Ikiteru ★ Fairytale von Black_Melody (Märchen) ================================================================================ Prolog: P•R•O•L•O•G•U•E ----------------------- It's me again. ^.~ Mit einem neuen Projekt, das mir sehr am Herzen liegt. Erstmal nur der Prolog als kleine Vorspeise, wann es weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Kommentare + Favos natürlich erlaubt, erwünscht, wie auch immer, sucht's euch aus. Viel Spaß!^^ Hikari P•R•O•L•O•G•U•E ☆ Trotz der Tatsache, dass ich diese Geschichte als Märchen betitelt habe, ist es das nicht. Zumindest nicht im klassischen Sinne. Ich kann für mich selbst keine Moral aus dieser Geschichte ziehen, aber zeichnet das ein Märchen aus? Ich bin keine Prinzessin, das könnte ich auch gar nicht sein, höchstens ein kleiner Prinz, aber auch das bin ich nicht. Genauso wenig wie er ein Prinz ist. Trotzdem möchte ich meine Geschichte erzählen. Wobei, es ist nicht meine Geschichte. Unsere. Seine und meine. Er, der Realist, den das Leben gestärkt hat. Und ich, der Traumtänzer, der hart stürzen musste, um sein Glück zu finden. Aber... Ist Glück nicht relativ? Geld macht nicht glücklich, aber man wird besser mit dem Unglück fertig, wenn man nicht arm ist. Aber was macht einen Menschen reich? Arm ist nicht, wer wenig hat, sondern wer viel bedarf. Richtig. Könnte ich so unterschreiben. Hängt Reichtum so aber nur mit materiellen Dingen zusammen? ``Nicht alles was Gold ist, funkelt´´ - ein schönes, bekanntes, passendes Zitat. Vielleicht sind materielle Dinge gar nicht so wichtig. Denn er ist gold für mich und doch ein ganz simpler Mensch. Aber er macht mich glücklich. Außer ihm hat das noch keiner geschafft. Auch wenn ich an seiner Seite, wegen ihm, durch die Hölle gerannt bin und den Tod gesehen habe, ja, wenn ich sogar wegen ihm, mit ihm alles zurücklassen musste - es war alles gut. Aber genug der Vorrede. Zu dieser Geschichte bleibt noch zu sagen, dass ich den Großteil aus meiner Sicht schreibe, einiges aber auch aus seiner, aus seinen Erzählungen so geschrieben. Und auch wird es Flashbacks geben, aber das werde ich selbstverständlich kennzeichnen. Kapitel 1: O•N•E ---------------- Soo~ Dann das erste Kapitel. Und ich kann leider nicht sagen, wann das zweite kommt, weil viel zu tun. Aber ich hoffe es gefällt UND es lüftet einen Teil des großen Rätsels. n.n Ich bin gespannt, ob jemand erkennt, wer denn die zweite Person ist. ^.~ Und hier kamen ja noch zwei andere, nicht ganz so nette... Menschen vor. Von insgesamt neun Charakteren sind also drei am Ende des Kapitels schon namentlich bekannt. Viel Spaß beim Lesen jetzt! Hikari _________________________________________________________________________________ ☆ Fröstelnd zog ich meine dünne Jacke enger um meinen Körper. Es musste schon nach Mitternacht sein, als ich nach meinem wohlverdienten Feierabend endlich durch die Straßen Mitos lief. Müde war ich nicht wirklich, denn als Edelhost hatte ich morgens genug Zeit, zu schlafen, meinem Körper, Ruhe zu gönnen. Und ich hatte heute bis Mittag in meinem Bett gelegen. Was meinen Plan für diese Nacht noch betraf... Viel hatte ich nicht mehr vor. Ich wollte meinen verspannten Muskeln etwas Gutes tun und ein Bad nehmen, mich dabei wieder durchwärmen. Für Mitte Dezember war es ungewöhnlich mild, aber ich fror trotzdem. Und danach wollte ich mich nur noch ins Bett verkriechen. "Hey, du, Blondchen, warte doch mal!" Ich drehte mich um, seufzte nur genervt. Da kamen zwei Männer auf mich zu. Weshalb ich mich umgedreht hatte, wusste ich selbst nicht. Aber ich dachte auch nicht weiter darüber nach. Die beiden Männer sahen nicht schlecht aus, der eine von ihnen hatte blonde Haare, die bis auf seine Schultern fielen. Aber sein Blick... Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Wenn ich noch nie einen Menschen mit wirklich eisigem Blick gesehen hatte, schwor ich, dass es in diesem Moment so weit war. Der andere wirkte viel schmächtiger, viel ruhiger. Er hatte circa kinnlange, dunkelbraun-schwarze Haare. Er schien sich alles andere als wohl zu fühlen. Sein Blick brachte mich dazu, mich augenblicklich zu fragen, was sie von mir wollten. Aber wollte ich die Antwort wirklich wissen? Wohl eher nicht. Egal, was sie vorhatten, ich beschloss schon, alles einfach mit mir machen zu lassen. Ich wusste, dass ich mich nicht wehren könnte, selbst wenn ich es gewollt hätte, und Hilfe konnte ich mitten in der Nacht in dieser Gegend, durch die ich nunmal gehen musste, wenn ich nicht zwei Stunden von meinem Arbeitsplatz zu meiner Wohnung brauchen wollte, wohl kaum erwarten. Die Fremden erreichten mich und der Dunkelblonde strich mir über die Wange. Ganz automatisch wich ich einen Schritt zurück. "K, lass sie. Du hast doch mich und es wäre schwachsinnig, uns mit dem Boss zu verkrachen." Der Dunkelbraune sah seinen Freund an. Sie? Den beiden war also noch gar nicht aufgefallen, dass ich nicht weiblich war. Kein Wunder, so ging es einigen meiner Kunden auch, und da ich, wenn ich mal nicht als Host sondern als Hostess unterwegs war, immer als stumm galt, kamen einige Kunden schon seit zwei Jahren zu mir, ohne mein wahres Geschlecht zu kennen. "Warum? Ray, mit ihr kannst du auch mal wieder deinen Spaß haben." Der Blonde - K - griff nach meinem Handgelenk und zog mich hart zu sich bevor er mich so hart wieder wegstieß, dass ich zu Boden ging. Im nächsten Moment sollte der andere - Ray - meine Arme festhalten, und genau das tat er auch, wenn auch nur halbherzig, während K sich neben mir hinhockte und sich daran machte, mich auszuziehen. Nicht viel Arbeit, ich trug ein Kleid. Es war eigentlich überflüssig, dass Ray mich festhielt. Bei meinem Sturz hatte ich mir auch noch den Kopf an der Hauswand, gegen die ich gefallen war, aufgeschlagen, meine Kräfte schwanden nach und nach immer mehr. Nicht, dass ich meinen Entschluss, mich nicht zu wehren, in der Zwischenzeit geändert hätte, aber ich konnte auch nichts machen. "Ray, guck mal. Die Süße ist eigentlich gar kein Weib", hörte ich K sagen. ,, Aber gut, hoffentlich ist er dann noch schön eng und unverbraucht." Ich hörte Schritte. Schnelle Schritte. Und sie kamen näher. Ich wollte schreien, mich bemerkbar machen, aber mein Kopf tat so weh. Weshalb ich trotzdem so laut hörte, war mir auch ein Rätsel. Aber auch, wenn man mir nicht half, lange könnte ich mich nicht mehr bei Bewusstsein halten, und dann würde ich eh nichts mehr mitbekommen. "K! Ray! Was macht ihr schon wieder?", hörte ich eine wütende Stimme, die Schritte wurden immer lauter und kamen immer näher. Aber diese Stimme... Ich kannte sie, ganz sicher, auch wenn ich sie schon lange nicht mehr gehört hatte, sonst hätte ich sie zuordnen können. Sie war tief, warm, auch wenn sie aufgebracht klang. Eine wunderschöne Stimme. "Habt ihr noch alle Latten am Zaun?! Verschwindet!" "Und was wird mit ihm?" Ray klang eingeschüchtert. "Ich kümmere mich darum." Wie kalt und hart diese wundervolle Stimme plötzlich klang. War das mein Todesurteil? Ich hörte, wie zwei Personen gingen, wie ihre Schritte sich entfernten. Und wie die dritte sich neben mich hockte. "Hikaru... Ich hätte nicht damit gerechnet, dich so wiederzusehen." Die Wärme war in die Stimme zurückgekehrt. Aber woher kannte er meinen Namen? "Wie lange ist das her? Zwölf Jahre? Ich weiß, dass du mich wahrscheinlich nicht hörst, aber du musst keine Angst mehr haben. Du bist in Sicherheit. Ich bringe dich hier weg." Verdammt, wer sprach da mit mir? Ich wollte meine Hand heben, um zu zeigen, dass ich ihn doch hörte. Ich wollte, dass er weiter mit mir redete, ich hatte das Gefühl, der Lösung des Rätsels immer näher zu kommen, je länger ich seine Stimme hörte. Aber ich konnte mich nicht bewegen, konnte ihm nicht zeigen, dass ich ihn sehr wohl hörte. Meine Gedanken rasten förmlich. Ich versuchte, nur einen von ihnen zu fassen zu bekommen, vielleicht wäre ja genau dieser eine die Lösung. Aber ich erwischte keinen von ihnen. Das letzte, das ich wahrnahm, war, dass ich fast liebevoll hochgehoben wurde. In meinem Kopf hallte ein Wort, nein, ein Name wieder, aber ich konnte ihn nicht ergreifen, nicht erkennen, nicht denken, und schon gar nicht aussprechen. Dann wurde alles schwarz. ★ Vorsichtig hob ich den zarten Körper hoch. Er war so reglos, so schwach. Bitte nicht. Hikaru durfte nicht sterben, nicht wo ich ihn doch gerade erst wiedergefunden hatte. Oder er mich? Spielte ja auch keine Rolle. Behutsam versuchte ich den Kleinen zu wärmen während ich ihn in meine nahegelegene Wohnung brachte. Ins Krankenhaus konnte ich ihn nicht bringen, aber sofern es mir möglich war, nahm ich mir vor, ihn wieder aufzupäppeln. Ich wollte ihn nicht wieder verlieren. Zwölf Jahre hatte es tatsächlich gedauert, bis ich ihn endlich wieder in die Arme schließen konnte. Zwölf lange, trostlose Jahre, in denen es Tage gegeben hatte, an denen ich nur im Bett gelegen und an ihn gedacht hatte. Und an unseren ersten Kuss. Es war damals nur flüchtig gewesen, wir hatten es hinter uns haben gewollt und wir waren allerbeste Freunde gewesen. Wir hatten einander blind vertraut. Wir hatten uns sogar gegenseitig den rechten Unterarm aufgeritzt, unser Blut auf ein Blatt Papier tropfen lassen, auf zwei unterschiedlich Punkte, wir hatten beobachtet, wie die beiden roten Flecken sich ausbreiteten und verbanden. Danach hatten wir das Blatt mit einem Schwur auf unsere ewige Freundschaft verbrannt. Ein schwaches Lächeln schlich sich auf meine Züge. Wie gern hätte ich weiter so unbeschwert kindlich mit ihm an meiner Seite gelebt, aber wir wurden damals getrennt. Nur der Schwur war geblieben. Und die getauschten Kettenanhänger, die uns für immer verbinden sollten. Etwas umständlich schloss ich die Haustür auf, behielt den Schlüsselbund gleich in der Hand und trug meinen kleinen Blondschopf in den zweiten Stock, schloss die Tür auf und betrat meine Wohnung. Möglichst leise schloss ich die Tür mit einem Tritt und brachte ihn in das Schlafzimmer, legte ihn auf meinem Bett ab. Schnell ging ich in den Flur zurück und zog Jacke und Schuhe aus, danach lief ich ins Bad und holte Verbandskasten und Abschminktücher. Vorsichtig strich ich Hikaru über die Stirn und machte mich daran, ihn auszuziehen. Er hatte wirklich viel zu wenig an. Nur noch in Boxershorts lag er vor mir. Bis zum Hals deckte ich ihn zu und schminkte ihn dann ab. Unter dem Make-Up war so eine unschuldige Schönheit verborgen, dass ich einen Moment inne hielt und fast vergaß, zu atmen. Unsicher versorgte ich die Platzwunde an seiner linken Schläfe, räumte dann schnell noch die Sachen weg, die ich zu seiner Versorgung und Reinigung gebraucht hatte und setzte mich dann einfach neben ihn auf das Bett. Gedankenverloren sah ich ihn an und spielte mit dem kleinen, goldenen Anhänger meiner Kette. Sternzeichen Schütze. Und auf der Rückseite das Datum. 27.11.. Sein Geburtsdatum. Fast automatisch wanderte meine Hand zu seinem Hals und griff unter die Kette. Ich musste seinen Kettenanhänger sehen. Trug er wirklich...? Das kleine Plättchen zeigte das Symbol des Sternzeichens Zwilling. Und auf der Rückseite war der 04.06. eingraviert. Ohne Zweifel war es mein Anhänger. Ganz allein meiner. Der, den ich ihm zum Abschied geschenkt hatte. Langsam zog ich meine Hand zurück und sah aus dem Fenster. Es schneite. Trotz der milden Temperaturen. Ein Wunder. Wie unser Wiedersehen. Leise erhob ich mich, stellte die Heizung hoch und sah dann einfach in den dünnen, weißen, fallenden Vorhang. Möglichst geräuschlos ging ich in die Küche und kochte Tee. Zitronentee mit geriebener Vanille darin. Wenn sich seine Vorlieben nicht zu sehr geändert hatten, war das immer noch sein Lieblingstee. Das dampfende Getränk füllte ich in eine Thermoskanne. Danach sah ich in meine Küchenschränke. Hikaru hatte Schokolade immer geliebt, aber das war nichts, was ihn schnellstmöglich wieder auf die Beine bringen würde. Kurzerhand steckte ich Käse, Würstchen und Weintrauben auf Minispießchen zusammen und stellte sie auf einem Teller in den Kühlschrank. Dass es gegen halb zwei Uhr morgens war, kümmerte mich herzlich wenig. Ich wusste, dass ich mich hätte hinlegen und schlafen sollen, aber ich war völlig durch den Wind. Wie lange hielten Hikaru und ich uns wohl schon in der gleichen Stadt auf? Mito war nicht unbedingt klein, aber früher oder später hätten wir uns über den Weg laufen müssen. Was hatten K und Ray von ihm gewollt? Ray war zwar eher Ks Anhängsel, aber trotzdem. War Hikaru in ihr Visier geraten? War er in Lebensgefahr? Oder war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen? Ich kannte Menschen, die das auf jeden Fall behauptet hätten. Oh ja, das waren meine Liebsten, meine Favoriten. Dann könnte man auch sagen, dass ich nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, als ich in diese Scheiße geraten bin. Wie ich da wieder rauskommen sollte, ohne zu sterben, wusste ich nicht. Es war fast unmöglich. Natürlich hatte ich gelernt, dass ich mich selbst als wichtigsten Menschen sehen musste, dass ich in erster Linie an mich denken musste, aber ich wollte meinen besten und engsten Kumpel nicht im Regen stehen lassen. Aber zum Thema zurück. Ich kannte auch Menschen, die sagen würden, was Hikaru passiert war, war einfach Gottes Wille. Natürlich, es war das Einfachste, was man sagen konnte. Und ich schloss es nicht prinzipiell aus, immerhin hatten wir uns endlich wiedergefunden. Aber ich glaubte nicht an Gott. Und ich kannte Menschen, die einfach von Pech reden würden. Wundern würde mich diese Theorie am Allerwenigsten. Mein kleiner Pechvogel. Und zu diesem setzte ich mich jetzt wieder an sein - eigentlich mein - Bett. Er war immer noch blass, aber auf seine Wangen hatte sich wieder ein zarter Rotschimmer gelegt. Er sah weitaus gesünder aus als direkt nach dem Abschminken. Vorsichtig legte ich ihm meine Hand auf die Stirn und zog sie kurz darauf wieder weg. Er glühte förmlich. Sein Körper heizte gegen die längst vergangene Kälte an. Schnell holte ich einen Eimer mit kaltem Wasser und einen Waschlappen, den ich anfeuchtete und behutsam auf seine Stirn legte. Ich musste ihn kühlen, um jeden Preis. Bevor sein Körper zu sehr hochheizte. Mir war klar, dass ich so oder so nicht mehr schlafen könnte, also konnte ich auch den Rest der Nacht damit verbringen, ihn zu versorgen. Er war schön. Sehr schön. Ich hätte nicht zu sagen gewagt, dass er schöner als früher war, aber es war eine reifere Schönheit im Vergleich zur damaligen, kindlichen. Nervös leckte ich mir über die Unterlippe. Ob es immer noch so ein... einmaliges Gefühl war, ihn zu küssen? Ob er immer noch so gut schmeckte? Ich sah in das friedliche Gesicht meines schlafenden Gastes. Sollte ich...? Nur, um einmal zu kosten? Nein, das wäre nicht fair. Er schlief tief und fest. Wenn ich ihn irgendwann wieder küssen dürfte, sollte er bei vollem Bewusstsein sein. Er sollte wach sein und mir sein Einverständnis geben. Ob er mich wohl erkennen würde? Davon war ich wie selbstverständlich ausgegangen, aber ich war nicht mehr der elfjährige Junge, den er in seiner Erinnerung haben musste. Nicht nur er hatte sich verändert. Ich war mittlerweile 23 geworden, hatte meine Haare gefärbt und war gewachsen. Und das war nur äußerlich. Auch charakterlich hatte ich mich verändert. Ich war reifer geworden, das Leben hatte mich abgehärtet. Meine Eltern waren tot. Von den Yakuza getötet. Welch Ironie, dass ich als Killer für genau diese arbeitete. Aber nur so hatten sie mich leben gelassen. Und unser Oberster... Mein Boss war für mich zu einer strengen Vaterfigur geworden. Er zwang mich, zu gehorchen, und schlug gern zu, wenn ich mich weigerte. Mit den Jahren hatte ich mich gefügt, aber jetzt, was Hikaru betraf, würde ich eher sterben. Ich würde Hikaru mit meinem Leben beschützen, wenn es sein musste. Ein leises Stöhnen erfüllte den Raum und seine Augenlider flackerten. Draußen ging die Sonne bereits auf. Mir war gar nicht aufgefallen, dass es schon halb zehn geworden war. "Shht... Bleib ruhig liegen." Ich sprach leise und drückte beruhigend seine Hand. Ich wusste, dass er bald aufwachen würde, und dass ich ihm vielleicht ein wenig Zeit für sich gönnen sollte, aber ich konnte und wollte ihn nicht allein lassen. Also wartete ich. Kapitel 2: T•W•O ---------------- Oh Mann... Das nächste Chap ist fertig. Okay, es ist schon lange fertig. Und ich habe die Fanfic abgeschlossen, also kann ich schon sagen: Es sind ingesamt 11 Kapitel + Prolog + Epilog. Und es wird das Geheimnis des Pairings gelüftet. *O* Nachdem ich über einen Monat gebraucht habe (Holy Cow, war das wirklich so lange? O_O), hoffe ich, dass das nächste Kapitel etwas schneller abgetippt wird, aber eine genaue Angabe kann ich leider nicht machen. Wer will, kann eine Benachrichtigungs-ENS bekommen, wer nicht, muss sich bitte selbst darum kümmern. Bis zum nächsten Mal und viel Spaß mit diesem Kapitel! _________________________________________________________________________________ ☆ Der Mann mit der wunderschönen Stimme war bei mir. Also lebte ich tatsächlich noch? Wahrscheinlich schon, sonst hätte mein Kopf nicht so gedröhnt. Fast schon verzweifelt versuchte ich, aus der Dunkelheit aufzutauchen. Wieder hallte dieser Name in meinem Kopf. Ich wollte endlich wissen, wer mich gerettet hatte. Und plötzlich schaffte ich es, die Augen zu öffnen. Nahezu augenblicklich kniff ich sie wieder zu. Ich sah verschwommen, aber es war so hell. Einen Moment ließ ich es wieder so, schlug die Augen auf und versuchte, den Mann neben mir zu fixieren. Mein erster Gedanke? Oh mein Gott. Ich hatte es gewusst, seit ich seine Stimme das erste Mal wieder gehört hatte. Ich hatte es nur nicht glauben können oder wollen. "Reno…", hauchte ich nur überrascht und sah ihn an, als wäre er ein Fabelwesen. Unglaublich. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. "Ruhe dich aus, Kleines. Wenn du Hunger oder Durst hast, sag es mir einfach." Ich nickte langsam. Das war Wahnsinn. Zwölf Jahre waren die jüngsten Ereignisse, die ich mit ihm erlebt hatte, zumindest bis zu dieser Nacht, her, und doch kamen Bilder, Geräusche, Gespräche und Gefühle in mir hoch, als wären diese zwölf Jahre nie dagewesen. Automatisch griff ich nach meiner Kette. Dieses Symbol… Hatte es mich wieder zu ihm geführt? Etwas Feuchtes lief über meine Wangen. Tränen. Der Erleichterung, des Glücks. Ich lächelte gleichzeitig, eben weil ich in diesem Moment so glücklich war. Ich machte mir gar keine Mühe, meine Tränen wegzuwischen. Sie konnten besser als alle mir bekannten Worte beschreiben, wie ich mich fühlte. Im nächsten Augenblick fand ich mich in seinen Armen wieder. Weinte er auch? Nein. Er war immer der Verschlossene gewesen, und ich der Emotionale. "Es ist gut, Hikaru. Ich bin da. Und für so lange Zeit gehe ich auch nicht mehr weg. Nicht, nachdem ich dich gerade erst wieder habe." Ich nickte, aber meine Tränen flossen einfach weiter und ich drückte mich enger an ihn. Ich wollte am Liebsten nie wieder von ihm getrennt sein. Natürlich war mir klar gewesen, dass ich ihn vermisst hatte, aber erst jetzt wurde mir bewusst wie sehr. Viel zu lange hatte ich ohne meinen besten Freund, dem Menschen, dem ich auf der Welt am meisten vertraute, leben müssen. Viel zu lange hatte ich gehofft, war nach meinem Schulabschluss nach Sakata zurückgekehrt, hatte versucht, ihn wiederzufinden, und jetzt, hier in Mito, traf ich ihn, oder er mich. Endlich war ich wieder bei ihm. Langsam versiegten die Tränen. Ich atmete ein paar Mal tief durch, und es funktionierte, ich wurde ruhiger. Aber ich hatte Fragen, und die musste ich loswerden. "Reno, wer waren diese beiden? Was hast du mit ihnen zu tun? Warum…?" "Shht", schnitt er mir das Wort ab. "Wir haben Zeit. Die beiden von gestern heißen K und Ray eigentlich arbeiten sie für mich." "Als was?", hörte ich mich selbst sagen und hob den Blick, damit ich Reno ansehen konnte. Aber selbst ich hörte den unbeabsichtigten, scharfen Unterton in meiner Stimme. Er seufzte gequält und sah aus dem Fenster. "Ich würde es dir gern verheimlichen, aber auf Dauer wird das nicht funktionieren." Er wendete mir den Blick wieder zu und sah mich fest an, aber in seinem Blick lag ein tiefer Schmerz. Ich wartete, nahm aber seine Hand und streichelte sie sanft. Er würde von allein weiterreden, wenn er so weit war, aber er musste ein grausames Geheimnis hüten. "Ich bin", fing er leise wieder an und holte tief Luft, "für die Yakuza tätig. Als Profikiller. K und Ray arbeiten zwar hauptsächlich für mich, aber auch noch für zwei andere Killer. Ihre offizielle Berufsbeschreibung ist Schläger, aber sie finden für uns heraus, wo die gesuchten Menschen sich aufhalten und…" "Warte", stoppte ich ihn und bemühte mich, ruhig zu bleiben. Diese Informationen waren einfach ein bisschen zu unerwartet gekommen. Allein die Vorstellung: Reno als Auftragskiller? Das erschien mir so unwahrscheinlich wie… wie ein Papst, der zum Islam wechselt. Der Reno, den ich noch von früher kannte, konnte kein kaltblütiger Mörder geworden sein. Punkt. War einfach so. Die gegenteilige Information wollte einfach nicht in meinen Kopf. "Warum?", hauchte ich schließlich verzweifelt. Verdammt, ich wollte es verstehen, und ich musste eine Erklärung haben, um diese Information unterbringen zu können. "Lange Geschichte", flüsterte er zurück, und dabei erschien ein seltsamer Ausdruck in seinem Blick, leider nur viel zu kurz, um