A simple Job von Desty_Nova ================================================================================ Kapitel 6: Sweet dreams ----------------------- Es war nichts Anderes als Maschinengewehrsalven zu hören. Die Schüsse schlugen in die Mauer des Bungalows, die sie sich als Deckung gesucht hatten. Splitter, Staub und Rauch. Vom Sehen konnte kaum die Rede sein. Adjutant Simon verstand nicht einmal die Worte seines Kameraden neben ihm. Eigentlich sollte die Einheit nur die verbliebenen Zivilisten aus der Ruine, die sich kaum eine Stadt nennen konnte, hinausbegleiten. „Verdammt! Es war doch eine zweitägige Waffenruhe vereinbart worden!“ fluchte sein Kamerad, während er hektisch das Magazin seines FAMAS wechselte. „Jammern bringt jetzt auch nichts. Die Menschen müssen raus. Mann und Munition sind knapp und reichen nicht für längeren Widerstand. Halte dich bereit! Bei Drei gebe ich euch Deckung!“ Vom Winkel der auf den Boden einschlagenden Patronen, wusste er, dass sich die Gegner im obersten Stockwerk befanden. Er nahm seine Granate in die Hand und zog den Zünder. Zählte innerlich bis sechs und begann anschließend laut zu zählen: „Eins, zwei und Los!“ Zur selben Zeit warf er die Granate im hohen Bogen zur gegenüberliegenden Häuserblock. Fast zeitgleich zückte er sein Sturmgewehr und schoss halb aus der Deckung in dieselbe Richtung. Er dachte sich, dass die Explosion und die Schüsse sie lange genug beschäftigen dürfte. Als der letzte Mann aus dem Bungalow herauslief, setzte er sich auch in Bewegung. Dieser Hinterhalt war glimpflich überstanden, aber sie konnten die geplante Route nicht mehr benutzen. Es wäre zu gefährlich auf breiten Straßen oder offenen Plätzen unterwegs zu sein. So versuchten sie entlang enger Gassen voranzukommen. Die Stadt war fast leer und die meisten Gebäude waren vom Bürgerkrieg gekennzeichnet. Er fand es wirklich schade wie Menschen so unbedacht etwas zerstören konnten, die sie über Jahrzehnte aufgebaut hatten. Zwar besagt ein Zitat, dass Krieg die Fortsetzung einer politischen Auseinandersetzung mit anderen Mitteln sei, aber er wollte es einfach nicht begreifen. Bürgerkrieg. Ein Wort der so paradox klingt. Die angehörige desselben Volkes bekriegen sich aufgrund unterschiedlicher Mentalitäten und Idealen. Für die einen ist es die Revolution und für die anderen eine Rebellion. Wer kann bestimmen welche Seite recht hat? Zynischerweise wird der Sieger, der aus diesem Konflikt herausgeht, das Recht für sich beanspruchen und alles so zurechtrücken, dass keinerlei Zweifeln bestehen. Warum er als Berufssoldat darüber sinnierte, war ihm selbst nicht ganz verständlich. Vielleicht wollte er zumindest etwas von seinem Gewissen aufrechterhalten. Er versuchte schon seit einiger Zeit den Rest des Trupps zu erreichen, von der sie beim Angriff getrennt worden waren. Endlich meldete sich der Jüngste des Zuges: „Adjutant wir sind umzingelt! Brauchen Hilfe!“ „Haltet durch Korporal! Wo seid ihr?“ „Wir haben uns ins Innere des alten Gerichtsgebäudes zurückgezogen! Können nicht länger durchhalten!“ „Ich komme sofort!“ Er wandte sich zu seiner Vorhut: „Luc, führe die Zivilisten aus den Stadtgrenzen zu den Blauhelmen! Es scheint, dass die Rebellen sich im Zentrum versammelt haben, um den Rest der Einheit und die Flüchtlinge gefangen zu nehmen. Für euch besteht von hier aus keine akute Gefahr mehr.“ „Jawohl mein Adjutant!“ mit einem Handzeichen gab der Gefreite den Einheimischen das Zeichen ihm zu folgen. „Xabier folge mir!“ woraufhin der Baske nickte und beide losliefen. „Korporal, Haupt- und Hintereingang sind verbarrikadiert!“ „Gut! Wir ziehen uns in den kleinen Verhandlungssaal zurück!