How to save a life von Sahm ================================================================================ Kapitel 18: Fireflies --------------------- Tut mir leid! Ich hatte einfach keine Zeit, auf die Kommentare zu antworten… Das kommt ganz sicher noch, ich hab nur gerade einiges zu klären und bis das getan ist, bin ich noch ziemlich im Stress ö_Ö Ich wünsch euch trotzdem viel Spaß! http://www.youtube.com/watch?v=feCN1muPNas “Cause I feel like such an insomniac.” Kapitel 18 Er wusste nicht, ob es vielleicht nicht doch zu schnell ging. Ob er sich verzettelte mit der ganzen Sache. Natürlich hatte er mit Rhia gesprochen. Natürlich hatte sie ihm klargemacht, dass er mit Bene rummachen konnte, so viel er wollte, solange sie nur nicht in seiner Nähe sein musste. Natürlich liebte Bene ihn. Aber trotz allem ging es doch unendlich schnell, oder nicht? Er hatte Eric bewiesen, dass er was mit Bene hatte. Er hatte ihn geküsst. Getröstet. Zugelassen, dass seiner Schwester das Herz rausgerissen wurde. Zugesehen, wie es geschah. Mitgemacht. Bene geküsst. Mit Bene geschlafen. Bene gesagt, dass er ihn liebte. War es nicht das, was er gewollt hatte? Alles, was er sich erträumt und gewünscht hatte. Benedikt. Aber jetzt kamen ihm Zweifel. Es ging alles zu einfach. Eric war auf einmal mindestens bi und deshalb so feindlich gegenüber Bene gewesen. Er hatte mit Rhia reden können. Bene und er waren… zusammen. War da nicht irgendwo ein Haken? Was faul? Unruhig wälzte Rouven sich von einer Seite auf die andere und seufzte genervt auf. Er hörte Rhia im Badezimmer rumoren. Er hatte verfickte sechs Geschwister und nur ein Badezimmer. Man konnte sich also vorstellen, wie das manchmal ausartete. Gut, es gab noch etwas Badezimmerähnliches im untersten Stockwerk, aber das war immer unbeheizt und stickig und einfach nur unkomfortabel. Jedenfalls hörte er Rhia laut und deutlich mit irgendwelchen Sachen klappern, wahrscheinlich, um ihr Schniefen zu übertönen. Der Schmerz saß tief in seinen Knochen. „Mein Gott, ich will immer noch nicht reden. Du kannst von mir aus verrecken, du kannst ihn vögeln, bis du schwarz wirst, mir ist das alles vollkommen egal. Er ist bei mir untendurch und du ebenso. Meine Güte, dann sei doch mit ihm… zusammen, mir wurscht. Solange ich euch nicht ansehen muss, ist mir doch alles egal.“ „Ich weiß doch, dass es dir nicht egal ist, wie sollte es auch anders sein? Du sollst einfach nur verstehen, warum ich das getan habe.“ „Vielleicht will ich das einfach nicht. Lass mich jetzt in Ruhe, fick ihn, küss ihn, mir doch egal. Du hast alles zerstört, Rouven, alles.“ Er wusste, dass das Gespräch nichts gebracht hatte. Solche musste er wahrscheinlich noch dutzenderweise führen, bevor sie ihn auch nur ansatzweise wieder mit dem Arsch ansehen würde. Und das mit Benedikt würde auch nicht so einfach werden, wie der sich das ausmalte. Wenn er allein daran dachte, dass Bene noch zur Schule ging und was er sich alles würde anhören müssen… Rouven schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und seufzte erneut. Konnte er diese Scheißangst nicht irgendwo vergraben und nie wieder rausholen? Oder konnte ihm nicht irgendjemand… Aber ja… schon irgendwie. Aufgeregt sprang Rouven aus dem Bett, ignorierte die stechende Kälte, die seine nackten Füße meldeten, und verschwand aus seinem Zimmer, um das Telefon zu suchen. Es klingelte. „Nimm schon ab, Trottel“, schnalzte Rouven ungeduldig mit der Zunge und verdrehte die Augen. Mael war immer nachts erreichbar. Immer. Er hatte Insomnie, also Schlafstörungen, und war deshalb eigentlich immer nachts am besten zu sprechen. Gut, natürlich nicht immer, aber in letzter Zeit war es wirklich extrem mit ihm. „Rouven, warum rufst du mich um halb drei Uhr nachts an?“ Er klang nicht wirklich böse, eher wie immer. „Gerade am… Klavierspielen, nehme ich an?“, vermutete Rouven. „Nein, ich hab gerade ein paar Unibroschüren durchgemacht. Die verlangen ja schon ganz schön viel, nicht?“ Rouven seufzte. „Kannst du laut sagen, ich glaub echt nicht mehr, dass ich noch irgendwas finde.“ Mael lachte nur. „Also, was gibt’s? Kannst du nicht schlafen?