Wenn Sirius ein Apfel wäre... von Arcturus ================================================================================ Wenn Sirius ein Apfel wäre... ----------------------------- Es war einer jener Tage Mitte Mai, die Sirius so hasste. Der kommende Sommer war schon fast greifbar und die nahenden NEWT verdarben einem alles – es sei denn, man hieß James Potter und stahl sich, bewaffnet nur mit einem Zauberstab, einem Tarnumhang und Lily Evans nach Hogsmeade. Problem: Sirius hieß nicht James Potter. Er sah nicht einmal so aus. Er hieß im Übrigen auch nicht Peter Pettigrew, obwohl er nicht wusste, ob er überhaupt so heißen wollte. Aber immerhin. Peter Pettigrew hatte Mabel Bones. Mabel Bones war eine etwas pummelige Sechstklässlerin mit einem blonden Pferdeschwanz in Schwarz-Gelb. Natürlich hatte Sirius nichts gegen schwarz-gelb, aber schwarz-gelb war langweilig. Für Peter hui, für Sirius bäh. Die Alternativen waren nicht sonderlich rosig. Sarah Chester hatte ihm einen saftigen Tritt in den Allerwertesten gegeben, nachdem sie ihn mit Genevieve Astor erwischt hatte – letztere hatte ihn übrigens festgehalten, nachdem sie verstanden hatte, wie der Hund lief. Phoenix Edwin sah er seit Ende April nur noch hinter einem großen Stapel dicker Wälzer und wenn sie Zeit für ihn hatte, zitterte sie vor Prüfungsangst. Alice Wilson schrieb seit neuestem mit diesem Möchtegernauror, den Sirius schon nicht hatte leiden können, als er noch zur Schule gegangen war. Und Asterope? Er wollte nicht an Asterope denken. Diese Front konnte er schlichtweg vergessen. Was blieb, war Moony. Moony wäre eigentlich die erste Wahl gewesen, denn Moony war nicht austauschbar, aber Moony war langweilig bis dröge, denn Moony lernte, wie der brave Schüler, der er war, für die NEWT. Verdammte Zeitverschwendung, wenn er Sirius gefragt hätte, aber er fragte Sirius nicht. Niemand fragte in letzter Zeit Sirius. Aber wenigstens ging er mit Sirius raus an den See unter ihren Lieblingsbaum. Gut, eigentlich ging Moony mit Zaubertränke für Fortgeschrittene, Tausend Zauberkräuter und -pilze und Höhere Zaubertrankkunde raus an den See unter ihren Lieblingsbaum, aber er duldete Sirius wie ein Anhängsel, dass an einem klebte und nicht abging. Das änderte allerdings nichts daran, dass Sirius langweilig war. Er war in der Küche gewesen und hatte sich, nachdem er das Frühstück verpasst hatte, mit einem überlebenswichtigen Vorrat an Pudding (der mittlerweile nicht mehr existierte) eingedeckt und, weil Moony ihn finster angeblickt hatte, auch mit einem Apfel. Außerdem hatte er Severus verhext und seinen kleinen, dummen Bruder auch. All das änderte jedoch nichts daran, dass ihm langweilig war. Alles war langweilig, seitdem Lily Evans mit James ging, denn ehrlich – der Kerl war seitdem zu nichts mehr zu gebrauchen. Lily hier und Lily da, Lily tralala. Das Peter sich mit Mabel Bones beschäftigte und Remus mit Zaubertränke für Fortgeschrittene, waren da auch weder sonderlich hilfreich noch erbaulich. Was blieb, war der Apfel, den er nicht essen wollte, weil er ihm viel zu gesund war. Er musterte das gute Stück kritisch. Man sah ganz genau, dass das Obst bereits vom letzten Jahr war und nur noch durch Magie frisch gehalten wurde. Die Schale hatte eine seltsam gelbliche Farbe und wirkte wächsern, weil der Glanzzauber, den die Hauselfen vermutlich darüber gelegt hatten, nachließ, und er zählte zwei kleine braune Stellen und drei Dellen. „Du, Remus?