Jingle Bells und Sonnenblumen von Alaiya ([DAG X-Mas Special] Denchon) ================================================================================ Kapitel 1: Weihnachten 2010 --------------------------- Jingle Bells und Sonnenblumen „Jingle Bell, Jingle Bell, suzu ga naru! Suzu no Rythm ni...“ Denrei sah Shuichon, die ihre mittlerweile schulterlangen Haare offen trug, und diesem seltsamen Kazuya dabei zu, wie sie nicht gerade musikalisch versuchten im Takt der Musik zu hüpfen und fragte sich, warum er noch gleich mitgekommen war. Ein guter Tipp zur Antwort auf diese Frage war wahrscheinlich, weil er nicht gewusst hatte, dass Kazuya mitkommen würde. „Jinguru“, quietschte auch Dracomon mit, vergnügt von einem Bein aufs andere hüpfend. Ach, verflucht! Kazuya gehörte zu den Jungen, die meinten, sich die Haare blond färben zu müssen und sich damit offensichtlich auch ziemlich cool fühlten, obwohl es sich mit den natürlich nicht blondierten Augenbrauen stach. Er war gerade 17, in der Abschlussklasse, ein Sportass und Shuichons aktuelles Date. „Du könntest auch einmal fröhlicher aussehen“, stellte der mittlerweile ebenfalls 17jährige Shoji halblaut fest. Nicht weniger grummelig zog Denrei die Mundwinkel hoch. „So besser?“ Shoji seufzte halb lachend und schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich.“ Er sah zu den beiden stehenden hinüber, zwischen deren Füßen Lopmon ebenfalls rumtänzelte. „Stört es dich so sehr?“ „Ja“, erwiderte Denrei sofort. „Zumal es schon das sechste Mal allein seit November ist.“ „Was?“, fragte Dracomon, dessen Verständnis für menschliche Gefühle in den letzten zwei Jahren nicht wirklich etwas gewonnen hatte. „Was denn?“ „Du könntest mit ihr reden“, schlug Shoji derweil vor. Da der Student der UEC Tokyo wenig Lust hatte, sein Gefühlsleben vor seinem Digimonpartner auszubreiten, überging er diesen nur und wandte sich stattdessen Shoji zu. „Und was soll ich sagen?“ Er grummelte weiter leise. „Das ist doch sowieso sinnlos. Zumal das ganze...“ Er brach ab und sah zu dem künstlich Blonden hinüber. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Shuichon mit jedem Jahr verrückter wurde. Seit sie 16 war, hatte sie sicher zwanzig verschiedene Jungen aus der Umgebung „gedated“, war also ein paar Mal mit ihnen ausgegangen (ohne es dabei auszulassen, denjenigen mindestens einmal zu einem Treffen mit Shoji und Denrei und manchmal auch den anderen Tamern mitzunehmen), ehe sie denjenigen aufgegeben hatte und zu dem Nächsten übergegangen war. Soweit Denrei es beurteilen konnte – nicht das es ihn wirklich interessierte – war es allerdings auch bei den paar Malen zum ausgehen geblieben und allerhöchstens einmal einen Kuss, womit die meisten jedoch bereits überfordert gewesen waren. Im Sommer war sie sogar für drei Wochen mit Hirokazu ausgegangen, der jedoch kaum diese drei Wochen überlebt hatte. Das ganze änderte jedoch nichts daran, dass sie Denrei gegenüber nicht weniger offenherzig war, als früher. Sie waren in den Sommerferien zusammen mit Takato, Jenrya und Juri campen gefahren und als er am Morgen aufgewacht war, war sie, wohlgemerkt halb nackt, neben ihm gelegen, was ihm neben Nasenbluten auch noch einen Kinnharken von Jenrya eingebracht hatte. Der Onsen, zu dem sie im Sommer zu dritt mit den Digimon gefahren waren, hatte sich als gemischter Onsen herausgestellt und sollten sie irgendwo gemeinsam übernachten, ließ sie kaum eine Möglichkeit aus ihn in der Dusche zu überraschen. Ja, man konnte es schon in gewisser Weise als aufdringlich beschreiben. Nur das Ziel des ganzen verstand er kaum. Es sei denn, es war dazu gedacht ihn zu verwirren oder ihren Bruder dazu zu bringen, ihn umzubringen, was im ersten Fall funktionierte und im zweiten Fall auf kurz oder lang wohl auch klappen würde. Das Problem war, wie es zumindest auch Shoji wusste, dass Denrei Shuichon mochte – mehr als „einfach so“ mochte und sich nicht sicher war, wie sie dazu stand. Zwar hatte sie ihm irgendwann während der Golden Week, auch etwas im Sinne von „Ich mag dich“, gesagt, aber es gab einen Unterschied zwischen „Mögen“ und „Mögen“ und er war sich bisher nicht sicher, welches gemeint war. Allerdings hatte er bisher es niemals über sich gebracht, danach zu fragen, genau so wenig, wie er es über sich brachte, selbst etwas vergleichbares zu sagen. Demnach störte er sich umso mehr daran, dass sie ständig andere Jungen mit sich brachte, wenn sie eigentlich nur etwas zu dritt, beziehungsweise sechst, wenn man die Digimon mitzählte, geplant hatten. Zumindest deutete es darauf hin, dass sie nicht dasselbe „Mögen“ gemeint hatte, wie er meinte. Er sah auf die Uhr und machte Anstalten aufzustehen. „Unsere Zeit ist gleich 'rum“, meinte er, als sie das Lied beendet hatten, ganz froh der Situation erst einmal entkommen zu können. „Und ich muss noch Sachen für die Uni erledigen“, schloss er gleich weitere Anfragen aus. „Wir sollten zusammenräumen.“ Letzten Endes würde er sowieso derjenige sein, der zahlte. „Schon?“, fragte das Mädchen enttäuscht und seufzte, legte das Mikrofon aber zurück. „Du bist in letzter Zeit ein ziemlicher Spielverderber, Denrei.