Sechzehn Augen von AnnaBlume (Ein Schulprojekt) ================================================================================ Kapitel 7 --------- Heute ist es. Heute muss ich’s tun. Ich habe mich so lange darauf vorbereitet – körperlich und psychisch. Aber verdammt nochmal, weshalb hab ich solche Angst?? Es ist doch nichts wirklich Schlimmes, niemand wird zu Schaden kommen! Aber trotzdem mache ich mir fast in die Hosen. Und ausserdem ist es ganz schön kalt, so früh am Morgen. Normalerweise braucht der auch nicht so lange. Was ist nur los? Ob ich mal ins Fenster schauen soll? Nee, dann müsste ich das Rohr, das zur Dachrinne führt, hochklettern, was ja nicht ganz ungefährlich ist. Also warten. Wie schon seit über einer Stunde. Ich friere mir bestimmt noch irgendwas ab, eine Zehe oder einen Finger zum Beispiel. Wenn der sich mal nicht beeilt! In diesem Augenblick höre ich eine Tür aufgehen. Das muss die Haustür gewesen sein! Leise pirsche ich mich um den Busch, hinter dem ich mich versteckt habe, und schaue dem Mann nach, der wild über die Strasse zur Tramhaltestelle hechtet. Der hat es anscheinend ganz schön eilig! Für mich heisst das nun: Es ist Zeit. Ich husche zum Eingang und zücke eine auseinandergezogene Büroklammer hervor. Ich weiss, dass das klappt, ich habe es schon vor ein paar Tagen ausprobiert. Also Klammer ins Türschloss, rumhantieren bis es ‚klick‘ macht, und rein ins Haus. Der Nussbaum wohnt im obersten Stock, das ist nicht schwierig herauszufinden, da der Kerl abends oft auf seinen Balkon geht und etwas liest. Schnell die Stufen hoch, nicht zu laut, damit die Nachbarn nicht aus ihren Wohnungen kommen und mich sehen. Gleich bin ich da, noch ein letzter Absatz, da – „Wuff!“ Ein Hund?! Seit wann hat der Nussbaum einen Hund?? Das hätte mir doch auffallen müssen, so, wie ich ihn die letzte Zeit intensiv beobachtet habe. Komisch…und vor allem ist es jetzt nicht mehr sicher für mich! Wenn da noch jemand drin ist? So ein Mist! Vorsichtig und auf Zehenspitzen nähere ich mich der Tür – da sehe ich sie: Zwei rotlackierte Stöckelschuhe gleich neben den anderen Männerschuhen. Der Alte hat doch tatsächlich eine abgeschleppt!! Aber das bedeutet für mich, dass ich noch länger warten muss. Bereits jetzt ist mir diese Frau bis aufs Äusserste unsympathisch. Also wieder nach draussen und frieren! Es ist bereits halb zwölf, und noch immer ist nichts passiert. Diese Frau macht mich wahnsinnig! Muss die nicht arbeiten?? Bald kommt bestimmt der Nussbaum zurück, es ist ja Mittwoch. Was soll ich tun? Diesen ganzen Stress halte ich keinen Tag mehr aus, es muss heute sein. Ausserdem hab ich auch kaum mehr Zeit, denn wenn das so weitergeht, dann…. Ich muss handeln!! Genau in dem Moment hat anscheinend die Liebhaberin des Lehrers gleich wie ich gedacht, denn plötzlich kommt sie aus dem Haus, den Hund – offensichtlich einen Dackel – an der Leine. Auf einmal kribbelt es überall in mir. Aufgeregt blicke ich auf meine Uhr. Zwei Minuten nach halb zwölf. Was soll ich jetzt tun? Trotzdem in die Wohnung einbrechen? Ich brauche schliesslich das Geld. Aber wenn der Nussbaum zurückkommt und mich erwischt, dann ist es aus, dann habe ich keine Zukunft mehr! Dieses Miststück von Weiblichkeit hat mir den ganzen Plan zur Sau gemacht! Sie und ihr Scheissköter! Die Wut steigt mir zu Kopf und