Wer suchet, der findet. von haki-pata (Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache) ================================================================================ Kapitel 68: BÄMM – mitten auf die Zwölf. ---------------------------------------- In einem Gang hier unten im Leichenkeller und fernab aller Türen finde ich meinen Schatz. Ehe ich Julian sehe, höre ich ihn. Er spricht jedoch nicht. Es ist diese Lache. Diese beinahe bösartige und unheilvolle Lache, die ich schon in seiner Wohnung gehört habe. Im Widerhall der kargen Wände klingt es weit mehr nach bösartig und unheilvoll. Ich biege um die Ecke. Er steht da, an der Wand gelehnt, sein Mobilfon nicht am Ohr sondern in der Hand. Die Lache endet, nur ein kurzes Echo bleibt, das schließlich auch verschwindet. Ich weiß nicht, wie es euch geht. In meinem Hals bildet sich wieder dieser eiskalten Klumpen aus Zweifel und Befürchtungen. Julian ist nicht da, wenn der Irre anruft. Bei ihm ist besetzt, wenn der Irre anruft. Und der Irre hat eben auch gelacht. Ich schlucke angestrengt und der eiskalte Kloß landet in meinem Magen. Eine Verbesserung ist das nicht. Es tut weh und ich erschaudere mit einer Kälte, die aus meinem Inneren kommt. Ein paar lautlose Schritte gemacht stehe ich neben ihm. „Hey.“ sage ich und er guckt mich an. Irgendwie sieht er erschrocken aus. Oder ertappt. Oder beides. Lautlos ist bei mir lautlos. Nach kurzem Zögern gibt er ein „Hey.“ zurück, wendet den Blick ab und schiebt in lässig wirkender Bewegung sein Mobilfon in die Hosentasche. Mir scheint, er will darauf keine Aufmerksamkeit erregen. Nur bin ich längst aufmerksam. „Wieder telefoniert?“ frage ich und klinge nicht so locker und unverfänglich, wie ich es gern gehabt hätte. „Ja.“ erwidert er einsilbig. Seine Schuhspitzen findet er wohl gerade interessanter als mein Gesicht. „Wieder privat?“ Dieses Mal antwortet er gar nicht. Ich stelle mich vor Julian. „Mit wem hast du eben gesprochen?“ „Privat.“ murmelt er und sieht mich immer noch nicht an. „So toll sind deine Schuhe auch nicht.“ gebe ich ihm zu verstehen. „Julian. Guck mich an und rede mit mir.“ fordere ich und frage erneut: „Mit wem hast du eben gesprochen.“ Keiner meiner Aufforderungen kommt er nach. Julian guckt mich nicht an und er redet auch nicht mit mir. Auf eine Antwort hoffe ich weiterhin vergeblich. Wenigstens macht er keine Anstalten, die Flucht anzutreten. „Also? Wer war’s? Deine Eltern?“ hake ich nach und fühle mich äußerst unwohl. „Madelaine und Craig Aparo?“ Meinem Schatz gegenüber kehre ich den Cop heraus und nötige ihn zu Antworten. „Oder deine Schwester?“ Unvermittelt hebt Julian den Kopf und starrt mich an. Wut ist in seinen Augen und das Gold seiner Iriden ist von einem roten Schimmer überzogen. Seine Lippen sind fest aufeinander gepresst. Der Zug um seinen Mund gefällt mir gar nicht. Julian sieht regelrecht angewidert aus. „Du magst deine Familie nicht sonderlich.“ mutmaße ich und nur so eben sichtbar zeigt er ein Kopfschütteln. Habe ich mit meinen Annahme Recht, was seinen Vater angeht, wundert mich das gar nicht. Just in diesem Augenblick bin ich stolz auf meinen liebevollen und toleranten Papa. Und ich vermisse ihn. Genauso, wie ich meine Mama vermisse. Kämen meine Eltern je zur Sprache, könnte ich niemals angewidert aussehen. Nur traurig. In aller Stille danke ich den Göttern, meinen kleinen Bruder hat man mir nicht wegnehmen können. Das ließ ich nicht zu. Nur geht es jetzt nicht um mich und ich richte mein Augenmerk auf Julian, der seinen Gedanken nachhängt. Ich weiß, was ich zu tun habe. Und es gefällt mir nicht. Den Moment seiner persönlichen Ablenkung muss ich nutzen. Ein paar Sekunden gebe ich ihm noch… ()Nicht sonderlich mögen ist geschönt. Seine Eltern – oder was sie darstellen sollen – widern ihn an. Julian senkt den Blick wieder, will Aaron nicht mit dem empfundenen Zorn ansehen. Gerade jetzt durchläuft er ein unangenehmes Wechselbad der Gefühle. Sein Schatz soll schweigen und ihn allein lassen. Und reden und ihn in die Arme nehmen. Er hätte nicht telefonieren dürfen. Diese Telefonate wühlen auf, strengen an. Danach fühlt er sich schlecht, obgleich er sich gut fühlen sollte. Gleichgültig, was er leistet… Es ist nicht gut genug. Er ist nicht gut genug. Für sie alle. Es sollte ihm egal sein, doch das ist es nicht. Niemals geben sie Ruhe. Er will seine Freiheit und das verstehen sie nicht. Wollen nicht verstehen. Sie reden und reden… Sie schweigen einfach nicht. Wollen nicht schweigen. Ohne diese Telefonate würde er verrückt. Doch danach… Danach fühlt er sich immer wie beschmutzt. „Mit wem hast du eben gesprochen?