“ „Moumantai“, erwiderte Lopmon und landete auf ihrer Schulter. „Ich kann nichts dafür, das ich viel für die Universität machen muss“, gab er zur Antwort, auch wenn dies zur Hälfte nur vorgeschoben war, selbst wenn es für ihn, als jemanden, der mehr als einmal die Schule geschwänzt hatte, tatsächlich viel schien. „Ich will aber noch bleiben“, beschwerte sich auch Dracomon, das in seiner kindlichen Art Shuichon manchmal nicht einmal so unähnlich schien. „Ein anderes Mal“, wurde es von Gazimon beschwichtigt, das wie meistens still neben Shoji gesessen war. Und trotz des Schmollens von Shuichon und Dracomon, begannen sie die Sachen zusammen zu räumen, die Gläser und leeren Flaschen auf das dafür vorgesehene Tablett zu stellen und den Müll wegzuwerfen. „Hey, Denrei-kun“, meinte der seltsame Kazuya, als der älteste Junge gerade dabei war ihre Getränke zu bezahlen. „Danke, yo!“ „Kein Problem...“ Das war nicht aufrichtig, aber was sollte er tun? Er wollte gehen, um mit Shoji, Dracomon und Gazimon zur Straßenbahn zur laufen, da sie nach Ichigaya gefahren waren und nun zurück nach Shinjuku mussten, als Shuichon sich bei ihrem Begleiter entschuldigte und ihnen zusammen mit Lopmon nachgelaufen kam. „Wartet doch mal“, beschwerte sie sich. „Flieht ihr jetzt schon?“ „Nein“, erwiderte Denrei, während Shoji entschuldigend lächelte. „Ich habe nur noch so viel zu tun“, redete Denrei sich derweil erneut mit derselben Ausrede heraus und war nur froh, dass Dracomon ihn nicht verriet, wie es dies in letzter Zeit mehr als einmal getan hatte. „Ich wollte euch fragen, ob ihr Weihnachten zu uns kommt“, fuhr das Mädchen fort. „Au ja!“, rief zumindest das kleine Drachendigimon sofort begeistert aus. „Zu euch?“, fragte hingegen sein Partner vorsichtig. Sie nickte eifrig. „Mutter und Vater fahren bis zu Neujahr unsere Großeltern in Kagoshima besuchen und Jenrya und ich bleiben alleine zurück.“ „Das heißt Jenrya wird auch mitfeiern?“, fragte Shoji. „Offenbar“, erwiderte Lopmon. „Wir wissen nicht, ob von den anderen noch jemand kommt. Ruki und Ryou sind zumindest nicht da und ich bezweifle irgendwie das Hirokazu kommt.“ Es herrschte eine kurze betretene Stille. „Wenn ihr nicht kommt, können wir zumindest nicht feiern“, meinte Shuichon. Denrei seufzte. Es war nicht so, als hätte er etwas anderes zu tun, nur hatte er er auf eine Sache keine Lust und auch auf Jenrya, der ihm gegenüber noch immer misstrauisch war, konnte er eigentlich verzichten. „Kommt Kazuya auch?“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern. „Ich glaube nicht, dass ich ihn noch mal treffe“, erwiderte sie. „Er ist irgendwie komisch... Findet ihr nicht?“ Zumindest darin schienen sie sich ausnahmsweise einig zu sein. Doch bevor er selbst antworten konnte, übernahm Shoji das für ihn. „Wir kommen schon“, meinte er lächelnd und Denrei brachte es nicht über sich ihm zu widersprechen. „Super!“, grinste Shuichon und wandte sich ab. „Ich muss mich noch um Kazuya-kun kümmern“, flötete sie dann und ging zur Karaokebar zurück, während Lopmon auf ihrer Schulter nur den Kopf schüttelte und Moumantai murmelte. Etwas später standen Denrei und Shoji in der überfüllten U-Bahn, mit der sie glücklicher Weise nur vier Stationen weit fahren mussten. Auch wenn es dank der halb gebrochenen Grenze zwischen den Welten gewöhnlicher war, Digimon in der Stadt zu sehen, so hielten die Menschen um sie herum doch einen misstrauischen Blick auf Dracomon und Gazimon. Immerhin gab es bei weitem mehr Wilde, als Digimon, die zu einen Tamer gehörten, da es von letzteren gesamt nicht so viele gab, wie man meinen konnte. Da wilde Digimon weiter eine Gefahr für Menschen darstellten, waren diese den Wesen allgemein nicht selten misstrauisch gegenüber. „Und jetzt?“, fragte Denrei, nicht glücklicher als zuvor. „Jetzt feiern wir Weihnachten zusammen“, erwiderte Shoji und lächelte. „Und was soll ich dann machen?“ Im Moment erschien es dem älteren Jungen als eine wesentlich bessere Idee Weihnachten in Gegenwart seines Computers zu verbringen. Sie würden über die Winterferien sicher etwas programmieren müssen, was er über Weihnachten machen könnte. Shoji seufzte. „Du könntest mit ihr reden“, schlug er erneut vor. „Und was soll ich ihr sagen?“ Wie bereits zuvor war Denrei von der Idee nicht sonderlich begeistert. Ohne auf die Frage einzugehen fuhr der Oberschüler fort. „Du könntest ihr irgendetwas schenken.“ Weiterer Missmut. „Und was?“ Nun zuckte Shoji selbst etwas genervt mit den Schultern. „Denk dir etwas aus. Irgendetwas persönliches. Was weiß ich. Ich habe noch kein Mädchen beschenkt.“ „Wir sind da“, flüsterte Gazimon vom Boden hoch und beide Jungen sahen auf, um zwischen den Menschen zu erkennen, dass sie in Shinjuku einfuhren. Einen Moment später drängten sie sich zusammen mit anderen Menschen zur Tür des Wagons, um mit den Massen über den Bahnsteig zu strömen. Hierbei war es tatsächlich ein Vorteil, dass einige der Menschen den Digimon auswichen. „Etwas persönliches?“, fragte Denrei schließlich, als sie vor dem Bahnhof standen. Shoji nickte. „Du kennst sie lang genug“, erwiderte er. „Denk dir was aus.