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A hard another life

Das Leben läuft manchmal nicht so, wie man es will.
von

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Prolog

Es gibt viele Menschen im Land Lyrius, die glücklich über ihr Leben sind und geschäftig ihren täglichen Arbeiten nachgehen. Sie sind froh und genießen jeden Tag, der ihnen beschert wird.

Doch es gibt auch Momente im Leben, die weniger schön sind. Und diese Momente wollen die meisten nicht wahrhaben.

So viele Menschen es gibt, denen Gutes widerfahren ist, so viele gibt es auch, bei denen unendliches Leid und Ungerechtigkeit zum täglichen Leben dazugehören.

Diese Personen werden von den anderen nicht beachtet und es wird ihnen sogar aus dem Weg gegangen. Man könnte sogar sagen, dass sie nicht für sie existieren.

Im Laufe der Jahre hat sich die Situation zwischen den gut lebenden Menschen und der Unglücklichen nicht gebessert, nein, sie hat sich sogar verschlechtert.

Dies ist die Geschichte eines Jungen, der mitten in dieser Welt lebt...
 


 

„Das kann doch nicht wahr sein! Ich habe doch gesagt, dass ich heute zum Frühstück Semmeln haben will! Und was bekomme ich da als Fraß vorgesetzt? Ein trockenes Brot!“, schrie ich und warf den Teller, auf dem das Brot lag, zu Boden.

Ich stand auf und schmiss vor lauter Zorn den Becher an die Wand. Aber wieso regte ich mich eigentlich auf? Es war doch eh nur elendes Gesindel, das mein Vater als Diener eingestellt hatte. Sie waren es nicht wert, dass man sich über sie ärgerte.

Kaum, als der Teller und der Becher in Scherben am Boden lagen, kamen gleich zwei Dienerinnen mit Schaufel und Besen und machten sich an die Arbeit, die Scherben wegzuräumen.

Beide sagten nichts und blickten schüchtern zu Boden.

Ich verschränkte die Arme und wartete darauf, dass man mir meinen Wunsch erfüllte und ich endlich meine Semmeln bekam. Ich musste nicht lange warten.

Eine weitere Dienerin huschte herein, murmelte eine Entschuldigung und stellte mir einen neuen Teller, auf dem sich zwei frische Brötchen befanden, vor die Nase.

Kaum hatte der Teller auch nur den Tisch berührt, war sie auch schon wieder aus dem Raum verschwunden. Somit gab sie mir keine Chance, sie anzubrüllen und ihr meine Meinung zu sagen. Die zwei anderen Dienerinnen waren ebenfalls nicht mehr da.

Was soll’s, ich würde mich sowieso bei meinem Vater beschweren.

Seufzend hockte ich mich wieder hin und wandte mich meinem Frühstück zu.
 

Ach ja, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Sam Lore’san und ich bin der Sohn von Arbas Lore’san, einem sehr reichen Kaufmann, der im ganzen Land Lyrius für seine Arbeit berühmt ist. Und bevor ihr fragt - eine Mutter hatte ich nicht mehr. Man munkelte, dass sie meinen Vater verließ, da sie es nicht mehr mit ihm ausgehalten hatte.

Ich konnte das nicht verstehen. Mit meinem Vater verstand ich mich super, obwohl ich ihn nicht oft zu Gesicht bekam.

Diese Tat, dass sie mich, ihren einzigen Sohn, verlassen hatte, nahm ich ihr sehr übel. Ich ging sogar so weit, zu behaupten, dass ich überhaupt keine Mutter hätte. Sie war doch eh nur eine stinkende Bauernfrau gewesen.

Mein Vater redete nicht oft über sie und, wenn er es dann doch tat, konnte ich nicht heraushören, ob er sie genauso hasste wie ich oder sie immer noch nach diesem Geschehen liebte.

Es war mir auch egal, was er über sie dachte. Das ändert doch sowieso nichts daran, dass sie weggelaufen war, und an meiner Meinung, dass es besser wäre, sie nie kennen zu lernen.
 

Nach einem ausgiebigen Frühstück ging ich auf mein Zimmer. Oben angekommen ließ ich mich auf das Bett fallen.

Heute hatte ich keinen Privatunterricht. Das fand ich richtig toll, denn der Unterricht war für mich stinklangweilig und der Lehrer brachte mich irgendwann noch zur Weißglut mit seinem hochnäsigen Getue.

Fieberhaft überlegte ich, was ich heute machen konnte. Es war richtig ungewöhnlich, mal nichts tun zu müssen.

Da mir nichts einfiel, stand ich schließlich auf und ging ans Fenster, um ein bisschen frische Luft zu schnappen.

Von dort konnte ich auf die Stadt Tarir, in der unser Anwesen lag, und die umliegende Gegend blicken.

Wir befanden uns hier im Land Lyrius, das von Menschen bevölkert wurde und dessen Hauptstadt Tarir war. Es war ein sehr fruchtbares Land, das aber schon durch unzählige Kriege zerstört wurde. Man konnte noch heute die vielen Narben in der Erde erkennen.

Diese Narben waren ein Zeugnis der längst vergessenen Kräfte, die einst diesem Land innegewohnt hatten. Es waren Mächte, von denen man nicht zu träumen wagte.

Trotz der großen Gewalttätigkeit, die Lyrius so oft widerfahren war, hatte es sich, zu meiner Verwunderung, immer von den Krisen erholen können.

Doch einige sagten, dass es von Mal zu Mal mehr von seinem ursprünglichen Glanz verloren hatte.

Mein Lehrer erzählte sogar Geschichten, denen zufolge es hier mal Elfen, Zwerge und Drachen gegeben haben sollte.

Ich fand, dass es reiner Unsinn war, was sie alle über solche Ammenfiguren erzählten. Hier haben schon immer Menschen gelebt und nichts anderes. Und das wird auch so bleiben.

Außerhalb der Stadt sah man die Bauernhöfe. Ich konnte sogar die Bauern und ihre Arbeiter, die auf die Entfernung wie Ameisen aussahen, dabei beobachten, wie sie auf den Feldern hart arbeiteten.

Angewidert rümpfte ich die Nase. Ich hatte zwar noch nie so richtig die Stadt verlassen, doch ich konnte mir vorstellen, wie es dort stank und zuging. Es reichte mir schon, wenn ich nur an einem solchen Arbeiter vorbei ging und mir der Gestank in die Nase stieg.

Bei solchen Situationen war ich heilfroh, dass mein Vater so reich war.

Wenn ich mir nur vorstellte, jeden Tag so früh aufzustehen und den ganzen Tag in der Sonne auf einem Feld arbeiten zu müssen, wurde mir ganz schlecht. Und, da es ja noch nicht genug war, mussten die Bauern auch noch raus und sich abrackern, wenn es regnete.

Ich ließ meinen Blick weiterschweifen und er blieb an der prachtvollen Burg von König Richard hängen. Er war ein recht gütiger Herrscher für seine Untertanen. Doch man munkelt, dass er seinen älteren Bruder, der vor vielen Jahren spurlos verschwunden war, umgebracht hatte, um an die Macht zu kommen. Außerdem wird vermutet, dass dieser ältere Bruder einen bösen Charakter hatte. Also ist es eigentlich gut so, dass er verschwunden war, wenn man bedachte, was er mit Lyrius und dessen Bewohner angestellt hätte.

