Eine Liebesgeschichte aus Edo von F ================================================================================ Kapitel 1: Herbstgedicht - Teil 1 - ----------------------------------- Es regnete noch immer, als sie Edo endlich erreichten. Yukio war es vorgekommen, als hätte diese Reise ewig gedauert, zumal er lediglich durch die Bambusgitter seines Palankin nach draußen hatte sehen können. Das sanfte, aber schon bald auf die Nerven gehende Schaukeln, hatte weder Ruhen, noch Entspannen zugelassen. Am liebsten wäre Yukio wie die anderen, einfach zu Fuß gegangen, doch das war nicht möglich gewesen. Aufgrund seiner Verkleidung als Mädchen, hätte es sich nicht geziemt, auch nur einen Schritt auf dem staubigen Weg zu tun und so hatte er sich den Sicherheitsvorkehrungen fügen müssen. Seine gedrückte Laune hatte sich jedoch etwas gebessert, als sie endlich Edo erreicht hatten. Neugierig hatte er nach draußen gelugt, die vielen Menschen betrachtet, unter welchen sowohl Bauern, als auch Samurai waren und versucht seine Unruhe zu bezähmen. Er war als Geisel nach Edo geschickt worden, als Pfand, dass sein Vater dem Shogunat treu ergeben war. Was für ein Leben er hier führen würde, wusste er noch nicht. Yukio war nur klar, dass die Gefolgsleute seines Clans ihn schon am nächsten Tag wieder verlassen würden und dann wäre er auf sich allein gestellt. Es würde von ihm Abhängen, welchen Status er sich am Hof erobern würde und ob das Auge des Shoguns mit Wohlwollen auf ihm liegen würde, oder mit Missfallen. Tatsächlich war das Yukios größte Sorge, denn das was er über den derzeitigen Shogun, Tokugawa Isamu, gehört hatte, war nicht sonderlich beruhigend gewesen. Vor Jahren, als es einige Provinzen gewagt hatten sich gegen ihn aufzulehnen, hatte er fürchterliche Kriege geführt. Als Stratege war er brillant gewesen, doch leider auch für seine übermäßige Grausamkeit berühmt. Nun war er fast fünfzig, führte schon lange keine Kriege und drangsalierte mit seinem, noch immer heißblütigen, Temperament seine Diener und Generäle. Zumindest war es das, was Yukio zu Ohren gekommen war und das beruhigte ihn keineswegs. Doch da er ohnehin keine andere Wahl gehabt hatte, nach Edo zu kommen oder nicht, hatte er sich seinem Schicksal gefügt und ertrug auch die letzten Minuten, das endlose Schaukeln des Palankin, bis sie endlich den Palast erreichten. Durch das kleine Gitter konnte Yukio einen großen Hof erkennen, auf welchem viele Samurai standen, was Yukios Herz schmerzhaft schlagen ließ. Bald würden ihn die Vertrauten seiner Kindheit verlassen und er würde alleine zurückbleiben müssen. Vom Fenster im ersten Stock konnte Minoru in den Hof blicken. Die Miene des Siebzehnjährigen war unbewegt, als er die kleine Gruppe betrachtete, die den Hof erreichte. Sie waren durchaus zur richtigen Zeit angekommen und Minoru aufatmen, denn er hätte seinem Herrn ungern eine Verspätung mitteilen müssen. Tokugawa Isamu war nicht gerade für seine Geduld bekannt. „Lauf augenblicklich zu unserem Gebieter und informiere ihn darüber, dass der Sprössling aus der Provinz Dewa eingetroffen ist“, wies er einen Soldaten an und blickte wieder zum Fenster hinaus. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Diener mit einem offenen Regenschirm an den Palankin trat. Der rote, lackierte Schirm verdeckte das folgende Schauspiele und so war alles was Minoru von der aussteigenden Person sah, ein zierlicher kleiner Fuß, einen sehr eleganten Kimono und lange Haare, die nur locker zusammengebunden waren. Das Gesicht war nicht zu erkennen, da der Schirm sich augenblicklich etwas senkte, um den Regen von der Gestalt abzuhalten. Hatte man etwa ein Mädchen geschickt, fragte sich Minoru irritiert und setzte sich in Bewegung, um den Gast unten am Eingang zu begrüßen. Die Wachen des Matsumoto Clans trugen keine Uniformen. Tatsächlich hielten die meisten Daimyos Derartiges für einen unnötigen Luxus, den einzig der Shogun an seinem Hof durchsetzte. Die Männer waren nass, verneigten sich jedoch angemessen. „Seid willkommen. Mein Name ist Yoshida Minrou und werde Euch zum Shogun bringen, doch muss ich Euch vorher bitten, eure Waffen abzulegen“, sagte Minoru und strahlte dabei die gleiche Autorität aus, wie sie jedem Älteren zugestanden hätte. Seine Position, als Mitglied er Palastwache, hatte ihn rasch Autorität lernen lassen und Minoru versuchte sich jeden Tag, dieses Gunstbeweis seines Herrn, als würdig zu erweisen. Die Männer murrten nicht, sondern nahmen ihre Schwerter und legten sie ab, wie es von ihnen erwartet wurde. Tokugawa selbst sah diese Art von Vorsichtsmaßnahmen als Unsinnig an, aber seine Berater, die ständig von der Panik getrieben wurden, der Shogun könnte einem Attentat zum Opfer fallen, hatten diese Regelung, durchgesetzt. Das war der Moment in welchem Minoru einen Blick auf den Matsumoto Sprössling werfen konnte. Erst beim zweiten Blick erkannte Minoru ihn als Jungen, der den Blick gesenkt hielt und es vermied ihn anzusehen. Seine Gestalt war schlank, das Haar lang und die Haut so weiß, wie Schnee. Nein, nach einem Krieger sah er nicht aus und das lag gewiss nicht an seiner Kleidung. Es war nicht ganz ungewöhnlich, dass sich Adelige als Frauen verkleideten, wurden diese doch kaum aufgehalten, oder überprüft. Minoru erinnerte sich daran, dass die Prvinz Dewa von zwei Clans beherrscht wurde. Einmal von dem Clan der Matsumoto und dann von dem Clan der Mogami. Beide Clans versuchten ihre Macht über die Provinz auszudehnen und die Macht ganz zu übernehmen, was erklärte, warum der Junge verkleidet nach Edo gereist war. „Bitte folgt mir“, forderte Minoru die Gruppe höflich auf und wandte sich ab. Yukio hatte keine Vorstellung vom Palast in Edo gehabt. Tatsächlich war das Anwesen seiner Familie in Dewa schon recht luxuriös gewesen, zumindest für den hohen Norden des Landes. Die Winter waren dort um einiges strenger, als im Süden und so hatte sein Vater Unsummen dafür ausgegeben, um das Haus in eine warme Festung zu verwandeln, die auch dem kalten Winter trotzen konnte. Doch nun, wo er die Augen über die kostbaren Hölzer gleiten ließ, die bemalten Schiebetüren und den blankpolierten Flurboden, über welchen sie gingen, gleiten ließ, wurde ihm klar, dass kein Ort der Welt sich mit dem Palast des Shoguns würde messen können. Doch war es nicht nur die Pracht die Yukios Aufmerksamkeit auf sich lenkte, sondern auch der junge Samurai der sie führte. Er musste nur wenig Älter als Yukio selbst sein, vielleicht zwei oder drei Jahre und hatte dennoch schon einen Posten im Palast ergattert. Er war zu beneiden, wenngleich Yukio schon ahnte, dass er seinen Posten sicherlich aufgrund dessen erhalten hatte, dass sein Vater schon im Palast seinen Dienst tat. Je weiter entfernt man von Edo lebte, desto unmöglicher war es, eine solche Ehre zu erlangen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als in kleinen Schritten, der Gruppe zu folgen, bis man sie vor eine breite Schiebetür führte, die im schlichten hellbraun gehalten war. Die beiden Samurai, die davor saßen, verneigten sich und zogen diese mächtige Tür auf, um die Gruppe einzulassen. Dabei handelte es sich um einen Vorraum, in welchem die Samurai angewiesen wurden zu warten, während Minoru Yukio alleine weiter führen würde. Dann wurde die nächste Tür aufgezogen