ich beschliesse, der Frau nachzugehen. Warum? Weil sie büssen soll! Und ausserdem trägt sie eine rote Tasche in der Hand, da könnte auch etwas Geld drin sein. Hoffentlich genug. Schon eine Weile habe ich sie nun schon verfolgt, aber ich kann mich nicht dazu überwinden, etwas zu tun! Und damit meine ich etwas Richtiges. Etwas, das mich weiterbringt! Plötzlich sehe ich, wie die Frau an einem Würstchenstand Halt macht. Würstchen… Das ruft mir wieder den leeren Magen in Erinnerung, den ich seit gestern Abend mit mir herumschleppe! Oh, wie wäre das lecker, jetzt eines dieser Würstchen kauen zu können. Ja, nur ein Bissen wäre schon beinahe göttlich! Aber ich habe kein Geld. Nachdem Frau und Hund weitergegangen sind, gehe ich trotzdem auf den Stand zu – ich kann ja mal mein Glück versuchen. Ich frage den Verkäufer, ob ich nicht eines dieser Leckerlis haben könne. Aber als Antwort bekomme ich nur einen Preis – einen Preis, den ich wirklich nicht zahlen kann! Das macht mich wütend und ich bekomme offensichtlich einen unfreundlichen Ton: „Nein, Mann. Ich meinte umsonst. Ich hab gerade nichts Bares dabei und bin eh knapp bei Kasse“ Aber dieser Idiot wird einfach sauer und macht auf stur, dabei habe ich doch so Hunger! Ich kann es nicht fassen. Es wäre doch nur EIN Würstchen gewesen. Na, das kann er sich jetzt sonst wo hinstecken. Ich trete wild von der Wut geritten auf das Gefährt mit dem Grill ein, der Alte glotzt mich nur dumm an. Das hat er auch verdient! Doch plötzlich beginnt dieser verdammte Grill an zu brennen! Mit einem Mal ist es ganz heiss, und ich muss schauen, dass ich wegkomme. Für Krankenhaus oder Polizei habe ich weder Geld noch Zeit. Ausserdem hätte ich beinahe mein Opfer verloren! Die aber ist immer noch nichtsahnend ein paar Meter von mir entfernt. Doch jetzt ist Schluss. Ich hab meinen Entschluss gefasst, genug Mut gesammelt, und renne los – direkt auf sie zu. Mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, reisse ich ihr ihre blöde rote Tasche vom Arm und jage meine Beine quer über den Platz. Ich wage einen kurzen Blick zurück, die Tante hockt schreiend auf dem Boden. Gerade will ich mich selbst bejubeln – schliesslich habe ich es fast geschafft – da stosse ich mit jemandem zusammen, kann mich kaum noch aufrecht halten, torkle unsicher weiter. Doch ich muss mich beeilen! Ich darf nicht geschnappt werden! Gleich um die Ecke, dort führt eine unbelebte Gasse hinter das städtische Museum, dort wird mich niemand finden, da kann ich erst mal rasten. Immer noch im Eiltempo haste ich zwischen den Häusern vorbei, Kurve um Kurve, eine Ecke nach der anderen. Doch dann höre ich plötzlich schnelle Schritte, ja fast schon Schrittchen. Gerade will ich mich umdrehen, da durchfährt mich ein stechender Schmerz. „Aaahhh!“ Ich klappe zusammen. Was war das? Irgendetwas hat mich in die Wade gebissen! Ist mir dieser verfluchte Köter nachgelaufen? So ein Scheiss! Ich betrachte die Wunde – das Blut fliesst wie ein Wasserfall. Aber ich habe keine Zeit, mich zu verarzten, ich muss schnell weiter. Es ist gleich um die Ecke – endlich. Ich will mich gleich auf den Boden fallen lassen und durchatmen, da springt urplötzlich eine Person von einer der Kisten in meiner Nähe vor mir auf den Boden und ruft: „Gib die Tasche zurück!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)