwo.“ flüstert Aaron. „Er beobachtet uns.“ Eine Hand im Nacken sieht er zum trüben Himmel hinauf und blickt Julian dann in die Augen. „Bei den Göttern! Wenn er wagt, dir ein Leid zu tun…“ „Aaron…“ Ein tiefer Atemzug und Julian will Aaron die Wahrheit sagen. „Da… Da gibt es etwas… Höm…“ Ein neuerlicher tiefer Atemzug. Und er kommt nicht zu Wort.() „Hey! Du uniformierte NIETE!“ brüllt Berger und kommt auf uns zugestürmt, reißt Julian herum und schubst ihn grob Richtung Tatort. „Schleim dich bei wem anders ein!“ herrscht er. „Marsch an die Arbeit! Stell dich ans Absperrband und wimmle gefälligst Gaffer und Presse-Fuzzis ab!“ „Natürlich.“ Höflich lächelnd salutiert Julian und schlendert davon. Julians Gelassenheit ist bewundernswert. Seine Kehrseite nicht weniger. Meinen sehnsüchtigen Seufzer verstecke ich hinter einem mürrischen Räuspern. „Berger! So nicht!“ weise ich meinen Kollegen zurecht. „Du wirst dich bei Office Aparo für dieses völlig unprofessionelle Verhalten entschuldigen!“ „Ach! Der will doch bloß aus der Uniform und denkt, wenn er sich bei wem beliebt macht, wird er automatisch zum Detective.“ „Wie du dich bei Gertrudes beliebt gemacht hast?“ Gemächlich nehme ich einen Schluck Kakao und sehe Berger beim Rotwerden zu. Vor Zorn. „Hast du vergessen? Die Ermittlungen leite immer noch ich!“ zischt er. „Wenn du nicht bis zu deiner Pension hinter dem Schreibtisch enden willst, dann…“ Ich gehe einen Schritt auf Berger zu und lächle amüsiert. „Ist das etwa eine Drohung?“ Über einen Kopf größer zu sein hat Vorteile. Dunkle Augen haben, auch. In die froschgrünen meines Kollegen zu starren, ohne zu blinzeln… Ein Segen! „Aber nein…“ Berger hüstelt und tut sein Bestes, ein kumpelhaftes Lächeln zustande zu bringen. „Weißt du, was ich glaube?“ Nein. Weiß ich nicht. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen – ich bin ernstlich kurz davor und BÄNG. BÄNG. BÄNG. – frage ich nicht nur aus purer Nettigkeit: „Was glaubst du?“ „Diesen Rupert hat dein Schlitzer nur zur Ablenkung umgebracht. In echt ging es dem von Anfang an um Lipinski. War ja ein Arsch. Konnte den nie leiden. Konnte wohl keiner.“ Ab und zu hat ‚Ich kann das nicht‘-Berger bemerkenswerte Ideen, denen nachzugehen sich lohnt. Es wäre nicht der erste Serienmord, der vom wahren Opfer ablenken soll. Und mit seiner offenkundigen Antipathie für Lipinski ist mein Kollege auf meiner Beliebtheitsskala etwas in die Höhe geklettert und teilt sich einen Platz mit einlagigem, schnell-auflösendem Camping-Klopapier. Eine echte Pest, das Zeug! Wandern und Zelten. Das war der beschissenste Ausflug aller Zeiten. Wortwörtlich! Seit dem Zeitpunkt reise ich nur noch mit persönlicher Klorolle, extra weich und dreilagig. Ja… Was denkt denn ihr? Unter drei Lagen geht nichts bei mir! Bin Beamter! Die brauchen für jeden Scheiß zwei Durchschläge! Wie bitte…? Ob ich feuchtes…? Das geht zu weit! Aber ich konnte es mir ja denken. Ihr nutzt es gnadenlos aus, was? Meine Walt Wilson liegt ja Zuhause, nicht wahr? Grr! Ja… Das mit Kamille und Panthenol. Zufrieden? Und weiter geht euch mein Hintern nichts an! Apropos Zuhause… Ich sollte mal nachhorchen, wie es Lars und Sundora geht. „Berger.“ Ich nicke anerkennend. „Da klemmen wir uns hinter! Nicht nur, aber auch.“ Damit werde ich ihn nicht los. Bedauerlich. Mein Kollege grinst. „Weißt du, Silberrücken… So übel bist du gar nicht. Nicht ganz dicht und ein eigenartiger Typ und durchgeknallt. Aber nicht übel.“ Hallo…? Was ist denn mit Berger los? Hat er heute seinen Tag der Komplimente? Hat ihm wer was in den Kaffee getan? Hat er Drogen genommen? „Danke. Mir kommen gleich die Tränen hoch.“ Eher der Kakao. „Ich bin auch nicht übel!“ behauptet Berger. „Echt. Ich kann auch bei Schnulzen heulen und habe Tischmanieren.“ Er hüstelt. „Willst du nicht mal ein gutes Wort für mich einlegen? Bei Rush?“ Aha! Daher weht der Wind. „Ich garantiere nichts!“ erwidere ich ungenau und lasse mich zu einem Schulterklopfen hinreißen. „Berger. Bis gleich. Ich muss nach Hause telefonieren.“ „Klar.“ Er nickt und kehrt mir den Rücken, wendet sich kurz um. „Machst du aber, ja?“ Das kommt mich definitiv teuer zu stehen, aber… ich nicke. „Klar. Versprochen!“ Beide Daumen gehoben marschiert mein Kollege davon. Er sollte sich die Daumen lieber drücken… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)