Why can't I just love? von o0_Hidan_0o ================================================================================ Kapitel 18: 27. Juni & 28. Juni ------------------------------- 27. Juni Ich sehe total bescheuert aus. Und nein, das ist keiner von meinen Selbstbewusstseins-Tiefpunkten, sondern ein nicht zu verleugnender Fakt. Wissenschaftlich bewiesen, sozusagen. Stiftung Warentest bestätigt, dass Tobias Gerst bescheuert aussieht. Wie auch immer. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe einen Nasengips. Jawohl. Ich bin dem Ratschlag von David nachgegangen und habe mich mal von einem Arzt durchchecken lassen. Der meinte dann, ich habe einen Nasenbeinbruch. Als er meine ganzen anderen Verletzungen gesehen hat, meinte er noch: »Du bist ein ganz Wilder, was?« Wenn der wüsste... 28. Juni Habe heute festgestellt, dass meine Klassenkameraden den Gips an meiner Nase total lustig finden. Durfte außerdem erfahren, dass es weh tut, wenn Nasenbeinbrüche angefasst werden. Besonders, wenn die, die dieses tun, nicht gerade sanft sind. Aber woraus ich immer noch nicht schlau werde, ist, welch Überraschung, Aksel. Wir hatten Sportunterricht und der Lehrer hat mir verboten, mitzumachen. Er war sichtlich schockiert, als ich erzählt habe, dass meine Mutter mir keine Entschuldigung schreiben wollte und meinte, er würde mal mit ihr darüber reden. Na, da kann er sich ja auf was gefasst machen... Ich saß also auf der Bank und fühlte mich mehr oder weniger sicher. Der Sportunterricht war nicht besonders spannend, weil unser jetziges Thema Fußball war und die ganzen zwei Stunden dementsprechend auch nichts anderes gemacht wurde. Aber wie es typisch für mich war, musste mir ja wieder etwas passieren. Nach etwa dreizig Minuten Fußball wurde mir das ständige von-einer-Seite-zur-anderen-dem-Ball-hinterher-rennen zu blöd und ich begann, die Bretter an der Wand zu zählen. Ich war gerade bei zweiundvierzig angekommen, als der Sportlehrer auf einmal meinen Namen schrie. Ich drehte mich zu ihm um – und sah für den Bruchteil einer Sekunde den Fußball auf mich zufliegen. An den Aufprall erinnere ich mich kaum, nur an den Schmerz, den ich immer noch etwas spüre. Der Ball musste natürlich genau meine Nase treffen. Sofort schossen mir Tränen in die Augen und ich musste vor Schmerzen aufschreien. Bis auf meine schwere Atmung herrschte Totenstille. Keiner traute sich zu lachen, solange unser Sportlehrer noch anwesend war, der gerade zu mir eilte. Meine Sicht war verschwommen, darum nahm ich zumindest an, dass er es war. Ich konnte mir diesbezüglich ja auch ziemlich sicher sein – wer hätte mir sonst geholfen? Er fragte mich einige Dinge, doch ich verstand ihn schlecht. Und wenn ich ihn hören konnte, dann wusste ich nicht, was ich antworten sollte. In welchem Ort wohnte ich doch gleich? Schließlich rief der Lehrer jemanden zu sich. Ich glaubte, den Namen »Aksel« zu hören. Aber es war ziemlich egal. Ich hatte gerade andere, schmerzhaftere Probleme. Meine Wahrnehmung schien immer mehr zu schwinden. Auf einmal spürte ich, wie mich jemand hochhebte. Danach wurde alles schwarz. Als ich mein Bewusstsein langsam wieder erlangte, kam mir sofort ein Wort in den Sinn. Ein Wort, dass all meine Gedanken umschrieb, mich gar komplett erfüllte: Scheiße. Es gab nichts anderes, dass meine Gefühle gerade besser beschrieben hätte. Ich hatte unbeschreibliche Schmerzen und war noch leicht benommen, aber zumindest lag ich mit dem Kopf auf etwas relativ weichem. Dabei beließ ich es, bis ich wieder etwas klarer denken konnte. Wo bin ich überhaupt?, fragte ich mich schließlich und öffnete langsam die Augen. Ich sah nur eine schmutzige Decke, die vor einigen Jahrzehnten wohl mal weiß gewesen war. Demnach befand ich mich noch in der Schule, wo es von versifften Böden, Wänden und Decken nur so wimmelte. Auf einmal sah ich direkt in das Gesicht von Aksel, der mich zu mir herunterbeugte. »Ah, du bist wach.» Ein anderes Wort kam mir in den Sinn. Es umhüllte meine Gedanken, war alles, was mein Leben in diesem Moment beschrieb, die einzige Redewendung, die ich brauchte: Hä? »Du bist ohnmächtig geworden und ich bin dazu gezwungen worden, dich hierher zu tragen. Könntest ruhig ein bisschen dankbarer sein.