“ „Kriege ich auch ein Geschenk?“, warf Dracomon ein und der ältere Junge lächelte für einen Moment. „Klar“, meinte er und strich dem Digimon über den Kopf. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie Jenrya auf diverse Situationen reagieren würde. „Denk dir was aus“, lächelte Shoji noch zum Abschied, als sich ihre Wege etwas später trennten. Das war am Abend des 17. Dezembers. Vier Tage später, am Abend des 21. Dezembers, war er in seiner Suche nach einem Geschenk nicht weiter gekommen und saß Shuichon gegenüber in einem kleinen Café in Akihabara. Es war eine der erleuchtenden Ideen Shuichons gewesen, hier einkaufen zu gehen, da sie selbst für ihre Familienmitglieder Geschenke suchte, während Denrei seinem Vater genau so wenig schenken würde, wie es von ihm bekam. Sie hatten noch nie Weihnachten gefeiert. Was um alles in der Welt sie auf die Idee gebracht hatte, ausgerechnet hier einkaufen gehen zu wollen, wusste er nicht. Denn wahrscheinlich wäre es allgemein sinnvoller gewesen, sich bei Takashimas umzuschauen. Letzten Endes hatte sie für ihren Vater kreativer Weise einen Satz neuer Krawatten gekauft und Schokolade für ihre Mutter. Jenrya würde von ihr neue Einzelteilen für seinen Computer, an dem er ständig neue Sachen einbaute, bekommen, die sie in einem kleinen Laden billig bekommen hatte, während Jaarin irgendein T-Shirt mit einem – in Denreis Augen – kitschigem Aufdruck und Rinchei, der ohnehin vor Neujahr nicht wiederkommen würde, Nikotinpflaster bekommen würde, da er angefangen hatte zu rauchen. „Ich finde die Kleider niedlich“, kommentierte das Mädchen die Dresse der Kellnerinnen, denn es was ein Maidcafé, in das sie ihn „verschleppt“ hatte und in dem er sich mehr als unwohl fühlte. „Hmm, ja“, murmelte er und stocherte in dem zuckersüßen Christmas Cake herum, der vor ihm auf dem Teller lag. Eigentlich hatte Shoji sie begleiten wollen, aber zufälliger Weise, war ihm etwas dazwischen gekommen – was Denrei ihm nicht so wirklich glaubte. Vielleicht hätte er dem anderen Jungen nichts erzählen sollen, doch auf der anderen Seite war es wohl gut gemeint und sie hatten noch immer die Digimon dabei, die die Empfangsdame zuerst nicht einmal hatte hereinlassen wollen. Zurecht, musste er zugeben, denn Dracomon hatte seinerseits ein Stück Torte zur Hälfte über den Boden und zur anderen Hälfte über seine Schnauze verteilt. „Du siehst bedrückt aus“, meinte Shuichon, die ein gelbes knielanges Kleid mit Latzhoseträgern über einem weißen Pulli und einer weißen Strumpfhose trug, und sah ihn übertrieben rätselnd an. „Was hast du denn?“ „Nichts“, log er schnell. „Jemand, der 'nichts' hat, sieht anders aus“, stellte das Mädchen fest. „Hast du vielleicht Liebeskummer?“, fragte sie dann. Er, seinerseits gerade an seinem Tee trinkend, verschluckte sich beinahe. „Nein“, erwiderte er schnell. „Volltreffer“, kommentierte Lopmon, das an einem Keks knabberte. „Wer ist die Glückliche?“, bohrte sie weiter, was ihn nur wieder bestätigte, dass das in der Golden Week nicht so ernst gemeint war. Er gab einen grummelnden Laut von sich und trank weiter Tee. „Niemand“, sagte er langsam und deutlich. „Ich bin nur müde, von der Uni, okay? Das ist alles. Wirklich alles.“ Weiterhin musterte sie ihn misstrauisch. „Irgendwas verschweigst du mir doch.“ „Muss ich dir neuerdings alles erzählen?“ Langsam wurde er gereizt. „Er wird rot“, lästerte Lopmon und kicherte, als Shuichon ihrem Partner über den Kopf strich. „Lass ihn“, seufzte sie und sah den Jungen an. „So war das nicht gemeint“, entschuldigte sie sich und überraschte ihn damit. „Schon gut“, erwiderte er und seufzte seinerseits. Da grinste sie auf einmal. „Ich weiß, was wir machen können!“, rief sie aus. „Und was?“, fragte Denrei, bekam jedoch keine Antwort, bis sie das Lokal verlassen hatten. Der Laden, in den sie ihn als nächstes brachte, war offenbar eine Art Boutique, die normale und ausgefallene junge Mode verschiedener Arten führten. „Was wollen wir hier?“ Verwirrt sah der Junge sie an. „Ich dachte, wir haben alle Geschenke für deine Familie.“ „Aber ich habe noch nichts für dich und Shoji“, erwiderte Shuichon und Denrei war deutlich anzumerken, dass ihm das gar nicht gefiel. „Ach komm“, fuhr das Mädchen vor und stupste ihm mit einer Hand auf die Schulter. „Du könntest mal wieder etwas neues gebrauchen. Ich sehe dich ja in kaum etwas anderem, als deiner Uniform, Jeans und verschiedenen T-Shirts.“ Er seufzte, vorrangig, weil sie Recht hatte und es ihm gefiel, dass sie ihm etwas schenken wollten. „Wie du meinst.