“ Um Kollateralschäden zu meiden, hatten die Legionäre die Stadtbewohner ins Archiv gebracht. Sein Plan war es den Angreifenden den Raumvorteil zu nehmen, um unter Schonung der Mittel möglichst bessere Bedingungen für die Verteidigung zu schaffen. Das Gebäude stammte aus dem 19. Jahrhundert. Den Haupteingang erreichte man über beidseitig gewundene Treppen aus graubraunem Tuffstein. Der klassische Baustil war sehr schlicht ausgeführt und an der Wand, wo sich die Treppen trafen, war ein doppelköpfiger Adler abgebildet. Der Hintereingang verband den Parkplatz mit dem Gebäude. Es war relativ unwahrscheinlich, dass die Angreifer einen der Wände hochjagen würden, um sich Zugang zu verschaffen. Normalerweise hätten die Verteidiger explosive Fallen an den Eingängen platziert. Die Ausrüstung hierfür war nicht vorhanden. Ursprünglich sollten sie ja nur die Zivilisten eskortieren. Der wolkenverhangene Mittag wurde von schräg einfallenden Sonnenstrahlen in einen relativ heiteren Nachmittag verdrängt. Es herrschte Stille. Die Soldaten wirkten zwar äußerlich sehr ruhig, aber innerlich waren sie gespannt wie die Sehne eines Bogens. Was werden die Angreifer machen? Welche Taktik würden sie verwenden? Wild hineinstürmen und ihren Überzahl ausnutzen? Tür aufbrechen und Rauchbombe oder eine Handgranate hineinwerfen? Die Soldaten versuchten jedes Szenario im Kopf durchzuspielen. Sie dürften sich nicht überraschen lassen. Die Vorbereitung, selbst wenn man sie nur im Gedanken durchspielt, war entscheidend. Was man sich vorstellen kann, lässt sich auch durchführen. Es war nicht wichtig wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Sieges war. Es zählte nur, dass es einen Weg zum Erfolg gab. Natürlich konnten sie auf Unterstützung hoffen, aber damit planen durften sie nicht. Denn mit Glück darf man nicht rechnen. Im Gegenteil: Die Soldaten müssen alle Aspekte einkalkulieren, die schiefgehen können. Korporal Emile durchbrach das Schweigen seiner Rekruten: „Männer, vergisst nicht das Ziel unserer Mission! Wir sind hier um die Zivilisten zu retten und nicht eine Schlacht zu gewinnen! Die Munition ist begrenzt! Handelt dementsprechend!“ – „Jawohl, mein Korporal!“ erwiderten die zehn Soldaten unisono. Hinter der Tür des Saals hörte man die Schritte der Rebellen. Sie hatten die Barrikaden überwunden und suchten nun das Gebäude ab. Dieses vibrierte sodann relativ stark. Die Explosion aus dem Nordflügel war nicht nur deutlich hörbar, sondern man spürte die Detonation bis in die Knochen. Es schien, dass sie wahllos Granaten in Räume hineinwarfen. Kaum hatte sich die Tür bewegt, begannen die Legionäre zu schießen. Der Angreifer hatte durch den Kugelhagel nicht die Zeit gehabt die Wurfbombe aus der Hand zu lassen. Diese explodierte zugleich und riss gleichzeitig etliche seiner Kameraden mit in den Tod. Zwar wurde dadurch der Zugang zum Saal vergrößert, aber sie war für die Verteidigenden doch noch handhabbar. Die Angreifer verschanzten sich so gut es ging und erwiderten mit ihren Salven. Emiles Befehl entsprechend versuchten die Soldaten mit gezielten Schüssen die Gegenseite zu dezimieren beziehungsweise möglichst lange in Schach zu halten. Der Korporal war momentan guter Dinge. Es gab bisher keine Verletzten oder Verluste. Mit den vergehenden Minuten beschlich Emile langsam ein ungutes Gefühl. Es lief alles zu glatt. Die Rebellen wirkten nicht so aggressiv wie sie beim Hinterhalt gewesen waren. „Seid auf der Hut! Hier stimmt etwas nicht!“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen, schon tauchte ein Angreifer aus seiner Deckung mit einer Panzerfaust heraus. Reflexartig schoss Emile und traf den Rebellen am rechten Schulter. Dieser geriet in eine leichte Schieflage, konnte aber trotzdem mit letzter Kraft den Abzug drücken. Der Korporal sah wie das Geschoss gezündet wurde und aufgrund der gestörten Position des Schützen zur Decke flog. Sie stürzte teilweise ein und begrub einige Soldaten unter sich. Emile begab sich geistesgegenwärtig unter dem Richterpult in Deckung. Jetzt saßen er und seine Männer wie die Ratten in der Falle. Allmählich wurde ihm bewusst, dass sein rechter Unterschenkel pochend schmerzte. Sein Schienbein lag vergraben unter dem Schutt und war gebrochen. So hatte er sich sein Ende nicht vorgestellt, wenn er überhaupt einmal darüber gedacht hatte. Simon und Xabier erreichten das Gerichtsgebäude. Für Taktik blieb keine Zeit. Sie mussten in kürzester Zeit so viele Gegner wie möglich ausschalten und ins Geschehen eingreifen. „Xabier, einer von uns muss durchkommen und die anderen retten. So sang und klanglos darf unsere Truppe nicht enden!