ihn zu deuten. "Wie du gesagt hast, wir haben Zeit", erklärte ich und verschränkte stur die Arme vor der Brust. ~★~★~★~ Zitternd hockte ich hinter dem Sofa. Ich hörte meine Mutter und meinen Vater. Ich konnte auch noch die Stimmen von zwei weiteren Männern ausmachen. Ich fühlte die Wärme, die von der Heizung, die mich auf der anderen Seite einschränkte, ausging. Und ich sah das Blut. Marus Blut. Diese Dreckskerle hatten unseren Haushund, den ich über alles liebte und den wir so lange hatten, wie ich mich zurückerinnern konnte, einfach erschossen. Warum? Ich verstand es nicht. Ich verstand allgemein nicht, was hier gerade geschah. Ich war mir auch sicher, dass ich es nicht verstehen wollte. Das Einzige, was ich tun sollte, laut meiner Mutter, war, mich verstecken und keinen Ton von mir geben. Ich hörte einen lauten Knall, danach einen Schrei meiner Mutter und einen Körper, der zu Boden ging. Wieder ein Knall. Mein Vater. Dann herrschte Stille. Ich zitterte, mein Körper wurde geschüttelt, aber ich verursachte kein Geräusch. Minutenlang war es völlig still im Haus. "Sie hatten einen Sohn", hörte ich eine Stimme aus dem Schlafzimmer meiner Eltern. "Entweder haben sie ihn weggeschickt oder er ist irgendwo hier." "Das heißt, wir dürfen alles auf den Kopf stellen, ja?", antwortete eine andere Stimme genervt. "Und was machen wir, wenn wir ihn haben? Ihn auch töten?" "Akira, das war nicht unser Auftrag. Wir bringen ihn zum Boss, Kinder sind leicht formbar und könnten unsere Nachfolger werden." "Wenn du meinst", knurrte Akira. "Dann mach, Yuu, ich will auch heute noch nach Hause." Ich konnte hören, wie eine Person sich entfernte und jemand diesen Raum nach mir absuchte, und ich hoffte und betete, dass er mich nicht finden würde. Eine gefühlte Ewigkeit verging. "Hey, Kleiner", sprach mich eine freundliche Stimme an, "komm her. Ich tu dir nichts." Vorsichtig streckte der junge, schwarzhaarige Mann mir seine Hand hin. Ich wusste, dass weder er noch sein Begleiter in diesen Spalt passen würden, aber schützen würde mich das nicht. Ihre Waffen waren bestimmt schmal genug, und das Sofa ließ sich abrücken, also hielt ich es für das Schlaueste, erst einmal mitzuspielen. Zögernd nahm ich seine Hand und ließ mir aus dem Spalt helfen. Behutsam legte er mir eine Wolldecke um die Schultern und positionierte sich so, dass ich Maru nicht sehen musste. "Wie heißt du?", fragte er mich freundlich. "Ich bin Yuu." "Reno", war meine knappe Antwort. Meine Stimme zitterte. "Also gut, Reno. Wir gehen gleich nach draußen und fahren dann mit dem Auto weg. Du musst keine Angst haben, dir passiert nichts." Knapp nickte ich. Irgendetwas brachte mich dazu, Yuu zu vertrauen, vielleicht seine Worte oder die tröstende Art, wie er mir über den Arm rieb. Während er und dieser Akira mich aus dem Haus brachten, versperrte er mir den Blick in die Küche. Es war vielleicht auch besser so. Ich traute mich auch nicht zu fragen, was mit meinen Eltern war, aber tief in mir wusste ich, dass sie tot waren. Im Auto schlief ich einfach ein. Ich träumte von der Vergangenheit, von glücklichen Zeiten. Wenn Hikaru jetzt bei mir gewesen wäre, wäre alles vielleicht halb so schlimm gewesen. Aber vielleicht war es auch so nicht so schlimm, wie ich es mit ausmalte. Als ich wieder aufwachte, waren wir in Maeboshi in einer Pension. Und da waren noch mehr Männer. Ich setzte mich auf und alle Blicke richteten sich auf mich. "Kleiner, du bist also ihr Sohn", sprach mich ein Mann an. Alt war er auch noch nicht, vielleicht Anfang 30. Ich nickte leicht und sah zu Yuu, der sich daraufhin neben mich setzte und mir einen Arm um die Hüfte legte. "Boss, ich würde nach den drei Monaten Grundausbildung alles Weitere übernehmen." "Bist du dazu bereit", fragte der Boss mich, "für uns zu arbeiten? Als Killer? Dafür darfst du dein Leben behalten." Was war das für eine Wahl? Tod oder Leben als Profikiller? Na, tolle Sache. "Ich arbeite für euch", brachte ich leise hervor. Nur so konnte ich den Boss, der den Tod meiner Eltern wohl in Auftrag gegeben hatte, irgendwann bezahlen lassen. Erst leben, dann rächen. ~.~.~.~ ☆ Meine Hand zitterte, als ich Reno eine einsame Träne von der Wange wischte. Diese Geschichte erklärte, warum. Es tat mir weh, ihn so verletzt zu sehen. Ich konnte mich nur dunkel daran erinnern, dass er einmal geweint hatte, in unserer Kindheit. Er hatte geweint und ich hatte ihn getröstet. Ich selbst hatte Tränen in den Augen, aber ich befreite mich aus seiner Umarmung, hockte mich vor ihn und zog seinen Kopf an meine Brust, legte die Arme um seinen Nacken. "Hikaru… Vielleicht will ich dich deshalb auf gar keinen Fall mehr verlieren." Seine Stimme zitterte, als er seine Arme um meine Hüfte legte. "Ich weiß." Ich atmete ein paar Mal tief durch, bevor ich die Kraft fand, weiter zu sprechen. "Ich lasse dich auch nicht mehr allein. Nie mehr." Sanft strich ich ihm durch die Haare. Er sollte nicht so leiden. Ich wollte ihn lieber glücklich sehen. Ich wusste nicht, ob ich etwas tun konnte, aber ich musste es versuchen. Beruhigend redete ich auf ihn ein. Mir fiel zwar noch etwas anderes, vermutlich Wirksameres, ein, aber ich wusste nicht, ob es für ihn die gleiche Bedeutung hätte wie für mich. Ich wusste nicht, wie viel sich für ihn geändert hatte. Und ich wollte nicht von ihm, dem Menschen, der mir über die ganzen Jahre am Wichtigsten gewesen war, zurückgewiesen werden, aber ich musste es ihm sagen. Ich wusste, dass er nicht mehr weinte, aber trotzdem fühlte ich, wie groß der Schmerz in ihm sein musste. "Reno, ich will, dass du weißt", fing ich leise an und holte knapp Luft, "dass sich für mich nichts wirklich geändert hat." ~☆~☆~☆~ "Hikaru, ich will nicht, dass du gehst." Wir saßen auf einer Schaukel im schwachen Licht der Abendsonne. Außer und war niemand hier. Nur Reno und ich. "Ich auch nicht", murmelte ich und griff nach seiner Hand. Seine Berührungen hatten immer etwas Tröstendes. "Dann lass uns abhauen. Ich weiß, ich bin erst elf und du erst 14, aber das ist unsere einzige Chance." Traurig schüttelte ich den Kopf und stand auf. "Sie werden uns suchen, finden und trennen." "Wissen deine Eltern eigentlich, dass… wir zusammen sind?" Er klang nicht, als würde er mir einen Vorwurf machen wollen. "Ich habe es ihnen nicht direkt gesagt", antwortete ich leise, "aber ich glaube, Mutter ahnt etwas. Und deine?" "Nein." Einen Moment sahen wir uns an. Ich spürte die Tränen in meinen Augen brennen. Mit jedem Augenblick kam der Abschied näher, aber ich wollte ihn bei mir behalten. Sanft lächelte er mich plötzlich an, sah sich um und küsste mich. Nur kurz, aber es genügte, um ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. "Hikaru, wenn einer von uns ein Mädchen wäre, denkst du, wir könnten offiziell zusammen sein?" Fast zärtlich nahm er mich in den Arm. "Du meinst, wenn ich ein Mädchen wäre. Wir könnten dann ganz sicher offiziell zusammen sein." Leicht legte ich meine Arme um seine Hüfte. "Im nächsten Leben werde ich ein Mädchen", beschloss ich mal eben und drückte mich enger an ihn. "Warum? Was ist an Mädchen so toll?" Liebevoll streichelte er mir über den Rücken. "Wenn ich ein Mädchen bin, und du wieder ein Junge, können wir irgendwann heiraten", erklärte ich grinsend. "Weil ich dich liebe." Er lächelte mich an und stahl mir einen kleinen Kuss. Ich wusste, was es bedeutete. Er sprach seine Gefühle, besonders die für mich, nur ungern aus. Er ließ lieber Taten sprechen. "Aber was machen wir, wenn ich auch ein Mädchen werde?", fragte er und strich mir ein paar feine Haarsträhnen aus der Stirn. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Ich denke, ich werde dich trotzdem lieben." "Hikaru", wieder küsste er mich sanft, "ich liebe dich auch." Ich nickte zufrieden lächelnd und legte meinen Kopf auf seine Schultern. Bisher hatte er es nur ein einziges Mal ausgesprochen, und das war ein Jahr her. An dem Tag, an dem wir zusammengekommen waren. ~.~.~.~ ☆ Ruhig hob er den Blick und sah mich an. "Was ich früher gesagt habe, gilt auch heute noch. In meinem Leben hat sich viel geändert, aber nichts, was dich betrifft." Ungläubig sah ich ihn an, während er seine Hände sanft über meinen nackten Rücken streichen ließ. "Glaub mir, Kleines, ich habe versucht, mich neu zu verlieben, aber es ging nicht. Du warst immer meine erste Wahl." Kapitel 3: T•H•R•E•E -------------------- Kapitel Nr. 3! Es tut mir wirklich leid, dass es so spät kommt. Grund: Schulstress, der erst seit Freitag vorbei ist weil Ferien. Aber jetzt bemühe ich mich, es ein bisschen regelmäßiger zu halten. Versprochen! Und das nächste Kapitel kommt vor dem 18.07., wenn es mir möglich ist. ^-^ Hikari _________________________________________________________________________________ T•H•R•E•E ☆ Ich hörte seine Worte, ich spürte seine Hände auf meinem Rücken, aber ich konnte nicht begreifen, was das gerade bedeutete. Zwischen uns schien die Zeit stehengeblieben zu sein, die letzten zwölf Jahre existierten nicht. Anscheinend. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Langsam beugte ich mich zu ihm hinab und legte meine Lippen auf seine. Ein warmer Schauer lief über meinen Rücken und schüttelte mich. Zart erwiderte er den Druck und begann, seine Lippen gegen meine zu bewegen. Wohlig seufzte ich in den Kuss und ließ mich darauf ein. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus, wie früher. Ich genoss jede Sekunde. Ich liebte, was ich von Reno schmeckte. Ich liebte Reno. Nach wie vor. Langsam löste er den Kuss und lächelte mich an, wie er es immer getan hatte. "Ich liebe dich", hauchte er und strich mir über die Wange. Ich schloss die Augen und legte meine Stirn an seine. Ich wollte nur seine Nähe genießen, ihn bei mir haben. Es war alles gesagt, was gesagt werden musste. Er streichelte meine nackte Haut, ließ seine Hand über meinen Po streichen bis zu meinem Oberschenkel und zog mich näher zu sich. Auch wenn es mich nicht störte, fand ich es doch etwas unfair, dass er noch so viel Kleidung trug und ich nur noch meine Boxershorts. Aber es war eigentlich egal. Ich wusste nicht, wie lange wir einfach so dasaßen, mein Zeitgefühl war nahezu ausgelöscht, aber er sprach mich nach einer Weile an. "Kleiner, ich muss noch zur Arbeit. Ist das in Ordnung?" "Kannst du mir etwas zum Anziehen besorgen?" Ich hätte sicherlich 'Nein' sagen können, aber er konnte sein Leben nicht wegen mir vernachlässigen. Und ich wollte nicht immer nur in seiner Kleidung oder meinem Kleid herumlaufen. "Ich versuche es." Lachend schob er mich unter die Bettdecke. "Tee ist in der Thermoskanne, etwas zu essen findest du im Kühlschrank. Es ist nicht viel da, aber ich gehe nachher einkaufen." "Hast du Schokolade hier?", fragte ich lächelnd. Und ja, ich liebte Schokolade. Noch immer. "Nein, aber ich kaufe dir welche." Lächelnd hauchte er mir erst einen Kuss auf die Stirn, dann einen auf die Lippen, bevor er den Raum verließ. Ich kuschelte mich in die Decke und schloss die Augen. Hunger und Durst hatte ich nicht, aber irgendwie wurde mir langweilig. Nur wollte ich eigentlich nichts ohne Renos Erlaubnis anfassen. Trotzdem griff ich nach einem Buch auf dem Nachttisch. Es war so etwas wie ein Fantasy-Horror-Thriller, las ich aus dem Klappentext. Und da ich nichts Besseres zu tun hatte, begann ich zu lesen. Vielleicht wäre es ja doch ganz interessant. Mindestens interessanter, als hier nur herumzuliegen und nichts zu tun. ★ Ich sprintete förmlich die Treppen hinab und rannte dann weiter durch die Stadt. Ich musste herausfinden, ob Hikaru in Gefahr war oder nicht. Wobei ich hoffte, dass ihm nichts geschah. Unbeirrt stürmte ich auf das alte Fabrikgelände und in die Lagerhalle, die zu unserem Hauptsitz dieser Stadt geworden war und in der die anderen schon saßen. Keuchend ließ ich mich neben Ryouga fallen und legte den Kopf in den Nacken. "Reno, alles klar?" Besorgt musterte er mich. "Schon okay. Sag mal, weißt du von irgendeinem Auftrag?" Möglichst desinteressiert fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare. Mein bester Freund schüttelte den Kopf. "Ryoga soll laut K irgendwas haben, aber mehr weiß ich nicht." "Reno, Schatz, hast du das Blondchen erledigt?", fragte Ryoga mich provokant. "Wenn nicht, müssen wir das übernehmen." "Ist er dein Auftrag?", fragte ich, versuchte dabei, nach außen völlig ruhig zu wirken. Wenn man jeden Tag mit dem Tod arbeitete, besonders mit Mord, fiel es eigentlich leicht, so über das Geschäft zu reden. Es war wie… Wie wenn Ärzte mit anderen Ärzten über Patienten reden. Oder wie wenn Anwälte mit anderen Anwälten über Fälle sprachen. Es war normal. "Nein, aber es geht ums Prinzip. Hast du oder hast du nicht?" "Ich habe ihn leben lassen, aber ihm so viel Wodka eingeflößt, dass er, wenn er nach der Nacht überhaupt noch lebt, sich an nichts erinnert." "Trotzdem muss er sterben", seufzte Ryoga theatralisch. "Du lässt nach, Großer." Seine zweite Bemerkung ging mir ganz gepflegt am Arsch vorbei, aber wegen der ersten hätte ich ihn gern gegen die nächste Wand geklatscht. Dummerweise wäre das zu auffällig gewesen. "Muss er nicht, und das weißt du. Im Gegensatz zu dir morde ich nicht aus Spaß." "Mord ist unser Geschäft, Liebling. Das wissen wir beide", erwiderte der Blondschopf ruhig. "Natürlich", mischte Ryouga sich ein, "aber nur, wenn wir Geld dafür bekommen. Ich finde Renos Entscheidung berechtigt." Ja, so kannte ich meinen besten, auch schon vor der gestrigen Nacht anwesenden Freund. Stets loyal. Wäre nicht immer ein Teil von Hikaru bei mir gewesen, hätte ich mich vielleicht in ihn verlieben können. Vielleicht auch, weil er auf die gleiche Art wie ich hier gelandet war. Gezwungenermaßen. Den Rest der 'Pflichtanwesenheitszeit' saßen wir da und diskutierten darüber, ob mein Hausgast sterben sollte oder nicht. Als ob ich es auch nur über mich bringen würde, eine Hand gegen ihn zu erheben. Wie sollte ich dann dazu in der Lage sein, ihn zu erschießen? Wie überhaupt eine Waffe auf ihn richten? "Wer weiß", meinte Ryoga, als ich aufstand. "Vielleicht wird Reno ja zum Verräter." Ich schluckte trocken, auch wenn ich an dem Funkeln in seinen Augen sah, dass er mich nur provozieren wollte. Aber hatte er damit so unrecht? War ich nicht nur hier, weil ich Rache wollte? Zeigte Hikaru mir, wie schwach ich wirklich war? Meine Rache hatte ich mit der Zeit immer weiter in den Hintergrund verdrängt. Und jetzt? Jetzt war sie mir egal. Ich wollte nur noch den letzten Menschen, den ich liebte, der mich mit meiner Vergangenheit verband und der mich wirklich kannte, schützen. Das Risiko dabei war zwar ziemlich groß, aber ich musste es einfach eingehen. Ohne eine Antwort zu geben, ging ich zum Ausgang. Ich wusste, dass mir jemand folgte, und dem Geräusch nach, das die Schritte verursachten, war es Ryouga. Seltsamerweise hatte mein Job meine Sinne wesentlich verbessert. Für einen professionellen Mörder war es absolut notwendig, immer die Umgebung im Blick zu haben. Oder im Gehör, je nachdem. "Reno, was ist los? Kann ich dir helfen?" Beim Klang von Ryougas Stimme erkannte ich, dass ich ihm nichts vormachen konnte. Ich musste ihm die Wahrheit sagen, aber damit brachte ich ihn in Gefahr. So, wie ich auch in Gefahr war. "Die Situation ist etwas… schwierig", antwortete ich ausweichend. Und falsch war es so auf gar keinen Fall. "Wo willst du hin?", fragte er scharf, als ich nicht in die Richtung meiner Wohnung ging. Wie selbstverständlich folgte er mir, holte zu mir auf und lief dann neben mir her. "Einkaufen", antwortete ich fast schon schnippisch. Ich wollte ihn einfach nicht mit in die Sachen einbinden, zumindest nicht in welche, in denen es um Leben und Tod ging. "Was geht hier vor?", fuhr er mich aufgebracht an. Ich konnte ihn ja verstehen, er musste sich ziemlich verarscht vorkommen. "Ryou, ich kann es dir jetzt nicht erklären. Später. Geh jetzt nach Hause, je weniger du weißt desto besser ist es für dich." "Wann 'Später'?" Ich seufzte. "Ich weiß es nicht. Gib mir ein paar Tage. Bitte." Er nickte und nahm meine Hand in seine, übergab mir so, ohne dass eine andere Person es sehen konnte, einen Zettel. Schnell steckte ich diesen ein, danach trennten sich unsere Wege. ☆ Erschrocken fuhr ich aus dem Schlaf. Ich hätte dieses Buch niemals aufschlagen dürfen. Es war interessant, spannend und fesselnd, aber nach gut 100 Seiten hatte ich aufgegeben, mich erst einmal beruhigt und war dann eingeschlafen. Nur hatte ich keinen sehr schönen Traum gehabt. Leicht lehnte ich mich wieder zurück, schloss die Augen und dämmerte vor mich hin. Es war nur ein Buch, und dieser Traum war eben nur ein Traum gewesen. Es gab keine Vampirseuche, verflucht! Kaum merklich strich eine Hand über meine, aber diese Berührung genügte, um mich panisch aufschrecken zu lassen. Mit großen Augen sah ich Reno an, mein Herz raste und mein Atem ging nicht viel langsamer. "Hikaru, ist doch okay. Nur ich bin hier, kein anderer." Vorsichtig setzte Reno sich auf die Bettkante und strich mir eine verschwitzte Haarsträhne hinter das Ohr. Beruhigend hauchte er mir einen Kuss auf die Stirn, nahm mich fest in den Arm. Zitternd schmiegte ich mich an ihn, genoss die Wärme und das Kribbeln in meinem Bauch. "Was ist denn passiert?", fragte er mich sanft und strich mir über den Rücken. "Nur ein Albtraum", nuschelte ich an seiner Schulter, ließ mich von ihm halten. So sicher hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Nach kurzem Zögern legten sich meine Hände auf seinen Rücken, fuhren auf und ab. Erschrocken zuckte ich zurück, als ich seine Waffe ertastete. "Keine Angst." Lächelnd zog er die Pistole hervor, nahm meine Hand und schloss sie um den Griff, richtete den Lauf auf die Wand. Entsetzt wollte ich das schwere, schwarze Ding fallen lassen, aber er legte seine Hand über meine und hinderte mich so daran. "Eine Waffe ist nur so gefährlich wie der Schütze, der sie hält. Außerdem ist sie gesichert." "Reno, bitte." Flehend sah ich ihn an und kurz darauf nahm er mir die Schusswaffe aus der Hand, legte sie auf den Nachttisch, den Lauf wieder zur Wand gerichtet. "Du solltest dich an Waffen gewöhnen", bemerkte er streng, aber gleichzeitig mit einem sanften Unterton. "Wenn du hier irgendetwas suchst, egal, in welchem Raum, , kannst du jederzeit eine finden. Selbst hier, in diesem Raum, sind noch zwei versteckt." Gut, er war Profikiller. Es war logisch, dass er Waffen hatte und auch eine bei sich trug, aber… "Wieso?" Er verstand, worauf sich meine Frage bezog. "Mein Job birgt Risiken. Es kann sein, dass ich hier angegriffen werde und die Waffen in jedem Raum bieten mir Schutz. Meistens." Er räusperte sich leise. "Sollte dir irgendwo eine Handgranate auffallen, sag mir Bescheid. Die ist zwar gesichert, aber ich denke nicht, dass du Ahnung vom Umgang mit so etwas hast." "Du hast eine Handgranate in deiner Wohnung verloren?!" So fassungslos wie ich war, starrte ich ihn an. Er war kein ordentlicher Mensch, das wusste ich sehr wohl. Und er verlor deshalb auch viel, aber bitte: Wer verlor eine Handgranate in seiner Wohnung?! "Beruhige dich. Erstens habe ich sie nicht verloren sondern lediglich verlegt, da ist ein Unterschied, und zweitens ist sie gesichert." Er grinste mich an. Ganz im Ernst. Der Typ hatte auf jeden Fall einen an der Klatsche. Aber warum überraschte mich das eigentlich? Ich kannte ihn doch eigentlich gut genug. Vorsichtig rutschte ich wieder näher und kuschelte mich an ihn. So sehr er mich auch erschreckte, weil er ein Chaot war - er war mein Chaot. Auch wenn ich beschloss, niemals hier aufzuräumen. Wer konnte ahnen, wo ich die Waffen entdecken würde? Ob ich mich überhaupt trauen würde zu kochen, war eine andere Diskussion, und die würde ich nicht mit Reno führen. Er musste eigentlich noch von früher wissen, wie sehr ich Schusswaffen hasste. "Und schon kommst du wieder angekuschelt. Du kannst mir einfach nicht lange böse sein." Ich musste ihn nicht ansehen, um zu sehen, dass er lächelte. Seine Hände lagen ruhig auf meinem Rücken und ließen eine warme Welle durch meinen Körper rasen. Und wie ich diesem Mann verfallen war! Es war zum Verrücktwerden. "Ich habe dir übrigens Kleidung besorgt, ob sie dir gefällt, werden wir sehen, aber wahrscheinlich ist es dir zu dunkel und zu schlicht." Ich brummte widerwillig. Ich liebte bunte Farben und auffällige Muster, aber hey, irgendetwas musste man tun, wenn man zu klein war, um so aufzufallen, aber um unterzutauchen… Augenblick. "Reno, bin ich… in Gefahr?" Meine Stimme war nur ein leises Flüstern, aber ich wusste, dass wir uns nah genug waren, um ihn verstehen zu lassen. "Keine Angst, Kleiner. Ich passe auf dich auf." Ich schluckte und hob den Blick, sah ihn fest an. "Bin ich in Gefahr oder nicht?" Er seufzte, wich meinem Blick aus, indem er aus dem Fenster sah. "Ich bin mir nicht sicher", antwortete er zögernd. "Du stehst nicht auf der Jobliste, und das ist sehr gut. Auch wenn einer meiner beiden Kollegen dich töten will, weil du Ray und K jetzt kennst. So lange du ihm nicht begegnest, ist alles gut. Und selbst wenn ihr euch über den Weg lauft, wenn K und Ray nicht dabei sind, wird er dich nicht erkennen." "Angenommen ich wäre auf einer dieser Joblisten verzeichnet", ich holte tief Luft, "würdest du mich töten?" Ungläubig sah er mich an. Er wusste auch nicht, weshalb ich fragte, ich schon. Aber würde er? "Niemals. Was denkst du denn?!" Wieder atmete ich tief durch. "Und