Die Rabenschwinge von Moonwolf (Warcraft Characterstories) ================================================================================ Kapitel 8: Gro'sesh (Apsu) -------------------------- Die Sonne verschwand gerade hinterm Horizont und ließ mit ihren letzten Strahlen den Himmel in blutigem Rot leuchten, als Apsu eine letzte Nachricht im Briefkasten versenkte. Der beste Augenblick, sich zu ihrem Vorhaben aufzumachen, von dem sie nicht wusste, wie es enden würde, und ob sie zurückkehren würde. Aber dies war ihr gleich. Sie lehnte eine Hand auf den Schwertgriff und atmete noch einmal tief durch, bevor sich sich schweren Schrittes dem Stadttor näherte. Im Schatten des Tores wartete schon der Kurier, der sie nach Durotar bringen sollte. Eine zwielichtige, hochgewachsene Gestalt, die ihr Gesicht unter einer Kapuze verbarg. Dabei war es Apsu egal, wer darunter steckte, Hauptsache, sie würden schnell ankommen. Die Gestalt nickte kurz, Apsu ebenso und damit verschwand sie leichtfüßig hinter der nächsten Biegung. Apsu folgte dem Kurier ein Stück bis Abseits der Stadtmauern. Kurz schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie normalerweise nie einer verhüllten, düsteren Gestalt in unbewachte Ecken folgen würde, doch heute Abend war nichts normal. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob das Licht ihr die ganzen Fehltritte verzeihen würde, die sie in letzter Zeit begangen hatte. Die Bücher, die sie aus der verbotenen Bibliothekshalle entwendet hatte, indem sie dem Bibliothekar in finstrer Nacht den Dolch an die Kehle gesetzt hatte, oder die Suche nach Gro'sesh selbst, die sie in die zwielichtigsten Tavernen der Menschen geführt hatte. Auch ihren Gefährten hatte sie nichts gesagt, aus Angst, sie in Gefahr zu bringen, denn Apsu wusste nicht, wie mächtig der orkische Hexenmeister auch nach vielen Jahren noch war. Doch hatte sie eine andere Wahl gehabt? Der Kurier wartete ungeduldig und Apsu schloss wieder zu ihm auf. Zwischen ein paar Bäumen hatte er wohl vorab schon einige Vorkehrungen getroffen. Erst jetzt erkannte Apsu, dass er nicht vorhatte, auf einem Greifen zu fliegen, oder zu reiten. Er war eindeutig ein Magier. Und dazu wohl auch ein recht begabter, wenn sie beobachtete, mit welch filigranen Bewegungen er mit seiner Hand Muster in die Luft zeichnete. Kurz konnte sie unter seiner Kapuze ein paar schwach leuchtende grünliche Augen ausmachen, doch sie verschwanden sogleich wieder, als er sich in kreisförmigen Bewegungen durch die Luft 'arbeitete'. Als er fertig war, flimmerte etwas zwischen den Bäumen auf, verbreiterte sich und Apsu riss die Augen auf, als sie erkannte, dass es sich tatsächlich um ein magisches Portal handelte. Wieder schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass es Wahnsinn war, einem Fremden, noch dazu einem Magier zu vertrauen, der sie durch den ganzen Nether schleudern könnte, ohne dass sie wusste, wo sie ankam. Aber es war ihre einzige Chance. Der Kurier hatte ihr vorab gesagt, dass sie sich um den Rückweg selbst würde kümmern müssen. Das stärkte nicht gerade ihr Vertrauen, doch fasste sie ihre ganze Willenskraft zusammen. "Ihr werdet am Rande von Orgrimmar landen. Am besten seid ihr Still und sucht auf schnellstem Wege zu eurer Rechten nach einer Seitentür. Der Pfad dahinter wird euch sicher nach Draußen führen, ohne, dass euch auch nur ein Ork zu Gesicht bekommt." Seine Stimme klang melodisch und