Suddenly von abgemeldet (Plötzlich sehe ich dich mit anderen Augen) ================================================================================ Kapitel 11: Interview – Thalia ------------------------------ Noch einmal werde ich von irgendwem gepudert und mein Kleid wird zu Recht gezupft. Ich sitze genau wie Peeta und Caesar Flickerman in einem gemusterten Sessel und warte darauf, dass die Kameras angehen und wir mit dem Interview beginnen, dass Snow von uns verlangt. Peeta und ich haben kurz bevor wir eingekleidet wurden ausgemacht, dass ich ihm das Reden hauptsächlich überlasse und einen auf labil mache. Plötzlich in Tränen auszubrechen fällt mir im Moment wieso nicht schwer. Caesar geht noch einmal seine Notizen durch, bevor er uns eine Zeitlang einfach nur anschaut. „Tja… Peeta… Thalia… Herzlich willkommen mal wieder.“, begrüßt er uns schließlich. Ah jetzt sind die Kameras anscheinend an. Na dann. Machen wir mal einen auf verstört, denke ich und fange an unsicher zu lächeln. Auch Peeta neben mir lächelt schmal. „Schätze, Sie haben gedacht, Sie hätten uns zum letzen Mal gesehen, Caesar.“ „Ich gestehe es, ja“, sagt Caesar. „Am Abend vor dem Jubel-Jubiläum… Mensch, wer hätte gedacht, dass wir dich noch einmal wiedersehen, Peeta?!“ „War auch nicht geplant, das können Sie mir glauben“, antwortet Peeta finster. Caesar beugt sich etwas vor. „Ich glaube, jeder hier weiß, was du geplant hattest. Du wolltest dich in der Arena opfern, damit Katniss Everdeen und dein Kind überleben.“ „So ist es. Ganz einfach.“ Nervös fährt Peeta das Muster auf der Armlehne nach. „Doch da hatten auch andere Leute ihre Pläne.“ Zwar schaut er mich dabei nicht an, doch merke ich genau, dass auch ich irgendwie gemeint bin. Schließlich habe ich die anderen unterstützt, die ihn und Katniss lebend aus der Arena holen wollten. „Thalia, weißt… wusstest du etwas von solchen Plänen?“, wendet sich nach kurzem Zögern Flickerman an mich. Verdammt! Was soll ich darauf nur sagen?! Ja, ich wusste von den Plänen. Von der geplanten Rettung des Spotttölpels und Peeta. „Nein. Ich bin genauso ahnungslos wie Peeta gewesen“, antworte ich stattdessen. „Ich…“ Verzweifelt breche ich in Tränen aus. Echte Tränen. Ich weiß nicht weiter. Fühl mich einfach nur müde und kaputt. Möchte plötzlich nicht mehr mit dieser Ungewissheit, ob und wie lange ich noch leben darf hier sitzen und ein sinnloses Interview führen. Beschämt vergrabe ich mein Gesicht in den Händen und hoffe nur, dass die Befragung bald vorbei ist. Nach kurzer Zeit spüre ich eine große kräftige Hand auf meiner Schulter, die beruhigend über diese streicht. Als ich schließlich wieder mein Gesicht hebe sieht mich Caesar einfach nur mittleidig an. „Beachten Sie mich einfach gerade nicht. Es geht gleich schon wieder“, sage ich, bevor er fragen kann, ob wir eine Pause machen sollen. Noch einen Augenblick schweigt der Moderator, bevor er sich wieder Peeta zuwendet. „Warum erzählst du uns nicht ein bisschen von der letzten Nacht in der Arena?“, fragt er Peeta. „Hilf uns, die Dinge zu verstehen.“ Es dauert eine Weile, bevor der Blondschopf neben mir antwortet. „Die letzte Nacht… ich soll Ihnen von der letzten Nacht erzählen… Nun ja, zunächst müssen Sie sich Vorstellen, wie es sich in der Arena anfühlte. Man kam sich vor wie ein Insekt, das unter einer Glocke voll dampfender Luft gefangen ist. Und um einen herum nichts als Dschungel… grün und lebendig und tickend. Diese riesige Uhr, die das Leben wegtickt. Jede Stunde bringt neuen Horror. Sie müssen sich vorstellen, dass innerhalb von zwei Tagen sechzehn Menschen gestorben waren – manche von ihnen bei dem Versuch, mich zu beschützen. Ich konnte mir ausrechnen, dass bei dem Tempo auch die letzten acht am nächsten Morgen tot sein würden. Bis auf einen. Den Sieger. Und nach meinem Plan wäre das nicht ich gewesen. – Niemand außer Katniss.