wenn ich dich darum bitten würde?" _________________________________________________________________________________ Noch ganz kurz. Ich weiß, das ist ein dramatisches Kapitelende, aber glaubt nicht, dass das der letzte Cliffhanger war, davon gibt es noch ein paar mehr. Die Sache mit Ryouga und Ryoga war ein bisschen blöd von mir, aber da müsst ihr als Leser dann bitte auf die Rechtschreibung achten, in der Charakterbeschreibung taucht auch auf, wen ich mit welcher Schreibweise meine. Und jetzt seid ihr wirklich bis zum nächsten Mal entlassen. xD Kapitel 4: F•O•U•R ------------------ Okay, das ging zugegebenermaßen schnell, aber es musste sein. Und wieder wird es ein dramatisches Kapitelende. Zwar nicht so dramatisch wie das letzte, aber na ja... Da kommen dann noch viel schönere. Und ich habe eine gute Neuigkeit: Ich bin fertig mit abtippen. Theoretisch kann ich jetzt immer, wenn ich Lust habe, ein neues Kapitel hochschicken, das kommt aber ganz darauf an, wie sehr man mich motiviert/motivieren kann. (Ja, ich bin ein faules Miststück.) _________________________________________________________________________________ F•O•U•R ☆ "Warum?" Seine Stimme klang fassungslos. Aber sollte es mich wundern? Wohl eher nicht. "Wenn ich gejagt werde, von deinen Kollegen, und Angst haben muss, während ich fliehe… Wenn sie mich töten wollen, mir vorher noch sonst etwas antun, um mich langsam und qualvoll sterben zu lassen… Wenn mein Tod ohnehin nur eine Frage der Zeit wäre und ich dich bitten würde, mich kurz und ohne Schmerzen zu töten, würdest du es für mich tun?" Ich spürte, wie er zitterte, während er die Situation vor sich sah. Ich wollte ihm nicht wehtun, aber ich musste es wissen. Für den Fall, dass es wirklich so weit kam. Ich fand die Vorstellung, von meinem Geliebten getötet zu werden und ihn als Letztes zu sehen, angenehmer als die anderen Varianten. Ich wollte nicht sterben. Ich wollte Reno nicht wieder verlassen, erst recht nicht so endgültig. Ich wollte aber auch nicht jeden Tag Angst um mein Leben haben müssen. "Unter den Umständen… Wie könnte ich dich leiden lassen?" Er zitterte immer stärker. Ich wusste, dass er mich nicht verlieren wollte, und wie könnte ich ihn auch so allein lassen? Sanft hauchte ich ihm einen beruhigenden Kuss auf den Hals. Ich war mir bewusst, dass ich es nicht fertig bringen würde, ihn wirklich danach zu fragen, wenn die Situation es verlangte. E würde es doch nicht schaffen. Er war stark, aber auch er hatte seine Schwächen. Ich war eine davon. Und sein leichter Egoismus. Er würde mich nicht gehen lassen wollen. Wäre die Situation nicht so verdammt ernst gewesen, ich hätte umkippen können vor Lachen. Das Alles war mehr als komisch, diese ganzen Zufälle. Wahrscheinlich wäre mein Lachen etwas hysterisch gewesen, aber hey - bei dem, was die letzten 18 Stunden mir gebracht hatten, dürfte ich doch wohl so reagieren. Mühsam beherrschte ich mich, rückte etwas von ihm ab und strich ihm über die Wange. "Dann zeige mir deine Einkäufe. Ich will auch einmal wieder etwas Richtiges anhaben." Skeptisch betrachtete ich mich im Spiegel. Ich hatte ein weißes T-Shirt in einer Tütte gefunden, und es saß, trotz Renos Schätzung meiner Größe betreffend, perfekt. Ich war so stolz auf ihn. Er hatte auch wirklich an alles gedacht. Auch die schwarze Jeans saß super. Ich war stolz auf meine Figur, da zeigte ich auch ganz gern, was ich zu bieten hatte. Was sprach auch dagegen? So etwas, wie in der letzten Nacht, passierte zwar täglich irgendwo, aber in meinen 26 Lebensjahren war es für mich das erste Mal gewesen. Und Reno hatte mich beschützt. Zart legten sich zwei Arme um meinen Oberkörper und zogen mich zurück an den warmen Menschen hinter mir. Plötzlich fühlte ich mich so klein und schwach. Renos schwarze Kleidung ließ ihn so kühl wirken, er war um einiges größer als ich, und vermutlich auch stärker. Sanft lächelte er mich durch den Spiegel an, senkte den Kopf und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. "Findest du mich hübsch?", flüsterte ich, drückte mich noch etwas enger an ihn und schloss die Augen. "Hübsch bist du, wenn du komplett gestylt bist. So bist du wirklich schön." Ein warmes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Ich genoss es viel zu sehr, bei ihm zu sein. "Wie schön denn?" Er schien zu überlegen, denn eine ganze Weile war es still. Ich hatte zwar das Gefühl, sein Herz schlagen zu hören, aber das bildete ich mir sicher nur ein. "So schön wie der erste Sonnenstrahl nach Jahren der Dunkelheit", beantwortete er meine Frage. Es war ein persönlicher Vergleich für ihn, und ich wusste, wie er es meinte. Die Sonne war vor der Dunkelheit dagewesen, und ich war einer ihrer Strahlen. Nachdem ich gegangen war und die Geschichte mit seiner Familie gewesen war, war die Dunkelheit gekommen. Und jetzt kam die Sonne langsam wieder zum Vorschein, besiegte die Dunkelheit. Ich seufzte glücklich, lehnte mich an ihn und öffnete die Augen. Man hätte uns für ein… nun ja, 'normales' Paar halten können. Ich stutzte. Waren wir das überhaupt wieder? Oder waren wir noch zusammen? Offiziell hatte es nie einen Schlussstrich gegeben. Hätte meine Kleidung mich nicht verraten, hätte man mich für eine Frau halten können. Eigentlich eine lustige Vorstellung. Vorsichtig zog Reno mich in das Wohnzimmer und setzte sich mit mir auf das Sofa. Wobei, er saß, während ich eher über ihm lag und er mich abstützte, so dass wir nicht zu weit voneinander getrennt waren. Und wieder stellte ich fest, wie verfallen ich ihm eigentlich war. Er war auch der erste und einzige Mensch, den ich je so geliebt hatte und liebte. "Hikaru… Erzähl mir von dir. Was hast du die letzten zwölf Jahre getan?", bat er mich leise, und ich konnte einfach nicht anders, als ihm von meinem Leben zu berichten. So deprimierend es auch gewesen war, mich mit anderen Jungen zu treffen und ihnen eine glückliche Beziehung vorzuspielen, ich hatte es getan. Ebenso hatte ich mich gedemütigt, indem ich mich von einem völlig Fremden hatte entjungfern lassen. Nicht, dass ich es lange geplant hatte, aber ich hatte endlich meine Unschuld verlieren wollen, hatte mich mit einem falschen Ausweis in einen Schwulenclub geschlichen und etwas mit diesem Typen gesprochen, ein paar Drinks gehabt… und dann war es in einem der Hinterzimmer, die wohl genau für diesen Zweck gedacht gewesen waren, passiert. Toll war es nicht gerade gewesen, aber vom ersten Mal versprach man sich auch nicht viel. Nach dem Schulabschluss war ich von Zuhause weg und hatte erstmal zwei Jahre bei meinem damaligen Freund gewohnt. Wir waren gut zurechtgekommen. Bis er seinen Job verloren hatte und mich auf den Strich hatte schicken wollen. Als ich mich geweigert hatte, hatte er mich rausgeschmissen, mit der Begründung, ich hätte ihn nicht geliebt. Hatte ich auch nicht, aber es war nicht so schlimm gewesen, mit ihm zu schlafen oder ihn zu küssen, und er hatte mich immer gut behandelt. Kurz darauf hatte ich Ibuki getroffen und er hatte mich in den Host-Club, in dem er gearbeitet hatte, mitgenommen. Dort hatte ich gleich angefangen und mir Stück für Stück ein eigenes leben aufgebaut. Die Tatsache, dass ich ihn gesucht hatte, verschwieg ich Reno. Es machte keinen Unterschied. "Ich kann nicht verstehen, wieso dein Ex dich auf den Strich schicken wollte", bemerkte er leise und strich über meinen Arm. Eine fast flüchtige, beiläufige Berührung, die mir aber einen Schauer über den Rücken jagte. "Ich würde dich mit niemandem teilen. Auch nicht für das gesamte Geld der Welt." "Aus Verzweiflung tun Menschen Dinge, die sie selbst im Nachhinein nicht verstehen." Zufrieden seufzte ich und kuschelte mich an ihn. Schon nach ein paar Stunden vertraute ich ihm wieder bedingungslos. "Ist ja auch egal", antwortete er nur und strich mir über die Wange, zog mich dann hoch, so dass ich auf seinem Schoss saß. Seine Hand lag still auf meiner Wange, während er die Haut zart mit seinem Daumen streichelte. Ich schmiegte mich automatisch an die zarte Berührung, genoss es einfach viel zu sehr. Und ich wusste, dass wir nicht allzu viel Zeit so haben würden, egal, wie sehr ich es mir auch wünschte. Wir waren wegen seinem Job immer in Gefahr, da mussten wir verdammt gut auf uns aufpassen. "Darf ich dich küssen?" Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber sie zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht. Schwach nickte ich und schloss die Augen, wissend, dass er die Aufforderung dahinter verstand. Nur Sekunden später spürte ich seine Lippen auf meinen, hauchzart wie Schmetterlingsflügel, aber das Gefühl war großartig. Innerlich jubelte ich, mein Herz schlug wilde Purzelbäume. Leicht zog ich ihn an mich, um den Kontakt zu verstärken. Berechtigt war es, ich hatte immerhin lange warten müssen, und jetzt war ich eben ungeduldig. Ich spürte seine Lippen und wie er verspielt nach mir schnappte, danach seine Zunge, die förmlich um Einlass bettelte. Zögernd ließ ich ihn gewähren, mein Territorium erforschen und spielte mit ihm, als er mich dazu aufforderte. Seine Hände hatten sich auf Wanderschaft über meinen Körper begeben, eine war frech unter mein Shirt geschlüpft und streichelte mich. Ich war schon lange nicht mehr so geküsst und berührt worden, und auch, wenn er sanft blieb, spürte ich seine Sehnsucht. Ich hatte eine dumpfe Ahnung, wie wir die Nacht verbringen würden, auch, wenn es wahrscheinlich nicht weiter gehen würde als früher, und da waren wir noch zu jung und unerfahren gewesen, um wirklich miteinander zu schlafen. Schwer atmend löste er den Kuss, blieb mir aber ganz nah und sah mich an. "Du bist wundervoll", murmelte er, und ich konnte seinen Atem auf meinen Lippen spüren. Er sah mir fest in die Augen, und ich konnte seinem Blick nicht ausweichen. Er hypnotisierte mich förmlich, und es war mir gerade auch relativ egal. Wieder legte er seine Lippen auf meine, sanft, wenn auch etwas fordernder als vorher. Er forderte mich auf, die Initiative zu ergreifen. Ich hätte ihm einfach signalisieren können, dass er weiterhin die Kontrolle übernehmen sollte, aber wenn er schon willig war, sich von mir leiten zu lassen, würde ich dieses Angebot nicht einfach ausschlagen. Vorsichtig zog ich an seiner Unterlippe, aber so, dass er keine Schmerzen deswegen hatte, bevor ich mit meiner Zunge die Konturen seiner Lippen nachfuhr. Ohne Zögern ließ er mich in sein Reich eintauchen. Seine Zunge stieß meine zwar herausfordernd an, unternahm aber nichts, um mir Einhalt zu bieten oder mich zurück zu drängen. Sanft strichen auch meine Hände über seinen Körper, bahnten sich ihren Weg unter sein T-Shirt und kosten die warme Haut. Ich wusste nicht, woher mein Mut kam, aber er war da. Normalerweise hätte ich so etwas nie ohne ausdrücklich Erlaubnis getan, aber Reno lud mich dazu ein, wenn auch indirekt. Und wenn das nicht nur seine Erlaubnis war, sondern auch sein Wunsch, hatte ich kein Problem damit, ihm diesen zu erfüllen. Ich hörte, wie er leise in den Kuss seufzte und mich noch etwas näher an sich zog. Ich tat also nichts wogegen er etwas einzuwenden hatte. Ich nahm auch an, dass er sich bemerkbar machen würde, würde ich eine Grenze überschreiten. Ich zog mich nach und nach weiter zurück, bis ich mich keuchend von ihm löste und ihn aus halb geöffneten Augen ansah. Ich näherte meine Lippen seinem Ohr und ließ sie dabei über seine Wange streifen. "Ich liebe dich", flüsterte ich ihm zu. Mir war klar, dass er mir eigentlich nicht direkt antworten würde, das passte nicht zu ihm. Nicht, dass ich mich nicht mit einem simplen 'Ich dich auch' zufrieden gegeben hätte, aber er würde irgendetwas tun, um mir seine Gefühle zu zeigen. Und ich war gespannt, was er vorhatte. Ich hatte nur das Gefühl, dass ich mein Shirt nicht allzu lange anbehalten würde. Warm lächelte er mich an, stand mit mir auf dem Arm auf - wie auch immer er das machte, so ein Fliegengewicht war ich doch gar nicht - und trug mich in sein Schlafzimmer, wo er mich auf dem Bett ablegte, sich über mich beugte und mich küsste. Dieses Mal schien er nicht die geringste Motivation zu haben, nachzugeben, aber ich hielt mich eigentlich ganz gern passiv. Es war doch ganz spannend, abzuwarten. Wieder bettelte er um Einlass, und ich teilte meine Lippen ein Stück, um ihn gleich zu empfangen. Spielerisch forderte er mich zu einem Duell heraus, auf das ich mich nur zu gern einließ, ihm aber immer einen kleinen Vorteil gewährte. Ich wollte ihn gar nicht besiegen, es fühlte sich einfach nur gut an, und darum ging es doch. Locker lagen meine Hände auf seinem Rücken und schlichen sich dorthin, wohin sie wollten, die eine in seinen Nacken, um ihn näher zu mir zu ziehen und die andere unter sein Shirt, um es immer weiter hochzuschieben. Dasselbe tat er immerhin mit meinem. Und für mich galt nun einmal, dass alles okay war, solange er mich nicht in meine Grenzen verwies. Langsam löste er sich von meinen Lippen, widmete sich aufmerksam meinem Hals, um herauszufinden, wo ich besonders empfindlich war. Ich keuchte leise auf, als seine Zähne über meine Haut kratzten. Ich konnte spüren, wie er grinste, immerhin hatte er etwas für seine Zwecke Praktisches entdeckt. Zart strich seine Zunge über die gerade von ihm entdeckte Stelle, entlockte mir so ein weiteres Keuchen. Ich biss mir fest auf die Unterlippe, um weitere Geräusche dieser Art zu unterdrücken, auch wenn ich wusste, dass ich gegen meinen Körper verlor. Aber in dieser Nacht konnte es mir egal sein, es war immerhin nicht irgendjemand, der mich so berührte. Ich konnte mir denken, dass er mich auch hören wollte. Später. Denn erst einmal fing er meine Lippen wieder ein, brachte mich so davon ab, meine Unterlippe kaputt zu beißen. Vorerst, denn es würde heute noch schwierig werden… Am Morgen wachte ich langsam auf, murrte leise aufgrund des Lichts, seufzte aber wohlig, als kleine Küsse auf meiner Schulter verteilt wurden. Ich spürte die Wärme meines Freundes, der anscheinend schon etwas länger wach war, aber die Zeit lieber genutzt hatte, um mich zu halten, anstatt sich anzuziehen, denn er trug immer noch genauso wenig wie ich. Genau genommen waren wir beide nackt. Die Nacht war mehr als nur angenehm gewesen, auch wenn wir tatsächlich nicht miteinander geschlafen hatten. Es war gewesen, wie ich es erwartet hatte. Wir hatten uns nur berührt und geküsst, auch wenn er sich an andere Stellen als früher gewagt hatte. Kein Wunder. Früher hatte ich selbst mich kaum getraut, mich an diesen Stellen zu berühren, aber mittlerweile hatte ich mich auch daran gewöhnt. "Willst du mich ignorieren, Kleines?", flüsterte er mir zu und drückte sich provozierend enger an meinen Rücken. "Hatte ich nie vor", nuschelte ich zurück und drehte mich etwas, um ihn anzusehen. Ich kam nur nicht wirklich dazu. Sofort fingen seine Lippen meine ein, strichen sanft darüber und bewegten sich dabei nur leicht. Ohne Zögern erwiderte ich den Kuss, verhinderte aber, dass er intensiver wurde. So reizvoll die Vorstellung auch war, gleich morgens von ihm verwöhnt zu werden, dass war nicht die perfekte Beschäftigung. Obwohl, doch, war es, aber dann würden wir wahrscheinlich gar nicht mehr aus dem Bett kommen. Langsam löste er den Kuss, als er merkte, dass ich ihn nicht weiter gehen lassen würde und legte seine Lippen lieber wieder auf meine Schulter. "Reno, bitte…", seufzte ich und genoss das Gefühl, als er begann, mir sanft über Brust und Bauch zu streicheln. "Was 'Bitte'? Du magst es doch", murmelte er und hauchte mir wieder einen Kuss auf die Lippen. Blöd, dass er recht hatte und das auch wusste. "Aber hattest du nicht heute noch etwas vor?" Verdammt, klang meine Stimme brüchig und zittrig. "Nein, eigentlich nicht", antwortete er nachdenklich. "Solange kein Anruf kommt, muss ich auch nicht arbeiten, wir können also so lange im Bett bleiben, wie wir wollen." Ergeben seufzte ich, zog sein Gesicht zu meinem und küsste ihn zaghaft. Allgemein hatte ich mich bisher sehr zurückgehalten, und dass musste ihm in der letzten Nacht auch aufgefallen sein. Und dummerweise hatte ich recht. Er löste sich von mir und sah mich an, eine Weile, ohne etwas zu sagen, dann aber mit einer Frage: "Was ist mit dir los, Hikaru?" Innerlich schlug ich meinen Kopf gegen eine Wand. Er wusste, dass ich nie so schüchtern gewesen war, aber was sollte ich jetzt antworten? "Nichts", log ich leise, aus Angst, meine Stimme könnte versagen, wenn ich lauter sprach. Nachdenklich sah er mich an, drückte mich dann an sich. "Wenn du nicht darüber reden willst, sag es, aber lüg mich nicht an. Also, was ist passiert?" Ich schüttelte den Kopf und sah stur zur Wand. Ich konnte und wollte über gewisse Dinge nicht reden. Erst recht nicht mit ihm, gerade weil ich ihn liebte. "Schön", antwortete er einfach und legte seine Stirn an meine Schulter. "Wenn du irgendwann darüber reden willst, kannst du zu mir kommen, ja?" Ich nickte leicht und schloss die Augen. Ich wusste, dass er nicht sauer auf mich war, weil ich ihm etwas verheimlichte. Er musste zwar ahnen, dass es etwas Schlimmes war, weil ich sonst über alles mit ihm reden würde, aber er würde mich zu keinem Gespräch zwingen. Aber vielleicht war es genau das, was er tun sollte. Nur nicht jetzt. Es war völlig still im Raum, nur unsere Atemzüge und das gelegentliche Rascheln der Bettdecke waren zu hören. Ich wusste nicht, wann ich mich das letzte Mal so wohl gefühlt hatte. Es war auf jeden Fall schon etwas her. Über Jahre war ich nie so zur Ruhe gekommen. Aber wirklich ruhig war ich nicht. Die Erinnerungen brannten in mir, genau genommen der Schmerz, den sie hervorriefen, es war grausam, wie sehr es mich jedes Mal wieder folterte, sobald mich auch nur irgendetwas daran denken ließ. Ein leises Wimmern entkam mir und ich krallte mich so fest in die Bettdecke, dass meine Knöchel weiß hervortraten. Fest drückte Reno mich an sich, streichelte mich beruhigend, sagte aber nichts weiter. Ich spürte seinen Herzschlag nahezu an meinem Rücken, und so sehr es mich auch beruhigte der Schmerz verging nicht, und langsam traten mir Tränen in die Augen und liefen über meine Wangen. So sehr ich Reno auch vertraute und egal, wie sicher ich mir war, dass er mir nichts tun würde, ich konnte das Geschehene nicht vergessen. Zögernd drehte er mich zu sich um, so dass ich die Decke loslassen musste und mich dann einfach an ihn klammerte. Er sagte auch nichts dazu, dass sich meine Fingernägel förmlich in seine Haut bohrten. Er hielt mich still fest und gab mir so das, was ich gerade am Meisten brauchte. Das hatte ich nicht verdient. Reno war zu gut für mich, er verdiente etwas Besseres. Die Erkenntnis traf mich so hart und unerwartet, ein Faustschlag ins Gesicht hätte nicht wirksamer sein können. Und würde er die Geschichte kennen, würde er mich auch sicher von sich weisen. Das hatte ich eher verdient als seine Liebe. "Reno, ich… Willst du wirklich wissen, was los ist?" Ich fühlte, wie er nickte, und holte tief Luft um meiner Stimme wieder eine gewisse Festigkeit zu verleihen. Auch wenn ich ihn dadurch verlieren würde. Kapitel 5: F•I•V•E ------------------ So, und auch hier ein kleiner Hinweis zum nächsten Upload: Ich fahre Montag in den Urlaub und komme erst am letzten Freitag im Juli, also am 29.07., zurück. Da ich da aber schon zwei Kapitel meiner anderen noch laufenden Fanfic hochladen muss, kommt das nächste hier wahrscheinlich erst an dem Samstag danach. Ich werde versuchen, danach einen wöchentlichen Uploadrhytmus einzuhalten, aber meinen Urlaub brauch ich eben. ;) Dieses Kapitel hat keinen so dramatischen Cliffhanger als Ende, aber wie vorher schon einmal gesagt, wird es das noch oft genug geben. Und genießt noch die Ruhe. >D Jetzt viel Spaß mit Kapitel 5.^^ _________________________________________________________________________________ F•I•V•E ☆ "Ich… war dabei, mir ein neues Leben aufzubauen, als ich auf Makoto traf. Er war nett… half mir, wo er konnte und… hörte mir zu. Er bemühte sich um mich. Wenn… Wenn ich die Bahn verpasste, war er… plötzlich da, wie aus dem Nichts. Wenn ich… keine Jacke über hatte, es aber stürmte, war er da und gab mir seine. Wenn es regnete… und ich keinen Schirm hatte, war er… immer da und bot mir einen Platz… unter seinem. Mein bester Freund, Ibuki,… warnte mich. Natürlich hatte ich auch gemerkt, dass… dass etwas nicht stimmen konnte, aber… ich sah eine Chance, glücklich zu werden. Die erste nach dir. Außerdem… war es schön, dass… er sich nur um mich kümmerte. Zu dem Zeitpunkt… waren wir nur Freunde… und heute wünschte ich, dass… es so geblieben wäre." Ich schluchzte immer wieder, krallte mich fester an Reno, aber er reagierte nicht. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er mir zuhörte. "Wir wurden ein Paar und… er zog zu mir. Ich weiß nicht, ob… ich in ihn verliebt war, aber seine Gesellschaft hatte etwas… Angenehmes. Er sagte mir jeden Tag… mindestens zehn Mal, dass er mich liebte… dass ich das Wichtigste für ihn war… und ich glaubte ihm. Zuerst war es wirklich toll, er… las mir förmlich jeden Wunsch von den Augen ab, aber… nach einer Zeit… änderte sich sein Verhalten. Er… verbot mir, ohne ihn die Wohnung zu verlassen… er verbot mir, mit anderen… zu reden. Er hielt mich von meiner Arbeit und meinen Freunden fern… Er verlangte, dass… ich tat, was er wollte. Ich versprach es ihm… mehr oder weniger, aber während er auf der Arbeit war,… traf ich mich mit Ibuki. Ich wollte… meine Selbstständigkeit bewahren, zumindest zum Teil. Als er das aber… herausfand, war er… das erste Mal richtig wütend auf mich. Er schlug mich auch… und er unterstellte mir eine Affäre mit Ibuki… Er meinte,… er würde mich ganz zu seinem Eigentum machen… Er erhitzte ein Messer und ritzte mir seinen Namen auf den Rücken… Ich… Ich wehrte mich, so gut ich konnte, aber er… war viel stärker als ich. Ich hoffte nur, dass… das meine ganze Bestrafung war, aber… meine ganzen Regeln wurden verschärft. Ich durfte gar nichts mehr… ohne seine ausdrückliche Erlaubnis. Ich durfte nur… gehorchen. Tat ich das nicht… schlug er mich… verbrannte mich mit Zigaretten… einmal sperrte er mich im Winter für… acht Stunden in den Keller, wo auch keine Heizung war… Ich wäre fast erfroren, aber er… fragte nur, ob ich meine Lektion gelernt hätte… Ich hätte mich von ihm getrennt, aber… ich hatte Angst… und ich war allein. Ich… hatte damals versucht zu fliehen, aber er… er fand mich und zwang mich… ein seltsames Gemisch aus Blut und… du weißt schon… zu trinken… damit ich einen Teil von ihm… in mir hatte. Danach ging es mir dreckig, aber… er wollte Sex, und ich gab ihm, was er wollte… Immerhin hatte er mich nie… vergewaltigt, dass war die einzige Bestrafung, die ich nie erleben musste… mit der er nur gedroht hatte… und ich war nicht versessen darauf, dass doch noch über mich ergehen lassen zu müssen… Ein paar Wochen später… traute ich mich raus und… ging zur Polizei. Sie waren zwar sowas wie angewidert von mir, aber… sie nahmen ihn fest. Kurzzeitig verließ ich Mito, um… meine Spur zu verwischen, aber ich… kehrte zurück. Weißt du, weshalb ich mich… immer so passiv verhalte? Ich durfte nie… von selbst auf ihn zugehen… Ich durfte ihn nicht berühren, ohne dass er es mir erlaubte…" Zitternd klammerte ich mich an Reno, spürte, wie er mich beruhigend streichelte, wie er mir den Nacken kraulte, obwohl ich wusste, dass ich ihm wehtun musste, immerhin spürte ich sein Blut unter meinen Fingern. "Ich bin nicht wie er", flüsterte er mir nach einer Weile zu. "Wenn du willst, suche und töte ich ihn. Aber jetzt verstehe ich auch, weshalb ein Teil Haut auf deinem Rücken auch etwas heller ist." Ich nickte, auch wenn es mich wunderte, wie ruhig er blieb. Das hatte ich nicht verdient. "Reno, ich… Du bist zu gut für mich", murmelte ich und schluchzte wieder. "Blödsinn. Du hast keine Schuld an dem, was passiert ist." Seine Stimme klang sanft und beruhigend. Ich verstand ihn einfach nicht. "Das mag sein, aber ich bin widerlich", murmelte ich und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. "Das sehe ich etwas anders. Du bist wunderschön und liebenswert. Und ich will dich bei mir haben." Ich schüttelte den Kopf, genoss aber seine warme Umarmung. Wer konnte schon wissen, wie lange ich ihn noch bei mir haben würde? Und auch, wenn ich wusste, dass er mir wehtun würde, wenn ich mich zu sehr auf ihn einließ, ich musste bei ihm bleiben. Und ich wurde ruhiger. Er hatte etwas Tröstendes an sich, oder ich bildete es mir nur ein. "Das Schlimmste ist", flüsterte ich, "dass ich nach wie vor nicht weiß, wo er ist und ob er mich immer noch will." "Weißt du seinen Nachnamen?" Ich nickte. "Uchida", murmelte ich und lehnte mich an meinen Freund. Im Moment war ich einfach nicht dazu in der Lage, mir darüber Gedanken zu machen, was er wohl vorhatte, aber im Prinzip war es mir egal. "Hab keine Angst. Ich kümmere mich darum." Reno klang ruhig und selbstsicher wie eh und je. Wie machte er das nur? Wie schaffte er es nur, einfach so für mich da zu sein, obwohl er selbst gerade so von Gefühlen gestürmt werden musste? Ekelte er sich wirklich kein bisschen vor mir? "Vertraust du mir?", fragte er mich leise und lockerte meinen Griff, damit ich ihm nicht weiter mit meinen Fingernägeln die Haut durchtrennte. "Ja", hauchte ich schwach und legte meinen Arm einfach locker um seinen Oberkörper. Ich hatte ihm nicht wehtun wollen, aber es war einfach passiert, und rückgängig machen konnte ich es nicht. "Entschuldige", nuschelte ich und lehnte meinen Kopf an seine Brust. "Kein Problem. Sieht schlimmer aus, als es ist. Du weißt, dass du alles machen darfst, was du willst. Ich werde dich sicherlich nicht davon abhalten, auch aktiv zu werden. Und zu dem Thema mit dem Rausgehen… In einer anderen Situation, sicher, aber ob das jetzt so gut für dich ist?" Beruhigend streichelte er mich, hielt mich einfach nur fest. Ich beruhigte mich weiter, die letzten Tränen versiegten einfach. Es war unglaublich, was er in mir bewegte. Vielleicht hatte er etwas Besseres als mich verdient, aber er wollte mich. Mich und niemand anderen, auch wenn ich von Geschehenem gezeichnet war, wenn mein Körper die Spuren immer noch zeigte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie irgendwann verschwinden würden., so sehr ich es mir auch wünschte. Damals, als er mich das erste Mal für sich gewählt hatte, war ich so unschuldig gewesen, aber jetzt? Ich hatte noch keine Straftat begangen, aber das war auch einer der wenigen Punkte, bei denen ich noch eine unbefleckte, weiße Weste hatte. Sonst war darauf… Blut. Mein Blut. Aber trotzdem wollte er mich noch. Ich verstand ihn einfach nicht. Es war mir ein Rätsel, wie er einfach so darüber hinwegsehen konnte. Aber Gleiches tat ich doch auch? Mord war sein Job, und ich wollte ihn trotzdem. Auch wenn es für mich schwer zu glauben war, dass gerade ein Profikiller neben mir lag und mich so sanft berührte. Aber auch wenn es so war, irgendwo sah ich in ihm noch die kindliche Unschuld. Ob es ihm mit mir wohl genauso erging? Was wäre wohl passiert, wären wir nie getrennt worden? Hätten wir unseren Eltern irgendwann erzählt, dass wir nicht nur Freunde waren? Hätten sie uns denn geglaubt? Oder hätten sie alles nur als eine kindliche Spinnerei abgetan? Hätten sie es akzeptiert? Wären wir beide an die Yakuza geraten? Oder keiner von uns? Wären wir noch lange zusammen geblieben? Es waren eigentlich sinnlose Fragen. Ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen, um die Antworten zu finden. Ich musste mit dem Hier und Jetzt leben. Und es war vielleicht gar nicht so schlecht. Ich merkte nur zu deutlich, wie Reno mich losließ, mich sanft küsste und aufstand. Wie hätte ich es auch nicht bemerken sollen? Die Wärme verschwand einfach. Ohne es selbst wirklich zu registrieren brummte ich widerwillig. Ich wollte mich nicht mit Kissen und Decke zum Kuscheln zufrieden geben, und auch, wenn es warm genug war, reichte mir die Wärme nicht. "Ich bin doch gleich wieder bei dir", meinte Reno und lächelte mich an. "Ich muss nur eine Papierkugel finden, die Nachricht auf ihr lesen und uns Tee und eine Kleinigkeit zu essen organisieren." Wieder grummelte ich nur. Auf Nahrungsmittel konnte ich ganz gut verzichten. Und sonst konnte ich nur hoffen, dass er wusste, wo die Papierkugel war. Ich hörte ihn durch die Wohnung laufen. Ich musste mir selbst eingestehen, dass ich hungrig war, aber ich hatte am vergangenen Tag nichts gegessen oder getrunken. Warum hatte ich das Gefühl, dass das noch eine kleine Standpauke geben würde? War ja auch egal. Ich schloss einfach die Augen und wartete. Ich reagierte nicht, als ich Reno nur zu deutlich in diesem Raum hörte oder als sich die Matratze etwas senkte, als er sich wieder zu mir legte. Er beugte sich über mich, strich mir über die Wange und küsste mich sanft. "Ich weiß, dass du nicht schläfst", lachte er leise. "Bist du schlau." Grinsend drehte ich uns herum, saß dann mehr oder weniger auf ihm und stützte mich neben ihm ab. Ich wunderte mich, weshalb seine Augen so blitzten, bis ich mir der Situation in ihrer ganzen Eindeutigkeit bewusst wurde. Er hatte zwar Shorts an, aber ich war immer noch so, wie ich geschaffen worden war: Ohne irgendwelchen Stoff an mir. Mein Gesicht begann förmlich zu glühen. Nicht, dass die Vorstellung mir unangenehm wäre, aber ich selbst hatte diese Situation so herbeigeführt. Lachend zog er mich zu sich herunter, küsste mich wieder und drehte uns herum. "Du bist zu süß, wenn du rot wirst." Schön, dass er das so sah und auch gleich sagte, denn dadurch durfte er den Anblick noch länger genießen. Dieser Mann hatte echt das Zeug dazu, mich in den Wahnsinn zu treiben. Und das schien er auch zu beabsichtigen. Oder er wollte mich nur aus der Reserve locken. Das hörte sich für mich einleuchtend an, denn seine Hand gehörte mit 100%iger Sicherheit nicht auf meinen Oberschenkel. Ich hatte zwar nichts dagegen einzuwenden, aber trotzdem. "Sei nicht immer so schüchtern", tadelte er mich leise. Ich wusste, dass er es mir nicht nachtrug, wenn ich ihn einfach machen ließ, aber er schien sich wirklich zu wünschen, dass ich ihm zeigte, was ich wollte. Blöd nur, dass ich selbst mir da nicht so ganz sicher war. Und so lange es so blieb, hielt ich mich zurück. Manchmal mussten andere mir eben zeigen, was ich wollte. Na und? Aber gut. Er wollte klare Ansagen? Konnte er haben. "Runter von mir, Schätzchen." Zu meiner Überraschung hörte er auf mich. Verdattert sah ich ihn an, und auch als er mir ein Stück Käse in den Mund steckte, wurde es nicht besser. Ich kaute zwar, aber ich konnte gleichzeitig doof aus der Wäsche gucken. "Hikaru, wenn du mir so etwas sagst", begann er lächelnd, "gibt es keinen Grund für mich, nicht auf dich zu hören. Auch wenn ich sicherlich nicht alles tun werde, was du willst." Ich nickte. Das ergab Sinn. Irgendwie. Seelenruhig streckte ich mich neben ihm aus und griff nach seiner Hand. Ich konnte auch allein essen. Aber er schien das nicht zu wollen. Verunsichert sah ich ihn an, wurde aber wieder sicherer, als er mich sanft anlächelte und mir eine Weintraube zwischen die Lippen schob. Er wollte mich einfach nur füttern, während ich mich entspannen konnte. Warum hätte ich dieses Angebot ablehnen sollen? "Was war das eigentlich für eine Nachricht?", fragte ich nach einer Weile und leckte mir den Fruchtsaft von den Lippen. Kurz verfinsterte sich sein Gesicht. Machte er sich etwa Sorgen? Warum? War ich doch gefährdet oder lag das Problem bei ihm? "Mein bester Freund wollte mir etwas mitteilen", antwortete er vorsichtig, beobachtete mich dabei ganz genau. Spätestens jetzt wurde ich misstrauisch. Da stimmte irgendetwas gar nicht. "Warum hat er nicht angerufen oder dir eine SMS geschickt?" Ich selbst erschrak über den misstrauischen Unterton meiner Stimme. Ich wollte ihn eigentlich nicht dazu zwingen, mit mir zu sprechen, aber ich wollte schlicht wissen, wo das Problem lag. "Weil es nur für mich bestimmt gewesen war, mein Handy und mein Telefon aber genau wie seine überwacht werden." Forschend sah er mich an, versuchte anscheinend, meine Gedanken zu erraten. Früher war er immer ziemlich gut darin gewesen, aber ob es heute noch genauso war? "Worum ging es?", fragte ich, immer noch mit einem misstrauischen Unterton, der langsam so scharf wie eine Messerschneide wurde. Ich kam mir vor wie ein Polizist, der ein Verhör von einem Verdächtigen übernahm, und irgendwie sorgte das dafür, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam. "Was soll das?", konterte er ruhig. "Was willst du von mir hören?" "Wie wäre es mit der Wahrheit?", antwortete ich leise. "Wenn du so ein Geheimnis darum machst, kann es nichts Harmloses sein." Er rollte sich auf den Rücken und sah an die Decke, schien dort aber nichts zu sehen, eher durch sie hindurch zu blicken. "Sie sind sich nicht sicher, ob ich noch zuverlässig genug bin. Sie versuchen herauszufinden, ob ich ein Verräter bin. Und mein bester Freund riskiert sein Leben, um zu erfahren, was sie vorhaben." Ich atmete tief durch und nahm seine Hand. Gut hörte sich das nicht gerade an. "Reno, das hat noch aber nichts zu bedeuten, oder?" Er schwieg, sah weiterhin auf einen Punkt in weiter Ferne - und jagte mir so nur Angst ein. Jede Wahrheit war erträglicher als Ungewissheit. "Bitte, Reno", quengelte ich förmlich und legte meinen Kopf auf seine Schulter. "Keiner kann so genau sagen, was das bedeutet", beantwortete er meine Frage nach einer Weile. "Allein der Verdacht macht mich zu einer Bedrohung. Wegen einem ähnlichen Verdacht haben sie Yuu getötet. Oder eher töten lassen." Ich schluckte leicht. Er kraulte mir zwar beruhigend den Nacken, aber es half mir nicht wirklich. Wenn ich das gerade richtig verstanden hatte, waren wir in einer lebensbedrohlichen Situation. Ich wollte etwas sagen, musste aber darum schon kämpfen. Ich hatte Angst, und gerade die verhinderte, dass ich Luft bekam oder wirklich sprechen konnte. "Was machen wir jetzt?", brachte ich nach einer Weile des Schweigens erstickt hervor. Die Frage musste ich einfach stellen. "Wir machen weiter wie bisher. Alles andere würde ihnen auffallen." Und wieder klang er ruhig wie immer. "Hab keine Angst, wir werden das schon schaffen. Ich werde zumindest dafür sorgen, dass dir nichts passiert, Hikaru. In Ordnung?" Ich nickte schwach. "Und was ist mit dir selbst?" "Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon klar." Eine wirkliche Antwort, wie ich sie mir erhofft hatte, war es nicht, aber ich musste es einfach nehmen, wie es war. Und ich vertraute Reno, also beschloss ich einfach, ihm zu glauben. Er wusste wahrscheinlich eher als ich, was er zu tun hatte. Er arbeitete immerhin schon eine ganze Weile mit den Methoden der Yakuza, also wusste er bestimmt auch, wie er diesen Methoden entgegenwirken konnte. Hoffte ich. Kapitel 6: S•I•X ---------------- So ein verdammter Mist. x_x Mir ist gestern ein kleiner Fehler unterlaufen, aber gut, was soll's. -.- Ich war ein Kapitel zu weit, habe das jetzt (unlogischerweise) gelöscht. Mich verwirrt es, dass der Prolog als Kapitel angezeigt wird. D: Na ja, dann bin ich jetzt eben ein Kapitel weiter als geplant, who cares. Mal ganz davon abgesehen, dass ein entscheidendes Teil gefehlt hat, weil dieses Kapitel so wichtig ist. Dx Na ja, meine Gedanken waren noch im Urlaub, also entschuldige ich mich in aller Form dafür und hoffe, dass mir meine Leser deswegen nicht weglaufen. :D Meine Gedanken sind noch nicht ganz aus dem Urlaub zurück. _________________________________________________________________________________ ☆ Die nächsten Tage waren auch so ziemlich voll geplant. Ich hatte mich tatsächlich in die anderen Räume vorgewagt. Irgendjemand musste so kurz vor Weihnachten in diesem Chaos Ordnung schaffen. Natürlich war es Renos Wohnung, dass sah ich auch definitiv ein, aber während er arbeitete - ich wollte gar keine genaueren Informationen bekommen - konnte ich mich auch nützlich machen. Und da ich zu meiner eigenen Sicherheit die Wohnung nicht verlassen oder die Tür öffnen sollte, blieben nur kochen und aufräumen. Überraschenderweise hatte ich die verlorene Handgranate gefunden - in einem Blumentopf. Die arme Pflanze war längst tot, aber die vermisste Handgranate war wieder da. Und nachdem ich Reno zwei Stunden angefleht hatte, hatte er das Ding aus der Wohnung entfernt. Bei seinem Geschick hätte er sie nur wieder verloren, und wer hätte voraussagen können, wo sie dann wieder aufgetaucht wäre? Nach und nach entdeckte ich auch seine Pistolen. Die erste hatte ich in der Küche gefunden. Aber nein, nicht irgendwo zur Verteidigung leicht greifbar, wie es sehr logisch gewesen wäre - nein, in einer Metalldose in Salz versteckt. Ich hatte mich gefragt, ob Reno selbst seine Logik verstand, aber es war nicht meine Sache. Auch wenn ich mich alles andere als wohl fühlte. So eine Menge von Schusswaffen in der Wohnung zu haben, beunruhigte mich. Ich näherte mich jedem möglichen Versteck schon sehr vorsichtig, aber trotzdem überraschte er mich immer wieder mit seinen Verstecken. Automatisch wurde ich vorsichtiger, meine Bewegungen immer leichter und leiser und meine Sinne unerklärlicherweise schärfer. Ich passte mich Reno an, übernahm einige seiner Bewegungsabläufe nahezu exakt. Auf Außenstehende musste es gruselig wirken, aber wir waren immer noch zwei voneinander unabhängige Menschen. Wir diskutierten über völlig belanglose Dinge, einfach, um uns wieder besser kennen zu lernen. Wir beide hatten uns immerhin in zwölf Jahren charakterlich etwas verändert. Wobei wir diese sinnfreien Diskussionen schon bald nicht mehr brauchten. Weder er noch ich hatten an unseren Grundsätzen etwas geändert, und es dauerte nicht lange, bis ich ihn wieder genauso gut durchschauen konnte wie früher. Das hieß aber nur, dass ich sehr gut erahnen konnte, wie er reagieren würde, nicht, dass ich ihn verstand, denn das war mir nach wie vor unmöglich. Bis Heiligabend waren es nur noch zwei Tage, und langsam musste ich mir überlegen, was ich über die Feiertage kochen wollte, damit ich Reno noch zum Einkaufen schicken konnte. Ich wäre ja auch allein losgezogen, aber ich durfte ja nicht. Und ich konnte auch gut auf das ewige Schlangestehen verzichten. Sollte sich mein Liebster mal darum kümmern. So wie er es laut eigenen Aussagen auch bei der Sache mit meinem Exfreund getan hatte. Alles, was er mir dazu gesagt hatte, war, dass ich mir keine Gedanken mehr machen musste. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt genauer Bescheid wissen wollte. Ich hatte so ein komisches Gefühl bei der Sache, woher auch immer das kam. Fakt war auch, dass wir immer noch nicht miteinander geschlafen hatten. Dieser Fakt regte mich aber irgendwie auf. Hätte er auch nur einen einzigen, verdammten Schritt auf mich zu gemacht, hätte ich ihn ganz sicher nicht zurückgewiesen. Aber nein, er beließ es dabei, mich zu berühren und zu küssen. Wenn das noch lange so weiterging, würde mir bald der Kragen platzen, so weit war ich mir sicher. Desinteressiert blätterte ich in einem Kochbuch, um vielleicht irgendetwas Annehmbares zu finden, was ich denn kochen könnte, als jemand das Treppenhaus hinauf rannte. An sich war das nichts Ungewöhnliches, aber ich hatte diese Person noch nie gehört, da war ich mir sicher. Die Schritte waren leichter und schneller als die der meisten anderen Bewohner oder Besucher dieses Hauses. Dumpf erinnerten sie mich an Reno, aber der war es auf jeden Fall nicht, dafür kannte ich meinen Freund zu gut. Erschrocken hielt ich die Luft an, als die Schritte vor der Wohnungstür stoppten und jemand heftig dagegen hämmerte. "Reno, mach auf!" Schnell griff ich nach der Pistole, die ich in der Schublade unterhalb des Ofens entdeckt hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich damit überhaupt zielen konnte, aber mit einem Küchenmesser auf jemanden loszugehen, der vermutlich eh eine Pistole dabei hatte, erschien mir noch bescheuerter. Und irgendwie musste ich mich schützen. Im nächsten Moment krachte die Wohnungstür und ein braunhaariger Mann betrat den Flur. Er war sicher nicht viel kleiner als Reno, auch nicht dünner oder dicker. Er entdeckte mich fast sofort und betrat die Küche, drückte meine Hand mit der Pistole einfach Richtung Boden. "Man bedroht keine Menschen, die einem den Hals retten wollen. Wo ist Reno?" "Unterwegs", antwortete ich schlicht. "Gut. Schnapp dir Jacke, Schuhe und Handy und komm!" Einen Moment stand ich unschlüssig da, bis er mir einfach die Waffe aus der Hand nahm und mich in den Flur schob. Ich kannte ihn nicht, aber er hatte Reno helfen wollen. Sollte ich ihm vertrauen? "Mach schon! Du hast die Wahl zwischen sterben oder mitkommen!" Erschrocken über seine Wort schlüpfte ich in meine Schuhe und Jacke, schnappte mir mein Handy und mein Portemonnaie und ließ mich von dem Fremden aus der Wohnung ziehen. Er zerrte mich mit durch das Treppenhaus nach unten und setzte den Weg so lange so fort, dass ich neben ihm herjoggen musste, bis wir knapp 50 Meter von dem Hochhaus entfernt waren. Er ließ mich auch dann nicht los, verlangsamte sein Tempo aber. "Egal, was passiert, du drehst dich nicht um, klar?", befahl er grob. "Ja." Meine Stimme zitterte. Ja, ich hatte Angst vor ihm. Ich kannte ihn nicht, ich wusste nicht, ob er mich nicht vielleicht jagte. Was sollte ich auch über ihn denken? Erschrocken fuhr ich zusammen, als es hinter uns mehr als nur laut knallte und wir danach von einer Druck- und Hitzewelle getroffen wurden. Es war nicht schlimm, aber ich musste heftig gegen den Drang ankämpfen, mich umzudrehen. "Was… Was war das?", fragte ich leise, obwohl ich es nur zu genau wusste. "Ein Sprengsatz", antwortete er mir schlicht und zog mich in eine schmale Gasse zwischen zwei Wohnblocks, drückte mich dort gegen die Mauer und stützte sich zu beiden Seiten neben mir ab. "Spiel einfach mit. Es ist zu deinem Besten." Ich konnte nur erahnen, wie verschreckt ich aussehen musste, aber war das wirklich so unverständlich? Urplötzlich legte der Fremden dann auch noch seine Lippen auf meiner, drückte mich härter gegen die Mauer in meinem Rücken, legte meine Hände auf seinen Rücken. Kurz löste er sich von mir und sah mich fest an. "Mach die Augen zu!", befahl er. Ich stand zwar dort wie eine Salzsäule, war aber noch anwesend genug, um ihm zu gehorchen. Ich zitterte vor Kälte, aber das war gerade mein geringstes Problem. Fest küsste der Fremde mich wieder, teilte meine Lippen und ließ mich so noch stärker zittern. Ich bemühte mich, meine Hände zwischen uns zu bekommen, um ihn von mir zu schieben, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Ich hörte zwei Personen an uns vorbeigehen, konnte aber nichts tun, um mich bemerkbar zu machen. Als sie vorbei waren ließ der Fremde aber von mir ab. Verblüfft sah ich ihn an. Manche Männer waren mir ein Rätsel. Still zog er mich weiter, über die Straße und durch ein paar kleine Nebenstraßen, bis wir auf einem halbwegs belebten Fußweg standen. "Ruf Reno an!" Ich nickte und kramte mein Handy aus der Tasche, wählte dann mit zitternden Fingern die Nummer. Ich kannte sie auswendig, auch wenn ich ihn noch nie angerufen hatte. Er meinte, es wäre sicherer so, und er hatte verdammt nochmal recht gehabt! "Ja?" Ich atmete auf, als ich seine Stimme hörte. "Reno, ich bin's." Mir selbst entging das Zittern meiner Stimme nicht, und es wäre ein Wunder gewesen, hätte er es nicht gehört. "Hikaru? Ist alles okay?" "Nichts ist okay! Im Wohnhaus war ein Sprengsatz, und wäre nicht ein Fremder gekommen, der dich gesucht hat und mich dann rausgezerrt hat, wäre ich tot!" "Was? Stop, Stop, Stop! Ganz ruhig, Kleines. Wer hat dich da rausgeholt?" "Keine Ahnung! Reno, komm her, bitte…" Ich biss mir auf die Unterlippe, um die Tränen zu unterdrücken. Die konnten immer noch fließen, wenn ich wieder bei ihm war. "Kleines, beruhige dich. Ist der Fremde bei dir?" "Ja, und er hat mich einfach geküsst!" "Gib ihn mir. Ich kann ihm später noch dafür den Kopf abreißen." Ich seufzte und gab meinem Begleiter mein Handy, lauschte dann einfach dem Gespräch. "Ja, Reno, nur ich, keine Panik… Ihm scheint es so weit gar nicht schlecht zu gehen, er ist nur ein bisschen aufgewühlt… Kann ich dir die Sache mit dem Kuss später erklären?