weich und weckte irgendwie zumindest ein wenig Hoffnung, dass alles so lief, wie er behauptete. "Und jetzt rasch, sonst wird sich das Portal wieder verschließen." Mit diesen Worten hielt er Apsu die ausgestreckte Hand entgegen und sie legte einen Beutel voll Münzen hinein, bevor sie die Fäuste zusammenballte, die Augen zusammen kniff und durch das Portal schritt. Sie versuchte, die Augen wieder zu öffnen, um einen Blick zu erhaschen, doch alles, was auf sie einfiel war Schwärze und endlose Dunkelheit, wobei sie sich fragte, ob ihre Augen überhaupt offen waren. Es schien ihr endlos zu sein und langsam ergriff sie die Angst, dass sie doch hereingelegt wurde. Innerlich wütete in ihr der Kampf um ihre Selbstbeherrschung, doch so plötzlich, wie die Dunkelheit kam, war sie auch wieder weg und Apsu landete unsanft bäuchlings auf hartem Felsboden. Vorsichtig rappelte sie sich auf. Ihre Augen suchten ihre Umgebung ab. Sie war hinter einer großen, fellbehangenen Hütte. Hinter ihr eine solide Steinmauer. Die letzten Sonnenstrahlen warfen ein dämmriges Licht gegen die Steine und färbten den Himmel rot. Es war immernoch Abend. Wahrscheinlich war kaum ein Augenblick vergangen. Sie sah zu ihrer Rechten, wie der Kurier gesagt hatte und entdeckte nicht unweit einen schmalen Spalt, den man kaum sah, weil Licht und Schatten ihr Spiel damit trieben. Flugs huschte sie hindurch und fand sich auf einem schmalen Pfad wieder, der den Hügel auf dem sie sich befinden musste, hinunter schlängelte. Von dort aus würde sie den Weg finden. Sie ging nur ein kleines Stück gen Osten, bis sie am Horizont das Meer glitzern sehen konnte, drehte sich immer wieder um, um sicher zu gehen, dass sie niemand entdeckt hatte. Doch tatsächlich schienen die Orks diesen Weg nicht zu kennen oder ihn zu meiden. Auf beiden Seiten des Pfades schützten sie kleinere Erdwälle oder Steine vor den Blicken aus der Ferne und schon bald konnte sie zwischen zwei Hügeln eine kleine Hütte ausmachen. Irgendwie hatte Apsu mehr erwartet vom Versteck eines Hexengroßmeisters. Vor der Hütte stand jemand. Doch nun war es egal, wer die Draenei noch entdeckte. Jetzt brauchte sie sich nichtmehr zu verstecken. Festen Schrittes näherte sie sich der kleinen verfallenen Behausung. Sie erkannte die Gesichtszüge des Orks vor der Tür und ging schneller, rannte schon fast, das Schwert aus seiner Scheide ziehend. "Ich wusste, du würdest kommen.", sprach der Ork, als er Apsu erkannte. Wie hätte er sie vergessen können? "Aber kampflos kann ich mich nicht ergeben. Ich habe all die Jahre gewartet, Draenei." Apsu hörte nicht hin. Egal was er sagte, es konnte jetzt nichtsmehr ändern. Sie würde ihm den Kopf abschlagen, um jeden Preis. Er fuhr mit den Armen durch die Luft und 'malte' Zeichen hinein, die in grünlichem Feuer aufgingen und auf Apsu zuflogen. Doch sie erkannte, dass sie weder kraftvoll noch gefährlich waren. Sie wich nicht aus, als die Flammen auf ihre Rüstung prallten, auf ihre Arme. Damals hatte sie gesehen, wie das Feuer jeden Schild druchdrang, ätzte und alles verbrannte, was es berührte. Apsu spürte zwar Schmerz, doch dieser war Nichts, im Vergleich zu dem, der über die Jahre an ihrem Herzen nagte. Und so schluckte sie es einfach herunter. Ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich dich hasse., dachte Apsu. Ich kann nicht schreien "Ich werde dich töten!". Du kannst nicht hören, was ich dir sagen will. Du hast mir die Stimme genommen. Doch um dir zu zeigen, wie sehr ich dich verachte- Sie schwang das Schwert, traf ihn an der Brust, trieb ihn zurück. Er stolperte, fiel rücklings auf den Boden, starrte mit angsterfülltem Blick hinauf zu Apsu. -reicht nur ein Augenblick! Mit der untergehenden Sonne im Rücken, musste sie aussehen wie ein Racheengel. Umhüllt von Licht, so rot, wie das Blut, dass aus der Wunde des Orks rann, doch selbst so schwarz von Schatten, mit Augen, die mehr sprachen, als Worte es je könnten. Erfüllt von Schmerz, Wut, Hass und Verzweiflung. Sie stellte sich über ihn und drückte dem Hexenmeister das Schwert gegen die Kehle. Blut benetzte die Klinge. Doch dann sah sie seine Augen, die vor Angst so weit aufgerissen waren, glasig glänzend und mit Tränen gefüllt. Sein Brustkorb bebte und er zitterte. Jetzt fiel ihr auf, was er zu ihr gesagt hatte. Dass er all die Jahre wusste, dass sie kam. Dass er sie nicht vergessen hatte. Das kleine Mädchen, das geschworen hatte, ihn zu töten. Apsu bedeutete ihm mit einer Bewegung ihres Kopfes, dass er sprechen solle. Sie wusste nicht, was sie hören wollte und Gro'sesh wusste nicht, was er sagen sollte. Sie hörte Flehen, hörte ihn betteln, er versuche, rücklings vor ihr weg zu kriechen, doch sie hielt ihr Schwert weiter gegen seinen Hals gedrückt. Mit der anderen Hand, zog sie das Kettenhemd, das ihre Narbe am Hals verbarg, herunter und forderte den Ork auf, den Fluch von ihr zu nehmen. Jede seiner Bewegungen im Blick haltend, wartete sie. Sollte er nur einen Finger falsch krümmen, würde sie ihn in Stücke schneiden. Sie hatte die Flüche studiert. Hatte im verbotenen Lexikon gelesen und wusste, was der Ork tun musste. Etwas, das auch nur er allein tun konnte, da er den Bann gesprochen. Er zitterte, als er etwas von seinem eigenen Blut zwischen den Fingern zerrieb, mit wackliger Hand und durch die Wunde schwächer werdend einige Zeichen auf seinen anderen Arm schrieb und dabei die erlösenden Silben murmelte, die Apsu gelesen hatte. Er hatte sie nicht getäuscht. Sie wartete und spürte, wie ein furchtbarer Druck von ihrer Kehle fiel und einen Moment fasste sie sich an den Hals und keuchte. Beinah hätte sie sich erlaubt, vor Freude zu weinen, doch dann erinnerte sie sich wieder, weswegen sie eigentlich gekommen war. Sie blickte in Gro'seshs Gesicht. Es war unverwechselbar das Gesicht des Hexenmeisters, der ihr Dorf zerstört hatte, der ihr Leben zerstört hatte. Doch es war faltig geworden, alt und seine Haare grau und licht. Seine Augen waren eingefallen und nun rannen Tränen seine Wangen herab. Er hatte Angst. "Alles...", begann Apsu und war einen Moment überwältigt von ihrer eigenen Stimme. Sie fuhr fort. "Alles...was ich wollte, war, den Ork zu vernichten, der meinen Meister getötet hat." Sie hielt inne, zornig. "Aber alles... was ich vor mir sehe... ist eine Hülle, aufgefüllt mit Furcht und Erinnerungen." Sie verringerte den Druck auf seine Kehle. "Gro'sesh." Sie sprach seinen Namen voller Verachtung aus und er zuckte leicht zusammen. "Ihr seid es nicht wert, dass ich euch töte." Sie zog ihr Schwert zurück und wandte sich um, ging weg von ihm, ohne zurück zu blicken. Sie wusste, dass er dort lag, unfähig, sich zu bewegen, nur zitternd, weinend. Doch auch sie weinte. Sie war gekommen, ihn zu vernichten, aber als es soweit war, versagte ihr Hass. Sie hatte ihn verschont. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)