“ „Du wohl auch nicht. Aber ja, du vermutest richtig.“ „Geht’s um Bene?“ Etwas, das Rouven unendlich an Mael schätzte war die Tatsache, dass er immer sofort auf den Punkt kam. „Ja, unter anderem auch.“ Er hörte Mael mit einigen Blättern Papier rascheln. „So. Du hast jetzt meine volle Aufmerksamkeit, ich hab alles weggelegt. Leg mal los.“ Rouven blies die Wangen auf. Mal wieder. „Ach, was soll ich sagen? Ich hab mit Rhia geredet.“ Er hörte Mael scharf die Luft einsaugen. „Rhia! Was sagte sie? Ließ sie dich ausreden oder nicht?“ Rouven wackelte zerstreut mit dem Fuß. „Na ja, anfangs nicht, aber dann hat sie mich endlich reden lassen und ich konnt’s ihr ein wenig erklären. Ist ja logisch, dass sie wütend auf mich ist und dass sie mir nicht verziehen hat, ja, aber wenigstens konnte ich loswerden, was ich sagen wollte. Und… tja, Bene und ich sind wohl… zusammen.“ Maels Aufschrei zerriss ihm beinahe das Trommelfell und so erging es wohl noch anderen Menschen. Wie er hören konnte, stand auf einmal Maels Schwester Erin in dessen Zimmer und schrie ihn auf Irisch oder Gälisch – oder wie auch immer das hieß – an, was Rouven leider nicht verstehen konnte. Mael jedoch wimmelte seine Schwester ziemlich heftig und schnell ab mit den Worten „Hau ab, du verdammte Kuh, ich hab gerade erfahren, mit wem Rouven jetzt zusammen ist“ und schlug hinter ihr die Tür zu. „Nicht im Ernst, oder? Ihr seid es jetzt also offiziell? Wie kam’s, hat er es gesagt oder du? Oder wer kam sonst noch drauf? Weiß Rhia davon? Und bin ich der Erste, der es erfahren hat? Oh, ich bin so aufgeregt, ich freue mich, am besten sollte ich einen Song darüber schreiben. Erzähl schon, Mann!“ Rouven lachte. Maels Aufregung war ansteckend und er spürte sein Herz rasen. „Na ja, wir haben telefoniert und auf einmal kamen wir drauf, mehr auch nicht.“ „Du Idiot, red weiter, du kannst mich nicht mit so wenig abspeisen. Das seh ich nicht ein. Was war dann? Hattet ihr Telefonsex oder so?“ Rouven spürte seinen Magen. „Dreh doch nicht durch, ja? Natürlich hatten wir keinen Sex und ich kann dir nicht mehr erzählen, weil da nicht mehr war. Tut mir leid.“ „Mann, warum rufst du mich dann eigentlich mitten in der Nacht an, wenn’s eh nichts zu reden gibt? Deine Nerven möchte ich mal haben…“ „Natürlich gibt’s was zu reden“, widersprach Rouven, der wider Willen lachen musste. Ein beleidigter Mael war einfach nur lustig, vor allem, nachdem er sich kurz zuvor so heftig reingesteigert hatte. „Weil… ich… ach, Mael, ich bin mir nicht mehr so sicher, ob das gut ist, was da passiert.“ „Also, ich fass mal zusammen: Du verliebst dich in ihn, du machst mit ihm rum, du erzählst es deiner Schwester und irgendeinem wildfremden Typen vor der Disco, kommst mit ihm zusammen… und findest es nicht mehr gut?“ Rouven lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. „Ich weiß doch auch nicht. Es ist alles so schnell gegangen. Ehe ich nachdenken konnte, war ich auf einmal mitten in der Sache drin, hatte Bene. Würdest du da nicht auch irgendwann mal stutzen und dich fragen, warum das alles nicht ein wenig länger gebraucht hat?“ Mael schwieg. Lange. Oh, scheiße, was hatte er getan? Mael hatte noch nie eine Beziehung gehabt. Mael hatte noch niemals jemanden geküsst. Mael litt unter panischen Berührungsängsten. Mael war bisher nur einem Mädchen nahegekommen und das war Rhia gewesen. An Rouvens fünftem Geburtstag hatte sie ihm aus Eifersucht die Torte ins Gesicht geschmissen, weil Mael mehr Aufmerksamkeit von Rouven bekommen hatte als sie selbst, denn damals hatte sie Rouven ja noch abartig geliebt… was inzwischen bestimmt nicht mehr der Fall war. „Tut mir leid, Mael“, murmelte Rouven zerknirscht, „ich hab mal wieder nicht nachgedacht.“ Er hörte ein lang gedehntes Seufzen vom anderen Ende der Leitung. „Lass es einfach, Rou. Ich kenn dich doch, ich weiß ja, dass du’s nicht böse meinst. Es war ja nichts Schlimmes, nur meine Meinung zu etwas, nicht? Und meine Meinung ist…“ Er hielt inne und Rouven fragte sich, ob er jetzt überhaupt eine Meinung hatte oder ihn bestrafen wollte. So in der Art zumindest. „Ich find’s… ehrlich gesagt, ziemlich verzwickt. Natürlich geht das schnell, aber wie lange starrst du Bene jetzt schon hinterher? Wie lange hast du dir schon gewünscht, ihn zu berühren, mit ihm zu schlafen, immer mit ihm zusammen zu sein?