… Würde ich ja gern, aber du kennst das Problem… Ein geeigneter Treffpunkt vielleicht? Wie wäre es mit unserem?… Ich komm klar, für ein paar Tage verschwinden ist kein Problem… Gut, dann sehen wir uns da." Knapp hielt er mir das Handy wieder hin. "Reno will dich noch kurz sprechen." Ich nickte und hielt mir das kleine Gerät ans Ohr. "Ja?" "Hikaru, du kannst ihm vertrauen", meinte mein Freund gleich zu mir. "Er heißt Ryouga und ist zwar einer meiner Kollegen, aber auch mein bester Freund." "Wenn du meinst", nuschelte ich. "Sehen wir uns heute noch wieder?" "Ja, Kleines, ganz sicher." Einen Moment schwieg er, zögerte mehr als deutlich, bevor er noch eine Kleinigkeit anhängte, die mein Herz aber schneller schlagen ließ: "Ich liebe dich." "Ich dich auch", antwortete ich lächelnd. Ja, solche Kleinigkeiten konnten mir durchaus den Tag retten. "Bis später." Schon deutlich zufriedener beendete ich das Gespräch. Wenigstens wusste ich jetzt, dass mich nicht irgendjemand entführt hatte, der um jeden Preis meinen Tod wollte, was ja auch beruhigend war, obwohl es für so jemanden doch leichter gewesen wäre, mich einfach in der Wohnung zu lassen. Natürlich taten mir die anderen Bewohner leid, aber momentan war ich einfach nur froh, dass es Reno und mir gut ging und dass wir uns bald wiedersehen würden. "Komm, Hikaru. Du willst doch möglichst schnell wieder zu deinem Geliebten." Ruhig schlenderte Ryouga einige Schritte voraus, bis ich ihm folgte und zu ihm aufgeholt hatte. "Du hast dein Leben riskiert, um Reno zu retten", bemerkte ich nach ein paar Metern leise. "Wir sind Freunde, da tut man so was", war die gelassene Antwort, die ich bekam. "Schon, aber wieso hast du mich mit herausgenommen?" Er zuckte mit den Schultern. "Du musst ihm viel bedeuten, sonst hätte er dich nicht bei sich wohnen lassen." Okay, das war einleuchtend. "Weißt du, was zwischen ihm und mir ist?", fragte ich leise. Woher sollte ich auch wissen, ob Reno je mit seinem besten Freund über mich gesprochen hatte? "Teilweise", antwortete Ryouga mir. Ich hätte fragen können, was das bitte bedeutete, aber im Prinzip machte es keinen Unterschied. Er hätte auch ruhig jede noch so kleine Einzelheit wissen können, weiter interessiert hätte es ihn wohl nicht. Schweigend führte er mich immer tiefer in einen alten Teil Mitos, der ziemlich weit außerhalb lag. Dass er immer wieder Umwege ging, war mir eigentlich egal, mir blieb eh nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Außerdem tat er es sicherlich nicht grundlos, und ich hatte die Vermutung, dass er so eventuelle Verfolger abhängen wollte. Oder mich in die Irre führen, damit ich nie wieder hierher zurückfand. Nach einer Weile steuerte er auf eine kleine Halle zu. Vielleicht war es früher so etwas wie ein Zwischenlager gewesen, aber da das komplette Gelände und somit auch die großen Hallen stillgelegt worden waren, hatte auch niemand mehr das kleine Gebäude gebraucht. Kurz hielt er mir die Tür auf und ließ mich den Raum betreten. "Reno!" Erleichtert fiel ich meinem Freund um den Hals. Ich wollte ihn nie wieder loslassen, aber es schien nicht nur mir so zu gehen. Fest drückte er mich an sich. "Hikaru, es ist gut", flüsterte er mir zu. "Egal, was jetzt kommt, wir schaffen das." Ich nickte und legte meinen Kopf an seine Schulter. Es war zwar nichts gut, und ich war auch nicht davon überzeugt, dass wir alles schaffen würden, aber viel schlimmer konnte es für uns nicht mehr werden. Und wir waren immerhin zusammen, was mir schon etwas Hoffnung gab. "Ich erinnere euch nur ungern an meine Anwesenheit, aber was jetzt?" Das erste Mal verfluchte ich Ryouga, aber wirklich sauer sein, konnte ich auch nicht. Ich ignorierte ihn trotzdem, sah mich lieber etwas um, indem ich an meinem Freund vorbei sah. Er hatte ein Feuer gemacht, um zumindest etwas Wärme entstehen zu lassen. In gerade sicherer Entfernung lagen zwei Matratzen mit Kissen und einigen Woll- und Fleecedecken. Ich wusste nicht, wie lange wir hierbleiben wollten, aber eine Weile würden wir es schon aushalten, denn ich sah Wasserflaschen und verschiedene Nahrungsmittel. Eine Tür führte aus dem Raum, ich vermutete, dass es ein Toilettenraum war, den man dort betrat, aber genau wusste ich es nicht. "Lange bleiben können wir nicht", antwortete Reno ruhig. "Denkst du, du kannst uns eine halbwegs sichere und saubere Unterkunft besorgen?" "Sicher. Und natürlich auch nicht zu teuer. Ich schaffe das, aber bis morgen müsst ihr mindestens hierbleiben." "Wir werden es überleben. Und, Ryou, danach brauchen du und ich neue Handys." "Auch darum kümmere ich mich. Ich geh mir jetzt eine Bleibe suchen, kümmere du dich mal um dein kleines Blondchen." Ich spürte, wie Reno meine Hand nahm, und ich hörte, wie Ryouga ging. Ich war also mit Reno allein. Zwar an keinem schönen Ort, aber vorübergehend sicher. Im nächsten Moment hatte er mich wieder fest an sich gezogen. "Jage mir bitte nie wieder so einen Schrecken ein, ja?", bat er mich leise und strich mir über den Rücken. "Ich hatte Angst um dich." "Tut mir leid", murmelte ich und sah zu ihm auf. "Ich bin nur froh, wieder bei dir zu sein." "Zieh deine Jacke aus und leg sie irgendwo hin. So lange wir hier sind, können wir doch immerhin versuchen, es uns gemütlich zu machen." Ich nickte und legte meine Jacke zu seiner, setzte mich dann auf eine der Matratzen und sah in die Flammen. Ich spürte die Tränen in mir aufsteigen, als ich an die Menschen dachte, die in dem Haus gewesen waren. Ob vielleicht ein oder zwei von ihnen überlebt hatten? Tröstend zog Reno, der sich neben mich gesetzt hatte, mich an sich, sagte aber nichts weiter. Ob er vielleicht wusste, was mich bewegte? Zuzutrauen wäre es ihm gewesen, er kannte mich bei Weitem gut genug. Es fiel ihm bestimmt nicht schwer, meine Gedanken zu erraten. Und er schwieg, weil er wusste, dass er nichts tun konnte, nichts sagen konnte, dass mir in dieser Situation half. Ich musste das auch erst einmal mit mir selbst ausmachen, und dabei konnte er mir ohnehin nicht helfen. Ich genoss seine Wärme. Es war anders, er war anders als das Feuer. Er war einzigartig, und der einzige Mensch, für den ich bereit war, dass alles über mich ergehen zu lassen. Ich wollte nicht an die Toten der Explosion denken. Ich musste nach vorn sehen, nur war das gar nicht so leicht. Wir konnten nicht in dieser Stadt bleiben, genauso wenig konnten wir in diesem Land bleiben, wenn wir überleben wollten. Nur wie weit mussten wir weg? Wollte ich das denn überhaupt so genau wissen? Ich würde mit Reno um die halbe Welt fliehen, wenn die Situation es erforderte. Und wenn wir uns bei irgendeinem Stamm von Ureinwohnern in Afrika verstecken müssten, ich würde es tun. Für ihn, für mich - und letzten Endes für uns. Kapitel 7: S•E•V•E•N -------------------- ☆ Ich wusste nicht, wann ich eingeschlafen war, aber ich erwachte erst, als schon wieder etwas Licht durch das Deckenfenster fiel. Ich spürte Renos Körper neben mir, mein Kopf lag auf seiner Brust und ich hörte seinen Herzschlag und seine Atmung. Er war wach, weshalb und seit wann auch immer. Ob er überhaupt geschlafen hatte? Oder ob er nachdachte, sich um unsere Zukunft sorgte? Ich ruhte einfach weiterhin an seinem Körper. Solange es für mich keinen Grund gab, diesen Platz zu räumen, würde ich es auch nicht tun. Wieso sollte ich auch? Er war das einzige, das mir noch Sicherheit gab. Auch wenn ich wusste, dass wir beide in Gefahr waren, er vielleicht noch mehr als ich, aber nur ihm konnte ich vertrauen. Aber was war eigentlich mit Ibuki? Plötzlich bekam ich ein schlechtes Gewissen. Er machte sich bestimmt Sorgen, immerhin hatte er seit neun Tagen kein Lebenszeichen mehr von mir bekommen. Ich wäre gern zu ihm gegangen, aber das konnte ich nicht. Ich hatte ihn anrufen wollen, aber ich war doch zu sehr mit Reno und mir beschäftigt gewesen. Eines wusste ich ganz sicher: Wenn wir ins Ausland fliehen mussten, wollte ich ihn dabei haben. Oder er sollte nachkommen. Ich hatte zwar Reno als meinen festen Freund - Himmel, war es ein komisches Gefühl, das zu denken - aber ich wollte auch meinen besten Freund mitnehmen, und das war einfach Ibuki. Auch wenn er eventuell sauer auf mich wäre, aber was sollte ich schon tun? Wenn ich ihm die Situation erklärte, wäre er bestimmt bereit, mir zu verzeihen. "Hikaru? Du brauchst gar nicht so zu tun, als würdest du noch schlafen." Zärtlich kraulte Reno meinen Nacken. "Tu ich doch gar nicht", murmelte ich missmutig, seufzte dann aber zufrieden. Wie schaffte er es nur, mich so um den Verstand zu bringen? "Warum bist du dann so still?" "Ich denke nach. Ich muss telefonieren." "Okay. Von deinem Handy aus kannst du das ruhig tun." Ich wusste, wie zusammenhanglos meine Aussagen gewesen waren, aber das eine war einfach die Antwort auf seine Frage gewesen, das andere das Ergebnis meiner Überlegungen. Und es war von mir definitiv keine Frage gewesen, lediglich eine Feststellung. Und als ob ich mit seinem Handy telefonieren würde. Wortlos krabbelte ich zu meiner Jacke und zog das Telefon aus meiner Tasche, kuschelte mich dann wieder an Reno, der in der Zwischenzeit das Feuer wieder angefacht hatte. Es war auch eisig geworden. Gott sei Dank waren wir zu zweit und hatten Decken. Unentschlossen sah ich auf meinen Handydisplay. Sollte ich wirklich…? Aber was, wenn er mich gar nicht sprechen wollte? Ich hatte immerhin auf keine seiner Nachrichten reagiert. Hatte ich denn eine wirkliche Wahl? Wie von selbst wählte ich die Nummer, hielt mir mein Handy ans Ohr und wartete. Vielleicht ging er ja auch gar nicht ran. Aber warum erleichterte mich dieser Gedanke so? Ich war ein verdammter Feigling. Ich hatte Mist gebaut, weil ich mich nicht bei ihm gemeldet hatte, und jetzt musste ich dafür gerade stehen. "Hikaru?", kam es aufgeregt von meinem besten Freund. "Hey, Ibuki." Ich hätte meinen Kopf gegen die nächste Wand schlagen können. Selbst ich hörte den eingeschüchterten Unterton in meiner Stimme. "Wo bist du? Wie geht es dir? Was ist los und warum hast du mir nicht geantwortet? Ich habe mir Sorgen gemacht!" Er klang nicht sauer, das war doch schon mal ganz gut. Er war eher etwas zwischen aufgeregt und erleichtert. "Tut mir leid, das wollte ich nicht. Also… Wo ich bin, weiß ich selbst nicht so genau, aber ich bin relativ sicher. Mir geht es nicht schlecht. Die Situation ist kompliziert und ich konnte dir nicht antworten." "Wurdest du entführt?", fragte er atemlos. "Wollen sie Lösegeld? Wie viel? Ich besorge die Kohle, ich brauche nur etwas Zeit!" Entführt? Äh… "Ibuki, komm runter. Ich wurde nicht entführt, eher gerettet. Und ich bin freiwillig bei meinem Retter geblieben." "Keine Entführung, gut. Wäre das Lösegeld auch zu hoch gewesen, hätte ich auch eine Bank überfallen müssen. Aber warum bist du bei deinem Retter? Der Boss ist tierisch sauer auf dich", plapperte er munter weiter. "Hast du einen neuen Freund gefunden?", hängte er noch neckend an. Okay, das mit meinem Chef hätte ich mir auch denken können. "Der Boss ist mir gerade so etwas von scheißegal", ließ ich meinen besten Freund auch gleich wissen. "Und, jein, eigentlich nicht. Kannst du dich erinnern, dass ich dir von Reno erzählt habe?" "Klar. Deine Kindheitsliebe", lachte er. "Nicht nur. Was denkst du, wie weit das mit deinen Fragen zusammenhängt?" Ich grinste vor mich hin, gespannt, ob er es herausfinden würde. Er war nicht dumm, aber ob er darauf kommen würde, war eine ganz andere Geschichte. "Reno ist dein Retter? Und ihr seid wieder zusammen?" Ibuki klang leicht verwirrt, aber ich wusste, dass er sich für mich freute. "Volltreffer, Schätzchen. Mach dir keine Sorgen um mich, er wird schon auf mich aufpassen." "Ehrlich, Kleiner, ich glaube dir. Aber wie weit seid ihr zwei Hübschen denn schon gegangen? Ich hoffe doch, dass es nicht bei Küsschen geblieben ist." "Nein", antwortete ich lachend. "Aber es blieb in einem gewissen Maße." "Soll heißen, du hast noch nicht den Hintern für ihn hingehalten?" Ich seufzte. Warum war er nur so direkt? "Nein, noch nicht, aber das liegt nicht an mir." "Also will er nicht?" "Keine Ahnung. Ich glaube, dass es nicht am Willen scheitert." "Das heißt, er traut sich nicht?", schlussfolgerte mein Gesprächspartner. "Denke ich", bestätigte ich seine Vermutung. Vielleicht hätte ich Reno meine Geschichte nie erzählen sollen. "Dann trete ihm doch in den Arsch. Oder hast du auch Angst?" "Angst nicht. Ich bin eher… nervös. Aber glaube mir, bald gibt es eine klare Ansage." Ich grinste bei dem Gedanken daran. Klar war ich auch irgendwo ängstlich, aber ich wollte doch endlich weiterkommen. "Dann musst du mir alles erzählen. Ich will Details, und zwar alle. Können wir uns nicht treffen?" "Ich denke nicht. Es kann sein, dass Reno und ich das Land verlassen müssen." Ich seufzte leise und schloss die Augen. "Klingt gar nicht gut", stellte Ibuki fest. "Aber ich komme dann mit. Du kennst mich, ich liebe Abenteuer, auch wenn ich nicht wissen will, wo du da reingeraten bist." Ich lachte leise. "Doch, willst du. Ich erzähle es dir später irgendwann, aber ich muss erst gucken, was als Nächstes passiert." "Kann ich verstehen. Kurzer, melde dich bald mal wieder bei mir, ich muss los, habe einen Termin." Ein leises Seufzen verließ meine Lippen. Wie ich Ibuki kannte, war er viel zu spät dran. "Pass auf dich auf", bat ich ihn leise. Wer konnte sich ausmalen, was passierte, wenn die Yakuza - in diesem Falle die Bösen, wer hätte auch gedacht, dass es Gute unter ihnen gab? - ihn in die Finger bekamen? Gut, ich konnte es mir sehr gut denken, aber ich wollte ihn nicht mit reinziehen. "Du auch", antwortete er und legte dann auf. Meine Hand zitterte, als ich das Handy zur Seite legte. Das erste Mal sah ich, wie tief wir wirklich in Schwierigkeiten steckten. Ich hätte mir selbst in den Arsch treten können, weil mein Körper das auch so genau zeigte. Ich war einfach zu weich. Zu mädchenhaft. Und manchmal hasste ich diese Seite an mir. Sanft rieb Reno mir über den Rücken und hauchte mir einen Kuss aufs Haar. Er wollte nicht, dass ich mir Sorgen machte, aber ich hatte es wohl einfach nicht besser verdient. Mein Leben war nie wirklich leicht gewesen, und das würde es auch nie werden. Ich war mit einem Auftragsmörder der japanischen Mafia zusammen, der des Verrats verdächtigt wurde und aus diesem Grund umgebracht werden sollte, aber mit mir untertauchen wollte. Aber wo sollten wir hin? Hier konnten wir nicht bleiben, wir mussten abhauen, am Besten so weit weg wie nur irgendwie möglich. Nur… War es das, was ich wollte? Ich war mir sicher, dass ich Reno wollte, aber war ich wirklich bereit, diesen Preis zu bezahlen? Den Rest meines Lebens aufpassen zu müssen, um nicht hinter der nächsten Ecke umgebracht zu werden? Ich schluckte merklich. Tief in mir kannte ich die Antwort. Ich hatte Reno trotz seines Berufs gewollt. Ich wollte ihn um jeden Preis, das war eine Tatsache, die ich weder leugnen konnte noch wollte. Es war mir schlichtweg egal, in welcher Gefahr ich schwebte. Ich wollte Reno nie wieder hergeben, und dabei blieb es. Nichts konnte schlimmer sein, als ohne ihn zu leben, und ich wusste wirklich, worum es ging. Und wenn ich starb, dann war es so, aber ich wollte vorher noch etwas Zeit mit Reno verbringen. Irgendwann musste sowieso jeder Mensch abtreten, also konnte ich die Zeit auch nutzen. Träume, als würdest du ewig leben; lebe, als würdest du morgen sterben. Warum sollte ich das also nicht tun? Und wenn ich dafür fliehen musste, so lange Reno bei mir war, konnte ich es überleben. Und Ibuki wollte auch mitkommen, wo war also das Problem? "Hikaru, Kleines, alles in Ordnung?", fragte Reno mich leise. Ich konnte als Antwort nur Nicken. Das Problem war, dass ich Angst hatte. Punkt. Ganz simpel. Ich wollte keine Zukunft, die ich nicht vorhersehen konnte. Früher hatte mich die Eintönigkeit fast zur Weißglut getrieben, aber jetzt? Jetzt hatte ich den Salat. Abenteuer und Action, das, was ich früher gewollt hatte. Konnte ich bitte die Eintönigkeit zurück bekommen? Fand sich irgendwer, der mit mir tauschen wollte? Nun, erstes war leider völlig unmöglich, und zweites - leider auch. Vor allen Dingen würde ich Reno nicht so einfach hergeben. "Hikaru", seufzte er theatralisch und strich mir durch die Haare, "ich will wissen, was los ist. Das nicht alles in Ordnung ist, ist klar. Also?" "Wenn wir abhauen… Wohin?" "Weg. Ich weiß nicht, wohin, aber Ryouga wird mitkommen. Und Ibuki anscheinend auch. Aber erst einmal tauchen wir hier in der Stadt unter und warten ab, bis sich die Situation beruhigt hat." Ich nickte leicht. "Was, wenn sie uns finden?" "Dann sind wir beide tot." Er klang so ruhig als würde er über das nächste Mittagessen reden, wodurch mir ein kalter Schauer durch den Körper lief. Wir beide waren in Lebensgefahr und er blieb völlig ruhig. Irgendwas hatte sich doch sehr stark in ihm verändert. Und auch, wenn ich einsah, dass jeder Mensch irgendwann sterben musste, war ich immer noch nicht scharf darauf. "Reno", jammerte ich also los, um ihn auf meine Sicht der Dinge aufmerksam zu machen. "Ich weiß, Kleines. Ich will auch nicht sterben, aber wenn sie uns finden, werden sie uns sicherlich nicht mir Blumen überhäufen. Würdest du dich jetzt von mir trennen und mich nie wieder sehen, hättest du eine Chance." "Niemals!", fauchte ich angriffslustig. "Und du würdest dich ihnen ausliefern, oder was?!" "So ähnlich", antwortete er mir völlig neutral. "Wahrscheinlich würde ich aber eher Ryouga bitten, mich umzubringen oder es selbst tun." "Sei still!", fuhr ich ihn an. Das konnte nur ein sehr schlechter Scherz von ihm sein. "Warum? Wenn du gehst, ist dein Leben gerettet, meins aber sinnlos. Was soll ich dann tun? Nur fliehen will ich nicht, wenn es dafür keinen Grund gibt. Und weißt du, warum ich die ganzen Jahre weitergemacht habe? Wegen dir. Meine Rache war zwar der offizielle Grund, aber ich habe für dich weitergelebt." "Und genau deswegen wirst du weitermachen, auch wenn wir uns trennen müssen." Meine Stimme war nur ein Zischen, aber ich wusste genau, dass er mich verstand. "Ich verlange, dass du lebst, weil es für mich sonst auch keinen Grund mehr gibt!" Ich hörte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte, ob er jetzt sauer war oder sich freute, wusste ich nicht, und es war mir auch ziemlich gleich. Sollte er ruhig wissen, wie sehr ich ihn brauchte. Wenn er deswegen sauer auf mich war, bitte, ich wünschte ihm viel Spaß dabei. ★ Ich konnte nicht fassen, was mein Blondchen mir da gerade erklärt hatte. Er machte Witze, oder? Natürlich freute es mich, dass er mich so sehr liebte und nicht einfach ging, um sich zu retten, aber es ging auf jeden Fall zu weit, wenn er ohne mich nicht weiterleben wollte. Aber war ich denn besser? Ich hatte erst vor ein paar Tagen begriffen, dass er der einzige Grund für mich war, weshalb ich noch lebte. Meine Rache hatte es nur vor mir selbst und vor anderen gerechtfertigt. Mir war klar, dass ich ihn nicht davon abbringen konnte, und würde ich etwas Falsches sagen, ginge er wahrscheinlich doch noch an die Decke. Manchmal war Schweigen ihm gegenüber besser als alle Worte. Manchmal verbarg die Stille die Wahrheit besser, als alle Lügen es konnten. Und ich konnte ihn nicht anlügen. _________________________________________________________________________________ Also... Ich hoffe, man nimmt mir den kleinen Fehler, der im letzten Kapitel angesprochen wurde, nicht übel. ._. Als Nachwort nur noch kurz: Das Zitat ist von James Dean. Ich dachte nur, es passte in diesem Zusammenhang. Denkt euch nichts bei einer verwirrten Autorin.