und dort, in einem schönen Zimmer ohne Fenster, saß auf dem Podest ein Mann, der über eine Karte gebeugt war und der monotonen und leisen Stimme, eines Samurais lauschte. Wie es sich gehörte kniete sich Yukio hin, ebenso wie der junge Samurai an seiner Seite und als Tokugawa seinen Blick endlich auf Yukio lenkte, verneigte sich dieser, wie man es ihm beigebracht hatte. Frischer Duft der Tatamimatten stieg ihm in die Nase, bevor er sich langsam wieder aufrichtete. Wie ein Mädchen, dachte Minoru etwas abfällig, als er Yukio knien sah. Wie sich ein Samurai dazu bringen lassen konnte, als Mädchen zu reisen, wollte ihm einfach nicht in den Kopf. Er hätte, es gewiss nicht getan. „Du bist also Matsumoto Yukio“, sprach Tokugawa schließlich und entzog seine Aufmerksamkeit dem Samurai mit der Karte. Seine Augen huschten über die knabenhafte Gestalt, au eine Art die Minoru unruhig machte. Er kannte seinen Herrn und wusste, dass dieser Schönheit nicht abgeneigt war. „Mir scheint fast, dass euer Vater mir anstatt seines Sohnes, ein Mädchen zu schicken wünschte“, sagte der Shogun weiter und lachte dunkel, was Yukio zum erröten brachte und in Minoru einen Hauch von Mitleid weckte. Der zurückhaltende Junge wollte den Mund öffnen, um etwas zu sagen, doch kam ihm Tokugawa zuvor. „Du musst mir nicht versichern, dass du kein Mädchen bist, das sehe ich auch so“, begann Tokugawa weiter zu sprechen. „Yoshida-san wird dich jetzt in deine Räume bringen. Dort wirst du bleiben, bis ich darüber entschieden habe, wie viel Bewegungsfreiheit ich dir zugesehen werde.“ Minoru atmete ein wenig auf. Das war der übliche Ablauf und mit etwas Glück für Yukio, würde der Junge ein langweiliges Leben am Hofe führen und aus Minorus Aufgabengebiet fallen. „Ich danke Euch für eure Großzügigkeit“, murmelte der Junge und erhob sich im gleichen Moment wie Minoru, der ihn wieder aus dem Raum führte. Die Samurai des Matsumoto Clans hatten das leise Gespräch kaum verfolgen können, doch auch sie erhoben sich und folgten Minoru und Yukio. Die Unterkunft für den Jungen, der bald ohne Gefolge im Palast zurückbleiben würde, war in der Nähe des Palastgartens. Die schönen Räume waren einst für Gesandte reserviert gewesen. Nun waren sie ein perfektes Heim für die Söhne der weitentfernt lebenden Daimyos. Der Palastgarten wurde tatsächlich so oft genutzt, dass keine ihrer Bewegungen unbeobachtet blieb. Die Höflinge und Besucher des Gartens hatten vor allem in den Sommermonaten einen freien Blick auf die Geiseln, die wie auf einer Bühne leben mussten, jeden Moment von allen Seiten beobachtet. Tatsächlich weilten die diesem Teil des Palastes derzeit noch zwei andere Jungen, die auf der Veranda, vor ihren Räumen saßen und Minoru, mitsamt seinem Anhang beobachteten. Der junge Samurai achtete jedoch nicht auf sie. Ein Blick zu Yukio verriet, dass auch dieser nicht hinsah, ihm stattdessen in kleinen, zierlichen Schritten folgte, wie es eben der enggebundene Kimono erlaubte. Yukio waren zwei Räume zugestanden worden. Ein Empfangsraum und ein Schlafgemach, die durch eine dünne Shojitür miteinander verbunden waren. Beide konnten von der Veranda her betreten werden. Es waren sicherlich nicht die schönsten Räume aber vor ihnen knieten zwei Diener. Eine ältere Frau und ein Junge, die sich sehr höflich verneigten. „Das werden eure Gemächer sein und das eure Diener, Kumiko und Shiro. Ihr müsst Euch nun von eurem Gefolge verabschieden. Sie haben Anweisung morgen früh wieder abzureisen und bis dahin in der Kaserne zu bleiben“, teilte Minoru Yukio die übliche Vorgehensweise mit und sah im nächsten Moment die feuchten Augen, des Jünglings, der ganz offensichtlich nicht damit gerechnet hatte, sich so schnell verabschieden zu können. „Wird es mir erlaubt sein, sie bis morgen früh, in der Kaserne noch einmal zu… aufzusuchen?