« Erst jetzt verstand ich, dass ich mit dem Kopf auf Aksels Schoß lag. Sofort wurde ich rot und mein Herzschlag wurde schneller. Warum bin ich nur so nervös?, wunderte ich mich. Aus Angst? »D-d-danke«, stotterte ich. Aksel seufzte. »Man, nimm doch nicht gleich alles so ernst...« In meinen Gedanken sah ich ein riesengroßes Fragezeichen. Was will der Kerl denn nun von mir? »Und geh von meinem Schoß runter. Du bist schwer«, grummelte er. Etwas (na gut, sehr) geknickt erhob ich mich. Aksel stand auf und streckte sich kurz, wobei sein Rücken knackte. Ich wollte ebenfalls aufstehen, doch ich spürte sofort, dass meine Beine mich kaum halten konnten, schon als ich mich noch mit meinen Händen abstützte. Doch ich ignorierte es und verließ mich schließlich darauf, dass meine Beine imstande wären, mich zu halten. Und irrte mich gewaltig. Als meine Beine mein Gewicht tragen mussten, klappten sie einfach weg. Aksel drehte sich zu mir und sah gerade noch wie ich fiel. Ich schloß vor Angst meine Augen und erwartete, auf den harten Boden zu fallen (bestenfalls noch auf meine demolierte Nase). Doch ich fiel direkt in die Arme von Aksel, der meinen Rücken umschlung und mich mit einem starken Griff festhielt. Auch ich hatte mich aus Reflex in seinen Rücken gekrallt. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust, ich konnte sogar seinen Herzschlag hören. Mir fiel zum ersten Mal auf, wie groß Aksel überhaupt ist. Wir beide atmeten schwer. Ich vor Schock und er...ja, warum eigentlich? Wahrscheinlich hat er sich auch einfach nur erschreckt. Eine ganze Weile verweilten wir in dieser Position. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke... War es nicht so etwas wie eine Umarmung? Ich bin mir nicht sicher, ich kenne mich da nicht so aus... Ich weiß nur noch, dass ich geborgen gefühlt habe und mein Herzschlag noch schneller wurde, was ich eigentlich für gar nicht möglich gehalten hatte. Und wie enttäuscht ich war, als Aksel sich langsam von mir löste und mich wieder auf die Bank drückte. »Du bist sogar zu blöd zum Stehen«, meinte er nur und verschwand aus dem Raum. Mir fiel jetzt erst auf, dass es der Umkleideraum war. Nun, wo ich allein war, fühlte ich mich schrecklich. Ich weiß nicht, wieso, aber als er mich so gehalten hat, da dachte ich, etwas zwischen uns gespürt zu haben, was nicht Abneigung war. Sollte ich mich etwa schon wieder getäuscht haben? Natürlich, dachte ich. Aksel und jemanden, vor allen Dingen MICH, mögen. Völlig absurd. Ihm ist das sicher auch scheißegal, wie schlecht es mir gerade geht und tut das alles ja auch nur, weil ein Lehrer es ihm gesagt hat. So muss es sein. Ganz sicher. »So, schau mich mal an.« Ich erschrak und sah nach oben. Aksel stand vor mir, und er hatte ein paar feuchte Tücher bei sich. Anscheinend erwartete er, dass ich etwas tat, doch ich starrte ihn einfach nur an. Was taucht er auch gerade dann auf, wenn ich ihn vermisse? Und dann auch noch eine Reaktion von mir erwarten, unerhört. Okay, ich gebe es ja zu! Ich habe mich gefreut, ihn zu sehen. Aber ihm das zu zeigen, das habe ich lieber gelassen. Da überwog die Angst doch noch. Aksel seufzte genervt. »Du Idiot hast doch nicht echt gedacht, dass ich dich jetzt alleine hier sitzen lasse, oder?