“ Damit ergab er sich und durfte kurz darauf schon seine Meinung zu diversen Kleidungsstücken abgeben, die sie ihm entgegen hielt, abgeben. „Ganz sicher nicht“, kommentierte er ein weites T-Shirt, das lang genug war, um als Kleid durchzugehen. „Ich finde es toll“, erwiderte Dracomon, während Shuichon und Lopmon kicherten. „Sowas trage ich nicht“, lachte er etwas später, als sie ihm erwartungsvoll ein Hawaii-Shirt entgegenhielt. „Spielverderber“, schmollte sie und es waren die Digimon die lachten. Etwas später schickte sie ihn letzten Endes mit einigen Sachen in die Umkleidekabine, um diverse T-Shirts und Hemden anzuprobieren. Eins der Shirts hatte einen Stern auf die Brust gedruckt und die Aufschrift Starry Sky, was er persönlich ebenfalls zu kitschig fand. Ein anderes war blau und hatte einfach nur einen hellblauen Streifen über der Brust. „Jetzt lass mich auch einmal sehen“, rief Shuichon von draußen, als er sich das dritte Mal umzog. „Ich glaub, du verstehst das Prinzip nicht wirklich“, grinste sie, und fing an den Kragen des Hemdes, das er nun trug, zu richten. „Ich will auch meinen Spaß dabei haben.“ „Gefällt mir“, kommentierte Dracomon. Denrei sah in einen Spiegel. Das Hemd, das er nun trug war ebenfalls dunkelblau, ähnlich wie seine alte Weste, und hatte einen hellblauen Stern auf der Brusttasche, während ein anderer Stern mit der geschwungenen Innenschrift 勇者 den Rücken zierte. „Es passt“, meinte auch Shuichon, nachdem sie ihn dazu gebracht hatte, sich zwei Mal im Kreis zu drehen. Er betrachtete den Rücken im Spiegel. „Ich finde es etwas übertrieben.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich nicht“, grinste sie, weshalb ihm nichts anderes blieb, als zu seufzten und sich ihr zu ergeben. „Du hast keine Chance“, grinste Lopmon, als er mit einem weiteren Seufzen wieder in seiner Ursprünglichen Kleidung – der blaugrauen Uniform der UEC Tokyo – aus der Umkleidekabine kam. „Als ob ich das nicht wüsste“, erwiderte er gespielt matt und sah sich um. „Wo ist sie hin?“ „Da.“ Dracomon deutete auf eine der anderen Umkleidekabinen, woraufhin er halb grinsen musste. Zumindest schien sie das Klischee zu bestätigen, dass Frauen kein Kleidungsgeschäft betreten konnten, ohne sich selbst etwas zu kaufen. „Und ich dachte, wir könnten gehen“, meinte er gespielt grummelig, als sie aus der Umkleidekabine kam, schluckte aber im nächsten Moment, da sie einen sehr knappen Maiddress trug und auf ihn zu kam. „Wie findest du es?“, fragte sie. „Es ist niedlich, nicht?“ Erneut musste er schlucken. „Ja“, murmelte er beiläufig und wich einen Schritt zurück. „Ach, wenn Jian-nii-chan mich so sehen würde“, grinste sie und stellte sich dies offensichtlich lebhaft vor. Auch Denrei konnte sich dies gut vorstellen. Jenrya würde wahrscheinlich sauer werden und dafür sorgen, dass sie schneller wieder aus dem Kleid kam, als ihr und der Ladenbesitzerin lieb war. „Ich glaube, ich probiere noch andere Sachen an“, meinte sie und verschwand ausgerechnet in Richtung der Abteilung, in der cosplayähnliche Kleidung ausgestellt war. Bunt, verrückt und nicht selten sehr knapp. Der Junge seufzte, sicher, dass sie es nur wieder machte, um ihn zu reizen und sah sich ein wenig in dem Laden um, froh, dass die Digimon erst einmal dem Mädchen gefolgt waren. Da fielen ihm Vitrinen in einer Ecke der Etage auf, in denen Schmuck ausgestellt war und näherte sich diesen vorsichtig. Vielleicht war das eine Möglichkeit... „Denrei?“, hörte er sie rufen und seufzte. „Warte kurz“, rief er zurück. „Ich komme gleich.“ Später am Abend – eigentlich war es bereits Nacht – lag er auf dem Rücken in seinem Bett und starrte zur Decke seines Zimmers hinauf. Er hatte die Arme unter seinem Kopf verschränkt und das Licht in seinem Zimmer noch brennen, da er zuvor noch versucht hatte, einen Manga zu lesen, es aber wegen mangelnder Konzentration aufgegeben hatte. Er hatte zuvor noch seine Meinung zu verschiedenen Kostümierungen und Kleidern abgeben können, von denen einige viel zu kurz – oben wie unten – gewesen waren, um sie in der Öffentlichkeit zu tragen. Letzten Endes hatte sie sich ein ebenfalls blaues Kleid mit Blumenmuster gekauft, das zwar eher sommerlich war, aber zumindest nicht ganz so knapp gewesen war. „Denrei?“, fragte Dracomon, das sich am Fußende des Bettes zusammengerollt hatte, auf einmal. „Hmm?“, machte er nur und hob den Kopf ein wenig. Das Digimon tat ihm dies gleich und sah ihn an. „Was ist Liebeskummer?“ Er ließ den Kopf wieder sinken und seufzte zum sicherlich fünfzigsten Mal an diesem Tag. Warum musste das Digimon denn auch immer so seltsame Fragen stellen? „Ach nichts...“ „Nichts?“, hakte Dracomon nach und schien sich damit nicht so wirklich zufrieden geben zu wollen. Denrei überlegte. „Liebeskummer ist, wenn man jemanden mag, aber sich nicht traut, es zu sagen.“ „Und warum traut man sich nicht?“, fragte sein Partner verwirrt. „Das kann verschiedene Gründe haben“, erwiderte der Junge. „Hmm.“ Das Digimon schien für eine Weile zu überlegen. „Das ist komisch.“ Es schwieg erneut eine Weile. „Und du hast Liebeskummer?“ „Nein“, antwortete er schnell. „Okay.