^^' Kapitel 8: E•I•G•H•T -------------------- Und Kapitel Nr. 8. Wir nähern uns gaaaanz langsam dem Ende, aber vorher werdet ihr mich zumindest noch für ein gemeines Kapitelende hassen. >D Zu diesem Kapitel: Überraschung! Komplett und durchgehend Renos Sicht. Ich dachte mir, dass man auch einmal etwas über seine Gedanken und Gefühle erfahren sollte, und dafür habe ich mir einfach ein komplettes Kapitel genommen. Und besonders die Endszene war aus Renos Sicht besser zu schreiben. Aber an alle Leser: Vorsicht, nicht vor Lachen ersticken! Ich weiß, dass das irre witzig fand. Und ich beim Schreiben auch ein Grinsen im Gesicht hatte. Sonst... Ich hoffe, ich habe alle Rechtschreib- bzw. Kommafehler gefunden, aber es kann auch sein, dass ich Kleinigkeiten übersehen habe. Und JETZT kommt das Kapitel! xD Viel Spaß beim Lesen! Hikari _________________________________________________________________________________ ★ Wir lagen den ganzen restlichen Tag schweigend beieinander. Mehr hatten wir auch nicht zu tun, abgesehen davon, dass ich manchmal etwas Holz auf das Feuer warf. Das waren eigentlich auch die einzigen Momente, in denen ich mir sicher war, dass Hikaru nicht schlief. Ich lauschte zwar auf seinen Atem, aber wirklich schlau wurde ich daraus nicht. Ich wurde allgemein nicht wirklich schlau aus ihm, aber es gab für mich Schlimmeres. Was würde wohl passieren, wenn ich gehen würde? Ohne ihn? Würde er meine Entscheidung akzeptieren? Es wäre besser für ihn, das wussten wir beide, immerhin wurde ich gejagt, nicht er. Das wusste ich und das wusste er. Trotzdem blieb er. Mein Kleiner war so mutig. Und so leichtsinnig. Glaubte er wirklich, dass alles einfach so wieder gut werden würde? Dass wir so einfach das Land verlassen könnten? Wenn es so war, war es gut. Für ihn. Ich wollte ihm nicht sagen, wie aussichtslos die Situation eigentlich war. Und das kleine bisschen Hoffnung, das auch in mir noch bestand, wollte ich nicht zerstören. Diese Hoffnung war das, woran ich mich verzweifelt klammerte. Ich wusste, dass sie mich am Ende auch nur verlassen würde, aber was sollte ich tun? Würde ich sie einfach schon aufgeben, war ich verloren und Hikaru gleich mit. Wir hatten uns noch nicht lange wieder, aber keiner von uns wollte auf den jeweils anderen verzichten. Lieber Seite an Seite sterben als getrennt leben. Ich wusste, dass er es auch so sah. Wir waren uns zu nah, unsere Leben waren zu eng miteinander verflochten, schon immer gewesen. Auch wenn wir uns mehr als mein halbes Leben nicht gesehen hatten, war er immer bei mir gewesen. Unsichtbar in meinem Verstand und meinem Herzen, aber immer da. Bei wichtigen Entscheidungen hatte ich überlegt, was er an meiner Stelle getan hätte, und hatte demnach gehandelt. Es war also eigentlich immer seine Wahl gewesen, und sie hatte mich zu ihm gebracht. Wieder. Ich hörte, wie jemand unseren Unterschlupf betrat, und ich spürte, wie mein kleiner Liebling zusammenzuckte. "Ist gut", flüsterte ich ihm zu, "es ist nur Ryouga." Trotz der mittlerweile wieder herrschenden Dunkelheit war ich mir da sicher. Ich sah ihn zwar nicht, aber ich kannte seine Art, sich zu bewegen und die Geräusche, die er verursachte, gut genug. Kurz darauf trat die schlanke Gestalt meines besten Freundes in den von dem Feuer erhellten Bereich. Und Hikaru wurde sofort wieder ruhiger. "Störe ich?", fragte Ryouga grinsend und ließ sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf den Boden sinken. Er wäre auch geblieben, hätte ich 'Ja' gesagt. Ein Wunder, dass er überhaupt diese Frage stellte. "Nein, gerade nicht", war meine knappe Antwort. "Fein. Ich habe zwei neue Handys und ein freies Doppelzimmer in einer kleinen sauberen Pension ab morgen, Bett, Mini-Kühlschrank, Bad und Toilette inklusive." Zufrieden mit sich selbst lächelte er mich an, fügte dann hinzu: "Schalldicht sind die Zimmer leider nicht, aber auch Huren steigen da mit ihren Freiern ab, also stört es niemanden, wenn ihr etwas lauter werdet. Über Weihnachten sind da eigentlich eh kaum Gäste." Das war ja auch das allerwichtigste Kriterium. Das bedeutete aber, dass es bezahlbar war und niemand sich um Hikaru und mich kümmern würde. Es war nicht so, dass ich der Idee, mit ihm zu schlafen, abgeneigt war, aber ich wollte auf ihn warten, ihn auf gar keinen Fall zu etwas drängen. Er sollte mir ein Zeichen geben, und darauf lauerte ich mittlerweile nur noch. Mein Verlangen nach ihm war mittlerweile schon ziemlich stark geworden, aber ich würde nichts tun, wovon ich nicht sicher war, ob es für ihn okay war. "Wann können wir umziehen?" Um einmal zum Thema zurückzukommen. "Nach Mittag. Soll ich für euch noch Klamotten besorgen gehen oder macht ihr das allein?" Ich spürte, wie Hikaru zu zittern begann. Ich konnte mir nur vorstellen, was diese Reaktion hervorrief, aber ich konnte nichts tun. Diese Machtlosigkeit war momentan das Schlimmste für mich. Und dafür hätte ich Ryouga in den Arsch treten können. Beruhigend legte ich meine Hand in Hikarus Nacken und kraulte ihn. Zwar blieb sein Zittern, aber mehr konnte ich nicht machen, solange Ryouga noch da war. "Mach du das bitte. Und besorge zwei Reisetaschen. Nach dem Jahreswechsel hauen wir ab." "Geht klar. Braucht ihr noch Beruhigungsmittel oder so etwas?" Er sah kurz zu meinem Liebsten. Ich wusste natürlich, was er meinte, aber Hikaru würde sich weigern, irgendwelche Tabletten zu nehmen. Und so lange ich bei ihm war, würde er nicht völlig durchdrehen. "Nein", war also meine Antwort, während ich nachdenklich zu meinem Kleinen sah. Sollte es zu irgendeiner absoluten Notsituation kommen, konnten wir sicher noch etwas für ihn besorgen, und ich war immerhin auch noch da. "Gut. Ich muss los. Wenn es anfängt zu schneien, falle ich auf, so kann ich mich immerhin noch ungesehen bewegen." "Wir sehen uns dann morgen", verabschiedete ich mich von ihm, woraufhin er aufstand und den erleuchteten Bereich verließ. Ich wartete, bis er nicht mehr im Raum war, bevor ich mich leise an Hikaru wandte: "Was ist los, Kleines?" Ich hatte eine grobe Ahnung, worum es gehen könnte, aber ich konnte nicht sehen, was in dem schönen Köpfchen vor sich ging. Es wäre ja auch zu einfach gewesen. "Nichts", nuschelte er und sah zu mir auf. Ich wusste nicht, ob er bemerkt hatte, wie sein Körper reagierte, aber wenn er nicht mit mir darüber reden wollte, würde ich auch nicht weiter nachfragen. Auch wenn es mich schon fast zerriss, dass er mich immer wieder zurückwies, wenn ihn etwas bewegte und er daran fast zerbrach. Ich zog es aber vor, in so einer Situation nichts zu sagen, helfen konnte ich ihm eh nicht, wenn ich die Ursache seines Leidens nicht kannte. Ich fragte mich manchmal, ob er wusste, wie es sich für mich anfühlte. Ich verschwieg ihm zwar auch dieses und jenes, aber ich wollte ihn nur davor bewahren, die Hoffnung zu verlieren. Und ließ ich ihn meine Gefühle so genau spüren? Dann hätte er mich bestimmt schon gefragt, was in mir vorging. Und hätte ich es ihm verschwiegen? Ich liebte ihn, wir waren zusammen und wenn jemand das Recht hatte, etwas über meine Gedanken, Gefühle und Wünsche zu erfahren, war er es. Ich hätte es ihm wahrscheinlich einfach gesagt, ohne über die Folgen nachzudenken. Wahrheit war beruhigender als Unwissenheit. Kannte man sie, konnte man auf das, was war, reagieren. Wusste man es nicht, war man ausgeliefert. Ich wollte ihm gern die ganze Wahrheit mit ihrem bitteren Beigeschmack sagen, aber ich wollte ihm auch keine Angst einjagen. Die hatte er auch so schon. Aber vielleicht war sie noch nicht stark genug. Wäre sie das, würde er gehen, ohne mich. Jeder Mensch hatte doch einen Selbsterhaltungstrieb, der ihn von Gefahren wegtrieb. Und wenn ich keine Gefahr für ihn war, wer dann? Lange würde ich wahrscheinlich eh nicht mehr leben, also konnte ich ihn freigeben, aber er würde sich weigern, mich allein zu lassen. Seufzend strich ich ihm durch die Haare. Er war eingeschlafen. Wie ich doch hoffte, dass er von besseren Zeiten träumte, so wie ich es tat. Wenn ich denn schlief, was nicht oft oder lange vorkam. Ich hatte mich daran gewöhnt, wenig zu schlafen, und es war kein Problem für mich, auch zwei oder drei Tage ganz ohne Schlaf auszukommen. Aber im Moment schlief ich gern. Es war die einzige Zeit, in der ich der Realität entkam. Die Realität war einfach nur grausam zu mir, gerade jetzt. Kaum hatte ich den Menschen, der mir auf der Welt am Meisten bedeutete, wieder, sollten er und ich sterben. Und wahrscheinlich würde es auch so kommen, die Yakuza waren stark genug. Und trotzdem wollte ich versuchen, mit ihm zu fliehen. Wie seltsam es doch war. Liebe war seltsam. Sie brachte Menschen dazu, auch in der hoffnungslosesten Situation noch zu glauben und die komischsten Dinge zu tun. Ich war nicht mehr lange wach gewesen, zu bedrückend waren die Schatten gewesen. Ich mochte die Dunkelheit eigentlich, aber momentan konnte ich sie nicht ertragen. Die Dunkelheit, die in mir herrschte, genügte völlig. Ich war auch wieder vor Hikaru wach gewesen. Ich brauchte einfach nicht viel Schlaf, er schon. Und er sah einfach zu süß aus, wenn er schlief. Genau dieses Bild versetzte mich fast immer in einen Tagtraum. In eine friedlich Welt, in der ich niemals hatte töten müssen. In der wir nicht auf der Flucht waren. Diese Welt gab es nur nicht. Und bevor wir verschwanden, hatte ich noch etwas zu erledigen. Vielleicht würden wir es schaffen, tatsächlich das Land zu verlassen. "Reno, bist du wach?", nuschelte mein Freund nach einer Weile, in der ich mir die perfekte Welt ausgemalt hatte. Ich hatte sogar schon den idealen Job für mich gefunden. "Bin ich, Kleiner", antwortete ich leise, strich ihm über die Haare. Er war so schön, schon direkt nach dem Aufstehen. Und er gehörte nur mir. "Es ist schon hell draußen", murmelte er und richtete sich etwas auf, sah mich verschlafen an. "Und? Wir haben es nicht eilig." "Ich weiß. Aber wir könnten schon anfangen, uns langsam fertig zu machen." "Könnten wir", bestätigte ich lächelnd. Ich hoffte, dass er verstand, dass das nicht in meinem Interesse lag. "Wir könnten natürlich auch noch etwas liegen bleiben und kuscheln", merkte mein Schatz lächelnd an und ließ sich wieder auf mich sinken. Ich lachte leise. "Das klingt viel besser. Und heute Abend haben wir wieder ein Bett." Ich spürte, wie er nickte. Die Aussicht war schon verlockend. Ein richtiges Bett und einfach mal abwarten, was passierte. Es war immerhin der 24. Dezember, und auch wenn man nicht christlich war, war es schon etwas Besonderes. Vielleicht hatte er ja etwas geplant. Ich hätte zu gern seine Gedanken erraten, aber vielleicht war ich auf der richtigen Spur. Und ich dachte viel zu oft das Wort 'Vielleicht', weil ich nur spekulieren konnte. Ich kannte Hikaru doch eigentlich bei Weitem gut und lange genug. Klar, meistens lag ich mit meinen Einschätzungen richtig, aber das bedeutete noch lange nicht, dass ich sicher wusste, was er tun würde. Aber wegen heute Abend… Ich hatte keine Ahnung. Ich wusste nicht, wie lange wir einfach dort gelegen hatten, bis Hikaru aufstand. "Komm", forderte er mich auf, "es ist nach Mittag und ich will mal wieder richtig duschen." Lächelnd erhob ich mich und suchte mit ihm unsere Sachen zusammen. Es war nicht viel, wir hatten so gut wie gar nichts mehr. Still gab ich ihm mein neues Handy, das Ryouga mir am vorigen Abend dagelassen hatte, nahm mein altes und warf dieses, ohne weiter über die Bilder, die Erinnerungen, die damit verbunden waren, nachzudenken in das Feuer. Zwar trug ich noch immer eine Waffe bei mir, aber es war ein neuer Anfang. Und dafür musste ich die Vergangenheit das sein lassen, was sie war - vergangen und unveränderlich. Und ich schwor, die Pistole nur noch solange wir in diesem Land, in dieser Stadt waren, bei mir zu tragen, nicht einen Tag länger. Schweigend verließen wir die Halle und machten uns auf den Weg zu der Pension, deren Adresse Ryouga mir per SMS geschickt hatte. Ich wusste nicht, ob er schon auf uns wartete, aber ich kümmerte mich nicht weiter darum. Mittlerweile wusste ich ja auch - geheiligt sei der, der SMS erfunden hat -, weshalb mein bester Freund meinen Kleinen geküsst hatte. Vielleicht sollte ich das Hikaru auch irgendwann erklären. Aber noch nicht. Er war nervös, das merkte ich, aber was sollte ich tun? Es war doch eigentlich ganz gut so, wie es war, und ein wenig Aufregung brachte ihn sicherlich nicht um. Wir erreichten die Pension schneller als gedacht und konnten auch gleich unser Zimmer erkunden. Es war nicht luxuriös, aber sauber. Das Bett war stabil und frisch bezogen, das kleine Bad machte auch keinen schlechten Eindruck und ganz allgemein war es zwar etwas dunkel, aber für den Preis mehr als ich erwartet hatte. Hikaru schien es genauso zu ergehen, er schnappte sich sofort ein Handtuch und verschwand ins Bad, woraufhin ich mich auf dem Bett ausstreckte. Ich wusste, dass Ryouga bald hier aufschlagen würde, und ich wollte seine Einkäufe doch zuerst inspizieren. Wäre vielleicht etwas besser. Ich schloss die Augen und entspannte mich einfach. Ich konnte nur warten, und es dauerte auch nicht lange, bis es an der Tür klopfte und ich Ryouga hereinließ. "Wie gefällt dir meine Auswahl?", fragte er mich direkt, und ich wusste, dass er sich auf die Unterkunft bezog. "Erfüllt alle Kriterien. Dafür wirklich gut." "Ich wusste es! Ich hoffe, die Klamotten sind auch okay." Ich machte mich daran, die Tüten auszupacken und den Inhalt nach Größe zu sortieren, und ich wunderte mich gar nicht, als mir eine Tube Gleitmittel und eine Packung Kondome in die Hände fielen. Skeptisch sah ich meinen besten Freund an, der aber nur mit den Schultern zuckte. "Ich dachte mir, dass es zwar auch ohne geht, aber dass es bestimmt nützlich ist." Seufzend räumte ich Kleidung und Pflegesachen vom Bett in den Schrank und ließ mich dann auf die weiche Matratze fallen. "Nützlich ist es, wenn man Sex hat. Aber gut mitgedacht." Langsam ließ Ryouga sich neben mich sinken. "Das heißt, da lief noch nichts?" "Ja und nein. Wirklich miteinander geschlafen haben wir noch nicht, aber sonst ist es schon bis an diese Grenze gegangen." "Und an wem liegt es?", hakte mein bester Freund nach. "An uns beiden. Ich will ihn, aber er hat eine katastrophale Beziehung hinter sich, also braucht er Zeit, und die gebe ich ihm." "Hat er dir gesagt, dass er das will?" "Nein, aber überstürzen wollte ich eh nichts. Und ich warte, bis er mir irgendwie signalisiert, dass es weiter gehen kann." Ryouga seufzte. "Wenn du meinst. Aber warum guckst du nicht einfach, wie weit er dich gehen lässt?" "Er würde aus Angst wahrscheinlich alles mit sich machen lassen." Ich sah ihn schweigend an. "Hat er Angst vor dir?", fragte er mich weiter. Ich schüttelte den Kopf. "Vor Schmerzen, die er nur zu genau kennt, denke ich." "Du denkst nur, du weißt es nicht. Rede mit ihm", war der einfache Rat, den Ryouga mir gab. "Ich muss weg, habe noch etwas zu erledigen." Ich nickte und schloss die Augen, hörte, wie er verschwand und wie nur Augenblicke später Hikaru aus dem Bad kam. "Du kannst duschen", verkündete er, und ich nahm dieses Angebot nur zu gern an. Das Wasser entspannte mich angenehm. Ich wollte nicht über irgendetwas nachdenken, das hatte ich in den letzten Tagen zu viel getan, und weitergebracht hatte es mich auch nicht. Schnell wusch ich mir die Haare und schäumte mich danach ein, ließ dann den ganzen Schaum davon spülen. Ich schlang mir, nachdem ich aus der Dusche getreten war, ein Handtuch um die Hüften und verließ das Bad. Hikaru saß auf dem Bett und hatte die Bürste auf das Kissen der freien Seite gelegt, drehte aber hochkonzentriert die Tube Gleitgel zwischen seinen Handflächen. Still bürstete ich meine Haare und wartete, dass er etwas sagte. Auch wenn ich darauf vielleicht ewig warten musste. "Bin ich dir zu dick oder nicht hübsch genug?", fragte er nach einer Weile emotionslos. Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. Worauf sollte das jetzt hinauslaufen? "Du bist wundervoll", antwortete ich wahrheitsgemäß, legte die Bürste zur Seite und setzte mich neben ihn. "Und warum zeigst du dann überhaupt kein Interesse daran, mir endlich deinen Schwanz in den Arsch zu schieben?", zickte er mich an, worauf ich erst einmal keine Antwort wusste. Daher wehte also der Wind. "So?", funkelte ich ihn an. "Wer sagt denn, dass ich das nicht will?!" "Dann tu es, verflucht! Dann sorge dafür, dass ich nicht mehr denken kann und fick mich, bis ich meinen Namen nicht mehr weiß!" Ich war mehr als überrascht von meinem Kleinen. Dass er so reden konnte… Aber gut. "Wie du willst", zischte ich angriffslustig und drückte ihn hart auf die Matratze. Wenigstens musste ich ihm nicht viel ausziehen, er trug, wie ich auch, nur ein Handtuch… Kapitel 9: N•I•N•E ------------------ ☆ Ich hatte lange geschlafen, aber trotzdem war ich vor Reno wach. Und noch immer erschöpft. Ich wusste auch noch zu gut, wie es zu unserer Beschäftigung gekommen war, aber allein der Gedanke an meine Worte trieb mir die Röte ins Gesicht. Normalerweise war das gar nicht meine Art, aber… Ich hatte ja schon vor ein paar Tagen gewusst, dass mir bald der Kragen platzen würde. Und es hatte sich wirklich gelohnt. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so viel… Vergnügen an meinem Körper gehabt hatte. "Hikaru?", hörte ich verschlafen hinter mir und spürte im nächsten Augenblick, wie sich Renos schlanker Körper an meinen Rücken schmiegte, seine Hände mich fest an ihn drückten. "Ja?", flüsterte ich lächelnd zurück und verflocht unsere Finger. Eine Antwort bekam ich nicht wirklich, er verteilte nur kleine Küsse in meinem Nacken. Ich konnte nicht anders, als leise zu seufzen. Es war perfekt. "Solltest du wieder einmal das Bedürfnis haben, genommen zu werden, sag mir nur Bescheid", raunte er mir zu, biss mir leicht in den Hals. "Hör auf, so zu reden", nuschelte ich nur. "So? Du meinst, wenn ich sage, dass ich dich in Grund und Boden ficken will?" Ich hörte sein Grinsen förmlich und stieß ihm leicht mit meinem Ellenbogen in die Rippen. "Genau das meine ich. Hör auf, so vulgär zu reden." "Wer wollte denn wortwörtlich, dass ich ihn ficke, bis er seinen Namen nicht mehr weiß und er nicht mehr denken kann?" "Ich", murmelte ich beschämt. Ja, ich hätte trotz Wutanfall meine Wortwahl überdenken sollen. Im Nachhinein war man eben immer schlauer. "Also, Koi, dann entspann dich. Ich wusste vorher übrigens gar nicht, dass du so eine versaute Ader hast. ich mag diese verruchte Seite an dir fast so sehr wie die eigentliche." Ich grummelte leise etwas vor mich hin, quiekte aber erschrocken auf, als eine seiner Hände an einem Ort war, an den sie auf jeden Fall nicht gehörte. "Reno", keuchte ich leise und schloss die Augen. "Hör auf", forderte ich, nur fehlte mir die Entschlossenheit. "Schatz, die nächsten Tage werden wir erst einmal mit erforschen verbringen, und damit können wir gleich jetzt anfangen." Dass ich die nächsten Tage genossen hatte, war klar, aber es war nicht alles, das wir tun konnten. Zwei Tage vor dem Jahreswechsel hatte ich ihn dann tatsächlich dazu überredet, rauszugehen, auch wenn die Gefahr noch lange nicht vorbei war, aber ich wollte auch einmal wieder an die frische Luft. Es hatte in den letzten Tagen immer wieder etwas geschneit, aber es war zu warm, so dass man nie lange etwas davon hatte. Auch jetzt schneite es und das feine, weiße Pulver legte sich auf meine Haare. Es war einfach schön, auch wenn ich eigentlich kein besonderer Freund von Schnee war. "Hikaru, du sollst doch möglichst nah bei mir bleiben", tadelte Reno mich lächelnd und nahm meine Hand. Ja, das war eine der Bedingungen gewesen. Ich wusste, dass er eine Pistole bei sich trug, und obwohl mir dabei nicht wohl war, hatte ich eingesehen, dass es für unsere Sicherheit besser war. "Ich weiß, aber guck mal, da hinten die Bäume!" Ich zeigte auf das Erwähnte, das in einem Park hinter einer Mauer zu finden war. Hell und fast majestätisch hob sich das braune Holz vom Nachthimmel ab, der in ein schönes, dunkles Blau getaucht war. "Das sieht schön aus, aber wir sollten langsam zurückgehen", antwortete er mir und sah sich möglichst unauffällig um. Wie er es schon vorher getan hatte. Aber dieses Mal schien er tatsächlich etwas zu entdecken, das ihm gar nicht zu gefallen schien. Besorgt folgte ich seinem Blick, konnte dort aber nicht uns niemanden entdecken. Stark zog er mich an sich, so dass ich förmlich gegen ihn fiel. "Wir sollten jetzt wirklich vorsichtig sein und zurückgehen", flüsterte er mir zu und zog mich in eine Seitengasse. Dass er einen Umweg nahm, störte mich so gut wie gar nicht, aber es wunderte mich. Er war auf einmal so unruhig, und diese Unruhe übertrug sich auf mich. Ich wusste nicht, was los war, aber wenn Reno das Gefühl hatte, dass wir in Gefahr waren, vertraute ich ihm. Er war geschulter als ich, und um einiges vertrauter mit Lebensgefahr und Situationen, in denen diese Bestand. Er war nicht sehr schnell, aber trotzdem spürte ich, dass er gern gerannt wäre, um möglichst viel Abstand zwischen uns und… wen oder was eigentlich? Ich hatte nichts und niemanden gesehen, und selbst wenn da jemand gewesen war, war er so weit weg gewesen, dass er uns wohl nicht erkannt hätte. Oder? Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus, als er begann, immer mehr Haken zu schlagen. Fast dasselbe Verhalten hatte Ryouga gezeigt, als er mich nach der Flucht aus Renos Wohnung zu der Halle gebracht hatte. "Reno, was ist los?", fragte ich leise. Für das Zittern meiner Stimme hätte ich mich selbst ohrfeigen können. Er musste genau wissen, dass die Kälte nicht der Grund dafür war. Ich wollte ihm doch gar nicht zeigen, wie sehr sein Verhalten mich beunruhigte. "Hast du Angst?", fragte er genauso leise wie ich zurück. Ob meine Antwort seine wohl beeinflussen würde? Aber mein Körper verriet mich sowieso, also hatte lügen eh keinen Sinn. "Ja", beantwortete ich seine Frage also. "Ich weiß nicht genau, was los ist. Deswegen gehe ich so viele Umwege, aber wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, werden wir verfolgt", beantwortete er schließlich meine. Ich nickte leicht, konnte aber nicht verhindern, dass die nächste Frage aus mir herausschoss: "Von wem?" "Ich glaube, es sind zwei. K war nicht dabei, also Ray wohl auch nicht, aber ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass es Yakuza sind. Und dass sie zu Ryoga gehören." "Und das wäre wie schlecht genau?", hakte ich vorsichtig nach, nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich wissen wollte. "Auf einer Skala von eins bis zehn, mit eins als bestem Wert für uns… Kommt darauf an, wen er geschickt hat." "Was heißt das?" Mittlerweile zitterte nicht mehr nur meine Stimme, mein Körper übernahm diese Reaktion. "Ich bin Profi, das weiß er. Wenn er nicht K und Ray hinter uns hergeschickt hat, werden es vermutlich Kifumi und Tomo sein. Die beiden sind genauso Profis wie K und Ray, also sagen wir, auf der Skala zwischen neun und zehn." "Scheiße!", entkam es mir einfach. Spätestens jetzt hätte ich wohl so oder so Angst bekommen. "Ja, das stimmt wohl", pflichtete Reno mir bei, "aber wir müssen die Nerven behalten, und ich bin mir ja auch noch gar nicht sicher, ob wir überhaupt verfolgt werden. Aber mach dir keine Sorgen, selbst wenn es so ist, werden wir das schaffen." "Lüg mich nicht immer an!", zischte ich gerade laut genug, um zu wissen, dass er mich verstanden hatte. "Falsche Hoffnung hilft mir nicht." Er seufzte und bog um die nächste Ecke. "Tut mir leid. Da gibt es aber so ein paar Dinge, die wir klären sollten. Wird einer von uns beim Namen gerufen, reagieren wir beide nicht. Und wenn ich dir sage, dass du laufen sollst, tust du es, ohne dich umzudrehen oder nach mir zu sehen, und du läufst um möglichst viele Ecken. Ich bleibe immer in deiner Nähe, auch wenn du mich nicht hörst oder siehst. Und du läufst, so schnell du kannst." Ich nickte. "Aber was, wenn sie uns den Weg abschneiden? Ich kenne mich hier nicht aus." "Ich auch nicht, aber dann ist es so. Ich sorge dafür, dass dir nichts passiert." Sanft drückte er meine Hand. Ich wusste nur zu genau, was er meinte, und ich hätte zu gern dagegen protestiert, aber ich hoffte einfach, dass es nicht so weit kommen würde. Und, was ihm auch klar sein musste, sobald er mich nicht mehr schützen konnte, würden sie mich töten. "Reno, du Verräter! Bleib stehen!" Ich zuckte zusammen, als der Ruf die Luft zerschnitt. Warum eigentlich immer ich? Warum immer Reno? Kurz strich er mir über die Wange und küsste mich, als ich ihn ansah, ließ dann aber meine Hand los. "Lauf!", befahl er. Und ich rannte los, bog um die nächste Ecke und lief auf die große Straße zu. Ich kämpfte gegen den Drang, mich nach Reno umzudrehen, und konzentrierte mich auf meine Schritte und meine Atmung. Ich konnte schnell und lange laufen, wenn es die Situation erforderte, aber ich hatte es lange nicht mehr tun müssen. Das Auto, das mich beim Überqueren der Hauptstraße fast angefahren hätte, sah ich nur aus dem Augenwinkel. Was der Fahrer wohl dachte? Ich beschäftigte mich nicht lange damit, sondern rannte weiter. "Schneller!", hörte ich Renos Forderung wohl nur ein paar Schritte hinter mir und beschleunigte mein Tempo. Die kalte Luft brannte in meinen Augen und Lungen, es tat mir wirklich weh, aber ich musste einfach nur weiterlaufen. Urplötzlich bog ich nach rechts ab, obwohl ich auf der linken Seite des Weges gelaufen war und überraschte damit sogar Reno. "Hikaru, lauf!", forderte er wieder von mir, und ich gab mein Bestes. So schnell wie jetzt war ich noch nie gelaufen. Aus einem dunklen Hauseingang hörte ich ein leises Fluchen, kümmerte mich aber nicht darum und rannte weiter. "Links!", befahl Reno immer noch dicht hinter mir. Fast augenblicklich bog ich um die Ecke und lief auf eine Hauswand zu. Davor gingen zwei Wege ab, so breit wie der, den wir entlang rannten. "Rechts!", war der nächste Befehl, und ich bog um die rechte Ecke. Nur ging es hier nicht weiter. Und auch die andere Möglichkeit wäre eine Sackgasse gewesen, nur waren da Mülltonnen, mit deren Hilfe wir eventuell über die Mauer gekommen wären. "Fuck!", fluchte Reno und zog mich zur Mauer am Ende der Gasse. Selbst mit seiner Hilfe wäre ich da nicht rüber gekommen. Fast verzweifelt tasteten wir die gegenüberliegenden Ecken ab, in der blinden Hoffnung auf vielleicht doch einen Ausweg. "Da sitzt ihr wohl in der Falle." Ich wirbelte herum und sah, wie Reno seine Waffe zog. Blöd nur, dass die anderen beiden Männer jeweils eine Pistole gezogen hatten. Der Kleinere hatte seine Waffe auf Reno gerichtet, der andere hatte mich im Visier. "Reno, runter mit dem Schmuckstück!", forderte der Kleinere. Als Reno zögerte, setzte er noch hinzu: "Oder willst du, dass wir deinen Schatz erschießen?" "Das werdet ihr sowieso", erwiderte Reno trocken. "Und jetzt, Kifumi? Wie willst du mich jetzt erpressen?" Der Kleine grinste. "Weißt du, Tomo hatte schon eine Weile nichts Hübsches mehr im Bett. Und ich denke, er müsste deinem Kleinen wehtun. Aber ob er sich ihn nimmt oder irgendeine Schlampe, liegt in deiner Hand." Ich schnappte nach Luft und sah zu Reno, der meinen Blick nur erwiderte. Was war das für eine Entscheidung? Still legte er seine Waffe auf den Boden und schoss sie mit dem Fuß zu Kifumi. "Ich weiß, dass ihr uns tötet, aber wehe dir, du hältst dein Wort nicht", knurrte Reno. "Du bist in der falschen Position, um mir zu drohen, denkst du nicht? Aber keine Angst, du kennst mich. Ich halte meine Versprechen. Wir werden die Finger von ihm lassen." Erleichtert seufzte ich auf. Wenigstens das blieb mir erspart. Wieder sah ich zu Reno und lächelte ihn an, hoffend, dass er verstand, was ich nicht auszusprechen wagte. Nicht jetzt. "Tomo, was denkst du? Wer von beiden soll zuerst sterben?", hörte ich wieder Kifumis Stimme und konnte ein Seufzen nicht zurückhalten. Warum beendeten sie es nicht einfach? "Der Blonde", war die knappe Antwort, und ich wusste nicht, ob ich lachen oder in Tränen ausbrechen sollte. "Nein!", zischte Reno. "Ihr wollt doch eigentlich mich!" "Genau deswegen, Großer. Du liebst ihn sehr und willst seinen Tod nicht mit ansehen. Aber als Verräter solltest du zumindest etwas leiden." "Reno, es ist okay", mischte ich mich ein. "Ich will dich auch nicht sterben sehen. Du hast schon viele Menschen gehen sehen, auch geliebte. Und du musst es nicht lange aushalten. Lass mich zuerst sterben." Er sah mich fest an, nickte dann aber mit eine warmen Lächeln. Still schloss ich die Augen und wartete. Es war für mich so irgendwie leichter zu ertragen, dass ich nicht mehr lange zu leben hatte. Ein Schuss durchschnitt die Luft, gefolgt von zwei weiteren, aber weshalb spürte ich nichts? Und warum hatte er drei Mal geschossen? Ich hatte mich doch keinen Millimeter bewegt? Panisch öffnete ich die Augen und sah Reno nur ein paar Schritte vor mir, wie er langsam zu Boden ging. Ich hörte nur einen Schrei, den ich erst nach einigen Momenten mir selbst zuordnen konnte: "Nein!" _________________________________________________________________________________ Ich weiß, dass ich für dieses Kapitel gehasst werde, ja. Das braucht ihr mir nicht sagen. Und auch, dass die Stelle scheiße ist, um aufzuhören. Ich muss sagen, dass das wohl der spannendste Cliffhanger ist. Aber wer weiß, vielleicht hat ja einer die Idee, wie es weitergeht? ;D Und für die, die es nicht wissen, wird es nächste Woche sowieso weitergehen. Bitte keine Bettelkommentare, dass ich irgendwas so und so verlaufen lassen soll, das bringt nichts, dafür müsste ich die Story ändern, und das werde ich nicht tun. Sonst hoffe ich, dass das Kapitel spannend war, denn das ist der eigentliche Höhepunkt der Geschichte! *Applaus bitte* Bis zum nächsten Kapitel! Hikari Kapitel 10: T•E•N ----------------- Ja, ja, die Auflösung. Und das vorletzte 'richtige' Kapitel, es sind immerhin nur 11 eigentliche Kapitel. Aber ich will auch gar nicht lange labern, sondern lieber direkt anfangen, weil ich sonst gesteinigt werde. Bis zum nächsten Chapter! Hikari _________________________________________________________________________________ ☆ Wie von selbst stürzte ich nach vorn und fing Renos harten Sturz ab. Blut floss durch sein Shirt und seine Jacke, die ich sofort öffnete. Knapp unterhalb seiner Rippen war die Quelle der warmen, roten Flüssigkeit. Ich beugte mich über ihn und strich ihm über die Wange, ignorierte dabei meine Tränen. Er war wach, das zählte, und ich wollte die Zeit anhalten. "Hikaru, keine Angst", brachte er gepresst hervor. Natürlich hatte er Schmerzen. "Das ist nur ein Streifschuss. Ich werde es überleben." Ich nickte, konnte aber nicht anders als zu weinen. Vor Erleichterung, aber auch vor Angst. "Warum?", fragte ich ihn verzweifelt. "Glaubst du, ich hätte es ertragen, dich sterben zu sehen, wenn wir doch gerettet sind?" Verwirrt sah ich auf und entdeckte Ryouga, der gerade die beiden am Boden liegenden Körper untersuchte. Gerettet waren wir, und das war gut, aber dafür gab es zwei andere Tote. Deshalb waren auch drei Schüsse gefallen. Und nur einer hatte Reno getroffen. Trotzdem war ich nicht froh über den Tod der beiden, auch wenn sie uns hatten umbringen wollen. "Sieh mich an", bat Reno mich leise, und ich gehorchte. "Keine Angst. Es ist vorbei. Und ich werde es schon schaffen. Ich kann dich doch nicht allein lassen." Beim letzten Satz lächelte er mich sanft an. Ich konnte dem Drang, ihn küssen zu wollen, nicht widerstehen, und schlimmer wurde sein Zustand deswegen auch nicht. "Hikaru, hilf mir. Reno, kannst du aufstehen?", übernahm Ryouga das Wort. "Vielleicht nicht schmerzfrei und allein, aber es wird gehen." "Gut. Blondchen, hopp. Wir müssen ihn hinstellen, stützen und die Wunde vorläufig abbinden." Wie ferngesteuert nickte ich und half, meinen Freund aufzustellen. Danach stützte ich ihn, während Ryouga ihn mit einem Stoffstück provisorisch verband. Ich spürte, wie Reno mehrmals zusammenzuckte, aber er schien mir keine Vorwürfe machen zu wollen. Die ganze Situation war meine Schuld. Ich hatte unbedingt rausgehen wollen. Ich war in die Sackgasse gelaufen und die Kugel war für mich bestimmt gewesen. Ich schluchzte leise. Der Mensch, den ich am meisten liebte, litt wegen mir. "Hikaru, es ist gut", flüsterte er mir zu. "Das war meine eigene Entscheidung." Ich konnte nicht wirklich reagieren. Ich weinte und konnte nicht aufhören, ich wusste selbst nicht, was los war. Und auch, wenn er recht hatte, wir waren draußen unterwegs gewesen, weil ich es so gewollt hatte. "Reno, der Verband ist fest, aber bevor wir losgehen, tu was", hörte ich Ryouga sagen, bevor er sich von uns entfernte. Ich hörte, wie er etwas hochhob, aber ich wollte gar nicht weiter darüber nachdenken. Schon bei dem kleinsten Gedanken daran rebellierte mein Magen. Vorsichtig nahm mein Freund mich in den Arm, stützte sich aber immer noch etwas auf mich. "Beruhige dich, Kleines. Dir geht es gut, mir auch bald wieder, und dann ist es doch okay. Direkt nach dem Jahreswechsel verlassen wir das Land." "Das ist alles meine Schuld", brachte ich leise hervor und versteckte mein Gesicht an seiner Brust. "Ist es nicht. Hör auf, dir das einzureden. Sieh mal, die Situation ist nur halb so schlimm, wie sie aussieht." "Aber zwei Menschen sind tot!" "Wäre es dir lieber, wir wären an ihrer Stelle? Ich war mit beiden mehr oder weniger befreundet, Ryouga auch. Ryouga selbst hat sie aber erschossen. Natürlich tut es mir leid, aber ich persönlich finde es besser so." "Ist es auch, aber warum müssen Menschen andere Menschen unbedingt töten? Ich verstehe es nicht." Ich zitterte, aber es wurde besser. Ich weinte immerhin nicht mehr hemmungslos. "Das verstehe selbst ich nicht ganz. Für mich als Profikiller war es notwendig, um zu leben. Sonst wäre ich umgebracht worden oder verhungert, aber die Motive anderer…" Beruhigend strich er mir über den Rücken. "Geht's wieder?", fragte er dann leise. Ich nickte leicht. Einen Moment später wurde es hell und Ryouga erschien wieder bei uns. "Können wir?", fragte er. Wir hatten gebraucht, um zur Pension zurückzukommen, aber es hatte funktioniert. Mich wunderte es zwar, dass die Frau an der Rezeption nichts gesagt oder gefragt hatte, aber es war gut so. Ich hatte mich zwar so weit beruhigt und hatte immerhin alles, was Ryouga hatte haben wollen, aus einer Apotheke besorgt, aber meine Nerven waren immer noch mehr als angespannt. Vor meinen Augen war mein Freund angeschossen worden, zwei andere waren erschossen und ihre Leichen mit den Müllcontainern angezündet worden, da durfte ich ja wohl etwas empfindlich reagieren. Im Zimmer in der Pension legten Ryouga und ich Reno auf dem Bett ab und ich bekam den Auftrag, einen Eimer klares Wasser zu organisieren, nach Möglichkeit noch steril. Und Glück, wie ich es gerade gebrauchen konnte, fand ich zwei Flaschen in der Küche, die ich mir sogar nehmen durfte. Eilig brachte ich die nach oben, ignorierte das Blut so gut wie möglich. Ryouga schob mir die Packung Beruhigungstabletten herüber, von denen ich auch ohne Zögern eine nahm. Das Schlimmste schien vorbei zu sein, denn Ryouga war bereits dabei, die Verletzung zu reinigen. Still hielt ich Renos Hand und sah auf sein Gesicht. Er wirkte entspannt, auch wenn er manchmal das Gesicht verzog. Schön war es auch sicherlich nicht für ihn, aber er würde es wohl wirklich überleben, und das beruhigte mich doch sehr. Ich wollte ihn einfach nicht verlieren, das war Fakt. "Das wäre erledigt", meinte Ryouga kurze Zeit später, nachdem er den frischen Verband befestigt hatte. Kurz zog er das Handtuch, das er zur Versorgung unter Reno gelegt hatte, hervor. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu würgen. Das Handtuch war von Blut durchtränkt. Es ging nicht darum, dass ich kein Blut sehen konnte, nein, das klappte eigentlich ganz gut. Das Problem war aber, dass es Renos Blut war. "Reno, kannst du ein paar Minuten stehen?", fragte er ungerührt und warf das Handtuch in eine Ecke. "Das müsste gehen. Ich kann's versuchen", antwortete Angesprochener und strich beruhigend über meinen Handrücken. "Dann holte ich frische Bettwäsche. Dein Kleiner kann dich ja auch stützen." Okay. Wenn Ryouga noch lange so weitermachte, hätte er bald ein Problem mit mir. Er könnte auch direkt mit mir sprechen und nicht so tun, als wäre ich nicht da. Beinahe hätte ich ihm das auch so gesagt, aber es war sicherlich nicht gut, wenn Reno sich aufregte, weil wir stritten. Also schloss ich einfach die Augen und schluckte alles, was ich hatte sagen wollen, herunter. Ich konnte hören, wie Renos bester Freund den Raum verließ, und atmete tief durch. So war es besser. "Hikaru, wie geht's dir?", hörte ich Renos leise Stimme. Das war jetzt aber nicht sein Ernst, oder? Er war angeschossen worden, aber sorgte sich um mich? "Wahrscheinlich besser als dir", erwiderte ich ruhig und zwang mich, ihn anzulächeln. "Mach dir keine Sorge um mich, ich komme klar. Konzentriere dich lieber darauf, wieder gesund zu werden." "Weißt du, mir geht es nicht wirklich schlecht", bemerkte er dann und zog mich leicht zu sich herunter. "Du hast keine Schuld. Und ich mache mir Sorgen um dich, weil ich davon ausgehe, dass es dir schlechter geht als mir. Nicht körperlich sondern seelisch." Zart strich er mir über die Wange. Ich konnte nicht verhindern, dass mir wieder Tränen in die Augen traten, woher auch immer die kamen. "Es tut mir so leid", flüsterte ich und legte meine Stirn auf seine Schulter. Warum tat das nur in mir so weh? "Dir muss nichts leidtun", meinte er nur und kraulte meinen Nacken. "Dich trifft keine Schuld. Tomo hat geschossen und ich habe mich vor dich gestellt. Du standest nur da und hast nichts zu verantworten." "Aber…", wollte ich protestieren, kam aber nicht weiter, da Reno mich direkt wieder unterbrach: "Nichts 'Aber'. Ich mache dir keine Vorwürfe, dann solltest du das auch lassen." Ich seufzte leise und nickte. Er hatte recht. Und selbst wenn er mir die Schuld gab, schien er mir verziehen zu haben. Hätte er mich sonst noch bei sich haben gewollt? Hätte er sich sonst noch um mich gesorgt, wie er es tat? Ich wurde wieder ruhiger und schaffte es, den Kopf zu heben und Reno anzusehen, auch wenn ich Angst hatte, etwas wie Hass oder Abscheu in seinem Blick zu finden, aber ich konnte keines von beiden entdecken. Eher Zärtlichkeit und ehrliche Sorge. "Wieder alles in Ordnung?", fragte er mich leise. Ich nickte wieder und klaute mir einen Kuss. "Könnt ihr mal bitte aufhören, ständig so kitschig zu sein?", kam es genervt aus dem Türrahmen, und ich konnte ein freches Grinsen nicht unterdrücken. Dass Ryouga sich darüber aufregte, freute mich diebisch. Eine sehr schöne Rachemöglichkeit, über die Reno sich nicht aufregte. Vorsichtig halfen Ryouga und ich ihm auf und ich stützte ihn, während der andere Anwesende das Bett neu bezog und die blutigen Stoffstücke zu dem Handtuch schmiss. Ich widmete meine Aufmerksamkeit lieber meinem Freund, der auch nichts dagegen zu haben schien. "Ich liebe dich", flüsterte er mir zu und zauberte mir so ein Lächeln aufs Gesicht. Als Antwort küsste ich ihn einfach und strich über seinen nackten Oberkörper, ließ meine Hand vorsichtig auf dem Verband über der Wunde ruhen. "Ist es eigentlich sehr schlimm?", fragte ich leise und sah ihn an. "Es tut schon weh, aber es wäre schmerzhafter gewesen, wärst du durch die Kugel gestorben", beantwortete er meine Frage ruhig. "Du musst keine Angst haben, mir wehzutun. Es ist nicht das erste Mal, das ich angeschossen wurde." Fragend legte ich den Kopf schief. Wann war er denn schon angeschossen worden? "Mein Boss", erklärte er. "Er war wütend, weil ich ein kleines Mädchen nicht erschossen hatte. Ich war damals 14 und meinte zu ihm, dass ich nicht auf Kinder schießen konnte, dass niemand das tat. Und er schoss auf mich, um das Gegenteil zu beweisen. Damals wäre ich fast daran gestorben." "Oh." Ich sah auf den Boden. "Wie gut, dass du überlebt hast." "Vielleicht, vielleicht aber auch nicht", gab er zurück und legte mir eine Hand unter das Kinn, zwang mich so, ihn anzusehen. "Ohne mich wärst du zwar vergewaltigt worden, aber danach in Sicherheit gewesen." "Halt die Klappe", grummelte ich und verfrachtete ihn wieder auf das Bett. "Hikaru, überzeug ihn davon, liegen zu bleiben und möglichst viel zu schlafen. Ich gehe die Stoffteile da entsorgen", bemerkte Ryouga kühl und verschwand mit dem blutigen Stoffhaufen. Ich seufzte und strich Reno über die Wange. Irgendwie erinnerte mich diese Geste an eine Mutter, die ihr krankes Kind pflegte. "Du hast gehört, was er gesagt hat. Nicht durch die Gegend laufen und möglichst viel schlafen, damit du schnell wieder gesund wirst und ich mir keine Sorgen mehr um dich machen muss." "Sicher, Kleiner", meinte er lächelnd. "Mach dir nichts draus. Ryouga hat manchmal seine komischen Phasen. Der kriegt sich auch wieder ein." Wieder seufzte ich und schloss die Augen. "Er hat irgendwas gegen mich, und ich weiß einfach nicht, wie ich mit ihm umgehen soll." "Er hat nichts gegen dich", widersprach er mir entschieden und nahm meine Hand in seine. "Rede aber einfach mit ihm und frag ihn, was los ist. Er macht nie ein Geheimnis aus seiner Meinung, wenn man ihn danach fragt." "Und was soll mir das bringen?", fragte ich skeptisch. "Ihr müsst unsere Flucht planen. Ich habe zwar vorher noch etwas zu erledigen, aber er weiß, was es ist. Nur ist es mir wichtig, dass ihr halbwegs miteinander auskommt." Stille breitete sich um uns aus. Ich wusste natürlich, wie wichtig es für ihn war, dass Ryouga und ich miteinander auskamen, aber an mir sollte es auch nicht scheitern. Ich beschloss, noch in dieser Nacht mit Renos bestem Freund zu reden, egal, wie erschöpft ich war. Eigentlich wollte ich mich nur noch vorsichtig an Reno kuscheln und endlich schlafen. Der Tag war zwar so lang wie immer gewesen, nur hatten meine Nerven weitaus mehr mitmachen müssen als normalerweise. "Hikaru, komm", forderte Ryouga trocken von mir. Ich nickte leicht und hauchte Reno noch einen Kuss auf die Stirn. "Schlaf. Ich bin so bald wie möglich wieder bei dir." Unsicher stand ich auf und verließ den Raum, Ryouga schloss die Tür hinter mir, und gemeinsam setzten wir uns an einen Tisch im Frühstücksraum, auf dem ein Laptop stand. Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her, hielt aber Ryougas Hand fest, bevor er etwas an dem Computer machen konnte. "Wir sollten miteinander reden", meinte ich leise und sah auf den Tisch. "Sollten wir?" Ich nickte bestätigend, atmete tief durch und sah mein Gegenüber direkt an. "Was hast du für ein Problem mit mir? Bist du in Reno verliebt und deswegen eifersüchtig auf mich? Sag es mir doch einfach." Leise lachte er auf. "Nein, ich bin nicht in Reno verliebt, und ich bin auch nicht eifersüchtig auf dich, selbst wenn er ein toller Mann ist. Mein Problem ist, dass ich ihn die letzten elf Jahre, in denen du nicht da warst, gesehen habe", war die Antwort, die ich bekam. Aber wirklich Sinn machte es für mich nicht. Und das schien Ryouga auch zu wissen, denn er fuhr fort: "Ich habe ihn gehört, wenn er dich im Traum gerufen hat, ich habe ihn gesehen, während er ein Foto von euch betrachtete. Er hat ewig gebraucht, um mir ganz zu vertrauen, aber er hat es geschafft. Er hat mir von dir erzählt. Er hat sich von mir trösten lassen, als es ihm dreckig ging und ihm auch noch das Foto weggenommen wurde. Unbewusst und unbeabsichtigt hast du ihn gebrochen, ich konnte nur Schadensbegrenzung betreiben. Und dann war er wie ausgewechselt. An dem Tag, nachdem er dich gefunden hatte, verheimlichte er mir etwas, und das so, dass ich es wusste, ich wusste nur nicht, um wen oder was es ging. Er hat sich geöffnet, dir sofort wieder alles gegeben, obwohl du ihn schon einmal allein gelassen hast. Und dabei spielt es keine Rolle, ob du es wolltest oder nicht." Ich schloss die Augen und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. "Ich kann dich verstehen", setzte ich an, "aber ich lasse ihn nicht allein. Du kannst nicht beurteilen, wie es mir in der Zeit ging. Wir vertrauen uns nicht wieder so sondern noch, genauso wie wir uns noch lieben. Das Band war nie zerstört. Ich verstehe, dass du skeptisch bist und ihn schützen willst, aber niemand außer der Tod kann mich zwingen, ihn zu verlassen. Und ich brauche ihn." Es war ein komisches Gefühl einem eigentlich Fremden so viel über meine Gefühle für Reno anzuvertrauen, aber nur so hatte ich eine Chance, eventuell an Ryouga heranzukommen. "Er ist das Wichtigste für mich", fügte ich leise hinzu und schloss die Augen. "Würdest du für ihn töten?" "Wen?", kam es knapp über meine Lippen. Wenn das eine Prüfung war, war es kein Problem. Ich war kein Mörder und wollte auch keiner sein, aber ich war mir sicher, dass ich für Reno so weit gehen würde. "Deinen besten Freund oder irgendjemand anderen, der dir wichtig ist. Das ist nur theoretisch, keine Panik." Ibuki und Reno, die einzigen Menschen, die mir wirklich etwas bedeuteten. Und ich sollte einen von ihnen für den anderen töten. Auch wenn es nur theoretisch war. "Um Reno zu retten oder nur, weil er es will?", fragte ich leise. Jeden anderen Menschen hätte ich in beiden Situationen umgebracht, aber nicht meinen besten Freund. "Beides." "Ja und nein. Ich würde meine besten Freund nicht erschießen, nur weil Reno es will. Jeden anderen, aber nicht Ibuki. Nur, wenn das die einzige Möglichkeit ist, Renos Leben zu retten." Eine Weile schwiegen wir beide. Ich wusste nicht, ob es die richtige Antwort gewesen war, aber so sah die Wahrheit aus. "Weißt du, was er noch erledigen muss, bevor wir verschwinden?", fragte Ryouga nach einer Weile leise, woraufhin ich nur den Kopf schütteln konnte. War ja auch die Wahrheit, und Reno hatte sicherlich einen Grund, weshalb er es mir nicht erzählt hatte. "Er will sich rächen", erklärte Ryouga ruhig und ich öffnete die Augen wieder, sah ihn an. "Er will den Boss umbringen und er hat sogar einen halbwegs durchführbaren Plan, nur ist seine Verletzung ein Hindernis und er wird nicht nur meine sondern auch deine Hilfe brauchen." Ich sah meinem Gegenüber direkt in die Augen. "Was soll ich tun?" Die nächsten Tage und Nächte sah ich Ryouga öfter als Reno. Verwundernswert war es eigentlich nicht, Reno folgte meinen Anweisungen wirklich gut, und laut Ryouga verheilte die Verletzung auch gut. Der Verband war schon nach zwei oder drei Tagen nicht mehr notwendig, was Reno sehr gut fand. Obwohl es ihn störte, dass ich nur bei ihm war, wenn Ryouga die Wunde versorgte, aber es war besser für ihn und er protestierte auch nicht weiter. Dass Ryouga und ich auf dem Boden im Frühstücksraum schliefen, meistens zumindest, wusste er gar nicht, aber er hatte, genau wie ich, bemerkt, dass Ryouga mich deutlich besser behandelte. Kapitel 11: E•L•E•V•E•N ----------------------- ☆ Kurz nach Neujahr verließen wir die Pension und machten uns auf den Weg nach Tokyo. Ich durfte fahren, welch Wunder, und musste mich erst an dieses Auto gewöhnen, wo auch immer Ryouga es sich 'geliehen' hatte. Selbstverständlich ohne Wissen und Erlaubnis des Besitzers und ohne das Vorhaben, es zurückzubringen. Es war kein sehr großer, dafür umso schnellerer Sportwagen, aber ich schaffte es, ihn irgendwie zu kontrollieren. Auf dem Weg mussten wir nur einen Abstecher machen, und meine Aufgabe bestand darin, den Wagen bereit zu halten. Langsam stoppte ich vor einer Villa. Reno, den Ryouga auf die Rückbank verbannt hatte, beugte sich zwischen den Sitzen nach vorn und küsste mich kurz. "Ich bin bald wieder bei dir", versprach er noch und stieg dann aus. ★ Ich spürte die Anspannung nur zu deutlich, ein falscher Schritt und ich war tot. Ich war zwar nicht das erste Mal hier, aber das erste Mal mit einer konkreten Absicht. Deutlich spürte ich die beiden Pistolen, die Ryouga mir besorgt hatte. Auch bewaffnet war ich bei meinen bisherigen Besuchen immer gewesen, aber jetzt? Äußerlich völlig sicher betrat ich das Haus und sah mich um. Meine Anwesenheit schien niemanden wirklich zu wundern oder zu stören, also wussten sie auch nichts von dem Vorwurf des Verrats gegen mich. Und das bedeutete doch wirklich, dass der Boss sich sicher genug fühlte. Entweder glaubte er, ich wäre tot, wie er es in Auftrag gegeben hatte, oder ich würde einfach so abhauen, was zwar für mich sicherer gewesen wäre, aber einfach nicht mein Stil war. Ich musste mich doch von meinem 'Vater' verabschieden, und das hätte er wissen müssen. Schweigend ging ich den Flur entlang zu einem seiner Arbeitszimmer. Tags war er immer dort anzufinden, und es war mein Vorteil, dass es im Erdgeschoss lag. Normalerweise wäre auch ein Sprung aus einem Fenster im oberen Stockwerk kein Problem gewesen, aber noch war die Schussverletzung nicht verheilt, und das hätte gefährlich werden können. Ohne Anklopfen betrat ich das Büro des Obersten und verschloss die Tür hinter mir. "Reno?", bemerkte er überrascht. "Hakuei, was sollte das?", zischte ich, und musste mich zusammenreißen, um nicht gleich eine Waffe zu ziehen. "Was meinst du?", fragte er unschuldig, wobei ich aber genau wusste, dass er es gewesen war, der den Befehl gegeben hatte. Und das regte mich noch mehr auf. "Kifumi und Tomo", erinnerte ich ihn trocken. "Ach das", winkte er ab. "Mit Verrätern wie dir kann man nicht anders umgehen. Aber wo sind die beiden denn? Ich habe seit Tagen nichts mehr von ihnen gehört." "Sie sind tot", erklärte ich kalt. "Sonst wäre ich wohl kaum hier." "Und was willst du?" Jetzt war es so weit. Schnell zog ich eine der Pistolen und richtete sie auf ihn. "Das weißt du nur zu genau. Du hast mich gezwungen für dich zu arbeiten. Du hast meine Eltern töten lassen und du wolltest mich töten lassen. Und das Schlimmste, du wolltest, dass Hikaru stirbt. Dein Ziel war es, mich zu einem willenlosen Killer zu machen, der nur noch Befehle befolgt, indem du mir auch noch das Wertvollste in meinem Leben nimmst. Das Letzte, das mir geblieben war. Oder willst du mir erzählen, dass es Zufall war, dass K und Ray ausgerechnet Hikaru gewählt haben?" Anerkennend nickte mein Gegenüber. "Haben sie es dir erzählt oder bist du von allein darauf gekommen? Ist ja auch egal. Willst du mich wirklich erschießen? Dann dreh dich einmal um." "Muss er nicht", hörte ich eine mir sehr gut bekannte Stimme hinter mir. Nur einen Augenblick später erschien Ryoga neben mir, richtete seine Waffe aber nicht auf mich sondern auch auf Hakuei, den das völlig aus der Fassung zu bringen schien. "Ich hab genug", zischte der Blonde. "Du bist zwar mein Vater, und das weiß ich, aber mehr auch nicht. Du hast meine Mutter umgebracht, um mich irgendwann zu deinem Nachfolger machen zu können. Und jetzt stirbst du, freu dich." Ich sah stur auf meinem Boss hinter dem Schreibtisch, als ich Ryoga antwortete: "Das ist meine Rache. Dir hat er deine Mutter genommen, mir fast alles. Und ich soll für Ryouga mit Rache nehmen." "Dann lass uns gleichzeitig abdrücken. Ich hoffe, du hast dann nichts dagegen, wenn ich nur dir die offizielle Schuld gebe", erwiderte mein Kollege ruhig. "Kein Problem, ich verschwinde eh", erklärte ich. "Auf drei. Eins." "Zwei." Statt der drei knallten beide Schüsse. Innerhalb von Sekunden hatte ich Ryoga seine Pistole abgenommen und war aus dem Fenster verschwunden, rannte zum Auto, von dem aus Ryouga mir Feuerschutz bot. Ich riss die Tür auf und sprang in den laufenden Wagen, der im nächsten Moment mit durchdrehenden Reifen losraste. "Warum zwei Schüsse? Hätte einer nicht gereicht?", fragte mein Kumpel leicht angepisst und hielt sich an Tür und Sitz fest, während Hikaru einfach nur noch mit Vollgas über die lange, einsame Straße raste. "Ryoga und ich haben gleichzeitig geschossen", erklärte ich grinsend. Irgendwie freute es mich. Seltsamerweise war Ryoga doch immer das Arschloch von uns gewesen. "Aha. Versteh ich nicht, aber das kannst du mir später genauer erklären." ☆ Im nächsten Augenblick wurde ich langsamer, so dass Ryouga die Waffen aus dem Auto befördern konnte, beschleunigte danach aber wieder. Ich hatte meine Anweisungen, wo es hingehen sollte, und denen würde ich folgen. Noch konnte ich Vollgas geben, selbst auf der Schnellstraße musste ich den Wagen zügeln. Es war eigentlich schade, dass Ryouga ihn anzünden wollte, aber es musste wohl sein. "Also, was jetzt?", fragte Reno und hielt sich dabei an Fahrer- und Beifahrersitz fest. "Koi, du musst nicht mit 200 über die Straße rasen, 150 tun's auch." "Weißt du nicht, dass man während der Fahrt nicht mit dem Fahrer sprechen soll?", erwiderte ich lächelnd, konzentrierte mich aber auf die Straße. "Außerdem", mischte Ryouga sich ein, "ist es gut, wenn wir einen schönen Vorsprung haben. Auf der Schnellstraße können wir nicht so schnell fahren." Konzentriert raste ich weiter, hörte Renos Erklärung darüber, was sich in der Villa ereignet hatte, nur mit halbem Ohr zu und beschleunigte den Wagen nur noch etwas. 220 war wohl das Höchste, das die schwarze Perle erreichen konnte, aber das war keine schlechte Leistung. Es machte wirklich Spaß, so schnell zu fahren, und anscheinend war nicht nur ich begeistert von der Kraft dieses Monsters. Erst als ich auf die Schnellstraße Richtung Tokyo fuhr, wurde ich langsamer, blieb aber am Limit der erlaubten Geschwindigkeit. Es war ein tolles Gefühl, so ein schnelles Auto zu haben. Wir fuhren eine ganze Zeit die Schnellstraße entlang, bis ich kurz vor der Hauptstadt abbog und in die Richtung einer stillgelegten Industrieanlage fuhr. Das war mit Ryouga so abgesprochen, auch wenn Reno keine Ahnung zu haben schien. "Wo fahren wir hin?", fragte er neugierig und ich lächelte ihn durch den Rückspiegel an. "Siehst du doch." "Schon, aber was wollen wir da?" "Wirst du sehen", stieg Ryouga grinsend in mein Spiel ein. Wir konnten Reno immerhin noch etwas ärgern, ernsthaft sauer sein würde er schon nicht. Mein Lächeln wurde breiter, als ich den schwarzen Kombi bereitstehen sah. Mein Herz schlug aufgeregt in meiner Brust. Bisher war alles wie geplant gelaufen, warum sollte es jetzt anders sein? Ich bremste unser Gefährt ab und stieg aus, strich über den schwarzen Lack. "Schade drum", merkte ich an und nahm Reno eine der Reisetaschen ab, drehte mich dann zu dem anderen Auto um, in dessen offener Tür der rothaarige Fahrer lehnte und langsam etwas auf uns zukam. Noch bevor er wirklich reagieren konnte, hing ich an ihm. "Ibuki!", jauchzte ich fröhlich und ließ die Tasche einfach fallen. "Ich habe dir gesagt, ich komme mit und voilà - hier bin ich!" Grinsend schob er mich etwas von sich weg, weswegen ich ihn nur verwirrt ansah. "Ich will nicht erwürgt werden", erklärte er, und ich folgte seinem Blick zu Reno, der die Situation gar nicht so toll zu finden schien. Schnell ging ich zu meinem Liebsten und umarmte ihn sanft. "Eifersüchtig, was?", meinte ich lächelnd und strich ihm über die Wange. "Keine Angst, Ibuki ist keine Gefahr für dich. Er ist mein bester Freund, das weißt du doch." Ein liebevolles Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er küsste mich kurz. "Ich weiß. Aber ich weiß auch, wie es sich anfühlt, dich zu verlieren, und das will ich nicht noch einmal erleben." "Wirst du nicht", versicherte ich ihm und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. "Oh, bitte", seufzte Ryouga genervt. "Hört auf, so kitschig zu sein." Auch über Ibukis Gesichtsausdruck, der verriet, dass er dachte, was Ryouga gesagt hatte, musste ich lachen. "Nein", erwiderte Reno grinsend. "Eifersüchtig, weil du niemanden zum Kitschig sein hast?" Ryouga zuckte mit den Schultern und sah auf die Uhr. "Wir müssen los. In zwei Stunden geht der Flieger nach Seoul." Skeptisch zog Reno eine Augenbraue hoch. "Südkorea? Das ist wohl kaum weit genug weg." "Das können wir während der Fahrt diskutieren", erwiderte ich und zog Reno mit mir auf die Rückbank des Kombis. Ich sah, dass Ryouga noch eine Benzinspur zu dem anderen Auto zog und dann mit Ibuki diskutierte, aber anscheinend als Verlierer aus dieser Diskussion hervorging. Schnell stiegen beide ein, Ibuki als Fahrer. Er hätte auch niemand anderem sein geliebtes Auto überlassen. Geräuschlos setzte das Fahrzeug sich in Bewegung und Ryouga warf etwas Brennendes aus dem Fenster auf die Benzinspur, woraufhin Ibuki beschleunigte. Ich drehte mich um und sah, wie unser 'Leihwagen' Feuer fing. Lächelnd wandte ich mich wieder nach vorn und legte meinen Kopf auf Renos Schulter. Er nahm meine Hand und verschränkte unsere Finger, legte dann seine Wange an mein Haar. Auch wenn ich Ibukis misstrauischen Blick im Rückspiegel sah, sagte ich nichts dazu. Ich hatte den Glauben, dass jetzt alles gut werden würde. Pünktlich hatten wir den Flughafen erreicht und waren auch gut in Seoul angekommen. Es gab zwei Anschlussflüge nach Europa, bei denen die Wartezeit nicht zu lang war, nach Madrid und Hamburg. Wir entschieden uns für Hamburg. In einem Café des Flughafens saßen wir schweigsam zusammen. Jeder war in seine eigenen Gedanken vertieft, das wusste ich. Wir alle wussten nicht, was und im hohen Norden Deutschlands erwartete. Ich hatte Angst, das hätte ich auch jedem gegenüber ohne Zögern zugegeben. Es war nicht so, dass ich nicht froh über unsere Flucht war, aber die Zukunft war ungewiss. Ohne meine Begleiter wäre ich wahrscheinlich einfach umgedreht und zurück nach Mito gegangen, aus Angst, das Leben in Deutschland nicht zu meistern. Aber ich war nicht allein. Ich hatte meinen Geliebten und seinen besten Freund sowie meinen besten Freund. Und den Glauben, dass wir es zusammen schaffen würden. Gut, und die beträchtliche Summe Geld, die wir alle mit unserem Ersparten hatten. "Denkt ihr, wir werden Arbeit finden?", fragte Ibuki nach einer Weile des Schweigens. "Klar", antwortete Reno. "Ryou, machen wir ein Detektivbüro auf? Menschen ausspionieren können wir immerhin." "Gute Idee", bemerkte Angesprochener und lehnte sich zurück. "Hikaru, was hast du vor?" Ich zuckte mit den Schultern. "Vielleicht irgendein sozialer Beruf, aber bis ich genug deutsch kann, halte ich mich wohl erstmal mit kleinen Nebenjobs über Wasser." "So schlecht geht es uns finanziell nicht", meinte Reno. "Aber wenn ich mir das so durch den Kopf gehen lasse… Du als Altenpfleger zum Beispiel… Wenn die Dienstkleidung in Deutschland genauso aussieht wie in Japan, gern. Darin musst du echt heiß aussehen." Lachend schüttelte ich den Kopf. "Sexist!" "Ich weiß. Und, Ibuki? Dein Plan?" "Hamburg hat die Reeperbahn mit Bordells und Stripclubs ohne Ende, ich bin Barkeeper, ich werde schon etwas finden." Und so traten wir die Reise nach Deutschland an. _________________________________________________________________________________ Irgendwie werde ich immer leicht melancholisch, wenn es darum geht, die letzten Kapitel einer Fanfic hochzuladen. Das war also das letzte 'richtige' Kapitel, es folgt noch der Epilog und dann… ist's vorbei. Und man erfährt in diesem Kapitel etwas über Ryoga. Ich gestehe, das war so anfangs nicht geplant. Sein Auftritt an dieser Stelle hat sich einfach mit rein geschlichen, aber man muss doch einsehen, dass er gar nicht so ein Arschloch ist, wenn man weiß, was ihn so hat werden lassen. In Form von einer mehr als strengen Erziehung. Wieso am Ende Deutschland? Es bot sich an. Wenn es etwas um Gesetze und Rechte geht, kenne ich mich in Deutschland einfach besser aus, und die Gegend um Hamburg kenne ich landschaftlich am Besten. Darum. Na ja, bis zum Epilog nächste Woche! Hikari Epilog: E•P•I•L•O•G•U•E ----------------------- ☆ Tja, und hier sitze ich jetzt in meinem Arbeitszimmer. Die Sache mit den Berufen hat tatsächlich so geklappt wie erhofft. Auch wenn wir nicht mehr arbeiten müssten. Eine ältere Dame hat mir ihren Gutshof vererbt, weil ihre Kinder den nicht haben sollten. Genauso wie sechs Millionen Euro. Und die alten Eheringe von ihrem Mann und ihr. Sie hatte sich gewünscht, dass Reno und ich sie trugen, und wir beide taten es jetzt seit zwei Jahren, auch ohne verheiratet zu sein. Reno und Ryouga sind als freiberufliche Detektive sehr gefragt, auch wenn es viele Gerüchte um ihre Vergangenheit gibt. Niemand außer Ibuki und mir weiß, wo sie ihr Handwerk so perfekt gelernt haben. Und Ibuki… Der hat als Barkeeper gearbeitet, hat aber nach meiner Erbschaft die Verwaltung des Guts übernommen, so dass wir allein von den Einnahmen leben könnten. Ich arbeite aus Spaß noch als Altenpfleger. Sonst hätte ich gar nichts zu tun. Außer Schreiben. Schriftstellerei ist für mich zu einem netten Zeitvertreib geworden, aber mehr auch nicht. Ich werde wohl niemals eine meiner Geschichten veröffentlichen. Besonders nicht diese. Vielleicht sollte ich einfach auf die Taste 'Löschen' drücken, aber etwas hindert mich daran. Ich kann unsere Geschichte nicht einfach löschen, nachdem ich sie erst aufgeschrieben habe. Leise seufze ich, stehe auf und sehe aus dem Fenster auf unser Grundstück. Dann gehe ich entschlossen zu meinem Laptop und sende die Geschichte einfach per Mail an einen befreundeten Verleger, denn ich habe eine Hoffnung… Wir haben 50 Zimmer in diesem Gutshaus. Doch eines werde ich immer freihalten. Für Ray. Wieso? Weil er für K nur ein Spielzeug ist und ich hoffe, dass er, wenn er diese Geschichte liest, die Kraft findet, an sein Bestes zu denken und zu uns zu kommen. "Was verschickst du?", höre ich eine fragende Stimme hinter mir und wirble erschrocken herum, lege dann aber lächelnd meine Arme um meinen Freund und ziehe ihn zu mir herunter, um ihn zu küssen. "Du hast ein Märchen geschrieben?", fragt er weiter, als er den Namen des Textdokuments liest. "Nicht wirklich", antworte ich. "Es ist kein klassisches Märchen, und ich würde es auch nicht als irgendein Märchen bezeichnen. Es ist unser Märchen." "Du willst es also doch veröffentlichen lassen?", fragt er lächelnd, was ich nur mit einem Nicken beantworte. "Schön." Glücklich hebt er mich neben dem Laptop auf den Schreibtisch, steht zwischen meinen Beinen und hält mich fest im Arm. "Deswegen sollte ich dir also einiges so genau erzählen." "Hm." Zufrieden lehne ich mich an ihn und schließe die Augen. "Aber auch, weil mich deine Wahrnehmung mancher Szenen sehr interessiert hat. Was war damals eigentlich dein schönster Moment?" Er streicht mir über den Rücken und schweigt, denkt offenbar nach. "Das Schönste, was ich weiß", beantwortet er meine Frage nach einer Weile, "war, nachdem ich angeschossen wurde, als ich einmal morgens aufgewacht bin und du dich an mich gekuschelt hattest. Es tat mir gut, dich so nah bei mir zu haben." Ein leichtes Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er das mitbekommen hatte. Oder dass er diesen Moment als so schön empfunden hatte. "Und für dich?", fragt er leise und krault mir den Nacken. Mein schönster Moment… "Ich denke, als du mir gesagt hattest, dass deine Gefühle für mich immer noch die selben waren wie in unserer Kindheit. In dem Moment hatte ich es nicht wirklich glauben können, aber ich war so glücklich gewesen." "Ja", bestätigt er und haucht einen Kuss auf mein Haar, "das war auch schön. Und was war das Schlimmste für dich?" Darüber muss ich gar nicht lange nachdenken. "Als du angeschossen wurdest. Ich hatte nur noch Angst um dich." "Ich weiß." Sanft streicht er über meinen Rücken. "Willst du wissen, was für mich das Schlimmste war?" Ich nicke und sehe zu ihm auf. Er hat die Augen geschlossen. "Als du mich angerufen und von der Explosion erzählt hast, ist mein Herz schon fast stehen geblieben, aber als ich nicht wusste, wer dich da rausgeholt hat und bei dir war… Ich habe fast einen Herzinfarkt bekommen." "Tut mir leid", nuschle ich und küsse ihn dann. "Aber was vorbei ist, ist vorbei. Kommst du mit raus?" "Spazieren im Privatwald? Gern." Lächelnd zieht er mich vom Schreibtisch und aus dem Raum. Vielleicht sollte eine Geschichte wie meine, nein, wie unsere nie erzählt werden, aber jetzt ist es geschehen. Und ich hoffe noch immer. Und dieses eine Zimmer wird immer freigehalten werden. _________________________________________________________________________________ Tja… Der Epilog. Kitsch, Kitsch und noch mal Kitsch wie [[MangimE]] sagen würde, aber so schlimm finde ich es eigentlich nicht. Und für ein Ende wie dieses… Ich weiß nicht, ich glaube, es passt. Hm. Dann einmal ein großes DANKE an meine lieben Kommischreiber, ein etwas kleineres an meine Favonehmer und an alle anderen Leser. Vielleicht lest ihr ja mal wieder etwas von mir, was nicht allzu unwahrscheinlich ist, wenn man bedenkt, dass ich als Autorin auch neben der Schule verdammt noch mal aktiv bin. xD Sonst wünsche ich alles Gute und so weiter. Die übliche Leier. Hikari ♥ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)