How to save a life von Sahm ================================================================================ Kapitel 20: Hollow Crown ------------------------ Das Kapitel vom Donnerstag war noch nicht das letzte, da hatte ich mich falsch ausgedrückt. Das hier ist es, dann kommt noch ein Epilog :) Ich wünsche viel Spaß und… wenn Fehler drin sind, liegt es daran, dass mein ver… Notebook den Geist aufgegeben hat und ich eventuell die alte Datei hochlade, ich weiß es nicht. Viel Spaß :3 http://www.youtube.com/watch?v=wft2zWMryZc “As the sea breeze hits my lungs it takes me back to where I belong.” Kapitel 20 Wie in Zeitlupe zog er sich zurück. Hörte, wie die anderen um sie herum in wilde Schreie ausbrachen und hörte doch nichts. Sah nur in Benedikts Augen. Sein Benedikt. Er gehörte zu ihm. Ihm, ihm, ihm, und jetzt wussten sie es. Er hörte sie tuscheln und jammern und schreien. Wusste, dass Rhia nicht mehr länger neben ihm stehen würde, wenn er sich nach ihr umsah. Wusste, dass sie nicht an den Ort des Geschehens zurückkehren würde. Sie würde ihm nicht verzeihen. Aber im Moment war Rouven das so dermaßen scheißegal, wie einem so was im Moment des öffentlichen Coming-Outs nur sein konnte. Gut. Ihm war eine Sicherung durchgebrannt, das konnte Rouven nicht leugnen. Das war schon öfter vorgekommen und hatte er eigentlich beheben wollen, es aber doch nicht hinbekommen. Nicht, wenn Bene ihn mit diesen wundervollen Augen musterte und ihn alle anderen herausfordernd anstarrten und irgendeine Handlung von ihm erwarteten. Natürlich nicht diese, oh nein. Rouven schätzte, das war so ziemlich das Letzte, was diese Menschen von ihm verlangt hatten. „Wir sehen uns, Rapunzel“, flüsterte Rouven so leise, dass nur Bene es hören konnte. Der nickte geschockt und Rou fragte sich, was nun in seinem Kopf vorging. Er würde es noch erfahren. Ganz bestimmt. Nur nicht jetzt. Wollte er Bene nur noch ein klein wenig schützen, musste er sofort gehen. Er lächelte leicht, hob einen Finger zum Abschied und wäre ihm damit am liebsten über die Lippen gefahren. Drehte sich um. Lief los. Die komplette Schule stand gaffend da und die Schüler bildeten sofort einen Gang, als Rouven Anstalten machte, sich durch die Menge zu quetschen. Interessant. Ob es damit zusammenhing, dass sie ihn trotz allem cool fanden oder dass sie ihn nicht mehr berühren wollten, wusste Rouven nicht. Es war ihm auch egal. Alles, was zählte, war Benedikt. Er ging und wünschte sich doch mit jeder Faser seines Körpers, bei Bene zu sein und ihm helfen zu können. Es war das erste Mal, dass Rouven stumm blieb. Es war das erste Mal, dass Mael kein Instrument in der Hand hielt. Es war das erste Mal, dass sie beide schwiegen. Er hatte es ihm erzählt und Mael hatte genickt. Schweigend. Nichts mehr gesagt. Rouven wusste, dass Mael es gut fand, was er getan hatte, aber dass da noch ein kleiner Teil war, der ihn störte. Ein großer Teil sogar. Rhia nämlich. Was er seiner Schwester angetan hatte, konnte Rouven nicht genau einschätzen. Würde sie Mitleid entgegengebracht bekommen? Hass? Belustigung? Vielleicht würden einige Menschen es witzig finden, sie zu demütigen, weil sie es nicht gemerkt hatte, dass ihr Freund schwul war. Aber konnte man so etwas bemerken? Wer rechnete denn bitteschön mit so etwas? Niemand. Aber Rhia war stark genug. Sie würde sich zur Wehr setzen, notfalls mit Gewalt, wie sie es am vorigen Abend getan hatte. Seine Wange pochte immer noch und der Handabdruck würde noch eine ganze Weile zu sehen sein. Das war aber nicht schlimm für Rouven. Er hatte es verdient. Er wusste, dass er nicht beleidigt sein musste deshalb. Es war eine normale Reaktion, wer würde nicht so austicken? Nein, viel schlimmer war, dass sie es seinen Geschwistern gesagt hatte. Ausnahmslos allen. Direkt am Frühstückstisch, noch bevor Rouven überhaupt aufgestanden war. Als er dann nämlich endlich runtergekommen war, war eine Welle des… na ja, des