“ Zumindest mit dieser Antwort schien sich das Digimon zufrieden zu geben. Derweil sah der Junge zu der kleinen Pappboy auf dem Tisch neben seinem Bett. Irgendwie hatte er es geschafft eine Kette zu kaufen, ohne das Shuichon es bemerkte – zumindest hoffte er das. Gedankenverloren nahm er die Schachtel von dem Tisch und holte die Kette heraus. Es war eine etwas kindlich wirkende Kette, die aus kleinen, wie Blumen gefärbten Silbergliedern bestand, während der Anhänger eine aus buntem Glas und einer Perle geformte Sonnenblume war. Zwar konnte er nicht sagen wieso, aber irgendwie erinnerten Sonnenblumen ihn an Shuichon. Er seufzte. Irgendwie zweifelte er daran, dass er es über sich bringen würde, ihr das Geschenk zu geben. Er war so ein Feigling. Am Ende kam der 24. Dezember und irgendwann am Nachmittag trafen auch Denrei und Dracomon bei dem Appartement der Lees ein, wo Jenrya ihnen öffnete. Er sah Denrei nicht gerade begeistert an. „Hey“, sagte er trotzdem und ließ sie hinein. „Hey“, meinte auch Denrei und zog sich seine Schuhe auf der dafür vorgesehenen Matte aus, als Shuichon auch schon aus dem Wohnzimmer gelaufen kam. „Denrei!“, rief sie und fiel ihm um den Hals, woraufhin er nicht anders konnte als rot zu werden. „Shuichon“, meinte Jenrya warnend und zog eine Augenbraue hoch. Sie grinste ihren Bruder nur an. „Hab dich nicht so, Jian-nii-chan, es ist Weihnachten!“ „Aber...“, setzte er an, wurde jedoch ignoriert, als das Mädchen Denrei bereits ins Wohnzimmer zerrte, während Dracomon etwas bereitwilliger folgte. „Ihr habt einen Weihnachtsbaum?“, fragte der Junge etwas überrascht, da dies bei weitem nicht auf alle Familien in Japan zutraf. „Klar“, grinste Shuichon. „Hey“, wurde Denrei auch von Shoji gegrüßt, der zusammen mit Gazimon am Boden saß, während Terriermon und Lopmon auf der Rückenlehne des Sofas saßen. Ansonsten war jedoch tatsächlich niemand hier. Kurz hob Denrei die Hand. „Hey“, grüßte er zurück und wandte sich dann an Shuichon. „Wo sind die anderen?“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern und Lopmon antwortete für sie. „Ryou und Ruki sind bis Neujahr in Amerika, Hirokazu traut sich offenbar wirklich nicht her und ohne ihn kommt Kenta auch nicht. Und Takato ist offenbar mit Juri zu ihren Großeltern gefahren.“ „Daher sind wir wohl allein“, endete Terriermon und flog zu dem Jungen hinüber, als dieser seufzte. „Moumantai! Den-kun.“ „Und was machen wir?“, fragte er schließlich und setzte sich auf den Boden mit dem Rücken zur Couch. „Wir könnten etwas spielen“, schlug Shuichon grinsend vor und zeigte auf den an dem Fernseher angeschlossenen Wii. „Oder wir schauen Fernsehen oder Videos oder wir hören Musik... Wir haben genug Möglichkeiten. Ich könnte auch Papas Biervorräte plündern – dann könnten wir uns mal richtig betrinken!“ „Shuichon!“, rief Jenrya aus, woraufhin sie nur mit den Schultern zuckte. „Moumantai, Jian-nii-san“, meinte sie und klopfte ihm auf die Schulter, ehe sie für einen Moment in die halb angeschlossene Küche ging und tatsächlich mit einem Packen Bier zurück kam. Erneut war es Jenrya, der sich beschwerte. „Shuichon, das...!“ Übertrieben dramatisch seufzte sie. „Ein Bier wird keinen von uns betrunken machen.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher“, murmelte Gazimon und hob kurz den Kopf von seinen Vorderpfoten um die versammelte Gruppe kurz mit einer gewissen Belustigung anzusehen. Für einen Moment herrschte bedrückte Stille, ehe die junge Chinesin, noch immer grinsend eine der Bierdosen nahm, öffnete und Denrei in die Hand drückte, der nur wenig begeistert auf diese sah. Er trank normal nie etwas und war sich daher nicht völlig sicher wie viel er vertrug. Wie auch Gazimon hatte er seine Zweifel an Shuichons Aussage, zumal er auch bei ihr ein wenig an der möglichen Wirkung zweifelte. Allerdings glaubte er kaum, dass ihr Verhalten dadurch schlimmer werden konnte und vielleicht konnte es ihm auch nicht schaden. So zuckte er schließlich angedeutet mit den Schultern und nahm einen Schluck. Auch Shoji tat ihnen dies gleich, wenn auch nur mit Vorsicht. Einzig Jenrya nahm nichts von dem Bier, das seine Schwester ihm anbot, woraufhin sie gespielt beleidigt tat und Terriermon begann ihn ein wenig aufzuziehen. Letzten Endes folgten sie Shuichons erstem Vorschlag und begannen irgendwelche Partyspiele auf der Konsole zu spielen und nach einer Weile musste Denrei zugeben, dass es die Atmosphäre wirklich auflockerte. Die Wii hatte zudem den Vorteil, dass die Digimon einen Teil der Spiele ebenfalls spielen konnten, was vor allem Dracomon und Terriermon begeisterte. Außerdem waren die meisten Spiele für bis zu vier Personen gedacht, was einen weiteren Vorteil brachte, da sie zumindest genau vier Menschen waren. Während Dracomon, Terriermon, Lopmon und Shuichon vielleicht ein oder zwei Stunden, nachdem sie mit dem Spielen angefangen hatten, die Controller um die Wette schüttelten, beobachtete Denrei das Mädchen. Sie schien an nahezu allem Spaß zu finden und sah eigentlich alles irgendwie positiv. Zugegeben nicht selten das genaue Gegenteil von ihm, aber genau darum hatte er sie die meiste Zeit beneidet. Während er sich oft schwer tat auch nur etwas gutes an bestimmten Situationen und Personen zu finden, schien es für sie so leicht. Sie schien sich mit beinahe jedem Menschen anfreunden zu können, auch wenn die Mischung aus alle dem einen manchmal ziemlich nerven konnte. Nun, da Shuichon und auch die beiden neugierigen, langohrigen Digimon abgelenkt waren, setzte sich Shoji neben Denrei auf das Sofa und sah ihn vielsagend an. „Hast du etwas gefunden?