« Ich schwieg und verfluchte Aksel dafür, dass er mich so gut kannte. Er belächelte mich kurz und saß sich neben mich. Wie auf Kommando machte mein Herz einen Salto, packte sich dabei ordentlich hin, das ungeschickte Ding, und rannte so schnell es konnte los. Ein seltsames, schweres Gefühl war da in meiner Brust. Jetzt war ich schon so weit, dass ich mich selbst verwirrte. Was stellte mein Herz sich denn so an? Aksel saß doch nur neben mir, meine Güte. Jetzt erscheint es mir irgendwie lächerlich, dass mich das so aufgewühlt hat. Hmmm. Vielleicht bin ich ja gegen ihn allergisch oder so. »Okay, schau mal zu mir« sagte Aksel so emotionslos wie immer. Und ich, grundlos panisch wie immer, rührte mich nicht. »Maaan, jetzt mach schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Aaah, ich bin so schrecklich nervös, dachte ich, und konnte mich keinen Zentimeter bewegen. Allein eine simple Kopfbewegung erschien mir unmöglich. »Jetzt benimm dich nicht wie ein Mädchen, verdammt nochmal«, rief er etwas lauter und ich zuckte zusammen. Ich hasse nichts mehr, als aggressive Befehle. Es erinnert mich an meine Mutter, was so ziemlich das Letzte ist, woran ich denken möchte. Und dass ausgerechnet Aksel so grob sein muss... ach, ich weiß auch nicht. Ich steige selbst bei meinen eigenen Gefühl nicht durch. Wie auch immer, ich drehte mich schließlich zu ihm, mit Tränen in den Augen. Ich musste mich richtig zusammenreißen, damit sie da blieben, wo sie waren. Ich wollte nicht auch noch vor ihm heulen. Auf gar keinen Fall. »Man«, rief Aksel im gleichen Ton wie vorher, »und du wunderst dich noch, warum du eine Schwuchtel genannt wirst?« Das seltsame Gefühl in meiner Brust war wieder da. Nur noch viel schmerzvoller. Es übertrumpfte sogar mein gebrochenes Nasenbein. »Du bist so ein Arsch!«, schrie ich Aksel an. Ich wollte nur noch weg von ihm. Blitzschnell stand ich auf, zu schnell, wie ich bemerkte, als mir schwindelig wurde. Und dann waren da auch noch meine Beine, die ungefähr die Stabilität eines Zahnstochers hatten. Ich kam nicht mal bis zur Tür, bis ich der Länge nach hinfiel. Zum Glück war ich nicht auf meine Nase gefallen, aber mein Selbstbewusstsein hatte es schwer erwischt. Aksel hätte ich auf keinen Fall mehr in die Augen sehen können. Zitternd versuchte ich, mich aufzurichten. Auf einmal sah ich ein paar zierliche Beine vor mir stehen. »David?«, fragte Aksel überrascht. Die beiden kennen sich? Naja, okay, dachte ich mir schließlich, David ist ja schlecht zu übersehen... »Was ist hier los?«, fragte David. Er klang aufgebracht. Das sah bestimmt nicht gut aus, wie ich da so lag... Aksel keifte ihn an: »Kümmer' dich mal um deinen Freund hier. Ich hab keinen Bock mehr« und schmiss die feuchten Tücher, inzwischen wahrscheinlich staubtrocken, auf die Bank. Dann stapfte er davon. David half mir auf und führte mich zur Bank. Ich setzte mich wortlos hin. Was war nur los mit mir? Ich sollte froh sein, dass der Kerl endlich gegangen ist. Aber stattdessen wünschte ich mir, dass er wieder zurück kam und mich weiter beleidigte. »Mach' dir nichts daraus«, versuchte David mich aufzumuntern. Ich zwang mich dazu, zu lächeln. »Er ist schon sehr...direkt, was?«, lachte ich bitter. Auf einmal umarmte David mich. Ich war völlig überrumpelt und reagierte nicht. »Hör nicht auf ihn, er meint es nicht so. Du bist ein ganz toller Kerl, wirklich!« Sicher, dass er mich meint?, schoss es mir durch den Kopf. Wie auch immer, ich erwiderte die Umarmung. Es freute mich, aber es war ein ganz anderes Gefühl als bei Aksel. Was war denn so verschieden an David und Aksel? Okay, da fielen mir ein paar Dinge ein. David trägt Mädchenklamotten. David lächelt viel. David wirkt zierlich und etwas feminin. Und nicht zu vergessen: David ist NETT. Das Wort zählt ja überhaupt nicht zu Aksels Vokabular. Warum fühlte ich mich dann bei ihm geborgener als bei David? Argh, ich sollte nicht darüber nachdenken. Vielleicht war das ja auch gar nicht Geborgenheit, was ich gefühlt habe. Vielleicht war das Ziehen in meiner Brust gar kein gutes Gefühl. Vielleicht war ich einfach nur noch verwirrt von den Schmerzen und der Bewusstlosigkeit. Das musste es sein, ganz sicher. Oder nicht...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)