“, fragte er schließlich, nachdem auch der Apfel langweilig geworden war. Nicht, dass Remus sich, nur, weil ihm langweilig war, dazu herablassen würde, seine Langeweile zu bekämpfen. Nicht mit den NEWT, die am kommenden Montag beginnen würden. Als er tatsächlich keine Antwort bekam, wandte er sich doch wieder dem Apfel zu. „Hörst du, Apfel?“, fragte er schließlich, auf Augenhöhe mit einem braunen Fleck und einer Delle. „Du hörst nichts? Oh gut, ich höre nämlich auch nichts. Moony möchte nämlich nicht mit uns reden, nicht, Apfel? Aber hey, du bist nur ein Apfel. Du kannst damit bestimmt umgehen. Aber wir können uns schon so beschäftigen, nicht, Apfel?“ Mit diesen Worten warf er das Obst in die Luft, sah ihm beim Fliegen zu und fing es wieder auf, bevor es auf dem Boden – oder auf ihm – aufschlagen konnte. „Na, hat das Spaß gemacht? Ja, lieber Sirius! Nochmal? Hui!“ Mit diesen Worten warf er den Apfel erneut. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Remus frustrierte so tat, als würde er lesen. Natürlich las er nicht, dass sah Sirius auch. Sirius sah und wusste alles. Und fürs Lesen musste man die Seiten umblättern und nicht nur auf eine Zeile starren, so angespannt, als würde man gleich zuschlagen. Er warf den Apfel nochmal. „Sirius? Leg den Apfel hin oder iss ihn.“ Sirius fing den Apfel wieder und hielt ihn sich erneut auf Augenhöhe. „Oh, hast du gehört, Apfel? Remus spricht doch mit uns! Ist dass nicht toll?“ Als Ausdruck seiner Freude warf er den Apfel erneut. „Sirius. Was willst du?“ „Ich hab mich nur was gefragt.“ Moony seufzte und klappte sein Buch zu. Immerhin – er wusste, wann er verloren hatte. „Und das wäre was?“ „Wenn ich ein Apfel wäre…“ Diesmal flog die Frucht noch höher, als die Male zuvor. Diesmal schauten ihm beide Jungen auf seiner kurzen Flugreise zu. „Du bist aber kein Apfel.“, erwiderte Remus gelassen, nachdem Sirius den Apfel gefangen hatte. „Gut beobachtet, Moony, ich bin kein Apfel. Aber mal rein hypothetisch. Also. Wenn ich ein Apfel wäre… Was wärst dann du?“ Sein Freund seufzte erneut, als er begriff, worauf dieses Gespräch hinauslief. Nicht, dass er daran würde etwas ändern können. Sirius hatte zugebissen – und wenn Sirius einmal zubiss, dann würde er nicht mehr loslassen. Das hatte auch schon die ein oder andere Katze erfahren. Merlinseidank war Remus keine Katze. „Weiß nicht. Also, was wäre ich?“ „Kein Apfel.“ Die Antwort kam zu schnell, um bezweifeln zu können, dass Sirius dieses Gespräch nicht geplant hatte. Nicht, dass er nicht Langeweile genug gehabt hätte. „Sondern?“ „Du könntest eine Birne- Nein, halt, keine Birne.“ „Keine Birne?“ Sirius musterte seinen Freund kritisch und schüttelte schließlich bestimmt den Kopf. „Keine Birne“, antworte er ernst. „Dafür fehlt dir der Arsch.“ Beide lachten träge, doch Remus war mit seinem Kopf scheinbar nach wie vor bei Zaubertränke für Fortgeschrittene. Sirius mochte Zaubertränke für Fortgeschrittene nicht. Frustriert warf er den Apfel wieder in die Luft. „Wenn ich keine Birne wäre, was wäre ich dann?“ „Ne Möhre vielleicht.“ Er wusste, dass Remus die Augen verdrehte, obwohl er es nicht sehen konnte – er war zu sehr damit beschäftigt, gewisses Flugobst zu fangen und wieder in die Luft zu befördern. „Hey, du würdest dich gut machen, als Möhre.“ „Nein.“ „Nein?“ „Nein.“ „Okay-Dokay. Keine Möhre. Gurke?“ „Nein.“ „Zusch-Zuki-Zu … Dingens?“ „Zuchini und nein.“ „Banane?“ „Sirius.