“, fragte er vorsichtig. Denrei nickte und wünschte sich ein weiteres Bier, da er das eine mittlerweile gegen eine Cola ausgetauscht hatte. „Ja“, murmelte er. „Dann...“ Erneut folgte ein vielsagender Blick. „Ich weiß nicht...“ Der Ältere der beiden wich seinem Blick aus. „Du machst es dir zu kompliziert“, erwiderte Shoji. „Wenn du es nicht bald einmal schaffst etwas zu sagen, nimmt sie dir doch jemand weg.“ Als Denrei noch immer nichts erwiderte fuhr er fort. „Weißt du, ich glaube, dass sie die ganze Zeit nur drauf wartet, dass du etwas sagst.“ „Wieso sollte sie?“, gab der Ältere ein wenig gereizt zurück und bereute es einmal mehr jemals mit Shoji über das Thema gesprochen zu haben. „Sie hat ja genug...“ Er suchte nach dem richtigen Wort. „Ablenkung.“ „Schon einmal daran gedacht, dass sie dich vielleicht nur eifersüchtig machen will?“ Denrei seufzte und sparte sich eine weitere Erwiderung, weil er keine Lust hatte darüber zu diskutieren. Letzten Endes hatten Shuichon und die drei Digimon das Spiel ohnehin beendet. „Das ist unfair“, grummelte Lopmon, das offensichtlich verloren hatte. „Du wolltest spielen“, stichelte das Mädchen, während sich Dracomon, obwohl es verloren hatte, noch immer freute. „Ich finde, es macht trotzdem Spaß.“ „Dir macht auch alles Spaß“, merkte Lopmon beleidigt an, während sich Terriermon nun auf den Rücken fallen ließ. „Ich habe Hunger“, murmelte es. „Und ich habe Kuchen“, meinte Shuichon, auch wenn Denrei sich sicher war, das zumindest die beiden langohrigen Digimon dies wussten. Dafür wurde Dracomon nun aufmerksam. „Kuchen?“, fragte es begeistert und brachte damit Shuichon zum Lachen. „Torte, um genau zu sein“, meinte sie dann, was Terriermon nur mit einem „Na endlich“, kommentierte. Und so wurde die Torte, die tatsächlich eine seltsame Variation zu sein schien, aus dem Kühlschrank geholt und wenige Minuten später saßen die vier Jugendlichen und ihre Digimon am Esstisch, wobei Jenrya jedoch noch immer in dem Buch versunken war, dass er vorher angefangen hatte, als ihm die Lust am Spielen vergangen war. „Hast du die Torte selbst gemacht?“, fragte Shoji freundlich, nachdem er ein paar Bissen probiert hatte. „Klar“, grinste das Mädchen zurück. „Sie ist...“, fuhr der Junge fort. „Sehr kreativ.“ Kreativ traf es wahrscheinlich am Besten, da die Torte nicht minder süß war, als jene, die sich vor wenigen Tagen in dem Maidcafé gegessen hatten, dabei jedoch aus den unmöglichsten Zutaten zusammen gemixt zu sein schien. Zumindest war sich Denrei relativ sicher, Erdbeeren, Himbeeren, Banane und Marzipan herauszuschmecken, während die Torte mit einer Schokoladenglasur überzogen war. „Schmeckt sie dir auch?“, fragte Shuichon nun an ihn gewandt. Sofort nickte er. „Klar.“ Mit einem Kopfschütteln seufzte sie. „Du machst ein Gesicht... Sei etwas fröhlicher, es ist Weihnachten!“ Er zwang sich zu einem Lächeln. „Ja...“ Trotzdem schwieg er die meiste Zeit, ähnlich wie Jenrya und Gazimon, während die verbliebenen fünf scherzten und redeten. Denrei hörte nicht einmal wirklich zu. „Vielleicht sollten wir uns jetzt einmal um die Geschenke kümmern“, schlug Shoji vor, als sie die Teller zusammenräumten. „Geschenke!“ Dracomon war sofort Feuer und Flamme und brachte sie erneut zum Lachen. Dieses Mal war Denrei wirklich der Einzige, der nicht zumindest etwas erfreut von der Idee zu sein schien. Das Geschenk für Shuichon hatte er in seiner Manteltasche, während er Dracomon, dem er ohnehin nur Süßigkeiten gekauft hatte, da sich das Digimon erfahrungsgemäß am meisten darüber freute, in einer Tragetasche mitgenommen hatte. Während Shuichon offenbar beschlossen hatte, jedem einzelnen von ihnen etwas zu schenken, beschenkten auch er und Shoji sich nicht. Auf die Idee Jenrya etwas zu schenken wäre er ohnehin nicht gekommen und er war sich sicher, dass es Shuichons älterem Bruder andersherum ähnlich ging. So beschränkten sich die Geschenke, die ein wenig später auf dem Teppich im Wohnzimmer des Apartements lagen, auf ein bis zwei pro Kopf, da Denrei auch sein Geschenk für Shuichon nicht mit hinzugelegt hatte. Letzten Endes bestand sie ohnehin darauf, dass sie mit dem Auspacken anfingen, bevor sie sich um ihre Geschenke kümmerte. Sie hatte sogar für die Digimon Geschenke besorgt und Denrei fragte sich leise, woher sie überhaupt das Geld hatte. „Was bekomme ich? Was bekomme ich?“, fragte Dracomon aufgeregt, als Shuichon ihm sein Geschenk wieder abnahm, offenbar aus Angst, dass es vor lauter Eifer gleich den Inhalt mit zerreißen würde. Letzten Endes befand sich ein Schal in dem Rot von Dracomons Flügeln und Hörnern im Papier, den Shuichon dem Digimon umband. „Ich find' es süß“, meinte sie und lächelte, während der kleine Drache mit seinen Krallen die Wolle vorsichtig betastete. „Ich find' es albern“, widersprach Lopmon, welches wie auch Terriermon eine Packung Kekse bekommen hatte, worum beide Digimon erleichtert zu sein schienen. Kein Wunder, denn auch Denrei hatte die Bilder gesehen, was ihnen von dem Mädchen in vergangenen Jahren angetan worden war. Zumindest Dracomon schien sich über den Schal sehr zu freuen. „Ich finde es auch toll“, rief es aus. „Danke!