Hasses über ihm zusammengeschlagen. Was habe er sich dabei gedacht? Habe er in seinem verfickten Leben jemals auf das geachtet, was andere vielleicht wollten und nicht nur er? Wie zur Hölle habe das passieren können? Sei er eigentlich irgendwie geistig gestört? Wieso war er auf einmal schwul? Eine seiner Launen mal wieder? Sie waren auf Rhias Seite. Ausnahmslos. Sogar Rasmus, der normalerweise keine Seite einnahm, der nicht einmal eine eigene Meinung hatte, hatte Rouven ziemlich deutlich klargemacht, was für ein Arschloch er doch wäre. Und seine Eltern erst… Rhia hatte sich sogar nicht davor gescheut, es denen zu sagen. Ihre Rache war lang und anhaltend, glaubte er. Hm… eigentlich… doch nicht. Sie hatte alles übernommen, wozu er viel zu feige gewesen war. Er hätte es niemals jemandem gesagt, den er nicht so brutal eingeweiht hätte wie Eric. Niemandem. Rhia hatte getan, was er nicht getan hätte, und er sollte ihr dankbar sein. Er lächelte leicht. Krass. Mael räusperte sich. „Und… hm, was passiert dann jetzt, was denkst du?“ Überrascht wurde Rouven aus seinen Gedanken gerissen. „Ich hab keine Ahnung, Mael“, flüsterte er mutlos. „Ich weiß es wirklich nicht.“ Mael nickte. „Es war wohl besser, dass du gegangen bist. Wer weiß, was die noch getan hätten.“ Rouven kniff die Augen zusammen. „Glaubst du, sie haben Bene fertiggemacht?“ Sein bester Freund zuckte die Schultern. „Nein. Ganz ehrlich, nein. Ich kenn doch diese Horde, ich hab sie oft genug beobachtet und stand dabei. So wie ich das einschätze, vertreiben seine Freunde die relativ schnell, sodass er reden kann. Ich mein, es ist doch auch ein stückweit echt peinlich, dass sich die ganze Schule um zwei verdammte Menschen scharrt, nur weil die sich küssen. Das werden die auch relativ schnell checken, glaub’s mir.“ Das war auch Rouvens Ansicht gewesen. „Ich hoffe es doch.“ Er nickte. Mael streckte ein Bein nach vorne und begann, mit den Zehen zu wackeln. Rouven folgte seinen unkontrollierten Bewegungen verdrießlich, bis es ihm zu bunt wurde und er aufstand. Wenig perplex hob Mael eine Hand. „Bis dann.“ Er kannte ihn einfach zu gut. „Ich… bis morgen, ja? Und danke, Maestro, danke für… na ja, alles.“ Mael lächelte. „Du kommst also?“ Wie könnte er denn den ersten richtigen Auftritt von Maels Band verpassen? Das würde er ihm niemals antun. Das hätte er nicht mal in seinen schlimmsten Pubertätsjahren getan, als Mael wirklich noch viel mehr mit ihm hatte aushalten müssen als jetzt. Außerdem liebte er dessen Stimme und egal, ob er sie ständig zu hören bekam, er konnte nie genug davon bekommen. „Ja, ich hab nichts Besseres vor.“ Sein bester Freund grinste nur. „Viel Glück.“ „Dir auch“, wünschte Rouven ebenfalls, bevor er sich abwandte und verschwand. Er atmete tief ein. Aus. Ein. Aus. Lächelte. Das Leben konnte schön sein. Jemand setzte sich neben ihn. Er wusste, wer es war, ohne dass er seinen Kopf dafür bewegen musste. „Rapunzel.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Benedikt legte den Arm um Rouven und seufzte. „Schön hier, oder?“ Er nickte. „Ja. Schön ruhig vor allem. Ich mag’s zum Nachdenken wahnsinnig gerne. Es hat einfach nur was Tolles an sich, weswegen es perfekt ist.“ Bene lachte. „Hier geht der große Rouven also hin, wenn er mal nachdenken muss. Wie oft ist das, so dreimal im Jahr?“ Gespielt wütend knuffte Rouven ihn in die Seite. „Komm schon, ganz so blöd bin ich ja jetzt auch nicht. Also viermal, wenn ich bitten darf.“ Eine Weile lang saßen sie einfach nur da und lachten. Spürten den anderen. Benes schweißnasse Hand in Rouvens trockener. Insekten, die die allerletzten Sonnenstrahlen des Jahres noch nutzen wollten, flogen herum. Die Wiese schimmerte grün vom Regen. Die Trockenheit war endgültig überwunden und jetzt würden die kalten Tage kommen. Benes Kopf lag auf Rouvens. Sie sprachen nicht miteinander, schon gar nicht über das, was an diesem Mittag geschehen war. Noch nicht. Er wollte, dass Bene Kraft tankte. Eine in der Jahreszeit verirrte Biene schwirrte herum und Bene lachte, als er sie sah. Er lachte laut und klar und Rouven musste sich eingestehen, dass er Benedikts Lachen wirklich liebte. Es hatte etwas Reines an sich, das Rouven in dieser Form noch niemals zuvor so genießen konnte. „Siehst du sie? Sie sucht verzweifelt einen Platz zum Leben. Ich glaub, sie findet ihren Bienenstock nicht mehr.