Ich weiß nicht, ob man diese Gerüchte ernst nehmen sollte, aber ein Fünkchen Wahrheit ist in jeder Geschichte vorhanden, oder?

Unser Haus befand sich übrigens auf einem kleinen Hügel am Rande der Stadt, doch ich konnte trotzdem die Geräusche, die vom Marktplatz heraufwehten, hören.

Viele Menschen tummelten sich dort vor Ständen, deren Händler mit lauten Stimmen ihre Waren feilboten.

Ich war selten auf dem Marktplatz. Unsere Diener kauften dort immer für uns ein. Und, wenn ich mal auf dem Platz war, dann hatte ich nur sehr wenig von dem Treiben dort unten mitbekommen.

Während ich auf das ganze Spektakel unter mir blickte, hatte ich einen Entschluss gefasst: Ich werde aus dem Haus gehen und mich ein wenig in der Stadt und auf dem Marktplatz umsehen.

Es war reine Neugier, die mich dorthin trieb. Ich wollte wissen, wie es dort unten zuging und vielleicht entdeckte ich ja auch ein paar interessante Sachen.

Zwar würde mein Vater nie zulassen, dass ich alleine aus dem Haus ging, aber das musste er ja nicht wissen. Er war eh außer Haus und musste sich um geschäftliche Angelegenheiten kümmern.

Ich wandte mich vom Fenster ab und ging die Treppe, die in die große Eingangshalle führte, hinunter. Ich musste aufpassen, dass mich keiner der Diener entdeckte, sonst konnte ich mein Vorhaben gleich wieder vergessen. Doch es ließ sich keiner blicken und ich erreichte unentdeckt die Halle. Kurz blickte ich mich nach allen Seiten um und stürmte anschließend auf den Eingang zu.

Als ich erleichtert durch das Eingangsportal schritt, wehte mir der Wind durch mein hellbraunes Haar.
 

Mit einem leichten Grinsen im Gesicht stieg ich den Hügel hinab. Ohne zu wissen, dass sich ab diesem Tag mein Leben völlig verändern würde...
 


 

~Prolog - Ende~
 

Hundesabber und Schicksalsschläge

Fröhlich pfeifend und die Hände hinter dem Rücken verschränkt folgte ich der Straße, die den Hügel hinab zum Markplatz führte.

Jedes Mal, wenn ich an Bewohnern dieser Stadt vorbei kam, blieben sie stehen und begrüßten mich freundlich, da sie an meiner noblen Kleidung erkannten, dass ich aus der höheren Klasse stammte. Dieser Umstand gefiel mir sehr gut, obwohl es selbstverständlich war, jemanden, der höher gestellt war, zu grüßen.

Es war Herbst und überall flogen Blätter in den verschiedensten Braun- und Rottönen umher. Ich liebte diese Jahreszeit. Obwohl es wieder kälter wurde und das Jahr sich dem Winter zuneigte, war es gerade diese Jahreszeit, die für mich so viel Leben ausstrahlte.

Die Blätter färbten sich in den verschiedensten Rot- und Gelbtönen, außerdem war es amüsant, mit anzusehen, wie sich die Menschen abmühten und Vorbereitungen vor der kommenden Kälte trafen.

Ich brauchte mir vor dem bevorstehenden Winter keine Sorgen zu machen, da wir ja alles hatten. Und falls wir doch was brauchten, mussten wir es nur kaufen. Zwar sind die Lebensmittel im Winter teurer, aber das Geld hatten wir ja dazu.

Diese Sorglosigkeit gegenüber der bevorstehenden Kälte war einer der Gründe, weshalb ich den Herbst lieber mochte als so manch anderer.

Während ich diesen Gedanken nachging, betrachtete ich weiterhin die Häuser und die Menschen, die sich vor ihnen aufhielten.

Nicht weit entfernt sah ich eine Gruppe Kinder, die kreischend miteinander spielten. Angewidert rümpfte ich die Nase. Wie konnte man nur so kindisch sein? In ihrem Alter habe ich mich schon viel erwachsener benommen als sie. Da sah man mal wieder, dass solche Kinder keine richtige Erziehung genossen.

Als ich in ihre Nähe kam, hörten sie sofort auf mit dem Rumtollen und betrachteten mich. Ich konnte nicht herauslesen, ob es Freude oder Abscheu war, der ihre Blicke kennzeichnete, doch ich ließ mich davon nicht beirren, sondern setzte meinen Weg einfach fort.

Hoch erhobenen Hauptes schritt ich an ihnen vorbei und ließ sie einfach links liegen. Ich wollte nichts von ihren kleinen Spielchen wissen. Es waren nur kleine Kinder, die noch überhaupt nichts verstanden. Mit so etwas wollte ich mich nicht abgeben.

Ein paar Minuten später, während ich an einer Frau vorbei ging, bemerkte ich zum ersten Mal, dass die kleinen Kinder nicht die Einzigen waren, die mir komische Blicke zuwarfen. Mittlerweile war ich mir auch sicher, dass es keine vor Freude strahlenden, sondern vor Abscheu triefenden Blicke waren.

Überrascht blickte in an mir herunter. War etwas Seltsames an mir? Nein, das konnte nicht sein. Ich konnte mir beim besten Willen keinen Reim daraus machen, weshalb mich alle so komisch anstarrten. Sie mussten wohl alle an Geschmacksverirrung leiden.

Nach dieser Kenntnis setze ich entschlossen meinen Weg fort. Zwar kam ich an weiteren Stadtbewohnern vorbei, die mich schräg betrachteten, doch ich ignorierte sie erfolgreich. Sollen sie doch schauen. Das ändert sowieso nichts daran, dass ich etwas Besseres als sie war.

Plötzlich blieb ich stehen. War da gerade eben nicht ein Geräusch? Ich horchte genauer hin - und da! Ich hörte es wieder.

Es kam aus einer kleinen Gasse, die von der Straße abzweigte. Schnell blickte ich mich in allen Richtungen um.

Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass in diesem Moment keiner in der Nähe war, wandte ich mich ohne zu zögern in die Richtung und lief los. Ich wollte herausfinden, was der Ursprung dieser Geräusche war.

Diese wurden immer lauter und lauter und, als ich fast bei der Quelle angekommen war, konnte ich hören, dass es das Fauchen und Geschrei von einer Katze und das Gebelle und Geknurre von Hunden war.

Meine Schritte verlangsamten sich. >Was ist da los? <, dachte ich mir und bog schließlich um die letzte Ecke.

Vor mir lag die Antwort auf meine Frage:

Dort, auf einem kleinen Hinterhof, befand sich eine Katze, die von drei Hunden umzingelt und in eine Ecke getrieben worden war. Das arme Tier musste wohl in ihr Revier gekommen sein oder die Hunde griffen sie einfach aus Hungersnot oder purer Angriffslust an.

Diese eine Katze hatte rotbraunes Fell mit schwarzen Streifen. Sie verteidigte sich verbissen gegen ihre drei Angreifer, was sie meiner Meinung nach sehr gut bewerkstelligte.