“ Und ein wenig musste Denrei darüber lächeln, auch wenn sich das Digjmon nicht weniger über die Schokolade und Kekse freute, die es von ihm bekam. Gazimon bekam etwas nicht unähnliches von dem Mädchen und machte etwas später gute Miene zum bösen Spiel, als eine Wollmütze mit Bommeln über seinem Kopf gestülpt war. „Danke“, meinte es auch anständig, jedoch nicht annährend mit derselben Begeisterung wie Dracomon. Auch Shoji bedankte sich lächelnd für die Räucherstäbchen, die er bekam, schien sich sogar halbwegs drüber zu freuen. Letzten Endes hielt das Mädchen Denrei das Paket entgegen, das seinen Namen trug. „Pack aus“, forderte sie ihn ungeduldig auf und mit einem matten Lächeln kam er der Aufforderung nach. Es befand sich mehr, als das kurzärmelige Hemd in dem Päckchen, wie er schnell feststellte. Sie hatte ihm dazu noch einen langärmeligen Pulli in demselben Hellblau geschenkt, in dem auch das T-Shirt, das er früher so oft getragen hatte, gefärbt gewesen war. Zudem war noch etwas anderes in dem Papier eingewickelt: Seine Fliegerbrille, die bereits im Sommer zuvor gerissen war und die seitdem eigentlich in seinem Zimmer gelegen war. „Was...?“, setzte er verwirrt an, woraufhin sie kicherte. „Ich habe sie vor zwei Wochen mitgenommen und repariert. Sie gehört einfach irgendwie zu dir.“ Damit nahm sie die Brille und versuchte sie ihm aufzusetzen, was jedoch nur damit endete, dass seine Haare wirr abstanden und sie noch mehr kicherte, während er merkte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. „Shuichon“, hörte er, wie Jenrya einmal wieder ungeduldig wurde und wie sein Partner ihn mit „Moumantai“ zu beruhigen versuchte. Und gerade, als er selbst einen Schritt zurück machen wollte, um etwas Abstand zwischen sich und das Mädchen zu bringen, spürte er auf einmal ihre Lippen auf den seinen. Es war nur ein flüchtiger Kuss, ehe sie sich wieder von ihm löste. „Wir haben leider keinen Mistelzweig“, entschuldigte sie sich und wurde sich einen Moment später dessen bewusst, dass im ganzen Raum betretenes Schweigen eingekehrt war. „Shuichon“, murmelte Lopmon entgeistert und schüttelte den Kopf. „Shuichon, was...?“, setzte Jenrya an und schien wütend zu werden, während Shoji nur bestätigt lächelte. Gerade als der ältere Lee auf Denrei zugehen wollte, drehte sich dieser um und verließ den Raum. „Denrei!“ Er hörte, wie Dracomon ihm folgte. „Denrei“, hörte er auch das Mädchen nach ihm rufen, als er gerade in seine Schuhe schlüpfte und sich den dunklen Mantel, mit dem er gekommen war, überzog. Er zögerte nicht, sondern verließ einfach die Wohnung, ohne selbst genau zu wissen warum. Auch im Wohnzimmer herrschte einige Verwirrung, als Shuichon schließlich begriff, dass der Junge nicht zurückkommen würde, und ihm zusammen mit Lopmon folgte. „Shuichon!“ Auch Jenrya wollte ihnen folgen, doch da griff Shoji schnell nach seinem Handgelenk. „Du musst es nicht noch komplizierter machen, als es ohnehin schon ist“, meinte er. „Aber...“, setzte der Ältere an und wollte sich losreißen, aber Shoji lockerte seinen Griff nicht. „Moumantai, Jian“, meinte nun Terriermon und landete auf dem Kopf seines Partners, ließ die Ohren vor dessen Augen baumeln. „Ich denke, Shoji-kun hat Recht. Außerdem kann Shuichon ihre eigenen Entscheidungen treffen.“ Derweil lief Denrei die Straße hinunter und strafte sich in Gedanken selbst einen Feigling, während Dracomon ihm offenbar mehr als nur verwirrt folgte. „Aber Denrei, was ist los?“, fragte es immer wieder. „Wieso läufst du denn weg?“ Doch er antwortete nichts. Da hörte er auch Shuichons Stimme hinter sich nach ihm rufen, gerade, als er beinahe die Hauptstraße erreicht hatte. Warum lief er denn auch fort? Wenn sie ihn küsste, hieß dies doch, dass sie ihn auch irgendwie mochte, oder? Vielleicht lief er auch weg, weil er nicht wirklich wusste, ob dies stimmte. Er wurde aus dem Mädchen einfach nicht klug! „Denrei!“, rief Shuichon erneut und hatte ihn offenbar beinahe eingeholt. Letzten Endes hatte sie mehr Ausdauer als er und nur wenige Sekunden später schloss sich ihre Hand, um seinen Arm und riss ihn herum. „Du bist so ein Idiot!“ Er erwiderte nichts. „Was ist denn überhaupt dein Problem? Warum läufst du immer weg? Du bist so ein Feigling“, fuhr sie nun offenbar auch sauer fort, während Lopmon auf Dracomons Kopf landete. „Ich...“, setzte er unsicher an, ehe er merkte, dass er selbst auch irgendwie sauer war. „Mein Problem?“, fragte er deswegen auch gereizt. „Mein Problem ist, dass ich aus dir nicht schlau werde. Erst sagst du, dass du mich magst und dann fängst du an alle drei Wochen mit jemand anderem auszugehen! Du schaffst es, dich mir aufzudrängen, während du mit jemand anderem ausgehst und manchmal wache ich mit dir in einem Bett auf, ohne zu wissen, woher du kommst und darf mich dafür auch noch von seinem Bruder schlagen lassen!“ „Weil du ein Idiot bist!“, erwiderte sie, atmete dann aber tief ein und seufzte schließlich. „Du magst mich doch, oder?“, fragte sie auf einmal, seltsamer Weise nun ihrerseits verunsichert wirkend. Er zögerte. „Ja...