“ Remus warf ihm einen dieser Blicke zu, der ihm ganz genau sagte, dass er ihn nicht Abschreiben lassen würde – wobei es hier dummerweise nicht ums Abschreiben ging. Zumindest aktuell, denn die NEWT schwebten nach wie vor unausgesprochen und bedrohlich in der Luft. Sie waren beinahe greifbar – nicht, dass ihn das wirklich zum Lernen gebracht hätte. „Na gut, dann eben nicht. Du wärst ne tolle Banane, Moony. Schön süß. Aber wenn du nicht- Halt, ich habs!“ „Und?“ „Du wärst ein Schokofrosch!“ „Warum wäre ich ein Schokofrosch? Ich mag Schokolade nicht mal besonders.“ „Aber du schleppst ständig welche mit dir herum.“ „Weil sie gegen den Dementorenschock am Besten hilft.“ „Eben.“ „Eben?“ „Eben.“ Sirius nickte und biss nun doch in den Apfel, anscheinend glücklich mit seiner Lösung. „Die beste Medizin, ungenießbar, wenn du überlagert bist, und immer vor mir auf der Flucht.“ „Ich fliehe nicht vor dir.“ Er drehte sich auf den Bauch und stützte sich auf seine Unterarme, um Remus besser betrachten zu können. „Doch, tust du. In deine Bücher.“ Sein Freund seufzte geschlagen. Er kam ihm nicht einmal mit der NEWT-Ausrede – vermutlich, weil die NEWT sich das letzte Mal, als sie darauf zu sprechen gekommen waren, noch in weiter Entfernung befunden hatten. Wenigstens verzichtete er diesmal darauf, sein Buch wieder zur Hand zu nehmen, vielleicht aus Angst, seinen Freund zu verletzen. „Aber ich habe noch eine Frage. Wenn du ein Schokofrosch bist, bin ich dann wirklich ein Apfel? James und Peter sind Äpfel und Lily auch. Aber ich fühle mich nicht wie ein Apfel.“ „Dann bist du eben kein Apfel.“ Für einen Augenblick schwieg Sirius, dankbar für dieses Zugeständnis. Deshalb war er hier bei Remus, der eigentlich nur mit seinem Zaubertränke für Fortgeschrittene, Tausend Zauberkräuter und -pilze und Höhere Zaubertrankkunde hier unten beim See bei der knorrigen alten Eiche war, und nicht mit ihm. James oder Peter hätte er nicht zu einem solchen Gespräch bewegen können, denn James hatte Lily und Peter hatte Mabel und alle vier waren gelbe saftige Äpfel. Remus war kein Apfel, genauso wenig, wie Sirius ein Apfel war. „Aber wenn ich kein Apfel bin, was bin ich dann?“ „Warum fragst du so etwas eigentlich immer mich? Warum nicht James? Oder Peter?“ Natürlich, diese Frage musste kommen. Sie ließ Sirius nichtsdestotrotz seufzen. „Weil James und Peter Äpfel sind – und du nicht.“ „Und du auch nicht?“ Sirius nickte bejahend. Noch ein Grund, warum er diese Gespräche mit Remus führte. Remus war clever. Peter nicht. Und James – nun, James war James (und mit seinem Zauberstab, seinem Tarnumhang und seiner Lily Evans in Hogsmeade.) „Und du denkst nicht, dass sich Äpfel nicht auch was-auch-immer-du-bist hinein versetzen und es verstehen können?“ „Ich kann mich ja selbst nicht verstehen. Ich meine...“ Er sagte nicht, was er meinte. Er schwieg. Der Apfel ruhte angebissen in seiner Hand, seltsam gelb und mit zwei braunen Flecken und nur noch zwei Dellen, weil er die andere aufgegessen hatte. Er mochte Äpfel nicht mal sonderlich, die waren viel zu gesund. Leise schnaufend sackte er in sich zusammen und ließ den Apfel aus seiner Hand rollen. Darum führte er diese Gespräche mit Remus nicht so gerne, wie er es tun sollte. Sie waren wenig zufriedenstellend. „Sirius?“ „Hm.“ „Wenn ich ein Schokofrosch wäre...“ „Rein hypothetisch?“ „Rein hypothetisch, genau.“ „Was wäre ich dann?“ „Eine Tafel Zartbitterschokolade.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)