Sechzehn Augen von AnnaBlume (Ein Schulprojekt) ================================================================================ Kapitel 1 --------- „Ist er nicht traumhaft?“ Ich könnte ihn stundenlang so beobachten. Wie er zum Fenster hinausschaut und diesen abwesenden Blick auf hat. Er ist einfach der perfekte Mann. Meine beste Freundin schaut mich etwas verunsichert an: „Äh, Mira, dir ist schon bewusst, dass du so von dem Bruder deines Verlobten sprichst??“. Ach ja, ich bin verlobt. Unsere Eltern haben dies vor vielen Jahren entschieden, hatte wohl etwas mit der Firma meines Vaters zu tun. Übertrieben traditionell. Dabei ist sein Bruder Leon doch viiiiiel süsser!! Hach…das Schicksal hatte es wohl nicht gut mit mir gemeint. Aber dann darf ich doch wenigstens meinen richtigen Schwarm anhimmeln, oder?! Aber schon wieder zieht mich Flavia aus den rosa Wolken: „Sag mal, meinst du, es gibt einen triftigen Grund für das Zuspätkommen vom alten Nussbaum?“ Stimmt! Unser Lehrer ist schon über zehn Minuten zu spät. Das ist mir gar nicht aufgefallen, so verliebt wie ich bin. Ob Herr Nussbaum krank ist? Das wäre natürlich schön für uns, aber es täte mir leid für den armen Kerl. Der war neulich schon etwas verschnupft. „Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um ihn, oder??“, Flavia starrt mich entgeistert an. Sie spricht immer schlecht von unseren Lehrern und der Schule allgemein. Sie hat diesen typischen Bildungshass, der in der Pubertät bei den meisten Jugendlichen auftritt. „Nein, natürlich nicht. Ich habe mich nur gefragt, ob wir nun wegen des Ausfalls weniger Schule haben, und ich Leon weniger lange ansehen kann“, lüge ich glaubwürdig. Aber von wegen Ausfall! Im selben Moment springt die Zimmertür auf und Herr Nussbaum weht herein – das Hemd immer noch halb aus der Hose hängend. Ich spüre wie ich rot werde. Weshalb hatte er heute keine Zeit, sich ordentlich anzuziehen? Sonst sitzt immer alles picobello und kein Haar steht irgendwie falsch vom Kopf ab. Während ich mir den Kopf über das seltsame Auftreten unseres Lehrers zerbreche, beginnt dieser sich zu entschuldigen und den regulären Unterricht anzufangen. „Vielen Dank!“ Der Würstchenverkäufer lächelt mir noch nach, ehe Flavia und ich um die nächste Ecke biegen. So eine Fleischkost ist zwar nicht gerade das Beste für meine Figur, aber mein Magen liebt sie umso mehr. Immer wenn wir heisse Würstchen zu Mittag essen, gehen wir nachher in den Park und beobachten Jungs. Flavia gefallen meistens die eher schlanken, die, die über ihren dünnen Beinchen Röhrenjeans tragen, damit die steckenartige Figur noch besser zur Geltung kommt. Ich kann das bis heute nicht verstehen, ich mag viel lieber die kräftigen Männer, die stark gebauten – eben die Schränke. Leon gehört auch zu dieser Sorte, man kann die Muskeln unter seinen Hemden förmlich spüren! Er hat bestimmt einen Waschbrettbauch. Schon wieder werde ich rot, doch bevor ich mich von meiner Freundin abdrehen kann, greift diese meinen Arm und zeigt in eine Richtung. Verwirrt folge ich dem ausgestreckten Finger und sehe gerade noch eine unerkennbare Gestalt hinter einem Haus verschwinden. „Wer war das?“, will ich natürlich sofort wissen, so aufgeregt wie Flavia wirkt. „Das…muss Leon gewesen sein!“ „Leon??“ „Ja, es war ganz bestimmt seine Mütze!“ Aber weshalb war er noch hier? Wir hatten doch bereits schulfrei, und normalerweise geht er sofort nach Hause. Wie es wohl bei ihm zu Hause aussieht? Ob er Haustiere hat? Vielleicht eine Katze. Oder einen Hund! Jungs mögen doch Hunde! Flavia meint, wir können doch etwas in dieselbe Richtung gehen, vielleicht sähen wir ja mein ‚Schatzi‘ nochmals. Die hat echt Nerven. Aber sie hat ja recht, ich könnte bei dem Angebot nicht nein sagen! „Hilfe!! Haltet den Dieb! Die Tasche – mein Handy, Hilfe!“ In dem Moment wird Flavia von einer vermummten Person überrannt und stürzt zu Boden. Der offenbare Dieb gerät ins Schwanken, kann sich aber wieder fangen und spurtet weiter – eine rote Handtasche in der Hand. Fluchend rappelt sich Flavia wieder auf, doch kaum steht sie wieder gerade, düst ein kleiner Dackel zwischen ihren Beinen hindurch und geradewegs dem Dieb hinterher. „Was war das denn gerade?“, fragt sie baff, während ich der Dame, deren Handtasche so eben gestohlen wurde, zu Hilfe eile. Diese wirkt etwas verwirrt und faselt unverständlich von ihrem Handy. Ich will gerade antworten, da steht Flavia kerzengerade und blickt gespannt in eine Richtung. Was hat sie nur? Unwohl blicke ich an denselben Punkt, aber ich kann nichts erkennen. Ich will den Mund öffnen und sie fragen, was los sei, da lässt sie meine Frage im Hals steckenbleiben, indem sie kurz angebunden meint: „Da war schon wieder Leon.“ Leon? Was hat dieser Kerl nur am Laufen? Er sollte lieber etwas für die Schule pauken, ich glaube, es steht im Moment nicht so gut für ihn… Aber…wenn es gar nicht Leon war? Wenn Flavia mich nur aufziehen will?? Ich greife nach ihrem Shirt, um sie darauf anzusprechen, doch sie reisst sich sofort los und rennt plötzlich davon. Ich höre sie noch rufen: „Geh du schon mal in den Park, ich versuche herauszufinden, was mit Leon los ist!“ und fühle mich plötzlich ganz leer. Weshalb will sie das herausfinden? Sie weiss doch, dass ich in ihn verliebt bin. Dass ich darauf empfindlich reagieren könnte. Warum tut sie dann sowas? Ich verstehe es nicht. Trübsal blasend setze ich mich auf unsere Bank und beginne endlich, mein Würsten anzuknabbern. Aber es schmeckt nach gar nichts, richtig fad. Irgendwie dreht sich alles. Hätte ich niemals die Liebe zu Leon entdecken dürfen? Ich bin ja schliesslich mit seinem Bruder verlobt. Aber gegen Gefühle kann man doch nichts machen! Beunruhigt blicke ich zur Kirche, die gleich ein paar Meter weiter hinter ein paar Bäumen steht. Ob ich beichten soll? Dann entdecke ich auf meiner Bluse auch noch einen Fleck von der Barbequesauce aus meinem Würstchen! Dieses Mittagessen hätte echt nicht besser kommen können. Doch weiter komme ich mit meinen Gedanken nicht, denn plötzlich höre ich schnelle Schritte und genau im Moment meines Umdrehens sehe ich einen schwarzen Schatten unmittelbar über mir genau auf mich zuspringen und ich schreie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)