“ „Als ich dir im Mai gesagt habe, dass ich dich mag, dachte ich, du würdest ebenso antworten“, meinte sie schließlich. „Aber du hast gar nichts gesagt. Gar nichts. Also habe ich gedacht, dass du es einfach nicht über dich bringst, weil du so ein Feigling bist... Ich dachte, wenn ich dich ein wenig reize, sagst du am Ende zumindest was, weil du sauer bist.“ „Dann hast du die anderen nur ausgenutzt?“, fragte er vorsichtig. Sie schwieg kurz und sah ihn für einen Moment nicht an. „Könnte man so sagen.“ Dann seufzte sie. „Wieso musst du auch alles so kompliziert machen?“ Darauf erwiderte Denrei nichts und griff schließlich in seine Manteltasche. „Ich habe noch etwas für dich gekauft“, meinte er schließlich und hielt ihr die kleine, in Geschenkpapier verpackte Box, entgegen. „Danke“, lächelte sie nun und begann vorsichtig das Schächtelchen aus dem Papier zu schälen. Schließlich öffnete sie die Pappbox und nahm die Kette heraus. „Sie ist süß“, stellte sie fest und lächelte. „Aber wieso Sonnenblumen?“ Der Junge wurde etwas rot, was man jedoch dank dem schwachen Licht der Straßenlaternen kaum sah. „Ich...“, setzte er erneut an. „Du... Du erinnerst mich irgendwie... An Sonnenblumen“, brachte er schließlich mühsam hervor, woraufhin Shuichons Lächeln breiter wurde. Vorsichtig nahm sie die Kette und hängte sie sich selbst um den Hals, ehe sie noch einmal auf den Anhänger hinabsah. Dann legte sie auf einmal die Arme um Denreis Hals. „Ich mag dich...“, flüsterte sie. „Sehr.“ Und bevor er dieses Mal eine Chance hatte etwas zu erwidern küsste sie ihn. Nicht flüchtig, wie zuvor, sondern sanft und leidenschaftlich, und letzten Endes begann er nach kurzem Zögern den Kuss, so gut er konnte, zu erwidern. „Na endlich“, seufzte Lopmon offensichtlich etwas genervt und hob die kurzen Arme. „Das hat ja ziemlich lange gedauert.“ Derweil legte Dracomon den Kopf schief. „Aber was denn? Was machen sie denn?“ Erneut seufzte das Digimon auf seinem Kopf. „Ich glaub, ich muss dir einmal eine Menge erklären.“ Etwas warmes, haariges, weiches, das plötzlich auf seinem Gesicht lag, weckte Denrei am nächsten Morgen auf. Für einen Moment war er verwirrt, stellte aber schließlich fest, dass er in seinem Bett lag. Die nächste Feststellung, die er machte, war jedoch, dass das warme, haarige Weiche auf seinem Gesicht Lopmons Ohr war, während der Rest des kleinen Digimon neben ihm auf seinem Kopfkissen schlief. Vorsichtig schob er das Ohr zur Seite und stellte noch verschlafen fest, dass Lopmon nicht der einzige fremde Gast in seinem Bett war. Von Dracomon einmal abgesehen, das wie immer zu seinen Füßen schlief, lag jemand neben ihm und mit langsam wiederkehrender Erinnerung an den vergangenen Abend und wie die Weihnachtsfeier etwas abrupt beendet worden war, wurde ihm klar, dass es Shuichon war. Und sie war nackt. „Oh verdammt“, murmelte er, hatte er das nur für einen sehr seltsamen Traum gehalten. Vorsichtig versuchte er etwas von dem Mädchen wegzurücken, merkte dabei aber nicht, wie nah er bereits an der Kante seines Bettes lag und landete einen Moment später unsanft auf dem Boden. „Autsch“, flüsterte er, als drei Paar verschlafener Augen auf einmal auf ihn gerichtet waren. „Was machst du denn?“, murmelte Lopmon, offenbar sauer aufgeweckt worden zu sein. „Warum bist du nackt?“, fragte Dracomon. Derweil lächelte Shuichon. „Guten Morgen.“ „Aber, was...“, setzte er an, unsicher, was er sagen wollte und vor allem sehr daran interessiert, seine Blöße irgendwie zu bedecken. „Das Sofa ist auf Dauer ganz schön kalt“, beschwerte sich Dracomon. „Sorry“, entschuldigte sich Lopmon. „Aber da gebe ich dem Kleinen da recht!“ „Schau nicht so schockiert“, meinte Shuichon schließlich sanft und setzt sich ebenfalls auf. „Aber wir...“ Er sah sie verwirrt an, während sie nur weiter lächelte. „Ja“, antwortete sie und küsste ihn. Für einen Moment zögerte er und wusste nicht, unwissend, was er sagen sollte. Schließlich seufzte er langgezogen. „Dein Bruder wird mich umbringen.“ Daraufhin lachte Shuichon. „Zumindest wird er es versuchen.“ Damit küsste sie ihn erneut und schien wieder einmal ganz die Alte zu sein. Wie konnte sie das alles nur so leicht nehmen? Derweil zuckte Lopmon erneut mit seinen kleinen Schultern. „Menschen sind einfach nur unnötig kompliziert.“ Das war der Morgen des 25. Dezembers. ★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★☆★ So endlich fertig, gerade noch rechtzeitig, wenn man so will :) Ich hoffe, dass es zumindest einigen gefällt, auch wenn ich weiß, dass viele DAG eigentlich gerade lesen, weil es keine Romantik gibt. Aber für die von euch, die das Pairing mögen diese Geschichte. Und tut mir leid für die letzte Szene, sie musste einfach sein. Ein wenig typischen japanischen Slapstick in einer zumindest etwas japanischen Geschichte. Übrigens, die Zeichen auf dem Hemd, das Shuichon Denrei schenkt, heißen "Yuusha", also Held :) War das alles, was ich sagen wollte? Ich glaube schon! Ich hoffe ihr hattetet Spaß an der Geschichte, wünsche euch noch frohe, ein wenig romantische Weihnachten! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)