Jedes Mal, wenn ein Hund versuchte, sie anzugreifen, wich sie diesem aus und fuhr ihm mit ihren scharfen Krallen über die Schnauze.

Doch lange konnte sie nicht mehr durchhalten. Sie hatte schon viele Kratz- und Bisswunden an ihrem Körper und man konnte ihr ansehen, wie ihre Kräfte sie schon langsam verließen.

Obwohl die Gegner ebenfalls einige Verletzungen hatten, konnte man sehen, dass sie immer mehr die Oberhand gewannen, was eigentlich klar war. Eine Katze konnte ja nicht gegen drei Hunde gleichzeitig kämpfen. Schon gar nicht, wenn diese hungrig und dadurch aggressiv waren.

Eine Weile blickte ich auf das Getümmel vor mir, doch dann zuckte ich unbekümmert mit den Schultern. Jetzt wusste ich, was dieses Geschrei war.

Der Katze zu helfen nahm ich gar nicht in Erwägung. Was geht mich denn so ein Vieh an? Soll es sich doch selbst verteidigen oder gar von den Hunden gefressen werden. Es war mir egal.

Nach diesem Entschluss drehte ich mich wieder um und wollte schon den Weg zurückgehen, als ich plötzlich lautes Geschepper unter mir vernahm. Erschrocken starrte ich nach unten und musste mit Entsetzen feststellen, dass ich gegen einen Eimer aus Blech getreten war und diesen umgeworfen hatte.

Zuerst war ich erleichtert, dass es nur ein Eimer war, doch dann vernahm ich das zornige Geknurre hinter meinem Rücken und drehte mich um. Was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Die drei Hunde hatten von ihrem Opfer abgelassen und wandten sich nun mir zu. Sie beäugten mich knurrend aus ihren blitzenden Augen.

Unfähig mich zu bewegen musste ich beobachten, wie die Köter schnell einen Halbkreis um mich bildeten. Ich war gefangen, da sich hinter mir eine Hauswand befand.

>So ein Mist! Ich hätte nicht hier her kommen sollen!<, dachte ich mir verärgert und suchte wie wahnsinnig nach einem Fluchtweg.

Doch ich konnte nichts entdecken. Stattdessen sah ich, wie die rotbraune Katze hinter der nächsten Ecke verschwand. Oder, besser gesagt, mit eingezogenem Schwanz hinter die nächste Ecke humpelte.

Na toll. Da rettete ich ihr indirekt das Leben und dann das! Das konnte doch nicht wahr sein! Aber gut, es war eben nur eine dumme kleine Katze, die nichts von so etwas wie Dankbarkeit verstand.

Während ich mich darüber ärgerte, waren die Hunde schon deutlich näher gekommen. In Angriffstellung fletschten sie die Zähne und kamen jede Sekunde weiter auf mich zu. Ihre hasserfüllten Augen schienen mich zu durchlöchern.

Ich wich einen Schritt zurück und ballte die Fäuste. Fieberhaft überlegte ich, wie ich aus diesem Dilemma wieder herauskommen konnte. Na super, da haben wir es wieder. Hätte ich mich nur nicht da eingemischt!

Es half wohl nichts. Entweder ich blieb stehen und ließ mich kampflos von den Kötern zerfleischen oder ich nahm allen Mut zusammen und versuchte, aus diesem Schlamassel wieder heraus zu kommen.

Ich brauchte gar nicht lange zu überlegen. Ganz im Gegenteil. Die Entscheidung wurde mir sogar abgenommen.

Der größte Hund, einer mit dunkelbraunem Fell und weißen Ohren, sprang plötzlich mit aufgerissenem Maul auf mich zu. Ich hatte kaum noch Zeit, auszuweichen, aber ich schaffte es irgendwie. Der Hund knallte stattdessen an die Wand und rutschte nach unten.

Doch das alles bekam ich gar nicht mehr mit. Ich hatte diese Gelegenheit ausgenutzt und war durch die Lücke, die der Hund gelassen hatte, gehuscht.

Leider führte mich mein Fluchtweg tiefer in die Gasse hinein und nicht, wie ich es erhofft hatte, hinaus.

Fluchend drehte ich mich um. Die Hunde waren mir, wie ich befürchtet hatte, gefolgt. Den dunkelbraunen mit eingeschlossen, der aber schon etwas angeschlagen dreinblickte. Kein Wunder. Ich würde genau so fertig ausschauen, wenn ich gegen die Wand springen würde.

Da fiel mein Blick auf meine Rettung. Es war ein alter Besenstiel, der gleich neben mir an der Wand lehnte. Zwar war es nicht die beste Waffe, aber in dieser Not konnte man nicht wählerisch sein.

So griff ich danach und schleuderte ihn noch in derselben Bewegung herum. Zu meiner Überraschung traf er sogar den Hund an der Schnauze, der mich vorhin angegriffen hatte.

Dieser jaulte klagend auf und lief davon. Offensichtlich hatte er für heute genug auf die Nase bekommen.

Siegessicher grinsend wandte ich mich den beiden anderen Bestien zu und wollte schon wieder mit dem Besenstiel ausholen. Doch was ich in der Hand hielt, war kein Stiel mehr. Es war ein gebrochenes Stück Holz. Der Schlag hatte ihm wohl oder übel ebenfalls nicht gut getan.

Enttäuscht und waffenlos warf ich ihn zur Seite.

Zeitgleich sah ich, wie sich einer der zwei Hunde, der völlig schwarz bis auf eine weiße Pofte war, duckte und einen Angriff vortäuschte. Ohne diese Absicht zu erahnen machte ich mich bereit, auszuweichen.

Plötzlich sprang mich etwas von der Seite an und verbiss sich in meiner Schulter.

Ich schrie auf. Der andere Hund musste sich an mich herangeschlichen und diesen Moment der Unachtsamkeit ausgenutzt haben.

Sofort griff ich nach oben und versuchte, den Hund wegzuzerren. Doch er hatte so fest zugebissen, dass es unmöglich war. Stattdessen begann er damit, seinen Körper hin und her zu schwingen, um die Wunde noch tiefer zu reißen.

Seine wütend funkelnden Augen stierten mich an und meine Tunika wurde mit Blut und Hundesabber durchtränkt.

Zornig schrie ich vor Schmerz auf, da der andere Hund währenddessen in mein Bein gebissen hatte.

Ich versuchte, auf beide Hunde einzuschlagen und wusste weder ein noch aus. Zu allem Überfluss fiel ich in einen Haufen Tonkrüge, der an einer Hauswand aufgestapelt war. Es gab einen furchtbaren Krach und die Tonkrüge fielen durcheinander. Ein paar zersplitterten durch den Aufprall am Boden. Diese Splitter stachen mir in den Rücken und in den Hinterkopf.

Sofort ließen, zu meiner großen Überraschung, beide Hunde von mir los und umkreisten mich wütend, wobei sie gelegentlich ein Knurren ausstießen. Auch sie hatte der Fall wohl etwas mitgenommen.

Ich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, schaffte es aber nicht. Mein Kopf fühlte sich schrecklich an und Blut klebte mir in den Augen. Überall lagen Tonscherben und stachen mir noch weiter in die Haut.

