Sealed Memories von abgemeldet (4851 mal nicht als Slash ;P -- Letztes Chapter wird geladen) ================================================================================ Kapitel 1: 1. ------------- „Also eigentlich ist es ganz einfach…“ Pfeilschnell schossen die Finger von Shoichi Irie, dem Ingenieur der Vongola Famiglia über die Tasten seines Laptops. Er wusste, dass hinter ihm auf dem riesigen Bildschirm seine Grafiken angezeigt wurden, darum sparte er sich großartige Erklärungen. „Spanner hat euch Navigationsprogramme in die Brillen installiert, da könnt ihr euch wohl schlecht verlaufen. Gokudera und Tsunayoshi-kun können es direkt mit ihren Kontaktlinsen benutzen. Und über die Ohrstecker und den Kopfhörer können wir euch Anweisungen geben.“ Tsuna und Yamamoto nickten, während Gokudera seine ewig finstere Miene zur Schau stellte. „Na dann kann ja gar nichts mehr viel schief gehen!“, lachte der Schwertkämpfer gelassen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während Shoichi im Kopf schon überlegte, wie er den Kindern seinen Plan am deutlichsten rüberbringen konnte. „So leicht wird das nicht, Baseballfreak!“, schnauzte Gokudera sofort zurück, aber die ewigen Streits zwischen dem Regen-, und dem Sturmwächter war er schon viel zu gewöhnt, als er diesen noch Aufmerksamkeit schenkte. Er wollte gerade den Mund aufmachen und sich räuspern, um wieder Aufmerksamkeit zu kriegen, da ging die Tür auf und ein lautstark schreiender Lambo stürzte in den Raum. „Uwäääääh~ Tsunaaaaaaa!“ Die Anwesenden blickten das schreiende Kind verblüfft an. Gokudera schrie ihn zwar sofort wieder an, gefälligst still zu sein, schließlich befänden sie sich in einer wichtigen Besprechung, aber es wäre das erste Mal gewesen, hätte Lambo wirklich auf den Älteren gehört. „Lambo, was ist los?“ „Der Spanner ist geschrumpft!“ Erstaunt wechselten die Kinder und ihr Ingenieur bedeutende Blicke. Normalerweise laberte Lambo allen möglichen Unsinn wenn der Tag lang war, aber diese Andeutung…war nicht sehr beruhigend! Wie auf ein unsichtbares Kommando stürzten die vier aus dem Raum in die Richtung, aus der der kleine Donnerwächter gekommen war. Und alle blieben wie vom Donner gerührt stehen, als sie mitten im Gang einen Jungen sitzen sahen – der Spanner wirklich sehr ähnlich sah, aber dennoch mindestens zehn Jahre zu jung war! „Spanner?“ Verwundert nannte Shoichi seinen Freund beim Namen, einfach um zu sehen, ob er nicht wirklich träumte. Ein paar türkisfarbener Augen wandten sich ihm zu, aber die Gruppe sah sofort, dass etwas nicht stimmte. Der junge Spanner, der gebückt vor ihnen saß, trug einige deutliche Anzeichen von Prügel im Gesicht. Sein rechtes Auge war geschmückt mit einem hellvioletten Veilchen und am Mundwinkel war noch eine eindeutige angetrocknete Blutspur zu erkennen. Statt dem einteiligen Arbeitsanzug trug er eine ausgeleierte Jeansjacke, darunter ein schmutziges gelbes T-Shirt und seine Jeans hatte auch schon bessere Tage gesehen. Er war ein Bild des Jammers. „Was ist nur mit ihm passiert?“, flüsterte Tsuna erschrocken, als auch er recht schnell begriff, dass der junge Spanner eindeutig schon bessere Tage gesehen hatte. Der vierzehnjährige Junge zuckte leicht zusammen, als Shoichi einen zögerlichen Schritt auf ihn zu machte und versuchte, zurückzuweichen, aber mitten in der Bewegung hielt er inne und verzog das Gesicht vor Schmerzen. „Du bist verletzt, Spanner.“ Jeder hatte die Abwehrreaktion bemerkt, aber nur Shoichi war entschlossen genug, um mit schnellen Schritten neben seinem jungen -eigentlich noch nicht- Freund niederzuknien. Aus ernsten grünen Augen blickte er den Jungen an. „Was ist nur passiert? Wer hat dir das angetan?“ Der Blondschopf duckte sich unter dem besorgten Blick und schüttelte zaghaft den Kopf, brachte aber nicht einen Ton heraus. Shoichi seufzte leise. „Hey, schon gut. Ich tue dir nichts, Spanner. Mein Name ist Shoichi. Ich werde dich nicht schlagen oder dir sonst wie wehtun, okay? Glaubst du mir das?“ Shoichi wagte es nicht, den Jüngeren zu berühren, aber er hoffte, dass seine Worte die Angst nehmen konnten. Wenigstens so weit, dass er ihn notdürftig behandeln durfte. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, in der er in die türkisen, schmalen Augen blickte, die ihn sonst immer so gelangweilt angesehen hatten. Jetzt waren sie gefüllt mit Emotionen, die ihm beim besten Willen nicht gefielen. Angst und Misstrauen standen ihm praktisch ins Gesicht geschrieben, während er aus der gebückten Position den jungen Mann mit den feuerroten Haaren studierte. Ein ganz zaghaftes, heiseres „Hmhm“ drang schließlich an sein Ohr, ganz leise, aber hörbar. Shoichi lächelte erleichtert. „Du hast bestimmt Schmerzen, nicht?“ „Wir gehen besser. Wenn du uns brauchst, sag bescheid, Shoichi-kun.“, meldete Tsuna sich schließlich ebenso leise und auf ein bestätigendes Nicken seines Familienmitglieds hin entfernten Gokudera, Yamamoto und er sich wieder. Zurück blieben schließlich der kleine, ängstliche Spanner und Shoichi Irie, der nicht genau wusste, was er machen sollte. Am liebsten hätte er Spanner sofort gepackt und auf die Krankenstation getragen, aber er wusste, dass der Junge das nicht zulassen würde. Oder konnte. //Ich glaube, ich muss verdammt vorsichtig mit ihm sein! Ich weiß ja nicht, was er erlebt hat, dass er so ängstlich und so schlimm zugerichtet ist, aber ich darf mir sein winziges bisschen Vertrauen nicht verspielen…Am besten frag ich ihn einfach, ob ich ihm helfen kann…das sollte hoffentlich nicht zu vertraut, aber auch nicht zu distanziert wirken. Mannomann…// Zögerlich fuhr sich der Brillenträger durch die wuscheligen Haare. Noch immer starrten die türkisen Augen ihn durchdringend an, aber er erwiderte den Blickkontakt nicht direkt, sondern guckte immer nur auf Kinnhöhe des schmalen Gesichts. Er hatte mal gelesen, dass direkter Blickkontakt bei Hunden als Herausforderung verstanden wurde, wer konnte da schon genau wissen, wie misshandelte Kinder darauf reagierten? „Darf ich deine Wunden versorgen? Dann lindern auch die Schmerzen ein bisschen.“, fragte er schließlich vorsichtig und wartete geduldig auf eine Antwort. Er war sich nicht sicher, ob seine Frage angemessen war, dazu hatte er bisher einfach zu wenig Kontakt mit Kindern in seinem Leben gehabt. Klar, Spanner war jetzt etwa im gleichen Alter wie Tsuna und seine Freunde, aber der Unterschied auf der geistigen Ebene war mehr als nur eindeutig erkennbar. Er konnte und durfte ihn nicht wie einen vierzehnjährigen behandeln, soviel war mal klar. Schließlich bekam er dennoch ein Nicken. Zaghaft wie immer, aber es war ganz eindeutig ein Nicken. Shoichi nickte lächelnd und stand langsam auf. „Kannst du laufen? Die Krankenstation ist nicht weit entfernt, nur ein paar Meter. Ansonsten kann ich dich auch tragen, wenn du möchtest.“ Und noch einmal verging eine gefühlte Ewigkeit, ehe der Junge sich von allein wieder auf die Füße rappelte und ihm mit langsamen, leicht humpelnden Schritten folgte. Shoichi drehte sich nicht um, ihm reichte es, die leisen Schritte zu hören. Als sich die automatische Tür vor ihm öffnete, hörte er, dass Spanner stehen blieb. Er konnte sich schon denken, wo das Problem lag. „Dies ist die Krankenstation. Keine Angst, ich sperre dich nicht ein. Die Tür geht sofort auf, sobald man sich ihr auf anderthalb Meter nähert.“, erklärte er rasch und bedeutete dem Kind, einzutreten. Er hoffte nur, dass sein optimistisches Lächeln beruhigend wirkte, denn so wirklich beruhigen taten diese Worte ihn selbst auch nicht. Rasch verschwand er in den Raum und begann in einem der vielen kleinen Schränke herumzukramen, bis er den Erste-Hilfe-Kasten gefunden hatte. Er musste nicht zurückschauen, um zu wissen, dass sein Patient auf dem Stuhl neben dem Bett saß und ihn bei allem, was er tat, beobachtete. „Hier drinnen sind Pflaster, Verbände und Desinfektionsmittel. Du brauchst also keine Angst zu haben, ist alles ganz harmlos.“, erklärte er zögerlich, während er sich dem Kleineren gegenüber auf das Bett setzte und ihn erneut aufmerksam anschaute. „Ich wische dir jetzt das Blut von den Lippen, okay? Nicht erschrecken, das Desinfektionsmittel brennt wahrscheinlich ein bisschen.