“, erkundigte er sich mit dünner Stimme, die Minoru fast den Kopf hätte schütteln lassen. Wie konnte man sich nur so gefühlsbetont zeigen, anstatt sich einfach den Regeln zu fügen. „Es tut mir leid, aber das ist nicht erlaubt“, antwortete Mirnou und spürte den Hauch von Mitleid, da er ein wenig verstehen konnte, wie schwer es fallen musste, auf alles vertraute zu verzichten. Zumindest nickte Yukio und Minoru trat ein wenig beiseite, um den Jüngling unbelauscht mit von seinen vertrauen Begleitern Abschied nehmen zu lassen. Es dauerte nicht lange und Yukio verneigte sich vor seinen Begleitern, dankte ihnen für ihre Treue, ehe er ohne einen weitern Blick auf Minoru zu werfen, seine neuen Räume betrat. Ein wenig überrascht, sah Minoru auf die sich schließende Shojitür. Er hatte Tränen erwartet, aber wie es aussah, hatte sich der Junge doch fangen können. Er wandte sich ab, um den Rest des Matsumoto Gefolges zur Kaserne zu bringen. Über den Rest des Tages schaffte es Minoru erstaunlich gut, Yukio aus seinen Gedanken zu bannen. Als Mitglied der Wache des Shoguns, unterstand er einem seiner Vertrauten, Fukuwara Saburo. Dieser war nicht nur Minorus Lehrer, sondern auch ein enger Freund, seines verstorbenen Vaters. Der Wunsch Fukuwara zu gefallen, war so tief, dass Minoru innerhalb der Palastmauern schon den Ruf erhalten hatte, ein überaus ernsthafter junger Mann zu sein, der einem erfahrenen Samurai in kaum etwas nachstand. Das war auch der Grund, warum Fukuwara Minoru damit betraute, sich um den Neuankömmling zu kümmern. Gewiss war das nicht die spannendste Aufgabe für Minoru, doch hatte Fukawara Minoru diesen mit einer solchen Bestimmtheit übergeben, dass Minoru nicht einmal auf die Idee gekommen war, sich dagegen zu äußern. Die ersten Zweifel kamen ihm allerdings, als er Yukios Gemächer erreichte. Der junge Shiro kniete vor der geschlossenen Shojitür und wirkte sehr unglücklich, als er Minoru nahen sah. Als der Samurai die Veranda betrat verneigte er sich sehr tief. „Verzeiht, aber Matsumoto-san ist noch nicht fertig“, sagte er kleinlaut und leckte sich sehr nervös über die Lippen, was Minoru die Augenbrauen zusammenziehen ließ. „Warum ist er noch nicht fertig?“, fragte er den Diener ziemlich barsch, der nicht einmal wagte den Kopf, geschweige den Blick zu heben. „Matsumoto-san... weigert sich das Gewand zu tragen, welches Tokugawa-sama ihm geschickt hat“, wisperte er gegen den Verandaboden, was Minoru nur ärgerlicher machte. Was sollte das alles auf einmal? Wusste der Yukio auf einmal nicht, was sich gehörte? Er trat näher und wies Shiro an die Tür zu öffnen, der es auch eiligst tat. Die Shojitür glitt fast geräuschlos auf und gab den Blick frei auf Kumiko frei, die vor einem deutlich wütenden Yukio kniete und ihm einen Kimono hinhielt. Einen Mädchenkimono, der mit bunten Blumen bemalt war und lange Ärmel hatte. Yukio selbst trug nur einen weißen Juban und drehte in dem Moment den Kopf zu Minoru, als dieser eintrat. Funkelnde Augen begegneten dem überraschten Blick des jungen Samurais, der einen Moment brauchte, bis er sich gefangen hatte. „Warum seid Ihr noch nicht fertig, Matsumoto-san?