Noch einmal probierte ich es und endlich gelang es mir auch. Unsicher kam ich wieder auf die Beine. Blut tropfte von den zahlreichen Wunden an meinem Körper, doch in mir war ein neuer Lebenswille entfacht. Ich werde diese Köter nicht gewinnen lassen! Nicht so!

Zornig blickte ich in die zähnefletschenden Gesichter. Blut, mein Blut, lief ihnen über die Schnauzen und tropfte auf den Boden.

Einer bellte mich sogar an. Es war der kleinste unter ihnen. Er hatte ebenfalls schwarzes Fell, doch besaß dieser keine weiße Pfote.

Ich konnte schon sehen, wie sich ihre Muskeln zum erneuten Angriff spannten. Hämisch grinsend machte auch ich es ihnen nach. Zwar durchzuckte mich ein Schmerz, aber durch meine Wut und angesichts dieser Situation achtete ich nicht weiter drauf und hielt meinen Blick weiterhin auf die Hunde gerichtet.

Nach einer halben Ewigkeit, so schien es mir, sprangen sie nun endlich auf mich zu. Doch ich war darauf gefasst und warf mich zur Seite. Als ich wieder auf den Füßen stand, hatten wir unsere Plätze getauscht. Jetzt waren sie in die Enge getrieben und ich nicht.

Ohne groß zu überlegen griff ich nach den umliegenden Tonkrügen und begann, meine Angreifer damit zu bewerfen.

Zwar trafen einige nicht, aber wenigstens würde der Lärm, wenn sie zerbrachen, die Hunde weiter verwirren.

Erfreut stellte ich fest, dass mein Plan aufging. Die Hunde heulten verwirrt auf und der mit der weißen Pfote wandte sich sogar ab und folgte dem Beispiel des ersten Hundes.

Der Letzte war doch noch etwas hartnäckiger, als ich gedacht hatte. Bald fing er an, meinen Geschossen auszuweichen. Ich hörte sofort auf und senkte die Arme.

Schon langsam bemerkte ich, wie mich die Kraft verließ. Wieso war auch er nicht verschwunden wie die anderen?

Erschöpft blickte ich in die Augen des schwarzen Tieres, das ebenfalls müde zu sein schien, und bemerkte fast nicht, wie es erneut zum Sprung ansetzte.

Noch während der Hund auf mich zuflog, zogen sich meine Muskeln reflexartig zusammen und ich schlug mit dem Krug in meiner Hand auf dessen Kopf ein. Das Gefäß zersplitterte in meiner Hand, doch es erfüllte seinen Zweck.

Die Töle flog vor meinen Füßen zu Boden, rappelte sich winselnd wieder auf und rannte nun auch davon, nicht, ohne noch einmal stehen zu bleiben und mir einen finsteren Blick zuzuwerfen.

Erleichtert senkte ich die Arme und blickte auf die Stelle, an der der Hund verschwunden war. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich sie tatsächlich in die Flucht geschlagen hatte. Ich konnte es nicht fassen, obwohl auch ich einiges hatte einstecken müssen.

Vorsichtig fasste ich mir an die Schulter und musste feststellen, dass die Zähne tief in das Fleisch eingedrungen waren. Auch die Schnitte, die mir die Scherben verursacht hatten, waren nicht gerade wenig. Nun kamen auch die Schmerzen wieder zurück, die ich vorhin vergessen hatte.

„Verflixt! Diese Mistviecher!“, ärgerte ich mich. Doch in meinem tiefsten Inneren hatte es mir Spaß gemacht, diese Hunde zu vermöbeln, da ich Tiere überhaupt nicht ausstehen konnte.

Ich wischte mir das Blut aus dem Gesicht und ging aus dem Hinterhof zurück auf die Straße. Ich musste etwas finden, um mich wieder sauber zu machen.

Währenddessen bemerkte ich nicht, wie ein kleines, rotbraunes Gesicht um die Ecke lugte und mich mit seinen klugen Augen verfolgte.
 

Als ich wieder zur Straße gelangte, blieb ich noch kurz im Eingang der Gasse stehen und schaute mich nach allen Richtungen um, ob jemand in der Nähe war. Schließlich sollte mich niemand in meinem jetzigen Zustand sehen. So, wie ich aussah, mit zerknitterter und blutverschmierter Kleidung und zerzaustem Haar, würde man mich, einen reichen Kaufmannssohn, sicherlich auslachen und verspotten. Darauf hatte ich beim besten Willen keine Lust.

Zu meinem großen Glück waren all die Menschen, die vorhin auf den Straßen so geschäftig umhergegangen waren, nicht mehr zu sehen. Sie waren wohl alle in ihren Häusern verschwunden. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass es bald Mittag wurde.

Doch was sollte ich jetzt machen? Ich wollte ja zum Marktplatz, doch so konnte ich ganz bestimmt nicht dort auftreten. Und nach Hause wollte ich auch noch nicht.

Plötzlich bemerkte ich einen Brunnen, der auf einem kleinen Platz, in den die Straße mündete, stand.

Sofort machte ich mich auf den Weg dort hin, wobei ich akribisch genau darauf achtete, dass ich nicht durch die umliegenden Fenster gesehen wurde.

Beim Brunnen angekommen, drehte ich unbeholfen am Rad und nach ein paar Minuten größerer Anstrengungen war auch schon der Eimer oben. Innerlich war ich froh, dass ich daheim solche Arbeiten nicht machen musste. Doch meine Freude verging rasch wieder, als ich am Wasser roch. Es stank und hatte einen modrigen Geruch.

Ich rümpfte die Nase. Sollte ich mich damit wirklich waschen? Der Gestank war ja kaum auszuhalten.

Ich seufzte schwer und ließ meinen Blick über die Häuser wandern.

Als ich entlang der Straße, von der ich gekommen war, nach oben blickte, konnte ich das Dach unseres Anwesens ausmachen. Dieser Anblick weckte in mir einen Entschluss und ich streifte mir so weit wie möglich die Tunika von der verletzten Schulter ab.

Dann tauchte ich meine Hand in das brackige Wasser und wusch damit meine Wunde aus. Zischend sog ich die Luft ein. Es brannte höllisch. Doch ich ließ mich davon nicht beirren und machte weiter.

Als die Wunde einigermaßen sauber war, begann ich damit, den Stoff meiner königsblauen Tunika vom Blut zu reinigen. Danach streifte ich sie mir wieder über und machte dasselbe mit meinem Bein.

Nach ein paar Minuten war ich fertig und sah schon nicht mehr ganz so wüst aus wie vorher. „Das müsste reichen“, dachte ich mir und wandte mich schließlich vom Brunnen ab.

Ich verließ den Platz auf der anderen Seite und folgte wieder der Straße, die zum Marktplatz führte. Weit weg konnte er nicht mehr sein. Ich konnte schon die Stimmen der Menschen und das Geschrei der Tiere hören.

Ich bog um eine Ecke und befand mich schließlich am Markplatz. Es herrschte größerer Tumult, als ich mir gedacht hatte, und ich musste erst einmal schlucken. Sollte ich da wirklich durchgehen?