“ Ganz langsam näherte er sich mit dem Tuch in der Hand dem Gesicht seines Gegenübers. Er registrierte erfreut, dass Spanner diesmal keinen Versuch startete, der Berührung auszuweichen und betupfte vorsichtig die blasse Haut. Auch bei dem Kontakt mit dem Alkohol zuckte er nicht zurück, aber damit hatte Shoichi schon fast gerechnet. „Ich weiß, was in einem Erste-Hilfe-Kasten alles drin ist…“ Spanner rührte nicht einen Muskel, als er das flüsterte. Beinahe hätte Shoichi es überhört, aber ein seichtes Grinsen verriet, dass er das verhaltene Genörgel durchaus gehört hatte. „Na dann brauch ich es dir ja nicht mehr erklären. Erzählst du mir, woher du diese Wunden hast, Spanner?“ Und schon spürte er, dass er die unsichtbare Linie deutlich überschritten hatte. Spanner zuckte noch immer nicht zurück, aber seine türkisfarbenen Augen schlossen sich und verbargen sich somit vor der Umwelt. Selbst ein Idiot hätte verstanden, dass der Kommunikationsbedarf nun gedeckt war. „Noch zwei Minuten, dann sind die fünf Minuten um. Sag, Spanner…“ Vorsichtig klebte der Rothaarige seinem Patienten ein kleines Pflaster auf den Mundwinkel und lächelte sanft. „Interessierst du dich für Maschinen? Roboter?“ Wie aufs Stichwort nickte der Junge. Noch immer ließ er die Augen geschlossen, aber seine Haltung straffte sich und er drückte eindeutiges Interesse aus. „Hast du schon mal eigene Roboter gebaut?“ Diesmal kam nur ein Kopfschütteln. Verwundert zog Shoichi die Augenbrauen in die Höhe. „Noch nicht? Hast du denn schon…das eine oder andere Gerät auseinandergenommen und wieder zusammengebastelt? Oder Bücher gelesen?“ Wieder ein Kopfschütteln. Shoichi beobachtete nun stirnrunzelnd, wie die schmalen Schultern nach vorn sanken und den Rücken krümmten. Seine Gedanken begannen zu rasen. //Er hat noch nicht damit angefangen? Aber als ich ihn kennen gelernt hab, war er siebzehn…jetzt ist er vierzehn. Das kann doch nicht sein, dass er innerhalb von drei Jahren auf einen Stand kommt, der es ihm erlaubt, an dem internationalen Roboterwettbewerb teilzunehmen?! Das wäre unglaublich…dann ist er wirklich um einiges talentierter, als ich dachte! Ich hab Jahre gebraucht, ehe ich meinen ersten Mecha gebaut habe…// „Hat man dir verboten, dich damit zu beschäftigen?“ Shoichi wusste nicht genau warum, aber er hatte das dringende Bedürfnis, dem Kleinen zu zeigen, dass Maschinenbau wirklich unheimlich interessant war. Und wenn er gerade mit seiner Vermutung richtig lag, würde er überhaupt erst der Auslöser dafür sein, dass Spanner ein so talentierter Mechaniker werden würde. Nun öffneten sich die Augen wieder und der Junge blickte ihn traurig an. „Ich darf nicht…“ „Weißt du…ich konnte mich damals auch nicht wirklich damit beschäftigen. Ich wollte eigentlich immer Musiker werden, weißt du? Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass dieser Beruf nur wenig ertragreich ist und hab angefangen, in allen möglichen Büchereien Bücher über Maschinenbau zu lesen, weil ich das Thema trotzdem sehr interessant fand. Ich wohnte zwar nicht mehr zu Hause, aber ich hatte dennoch Hemmungen, mich intensiver damit auseinander zu setzen. Darum hab ich mich in der Schule für einen Technikkurs für Anfänger eingetragen und schon war ich mittendrin. Und heute bin ich Ingenieur mit Diplom und gutem Einkommen. Ich kriege gutes Geld für eine Arbeit, die mir wirklich Spaß macht.“ Der Junge hörte aufmerksam und neugierig zu, was der Erwachsene ihm da erzählte. Ein Technikkurs in der Schule? Wenn er sich recht erinnerte, die Schule seines großen Bruders hatte eine solche AG, aber es würde ihm nie möglich sein, sich dort einzuschreiben, soviel war sicher. Bei dem Gedanken daran, was ihn zuhause erwarten würde, begann er ängstlich zu zittern. „Ich will nicht wieder zurück.“, flüsterte er plötzlich, von einer unruhigen Angst geplagt, als Shoichi immer wieder auf seine Uhr blickte. „Keine Angst, Spanner. Wir sehen uns wieder. Werde Techniker, dann sehen wir uns garantiert wieder!“ Und dann verschwand das Kind mit einem lauten Knall im pinken, qualmenden Nebel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)