“ Lange. „Ich weiß nicht“, flüsterte Rouven, wohlwissend, dass es eine Lüge war. „Doch, tust du“, sagte Mael bestimmt. „Du weißt es sehr wohl, ich weiß doch, wann du flunkerst.“ Flunkern. So sprach auch nur Mael. „Ganz ehrlich, Rouven: Nichts geht zu schnell, es ging sogar alles eher zu langsam. Ich könnte dir all die Gelegenheiten aufzählen, bei denen ich mich gerne umgebracht hätte, weil du nur noch von Benedikt geredet hast. Tausende. Millionenfach war das so. Du redest seit Monaten, seit einem Jahr oder so, von nichts anderem mehr. Ich kann’s wirklich verstehen, aber da geht nichts zu schnell. Und wenn ich jetzt Glück habe, hör ich bald nicht mehr so viel von ihm. Dann redest du nämlich mit ihm selbst über ihn. Verstanden?“ Rouvens Herz begann zu klopfen. Hämmerte. „Du… danke, Mael. Wirklich. Danke. Und es tut mir leid, wenn ich dich damit belästigt habe, ehrlich. Du bist ein unendlich toller Mensch und das sag ich sonst echt zu keinem, weil’s peinlich klingt und ich mit Gefühlen nicht so wirklich hausieren gehen will. Aber du bist unendlich toll.“ Mael quietschte, was er nur tat, wenn ihn etwas unendlich freute oder berührte. „Schlaf gut, Ma, bis… heute wohl.“ Bestimmt legte er den Hörer auf und lächelte. Konnte endlich schlafen. Zumindest… tadellose siebenundvierzig Minuten. Dann nämlich weckten ihn ein Lufthauch und seine quietschende, sich senkende Matratze. Schlaftrunken setzte Rouven sich auf und öffnete seine vor Müdigkeit schmerzenden Augen. „Ws sur…“ „Psst, ich bin’s doch nur.“ Langsam konnte er die Konturen des Mensches vor sich ausmachen. „Huch. Was tust du denn hier?“ Hellwach riss er die Augen auf. „Reden.“ Rouven öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Öffnete ihn erneut. Wusste nicht, was er sagen sollte, also: „Okay.“ Er sah, wie eine Hand durch Haare fuhr und fragte sich, ob diese nervöse Geste gut oder schlecht war. „So… zusammen also?“ Rouven nickte, obwohl es in der Dunkelheit nicht zu sehen war, was ihm jedoch im Moment so ziemlich egal war. „Ja. Wohl schon… oder?“ „Was fragst du mich das? Du wirst es doch wohl am besten wissen, nicht?“ Rouven ließ den Kopf hängen. „Rhia, wirst du mir jemals verzeihen?“ Sie lachte hohl auf. „Was weiß ich denn. Ich bin vollkommen überrumpelt worden mit eurer Scheiße. Wie soll ich mich denn an den Gedanken gewöhnen, hm? Ich bin das totale Opfer und wusste nicht mal, was da abging. Ihr habt euer Spielchen ja schön gespielt, nicht, mit der armen Rhia als Statistin. Nein, was müsst ihr doch über mich gelacht haben!“ „Rhia, wir haben niemals…“ „Oh, komm schon, und wie ihr das getan habt. Bei dir hätt ich das ja schon irgendwie vermutet, dass ich dir so scheißegal bin, aber nicht bei Benedikt. Das ist echt scheiße, weißt du.“ Ja. Und wie er das wusste. „Hat unser Gespräch vorhin eigentlich irgendwas gebracht?“ Sie seufzte. „Keine Ahnung. Ich… muss klarkommen, irgendwie. Ich bin mir nicht sicher, wie das gehen soll, das tut nämlich sauweh. Ich weiß nicht, ob dir das klar ist, wie sehr, aber ich kann’s dir ja mal beschreiben.“ Rouven drückte ihre Schulter und spürte, wie sie sich versteifte. „Rhia, ich liebe dich und das weißt du. Ich wollt das niemals.“ „Du hast es aber getan. Und das ist es doch, was zählt.“ „Was willst du dann hier?“ Er spürte, wie ihm langsam der Zorn hochkam. War sie nur gekommen, um ihm Vorhaltungen zu machen? Er hörte, wie sie einatmete, ein und aus, ein und aus. Keine Antwort. „Wenn du keine Antwort darauf hast…“ Er wusste nicht weiter. Er konnte ihr nicht drohen, nicht in ihrer Lage. Was konnte er also tun? Die Antwort erfolgte auf dem Fuße. Er wusste es, bevor es geschah. Urplötzlich drehte sie sich um, hob ihren Arm und hieb ihm dermaßen heftig ins Gesicht, dass er für einige Sekunden nicht mal mehr wusste, wie er hieß, geschweige denn, was er getan hatte. „Quitt sind wie niemals, damit das klar ist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)