Überall befanden sich Menschen. Die Erwachsenen kauften Sachen ein und liefen von einem Stand zum anderen, während ihre Kinder vorbei rannten und miteinander Fangen oder andere sinnlose Spielchen spielten. Überwiegend kamen sie alle aus einfachen, armen Familien, die im untersten Ring der Stadt lebten.

Unentschlossen blieb ich weiterhin dort stehen und ließ meinen Blick über die Stände gleiten. An einigen wurde Gemüse oder Obst angeboten und an ein paar wenigen wurden sogar teure Stoffe oder gar Tiere verkauft. Alle Händler schrieen laut umher und priesen ihre Waren an. Darunter kam noch das Geschrei der angebotenen Tiere.

Im Großen und Ganzen, in meinen Augen ein schrecklicher Ort. Innerlich bereute ich es, hier her gekommen zu sein und ich wollte mich schon umdrehen und den Weg zurücklaufen, ohne auch nur einmal durchgegangen zu sein. Doch plötzlich hörte ich Musik, die vom anderen Ende des Platzes, wo der große Brunnen stand, zu kommen schien.

Neugierig geworden wagte ich es doch, in die Menge zu gehen. Ich wollte unbedingt wissen, woher diese Musik kam.

Vorsichtig ging ich an den Ständen vorbei und überquerte den Platz. Als ich der Musik näher kam, bemerkte ich, dass sich an dem Ort, wo ich sie vermutete, eine große Menge gebildet hatte.

Bei dieser angekommen versuchte ich, darüber hinweg zu spähen, doch ich konnte nichts erkennen. So atmete ich einmal tief ein und ging in die Menschenmenge.

Keuchend quetschte ich mich zwischen den Leuten hindurch und schob ihre Körper weg. Nicht jeder ließ das einfach so gewähren und schickte mir einen unfreundlichen Spruch hinterher oder stieß mich gar zur Seite.

Wütend schnaubte ich. Wenn sie nur wüssten, wessen Sohn ich war, dann würden sie nicht so mit mir umgehen, da war ich mir sicher. Doch ich konnte es mir nicht leisten aufzufallen, da mein Vater auf keinen Fall von meinem Alleingang in die Stadt erfahren durfte.

Am Ende meiner Kräfte und völlig aus der Puste erreichte ich die vorderste Reihe und hatte somit einen wunderbaren Blick auf das Schauspiel, um das sich alle drängten.

Die gesamte Menge bildete einen großen Kreis und in dessen Mitte befanden sich sechs Personen, die bunte Kostüme trugen.

Drei von ihnen spielten auf Instrumenten, die mir völlig unbekannt waren. Das musste die Musik gewesen sein, die ich gehört hatte.

Zwei andere standen im Mittelpunkt und tanzten und sangen zu der Musik, während der Letzte Kunststücke aufführte.

Einige Zeit stand ich wie gebannt da und beobachtete das Schauspiel, das sich mir bot. Plötzlich kam es mir in den Sinn. Es mussten Gaukler und Barden sein. Solche Menschen gab es in Lyrius oft, aber nur wenige verstanden ihr Handwerk so gut, um eine so große Menge an Menschen dafür zu begeistern.

Gaukler und Barden zogen im ganzen Land umher und traten bei örtlichen Festen oder auf Marktplätzen auf. Sie blieben nicht länger als ein paar Tage an einem Ort und zogen dann in das nächste Dorf.

Zwar waren sie manchmal nicht gern gesehene Gäste, da man ihnen verschiedene unangenehme Dinge nachsagte, doch einige sahen sich ihre Schauspiele sehr gerne an und ließen sich von ihnen unterhalten. Das war kein Wunder in der heutigen Zeit, in der Hungersnot und Angst zum täglichen Leben dazu gehörten.

Ich hatte noch nie einer Gauklergruppe zugesehen. Deshalb blieb ich auch und sah mir an, was sie alles zu bieten hatten.

Das Lied und die Musik hatte ich noch nie zuvor gehört, doch es klang ziemlich gut. Auch derjenige, der die Kunststücke aufführte, hatte nicht Weniges zu bieten. Er schlug Saltos und Räder und versuchte mit lustigen Gesten und Masken die Menge aufzuheitern.

Einige Zeit ging das so weiter, bis die zwei tanzenden Personen aufhörten und zu ihren musikspielenden Kameraden gingen. Währenddessen holte der andere Gaukler vier Fackeln und zündete sie an.

Ein Raunen ging durch die Menge, als er begann, sie in die Luft zu werfen und mit ihnen zu jonglieren.

Gebannt schaute ich ihm zu. Selbst die Menschen um mich herum blickten gebannt auf das Spektakel. Dass ein Mensch so mit Feuer umging, hatte ich noch nie gesehen. So etwas musste doch lebensgefährlich sein! Doch davon ließ sich der Gaukler nicht beirren und machte munter weiter, während die Musik zu seinen Bewegungen spielte.

Als die Vorstellung schließlich beendet war, brach die Menge in großem Applaus aus und viele warfen ein paar Münzen in eine Schale, mit der einer der Barden herumging.

Ich applaudierte nicht. Solches Bauerngesindel hatte es nicht verdient, von einem aus dem höheren Bürgertum Beifall zu bekommen, egal, wie gut die Vorstellung auch war.

Als sich die Menschen wieder zerstreuten, drehte ich mich um und ging den Weg zurück, den ich gekommen war. Ich hatte genug gesehen. Außerdem bemerkte ich, dass es schon dunkel wurde. Überrascht ging ich etwas schneller, damit ich vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause ankam.

Dass der Ausflug so lange dauern würde, hätte ich nicht gedacht. Mein Vater hatte meine Abwesenheit sicherlich schon bemerkt. Bei diesem Gedanken krampfte sich mein Magen zusammen. So wie ich ihn kannte, wird er mich bestimmt anschreien und mir einige Strafen erteilen.

Eine kleine Hoffnung blieb dennoch: Vielleicht hatte er ja doch nichts bemerkt. Vielleicht hatte er so viel zu tun, dass er nicht die Zeit gefunden hatte, um nach mir zu sehen. Schließlich war ja heute mein freier Tag.

Doch diese Hoffnung war verschwindend gering. Wenn nicht mein Vater meine Abwesenheit bemerkt hatte, dann unsere Diener. Und die würden es ihm bestimmt erzählen.

Egal, wie sehr ich es durchdachte, es blieb wohl keine Möglichkeit, dass er doch nicht davon Wind bekommen hatte.

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen erreichte ich die Straße und begann meinen Aufstieg.

Schatten senkten sich über die Stadt und Menschen eilten an mir vorbei. Die Lichter brannten schon in den Häusern und erhellten die Straße ein wenig, doch es konnte schon jetzt die dunklen Schatten in den abzweigenden Gassen nicht vertreiben.

Es wurde auch kälter und ich begann zu frieren. Zitternd umschlang ich meine Arme und wurde schneller. Ich wollte jetzt so schnell wie möglich nach Hause.

Je größer die Dunkelheit um mich herum wurde, desto größer wurde auch das mulmige Gefühl in meinem Magen und ich bemerkte, dass es nicht nur von der bevorstehenden Strafe verursacht wurde. Irgendetwas an dieser Straße machte mir Angst und ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Kam es mir nur so vor, oder war der Weg zurück viel länger als der Weg von heute morgen? Hatte ich mich gar verlaufen? Das könnte gut möglich sein, da ich ja noch nicht so oft in dieser Gegend gewesen war.