“ Bene deutete auf die hilflos umherfliegende Biene und Rouven tat es ab. „Nein. Ich denke, sie hat ihren Platz schon gefunden. Sie weiß nur noch nicht genau, wo er ist.“ „Kann die Biene denn wieder zurück oder ist es zu spät?“ Benes Augen folgten der Biene und er sah aus wie fünf Jahre, weil er dermaßen große Augen machte. „Es ist nie zu spät“, erwiderte Rouven gelassen und gab Benedikt einen ganz leichten Kuss auf die Wange. Er sah ihn erröten und fand ihn einfach nur schön. Langsam drehte Bene seinen Kopf und sah Rouven in die Augen. Wie von selbst fanden sich ihre Lippen zu einem langen, intensiven Kuss, der Rouven schwindeln und erschauern ließ vor Glück und der erst aufhörte, als Bene zusammenzuckte. „Tut mir leid, das ist mein Handy“, murmelte Bene verlegen und zog das Gerät heraus. „Das tut schon den ganzen Tag wie verrückt.“ Mit blassem Gesicht öffnete er eine Textnachricht und schien noch blasser zu werden beim Lesen. Sanft nahm Rouven ihm das Handy aus der Hand, klappte es zu und warf es einfach auf die Bank. „Rapunzel, ich finde, du solltest mir erzählen, was noch passiert ist heute.“ Bene zuckte die Achseln. „Es war nicht so drastisch. Du bist gegangen und dann fingen sie alle auf einmal an, auf mich einzuschreien. Ich hab nichts verstanden, absolut gar nichts, aber ich weiß, dass sie mich gefragt haben, was da läuft und so. Ich stand nur noch da und hab nichts mehr mitbekommen, weil ich dermaßen verunsichert war. Ich dachte, du hättest mich schon wieder einfach stehenlassen und hab’s nicht kapiert, dass es absichtlich war, um es nicht noch wilder zu machen. Wärst du da gewesen, die wären auf dich losgegangen. So aber… Fabi und Larissa haben sie vertrieben, kann man sagen. Ich sag’s dir, wenn die beiden nicht gewesen wären, ich wäre gestorben. Sie haben’s irgendwie hinbekommen, so laut über alle hinwegzubrüllen, dass tatsächlich die ganze verdammte Schule auf sie gehört und sich getrollt hat. Klar gingen die Lästereien weiter, aber wenigstens in sehr sicherer Entfernung, weswegen ich nicht mehr so viel mitbekommen habe, vor allem, weil ich Larissa und Fabian Rede und Antwort stehen musste. Tja, das war’s.“ Es tat ihm weh, ihn so zu sehen. „Es ist nicht richtig von mir gewesen, das zu tun“, murmelte Rouven zerknirscht und unerwartet. „Ich hab nicht nachgedacht und ich wollte es so sehr tun und dann hab ich mit Rhia darüber diskutiert, warum zur Hölle sie es allen zu Hause gesagt hat und… ja, irgendwie musste ich es dann tun. Dich zu küssen ist für mich einfach…“ Er brach ab. Wie konnte man das sagen? Balsam für seine Seele? Bene verstand ihn auch ohne Worte. Strich ihm leicht über die Wange, was bei Rouven eine Gänsehaut verursachte und ihn wohlig aufseufzen ließ. „Keine Ahnung, was passiert, keine Ahnung, wie die mir begegnen werden. Keinen blassen Schimmer von gar nichts. Ich weiß nur eines, ja? Ich liebe dich, Rouven. So unendlich. Ich werd mit deinen Geschwistern reden, ich werd deinen Eltern sagen, dass wir uns einfach lieben und dass man nichts daran ändern kann und ich werde derjenige sein, der von nun an stolz in der Schule herumläuft und dabei an dich denkt. Ich liebe dich.“ Rouven spürte nichts mehr. Er konnte nicht mehr klar denken oder handeln. Alles war wie leergefegt in seinem Hirn. Nur noch Buchstaben wirbelten herum, die das Wort BENE bildeten. Bene, Bene, Bene, Bene. „Kocham cię, Rapunzel”, murmelte Rouven und beugte sich vor, um ihn zu küssen. „So sehr.” E N D E Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)