“ fragte er und ignorierte Kumiko die sich vor ihm verneigte und dann den Kimono in aller Ruhe wieder glättete. Sie ließ sich kaum aus der Ruhe bringen. Ganz anders dagegen Yukio, der den bunten Stoff losgelassen hatte und sich trotz seines unangemessenen Aufzugs zu Minoru wandte. „Ich bin noch nicht fertig, weil ich nicht passendes zum mich ankleiden bekommen habe“, gab er frostig zurück, was Minoru die Augenbrauen heben ließ. „Tokugawa-sama hat Euch doch ein Gewand geschickt, als zieht es an, damit Ihr euch nicht schon am ersten Tag verspätet“, antwortete er so nüchtern wie möglich, wobei er selbst nicht verstand, warum der Shogun Yukio einen Mädchenkimono geschickt und seine anderen Kleider zurückhalten hatte lassen. „Seid Ihr von Sinnen? Ich werde keineswegs in einem Mädchengewand…“ Weiter kam er gar nicht, da ihn Minoru auch gleich unterbrach. „Ich sehe keine Schwierigkeiten darin. Schließlich seid Ihr heute Morgen ebenfalls in einem Mädchenkimono nach Edo gekommen“, erinnerte er den aufgebrachten Jüngling daran, und hätte beinahe ein wenig aus Schadenfreude lächeln müssen, als er sah wie Yukio errötete. „Außerdem solltet Ihr bedenken, dass der Shogun Euch dieses Gewand geschickt hat und darum ist es auch eure Pflicht es zu tragen, wenn Ihr euren Clan nicht schon am ersten Tag in Ungnade fallen lassen wollt.“ Das war keine leere Drohung, sondern eine Weissagung, die auf Minorus Erfahrungen beruhte. Er hatte schon einige Männer gesehen, die sich dem Shogun aus vielen verschiedenen Gründen widersetzt hatten und ihnen allen war es nicht gut bekommen. Dieser Einwand schien zu wirken, denn obwohl sich Yukios Gesicht verdüsterte, machte er eine Handbewegung, dass Kumiko ihm beim ankleiden helfen sollte. „Bitte wartet draußen, bis ich angezogen bin, Yoshida-san“, sagte Yukio sich schon abwendend. Nein, glücklich war er nicht, das sah ihm Minoru an, doch er verneigte sich dennoch leicht, bevor er wieder auf die Veranda trat und Shiro die Tür schließen ließ. Der Junge war wirklich töricht, dachte er bei sich und blickte in den Garten, der langsam von Dunkelheit umfangen würde. Wenn er nicht bald lernte, dass es besser war sich allem hier am Hof zu fügen, würde er keinen Monat überleben. Es kostete Yukio wirklich Überwindung den Kimono anzuziehen. Er wollte ihn nicht tragen. Oh, er hatte sich auf der Reise hierher gefügt, da er den Schutz einer solchen Verkleidung erkannt hatte, doch hier war es nicht mehr nötig und so sah er den Kimono, als eine Demütigung an, die er in seinen Augen einfach nicht verdiente. Während Kumiko ihm einen schweren, dunkelblauen Obi band, musste Yukio leider auch Minoru im Geiste zustimmen, dass sein Verhalten falsch gewesen war. Es wäre äußerst dumm gewesen, sein Vorhaben zu verwirklichen und sein Missfallen, über den Kimono später beim Shogun zu äußern. Seinem Clan zuliebe, musste er sich fügen und hoffen, dass sein Aufenthalt hier, seine Familie nicht nur vor den Angriffen der Mogami schützen würde, sondern ihnen auch die Provinz Dewa ganz einbringen würde. Mit diesem Gedanken im Kopf trat er schließlich aus seinem Zimmer hinaus. Der enge Obi zwang ihn sich sehr gerade zu halten und der enge Kimono würde ihn wieder zu winzigsten Schritten verdammen, aber all das war ein kleiner Preis, für das was ihm als Gewinn winken mochte. „Verzeiht, dass ich Euch habe warten lassen, Yoshida-san.“ Es war keine plötzliche Reue die Yukio bewog sich zu entschuldigen, sondern die Erkenntnis, dass er sich ungebührlich vor ihm verhalten hatte. Der junge Samurai musterte ihn einem Moment und neigte leicht den Kopf, zum Beweis, dass er die Entschuldigung akzeptierte. „Folgt mir bitte“, forderte er Yukio auf, der in trippelnden Schritten versuchte mit Minoru Schritt zu halten. Während sie durch den Garten gingen, nutzte Yukio die Gelegenheit seinen Begleiter zu mustern. Er war einen halben Kopf größer als Yukio selbst, hatte breitere Schultern und seinen Handrücken zierte eine schmale Narbe, die vom Kampftraining kommen musste. „Verzieht meine Frage, aber wie kommt es, dass jemand der so jung ist wie Ihr, schon in der Palastwache eingesetzt wird?