“ fragt Aaron zum dritten Mal und zweiten Mal erwidert Julian ein „Privat.“ Er fühlt sich überrumpelt und das gefällt ihm nicht. Aaron weiß genau, was er tut. Ein guter Cop. Diesem Verhör weicht er nur aus, wenn er jetzt geht. Von der Wand gestemmt schiebt er seinen Schatz von sich. „Das geht dich nichts an.“ setzt Julian hinzu und will gehen. Noch weiß er nicht, wohin. Zurück zu den Leichen und zu dieser aufdringlichen Special Agent Jennifer Whalley? Viel lieber noch einfach bloß weg und raus. Laufen, bis er Zuhause in seinem Loft ist. Die Tür hinter sich zumachen und abschließen und duschen, bis er das Gefühl hat, sauber zu sein. Äußerlich. Keine Sekunde später entweicht ihm die Luft aus den Lungen, als Aaron ihn zurück an die Wand drückt und am Hemdkragen gepackt festhält. „Ich will Antworten.“ Seine Stimme, kühl und sachlich, passt nicht zu seinem unbeherrschten Benehmen. „Und ich will diese Antworten sofort. Haben Sie das verstanden, Officer Aparo?“ Jetzt ist seine Stimme schneidend, einer Klinge gleich. Den Mund geöffnet schließt Julian diesen wieder. Der empfundene Zorn ist noch da und jetzt etwas zu sagen, führten zu den falschen Worten, zur falschen Zeit, am falschen Ort, an die falsche Person gerichtet. „Wo warst du gestern Abend?“ Aaron lässt ihn nicht aus den Augen. Obgleich er selbst den Blick gesenkt hält, spürt er den seines Schatzes. „Du warst weg zwischen halb acht und halb neun. Um was zu tun?“ „Das geht dich auch nichts an!“ erwidert Julian prompt. Damit hat er seiner Meinung nach genug gesagt, umfasst die Handgelenke des anderen und zerrt daran, um sich zu befreien. Vergeblich. „Lipinski war ein Schwulen-Hasser und er wusste, du bist schwul. Hat er dich drangsaliert? Gewiss hat er das. Hat er die anderen gegen dich aufgehetzt? Auch das hat er gewiss. Hat er dich geschlagen? Ich gehe jede Wette ein, das hat er und mit wachsender Begeisterung!“ Das klingt, als hätte Aaron das alles selbst erlebt. Drangsal. Hetze. Schläge. Der empfundene Zorn verschwindet augenblicklich. „Ich wollte da weg.“ Julian räuspert sich und seine Hände rutschen von den Gelenken Aarons. „Einfach nur weg. Weg von Lipinski und seiner Art. Weg von den anderen und ihren… ihren… Späßen. Weg von Bronkston. Komplett weg. Vielleicht auch weg von Polizeiarbeit.“ Er zieht die Nase hoch. „Zwölfmal habe ich ein Versetzungsgesuch eingereicht. Zwölf! Elf hat Lipinski abgelehnt. Wo käme er denn hin, das Maskottchen des Dreizehnten ziehen zu lassen. Das…“ Erst nach einem neuerlichen Räuspern und Schlucken kann er weitersprechen. „Das ‚Schwuletten-Bärchen‘.“ Er hebt die Schultern. „Wie er im zwölften entschieden hat, wenn er entschieden hat, weiß ich nicht.“ „Das ist ja jetzt egal. Er ist ja jetzt tot. Du Glücklicher.“() Danach muss ich mir die blutende Nase halten. BÄMM – mitten auf die Zwölf. Den Schlag habe ich nicht kommen sehen. Zudem werde ich zurückgeschubst. Grob und heftig. Ich knalle an die gegenüberliegende Wand und dieses Mal weicht mir die Luft mit einem zischenden Geräusch aus den Lungen. „Denkst du das? Von mir?“ Julians Stimme ist leise, doch ringt er um Beherrschung und bebt vor Zorn. Mehr, als eben noch. Seine Augen glühen regelrecht. Alles Gold ist aus den Iriden verschwunden. Diese leuchten in einem flammenden Rot. Es sollte mir Angst machen. Jedoch tut es das nicht. Es macht mich… besorgt. Um ihn. „Denkst du, zu so etwas bin ich fähig?“ Blinzelnd und den Kopf schüttelnd kämpft er gegen Tränen. Vergeblich. Diese laufen ihm längst über die Wangen. Wahrscheinlich merkt er es nicht einmal. „Du hältst mich für diesen Irren, der… der das Leben dermaßen missachtet? Der dich am Telefon bedroht?“ Wie ich es eben tat, packt er mich am Kragen und zerrt daran. „Der dich bedroht?“ Mit Julians harten Schlucken sehe ich seinen Adamsapfel wandern und seine Stimme wird leiser, klingt gebrochen. „Ganz ehrlich, Aaron. Denkst du das von mir? Hältst du mich für diese Bestie? Meinst du, ich bin dazu fähig? Ich will es jetzt wirklich wissen. Fühlst du so?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)