Plötzlich sprangen aus einer dunklen Gasse drei finstere Gestalten. Ich konnte nicht viel erkennen. Nur das Aufblitzen eines Dolches in der Hand von einer dieser Gestalten.

Erschrocken und voller Angst wich ich ein paar Schritte zurück. „Was wollt ihr von mir?“

Die drei Personen lachten finster. „Na, was wohl? Dein Geld!“, sagte eine Stimme, die nach einem Mann klang und lachte nochmals hämisch. Offensichtlich hatte er Spaß an der Sache.

Panisch blickte ich mich um. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Kaum wurde es dunkel, wurde man schon von miesen Dieben überfallen. Es war klar, dass sie genau an dieser Stelle gewartet hatten. Schließlich begann bald das Wohnviertel des reichen Bürgertums und die Straße war zudem nicht sonderlich belebt und überwacht. Wie konnte ich nur so unaufmerksam sein?

Vorsichtig machte ich noch ein paar Schritte rückwärts. „Geld? Ich hab keines! Da seid ihr bei mir an der falschen Adresse! Und bleibt ja weg von mir!“

„Lüg doch nicht so! Ihr reichen Typen habt immer irgendwo ein paar Münzen in der Tasche. Komm, rück sie raus oder wir müssen zu anderen Mitteln greifen!“

Als ich noch einen Schritt machte, stieß ich gegen eine Hauswand. Innerlich fluchend suchte ich nach einem Fluchtweg, doch ich fand keinen. Ich hätte doch zu Hause bleiben sollen. Doch es war leider zu spät, sich darüber zu ärgern.

Es war schon verwunderlich, dass sie erkannten, dass ich aus dem reichen Bürgertum stammte. Schließlich sah ich in meiner zerrissenen Tunika und mit dem Blut an Haut und Haar nicht gerade gepflegt aus.

Zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich mir, es würde keiner erkennen, dass ich zu den reicheren Familien gehörte.

Immer noch konnte ich nichts erkennen. Ich nahm nur ihre Gerüche wahr. Sie stanken nach Mist, Alkohol und nach noch etwas, das ich nicht identifizieren konnte, da er zu schwach war.

Die drei Diebe kamen immer näher. „Wie ich sehe, bringt das nichts und wir müssen noch etwas deutlicher werden“, sagte wieder die erste Person, offensichtlich ihr Anführer. Er nickte einem seiner Kameraden zu, woraufhin dieser auf mich zutrat und mir seine Faust ins Gesicht schlug.

Ich schrie auf und versuchte, zurückzuschlagen. So etwas ließ ich jetzt nun doch nicht auf mir sitzen! Aber der Angreifer wich mir mühelos aus und verpasste mir gleich noch eine. Ich probierte es noch einmal, doch auch dieses Mal traf ich ihn nicht. Blut rann mir übers Kinn, aber ich wischte es nicht weg. Ich war zu sehr mit den Dieben und meiner Angst beschäftigt.

Jetzt trat sogar der zweite Anhänger vor und schlug mich ebenfalls. Dieses Mal in die Bauchregion.

Mich vor Schmerz krümmend sackte ich zusammen und hielt meinen Kopf zwischen den Händen. Alles tat weh und Tränen rannen mir über das Gesicht. Wieso mir? Wieso passierte das ausgerechnet mir? Wieso kann das nicht jemand anderem passieren?

Nun traten sie mich. Jeder Tritt brachte neue Schmerzen, neue Höllenqualen. Schon lange konnte ich nicht mehr schreien. Es würde ja eh niemand hören und kommen, um mich zu retten.

Und da! Eine gewisse Schwärze breitete sich vor meinem Auge aus und die Schmerzen ließen etwas nach. Sie breitete sich noch mehr aus und ich hieß sie willkommen, da sie meine Schmerzen weiter linderte. Schließlich ließ ich mich gänzlich in die Dunkelheit fallen...

Ich bemerkte nicht mehr, wie die Diebe meinen Körper und meine Taschen durchsuchten, wie sie schließlich von mir abließen, als sie nichts fanden, und sich entfernten, während ich alleine auf der dunklen Straße zurück blieb.
 

Als das Spektakel vorbei war, traten zwei in Mäntel gehüllte Gestalten aus der Dunkelheit und blieben vor dem Jungen stehen.

„Ist das der Junge?“, fragte die eine Person, offensichtlich ein Mann.

„Ja, das ist er.“ Die bedrückte Stimme, die ihm antwortete, klang nach einer Frau.

„Hmm. Also ich habe mir darunter etwas anderes vorgestellt. Ich kann es irgendwie nicht glauben, dass es ausgerechnet dieser Junge sein sollte. Aber nun ja, daran kann man wohl nichts ändern. Scheint, dass wir etwas dagegen unternehmen müssen.“

Mit diesen Worten beugte sich der Mann nach unten und hob Sam auf.

Beide Gestalten wandten sich um und trugen ihn davon.
 


 

~Hundesabber und Schicksalsschläge - Ende~
 

Was wird Sam wohl passieren?

Lebt er überhaupt noch?

Und was wollen diese beiden Gestalten von ihm?

Samtpfoten und Kopfschmerzen

Dunkelheit. Nichts als endlose Dunkelheit um mich herum. Kein einziger Lichtpunkt war vorhanden. Nur diese Dunkelheit, die sich bis ins Unermessliche zu erstrecken schien.

Und ich? Nun ja, ich konnte es schlecht sagen, was mit mir war. Schließlich hatte man in solch einer Umgebung keinen Orientierungssinn. Ob ich stand, lag, fiel oder schwebte, vermochte ich nicht festzustellen. Tatsache war, dass ich mich mitten in dieser Dunkelheit befand.

Ich wusste nicht, was ich hier machte und, wie ich hier hingekommen war. Doch vor allem quälte mich die Frage, wie ich wieder heraus kam. Aber so sehr ich auch überlegte, mir fielen keine Antworten ein. Es war aussichtslos.

Voller Verzweiflung warf ich, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt, meinen Kopf hin und her und rief um Hilfe, doch es kam nichts zurück. Meine Stimme verhallte nicht einmal. Es war so, als würde sie von der Dunkelheit einfach verschluckt. Ich war allein.

Bis in alle Ewigkeit hier verzweifeln. Das war eine absurde Vorstellung, doch mir blieb wohl nichts anderes übrig.

Daraufhin versuchte ich, mich zu bewegen, doch mir wurde schnell klar, dass ich damit keinen Erfolg hatte, denn ich konnte, bis auf den Kopf, keines meiner Körperteile rühren. Nicht, weil ich zu blöd dafür war, (was denkt ihr von mir!). Ich war gelähmt. So sehr ich es auch wollte, ich schaffte es noch nicht einmal, einen Finger zu bewegen.