“ fragte Yukio mit echter Neugierde, die jedoch etwas in sich zusammen fiel, als er die Falte auf Minorus Stirn entdeckte. Der Samurai sah ihn nicht an und schon dachte Yukio, dass die Frage unangemessen war, als Minoru sich doch zu einer Antwort herab ließ. „Fukuwara-sama, mein Lehrer, befand, dass ich gut genug für die Palastwache bin und hat mich daher aufgenommen“, erläuterte er kurz angebunden, was Yukio die Lippen aufeinander pressen ließ. Wie es aussah stimmte es, dass man nur mit guten Kontakten einen Posten im Palast ergattern konnte, wenngleich es Yukio nicht laut aussprach. Er zog es vor den Rest des Weges zu schweigen und Minoru animierte ihn auch zu keiner Konversation. Sobald sie wieder die weitläufigen und schönen Flure betraten, senkt sich Yukios Blick ein wenig. In regelmäßigen Abständen standen Wachen zu rechten und zur linken Seite, von welchem sich Yukio beobachtet fühlte. Auch Diener kamen ihnen entgegen und auch da fühlte sich der Jüngling im Mittelpunkt des Interesses. Wäre Minoru nicht so vorgeprescht, hätte Yukio seine Schritte gewiss verlangsamt, doch diese Möglichkeit war nicht vorhanden, so dass sie viel zu bald den kleinen Bankettesaal erreichten, in welchem Tokugawa und seine Vertrauten speisten. Yukio bereute, dass er nicht eher fertig geworden war, da er nun mit Minoru gemeinsam als letzter den Saal betrat, was ihm alle Blicke sicherte. Er ließ sich von Minoru zu seinem Platz führen, der bedauerlicherweise zur Linken des Shoguns war. Noch ehe er sich hingekniet hatte, lagen Tokugawas Blicke auf ihm. „Es freut mich, dass Ihr doch noch den Weg hierher gefunden habt“, sagte der Shogun mit etwas Ironie in der Stimme, während Yukio sich schmerzlich bewusst war, wie genau er zusah, wie der Jüngling sich setzte. „Verzeiht. Ich bin nicht geübt mich in solche Kimonos zu kleiden“, entschuldigte sich Yukio und verneigte sich entschuldigend. „In dem Fall, werden wir dafür sorgen, dass Ihr Übung darin bekommt“, meinte Tokugawa nachdenklich, was Yukios Wangen brennen ließ. Die Aussicht, dass der Shogun diese Art von Drohung tatsächlich wahr machen könnte, wollte seinen Zorn hoch schwappen lassen. Doch er beherrschte sich, senkte demütig den Blick und predigte sich Geduld. Wie es sich gehörte hatte sich Minoru an die Seite des Saales gesetzt, so dass er genau zwischen Yukio und Tokugawa blicken konnte. Ihm waren die wenigen Gesprächsfetzen nicht entgangen, die einen Samurai beleidigen mussten. Doch bis auf das leichte erröten seines Nackens konnte Minoru nichts sehen, was Yukios Missfallen verkündet hätte. Auf das Mahl blickend frage sich Minoru wie lange es wohl dauern würde, bis dieser unbedarfte Jüngling stolpern würde, denn dass er es würde, war sicher. Minoru hatte den Nachmittag genutzt, um sich über den Neuankömmling zu informierten und hatte herausgefunden, dass dieser gerade einmal ein Jahr jünger als er selbst war. Trotzdem kam er ihm wie ein Kind vor, warum Minoru beschloss ihm mit etwas Nachsicht zu begegnen. Er hatte als Geisel einen jungen Samurai erwartet und gekommen war ein verweichlichter Knabe, dem besser zu Gesicht gestanden hätte ein Mädchen zu sein! Einen Seufzer unterdrückend sah er wie Yukio dem Shogun Sake nachfüllte, wobei er seinen wundervollen Unterarm entblößte. Wie Tokugawas Augen, ruhten auch Minorus darauf, der mit einer bösen Vorahnung bemerkte, dass Yukio mehr von Tokugawas Aufmerksamkeit auf sich lenken würde, als es gut für ihn wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)