“ Wie zum Protest öffnet Flickermann seinen Mund. Doch Peeta fährt unbeirrt fort: „Wenn Sie erst einmal in der Arena sind, rückt die übrige Welt in weite Ferne. Alle Menschen und Dinge, die Sie lieben und die Ihnen etwas bedeuten, existieren praktisch nicht mehr. Der rosafarbene Himmel, die Monster im Dschungel und die Tribute, die nach Ihrem Blut trachten, werden zur endgültigen Wirklichkeit, der einzigen, die je gezählt hat. Egal wie elend Sie sich dabei fühlen, Sie werden töten müssen, denn in der Arena haben Sie nur ein Ziel. Und das kostet nun mal.“ „Es kostet dein Leben“, haut Caesar Flickerman atemlos. „Oh nein. Es kostet viel mehr als mein oder ihr Leben“, entgegnet Peeta ernst. „Unschuldige Menschen zu töten? – Das kostet alles, was uns ausmacht.“ „Alles was uns ausmacht?!“, wiederholt Caesar fassungslos und schaut mich an. Noch immer traurig, aber nicht mehr am weinen nickte ich sachte, um die aufkommende Stille nicht zu zerstören. Das käme mir unpassend vor. Unbeirrt fährt Peeta neben mir fort: „Also klammern Sie sich an Ihr Ziel. Und ja, in dieser letzen Nacht war es mein Ziel, Katniss zu retten. Aber obwohl ich nichts von den Rebellen wusste, war es irgendwie eigenartig. Es war alles zu kompliziert. Auf einmal bereute ich es, dass ich an diesem Tag nicht mit ihr davongelaufen war, so wie sie es vorgeschlagen hatte. Jetzt gab es keinen Ausweg mehr. – Tut mir leid, Thalia. Nichts gegen dich, aber…“ Entschuldigend sieht er mich an und bittet mich ohne Worte um Vergebung für etwas, dass eigentlich keine Entschuldigung benötigt. Irgendwie kann ich ihn verstehen, denn mir schwebte bei meinen ersten Spielen dasselbe vor – und ich tat es. Ich floh mit Ethan vor unseren Verbündeten und erreichte somit seinen Tod, obwohl ich ihn eigentlich Heimkommen lassen wollte. Und das obwohl ich mich damals schon um Jaro kümmern musste. Sanft lächle ich Peeta an, drücke kurz seine Hand auf meiner Schulter, die sich dort in dem Stoff meines Kleides verkrallt hat und gebe ihm so hoffentlich zu verstehen, dass ich verstehe, was er meint. Dankbar erwidert Peeta das Lächeln. Nervös räuspert sich Caesar und lenkt so wieder unsere Aufmerksamkeit auf sich. „Es gab keinen Ausweg mehr, sagtest du, Peeta. Wieso? Weil du in Beetees Plan eingebunden warst, den Salzsee unter Strom zu setzen?“ Noch einmal werde ich aus seinen blauen Augen angeschaut, bevor Peeta antwortet. „Weil ich zu beschäftig damit war, so zu tun, als wäre ich mit den anderen verbündet. Ich hätte nie zulassen dürfen, dass sie uns trennen!“, bricht es aus dem 17-jährigen neben mir aus. „Denn dabei habe ich sie aus den Augen verloren. Ich hätte mich einfach mehr durchsetzen müssen. Im Notfall Finnick und die anderen töten müssen. Dafür sorgen müssen, dass Katniss bei mir in der Nähe bleibt…“ Seine Worte haben bei mir irgendwie einen Schalter umgelegt. Ich will nichts mehr von seinen wahren Gefühlen und Gedanken hören, die er in der letzen Nacht in der Arena gehabt hat. Auch wenn ich mir nicht die Hände auf die Ohren presse verschließe ich mental meine Ohren. Höre weder Flickermans Fragen, noch Beschwichtigungen. Nur Peetas Vorwürfe. Doch auch das hilft nichts. Abrupt springe ich auf und laufe an den Kameramännern vorbei. Vorbei an zahlreichen Friedenswächtern. Ich plane nicht abzuhauen, zumindest nicht aus dem Kapitol, nur vor Peeta möchte ich abhauen. Schließlich werde ich doch noch von einem der Friedenswächter gepackt und grob weggeschleppt. Weg von dem Raum, in dem das Interview stattgefunden hat. Weg in die entgegengesetzte Richtung. Weg von jeglichem „freien“ Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)