Plötzlich und ohne Vorwarnung durchzuckte ein gleißender und mächtiger Blitz die Dunkelheit. Als der Blitz anschließend verschwand, breitete sich mit rascher Geschwindigkeit dunkelgrünes Licht aus und hüllte mich ein, liebkoste mich mit seinem matten Leuchten. Schon wollte ich mich über diese Veränderung freuen, doch mein Glück fand schnell ein abruptes Ende, denn plötzlich breitete sich in meinem Kopf ein unheimlich großer Schmerz aus. Ich schrie auf und legte instinktiv, ohne zu bemerkten, dass ich mich nun wieder bewegen konnte, meine Hände über den Kopf.

Doch es half nichts. Der Schmerz wurde sogar noch schlimmer, denn er breitete sich rasch in meinem gesamten Körper aus. Sich krümmend und schreiend versuchte ich gegen diese Höllenqualen anzukämpfen. Sie wurden immer größer, bis sie mich zu betäuben schienen.

Schließlich war der Punkt erreicht, an dem ich mich nicht mehr wehren konnte und wollte. Ich hatte schon zu vieles durchgemacht. Erschöpft ließ ich meine Arme hängen. Tränen der Verzweiflung rannen mir über die Wangen. Das einzige, das ich noch wollte, war zu sterben, denn im Tod würde ich nicht mehr solche Schmerzen spüren, da war ich mir sicher. Doch so sehr ich es mir auch wünschte, es geschah nicht.

Nach Stunden, so schien es mir, ließ der Schmerz endlich nach. Ich merkte es kaum, denn ich war in einen Dämmerzustand geraten. Auch sah ich nicht, wie nochmals ein Blitz zuckte. Während das dunkelgrüne Licht verschwand, fiel ich endlich in die erlösende Bewusstlosigkeit.
 

Das erste, das ich wieder wahrnahm, war das Geräusch von klappernden Pferdehufen. So einen Laut hätte ich in diesem Moment am wenigstens erwartet. Verwirrt horchte ich noch mehr hin und schon bald waren da andere Geräusche.

Da waren zum einen das Geratter von Wagenrädern und zum anderen das Knallen von Peitschen, die durch die Luft geschleudert wurden. Dies und die Tatsache, dass sich das Etwas, auf dem ich lag, immer wieder hob und senkte, brachte mich auf die Idee, dass ich mich wohl in einem von Pferden gezogenen Wagen, wohlmöglich eine Kutsche, befand.

Während ich mich fragte, was ich eigentlich hier machte, hörte ich ein anderes Geräusch. Dumpf klangen Stimmen von Menschen zu mir. Ich spitzte die Ohren und konnte verstehen, was sie sprachen. Doch ich gab es bald darauf wieder auf, denn sie redeten leider in einer mir unbekannten Sprache.

Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass es keine anderen Geräusche mehr gab, versuchte ich, meine Augen zu öffnen. Doch die Lider waren so schwer, als hätte ich sie tagelang zu gehabt. Zudem bekam ich durch die Anstrengung nervige Kopfschmerzen. Komisch, das war doch sonst nicht so gewesen.

Schließlich gelang es mir dann doch und ich konnte mich nun endlich umsehen.

Vorsichtig ließ ich meinen Blick umherschweifen. Während ich dies tat, machte sich zunehmend Verwunderung in mir breit.

Diese Verwunderung hatte zwei Ursprünge.

Erstens entsprach das, was ich sah, überhaupt nicht meiner Vorstellung, wie ein verletzter und vornehmer Kaufmannssohn, wie ich es war, chauffiert werden sollte.

Ich hatte eine noble Einrichtung und ein Bett, auf dem ich lag, erwartet, doch die Realität sah ganz anders aus. Ich erblickte nur kahle Holzwände, die an einer Seite von Eisenstangen durchzogen waren, es gab auch keine noble Einrichtung. Das Bett war ebenfalls nicht vorhanden, sondern ich lag wirklich auf dem strohbedeckten Boden.

Der zweite Ursprung tauchte erst ein paar Minuten nach dieser fürchterlichen Entdeckung auf. Nachdem sich mein Schock einigermaßen gelegt hatte, begann ich, meine Umgebung noch genauer zu betrachten. Komischerweise war alles in trübes Licht getaucht. Auch die Farben schienen blasser, fast grau, zu sein.

Verwirrt hob ich die Hand und rieb mir beide Augen, öffnete sie noch einmal und erblickte wieder nur trübe Farben.

»Hm, das muss wohl von den Kopfschmerzen kommen. Mein Gehirn scheint ganz schön angeschlagen zu sein«, dachte ich mir. Bestimmt würde alles bald wieder besser werden. Erneut drängte sich mir die Frage auf, wozu ich eigentlich hier war. Müsste ich nicht eigentlich zu Hause sein?

Plötzlich kamen die Erinnerungen an den Überfall und die anschließende Dunkelheit zurück. Stöhnend wälzte ich mich auf eine Seite, als mir einfiel, welch große Schmerzen ich dort hatte. War das ein Traum gewesen?

Nein, dafür hatte sich sowohl der Überfall als auch die schmerzvolle Dunkelheit viel zu real angefühlt. Besonders der Hinterhalt durch die drei Banditen war eindeutig passiert. Sonst würde ich bestimmt nicht in solch einem Schlamassel sitzen und diese ganzen Schmerzen haben.

Auf einmal blieb der Wagen, in dem ich mich befand, stehen. Schritte näherten sich der Tür, die sich mir gegenüber in der Holzwand befand. Es mussten zwei oder drei Menschen sein. Instinktiv drehte ich mich schnell auf den Rücken und stellte mich schlafend. Wer weiß, was sie mit mir vorhatten. Da musste man vorsichtig sein. Und was gibt es in einer solchen Situation nichts besseres, als so zu tun, als wäre man noch nicht wach?

Die Tür ging auf, die Menschen traten ein und schlossen sie hinter sich. Sofort machte sich der Gestank nach Rauch, Schweiß und Pferdemist breit. Ich musste aufpassen, nicht laut zu würgen.

Lange Zeit blieb es still. Schließlich trat einer an mich heran und beugte sich zu mir herunter. Nun konnte ich auch noch seinen ekligen Mundgeruch riechen.

Ich spürte, wie mich die Person lange und sehr eingehend betrachtete, doch sie fasste mich zu meiner großen Erleichterung nicht an. Wer so stank wie er, von dem möchte ich nicht berührt werden.

Nach einer kleinen Ewigkeit stand der Stinkende wieder auf, sprach mit seinem einzigen Gefährten (sieh an, ich hatte Recht, dass es nur zwei waren!) ein paar mir unverständliche Worte und verschwand wieder mit ihm aus der Tür.

Noch bevor sie die Tür erreicht hatten, drehte ich den Kopf, öffnete rasch die Augen und erhaschte einen kurzen Blick auf die beiden.

Ich konnte zwar nur ihre Rücken betrachten, doch das reichte mir. Sie trugen bunte, wirr zusammen gewürfelte Kleidung. Genau so, wie ich es an den Spielleuten, die in meiner Heimatstadt gewesen waren, gesehen hatte.

Gerade rechtzeitig, als sie die Tür passierten und sie wieder hinter sich schlossen, drehte ich den Kopf zurück.

War ich etwa in eine Gruppe von solchen Spielleuten geraten? Versorgten sie mich nur oder hielten sie mich gar gefangen?