“ Der Baske nickte nur. Leicht gebückt heranpirschend schalteten die erfahrenen Söldner mit gezielten Schüssen die Wachen am Haupteingang aus. Beim Betreten des Gefechts konnten sie nur noch hilflos betrachten wie eine Panzerfaustrakete in die Decke des südlichen Saals einschlug. In diesem Moment griffen sie die abgelenkten Rebellen an. Einer fiel nach dem anderen. Schon fast mechanisch erledigten Adjutant und Rekrut gemeinsam jeden Gegner. Sie eilten zum Saal, um ihren Kameraden zu Hilfe zu kommen. Manche hatten sich schon selbst befreit und waren dabei die verletzten zu versorgen. Für einige kam alles leider zu spät. „Korporal, wo bist du?“, fast schon verzweifelt schrie Simon. Er blickte sich im Raum herum bis er ein Klopfen aus dem noch teilweise sichtbaren Pult vernahm. Seine Hände aufreibend grub er Emile aus seiner Falle heraus und stützte ihn. Sein rechter Unterschenkel sah schlimm aus. „Mein Adjutant, die Zivilisten befinden sich im Archiv im Untergeschoss.“ Väterlich besorgt sprach Simon: „Hebe deine Kraft für die Flucht auf Emile. Wir haben es fast überstanden.“ – „Ich rechne fest mit weiterem Besuch, Simon.“, schnaufend blickte er zur untergehenden Sonne. Die leeren Häuser glühten fast leuchtend rot. Aus der Ferne konnte man Motorengeräusche vernehmen. Die Fahrzeuge der Revolutionären waren unterwegs. Die Angreifer hatten es wohl geschafft ein Notrufsignal abzusetzen. Stoisch sprach Emile: „Lass mich und die Verletzten zurück. Wir werden ihre Verstärkung lange genug hinhalten und euch die nötige Zeit für die Flucht verschaffen.“ „Rede keinen Unsinn! Ich lasse niemanden zurück!“, erwiderte der Adjutant harsch. Emile richtete nun seine grüngesprenkelten braunen Augen zu Simon lächelte leicht: „Mein Adjutant, ich muss Ihnen nicht sagen, dass die Mission Vorrang hat und Sie wissen genau so gut wie ich, dass keine andere Option für das Gelingen besteht.“ Simon begriff, dass der junge Soldat seinen Beschluss gefasst hatte. Von Natur aus stur und hartnäckig würde er ihn von seiner Idee nicht abbringen können. Ohne seine blaugrauen Augen von Emile zu lösen gab Adjutant Simon seinen Befehl: „Xabier, hole die Zivilisten aus dem Archiv. Wir gehen!“ Simon und Emile blickten sich einige Sekunden lang in die Augen. Beide erahnten zwar, dass dies ihre letzten Worte zueinander sein könnten und doch verloren sie nicht ihre Fassung. “Korporal, haltet durch bis unsere Verstärkungen eintreffen!” Emile lächelte nur. Er lächelte mit geschlossenen Augen. Die Züge seines Gesichts begannen sich zu ändern. Langsam verzogen sich seine Mundwinkel bis zu seinen Ohren und sein Gesicht nahm groteske Formen an. Simon wollte wegschauen, aber etwas schien ihn daran zu hindern. Das warme Lächeln hatte sich in eine dämonische Fratze verwandelt. Urplötzlich schlug eine Faust aus der Mundhöhle, die inzwischen übergroßen Zähne heraus und begann Ober- und Unterkiefer weit auseinanderzuscheren. Es sah so aus als ob der Teufel höchstpersönlich umgeben von einer Blutfontäne aus dem Inneren von Emile ihn entzweiend entstieg. Entsetzt versuchte Simon zu schreien, aber er bekam keinen Ton heraus. Alles um ihn herum war eingefroren. Sein Körper war versteinert. Nachdem die Metamorphose abgeschlossen war, stand in einem dunklen Anzug Emanuel nun vor ihm. Blutüberströmt. Mit grün gesprenkelten Braunen Augen. Ohne Umschweife zog dieser seine Baretta aus dem Halfter und schoss. Simon wachte schweißgebadet auf. Seine Frau schlief noch tief und fest. Er begab sich ins Bad und wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht. Er stützte seine Hände am Rand des Waschbeckens und richtete seinen Blick zum Spiegel. Er atmete immer noch schwer. Die Wahrheit, dass der angebliche Emanuel Wolf eigentlich Emile war, hatte sich in seinem Albtraum offenbart. Der ehemalige Adjutant flüsterte zu sich: “Warum diese Maskerade Emile? Was steckt hinter alldem?” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)