Als ich mir sicher war, dass die beiden nicht mehr in der Nähe des Wagens waren und auch sonst kein verräterisches Geräusch von außen zu mir vordrang, setzte ich mich etwas mühsam und mit Schmerzen in all meinen Gliedern auf.

Von dort konnte ich meine Umgebung genauer betrachten. Es war ein kahler und kleiner Raum. Das einzige, das sich außer mir noch darin befand, waren eine Schüssel mit Wasser und eine alte und zerlumpte Decke, die neben mir lag.

Wie ich vorhin schon angesprochen hatte, waren vor einer Wand Eisenstäbe angebracht, die von der Decke bis zum Boden reichten. Sonst gab es nichts Besonderes.

Stöhnend stand ich auf und ging zur Tür. Bei jedem Schritt schmerzten meine Beine, nein, alles an meinem Körper. Ich hatte mich wohl noch nicht ganz erholt.

An meinem Ziel angekommen umfasste ich den Türgriff und rüttelte ein-, zweimal daran, doch sie öffnete sich nicht. Tja, nun war ja eine Frage geklärt: Sie hielten mich gefangen.

Zähneknirschend wandte ich mich ab und schlurfte zurück, griff nach der Schale und trank ohne darüber nachzudenken das Wasser, spuckte es aber wieder aus. Es war das brackigste Wasser, das ich je gekostet hatte.

In meinem Kopf überschlugen sich trotz höllischer Kopfschmerzen die Gedanken. Ich musste unbedingt hier raus und nach Hause. Mein Vater machte sich bestimmt schon große Sorgen um mich. Oder er war stinksauer, das konnte auch sein. Schließlich hatte ich ohne ein klares Zugeständnis von ihm die Villa verlassen.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich beschloss, mich wieder hinzulegen. Trotz plötzlicher Kälte nahm ich die Decke nicht zur Hand. So was Törichtes würde mir im Traum nicht einfallen. Ich würde mir bestimmt Läuse oder irgendwelche Krankheiten holen, wenn ich mich mit so etwas dreckigem zudecken würde.

Kaum hatte ich mich eingerollt und die Arme um mich geschlungen, fiel ich auch schon in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
 

Nicht weit vom Wagen entfernt, in dem Sam schlief, blitzten in der Dunkelheit zwei überaus kluge Augen auf. Diese Augen gehörten einer rotbraunen Katze, die sich geschmeidig durchs Unterholz des nahen Waldes schlängelte. Als sie einen geeigneten Platz gefunden hatte, setzte sie sich anmutig und blickte auf das Spektakel, das sich ihr in dieser Nacht bot.

Auf einer kleinen Lichtung hatte eine relativ große Gruppe von Spielleuten Rast gemacht. Die Pferde waren von den acht Wagen abgezäunt worden und grasten, an Bäume angebunden, in der Nähe. Überall liefen bunt gekleidete Menschen umher und gingen irgendwelchen Beschäftigungen nach.

Die Rotbraune schaute allem einige Minuten zu, doch dann wandte sie ihren Blick ab und konzentrierte sich auf eine Stelle. Dort stand, etwas abseits, ein einzelnes vierrädriges Gefährt.

Sie wusste, weshalb es weiter entfernt stand. Auch wusste sie, wer sich darin befand und den Menschen solche Angst einjagte.

Gähnend stand die Katze wieder auf, streckte sich und lief schnurstracks auf den Wagen zu. Natürlich achtete sie darauf, dass sie niemand entdeckte. Diese Sorge war zwar völlig unbegründet, da niemand etwas komisch daran finden würde, wenn eine Katze durch den Wald strich, doch sie wollte auf Nummer sicher gehen.

An ihrem Ziel angekommen, stieg sie die paar Treppen zur Tür hinauf, setzte sich und blickte mit großen Augen zum Türgriff empor. Doch sie blieb nicht lange und erhob sich wieder.

Nachdem sie sich kurz über die Flanke geleckt hatte, huschte sie die Treppe wieder nach unten und lief zum größten der auf der Lichtung stehenden Wagen.

Zu ihrer großen Freude war dieses Mal die Tür geöffnet und sie verschwand darin. Wenig später kam die Vierbeinige wieder heraus, hatte aber einen Schlüssel im Maul.

Leichtfüßig, man konnte ihr die Freude über ihren Fund regelrecht ansehen, ging sie wieder zum vorherigen Wagen zurück.
 

Plötzlich wurde ich wieder wach und schreckte hoch. Doch dies bereute ich kurz darauf, denn meine Kopfschmerzen waren immer noch nicht versiegt und wurden durch die zu schnelle Bewegung viel schlimmer.

Stöhnend legte ich mir die Hand auf die Stirn, hielt aber mitten in der Bewegung inne.

Aufmerksam blickte ich mich um. Nun wusste ich, dass mich ein neues und fremdartiges Geräusch geweckt hatte.

Verwirrte Momente vergingen, in denen mein Blick durch das noch immer blassfarbene Zimmer wanderte, doch dann bemerkte ich, dass der Ursprung von der Tür zu kommen schien. Irgendetwas kratzte daran.

Neugierig geworden blickte ich auf den Spalt zwischen Tür und Boden, blieb aber sitzen, sodass ich mich schnell wieder hinlegen konnte, sobald jemand hereinkam.

Einige Sekunden später kam ein Schlüssel zum Vorschein und blieb vor mir auf dem Boden liegen.

„Hä?“, entglitt es mir. Das war jetzt doch etwas seltsam. Wieso lag da plötzlich ein Schlüssel? Ich stand auf und schlich vorsichtig zur Tür.

Ohne groß zu überlegen, packte ich den Eisenschlüssel, steckte ihn hastig ins Schlüsselloch, drehte ihn herum, riss die Tür auf und sprang nach draußen in die Freiheit.

Wahnsinn! Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich so schnell meinem Gefängnis entkommen war. Ich wollte schon Freudensprünge machen, doch ich entschied noch in der letzten Sekunde, dass das doch keine so tolle Idee war.

Vor mir befand sich, wie ich noch vor meinem Schlaf vermutet hatte, die Gruppe von Spielleuten und Spaßmachern. Einer dieser Menschen hatte mich trotzdem (Okay, ich war nicht gerade vorsichtig gewesen.) entdeckt und schlug nun bei seinen Kollegen Alarm.

Kurz blieb ich perplex stehen, riss mich aber zusammen und lief in den Wald, als sich drei von ihnen aus der Gruppe lösten und in meine Richtung rannten.
 

Während ich floh, bemerkt ich erst jetzt, dass ich mich komischerweise nicht mehr in Tarir sondern in einem ziemlich dunklen Wald war. Ich musste zugeben, ich war noch nie zuvor in einem Wald gewesen. Genau genommen hatte ich Tarir noch nie so weit verlassen, dass ich auf einen Wald gestoßen war. Um Tarir befanden sich nämlich auf der einen Seite nur weite Grasebenen und auf der anderen das Meer, das an die Stadt grenzte. In der Ferne konnte man noch die Berge sehen, doch das war jetzt nicht wichtig.

Fakt war, dass ich nur aus Büchern wusste, wie ein Wald aussah. „Ein Ort mit vielen Bäumen und Tieren.“ So hatte es einen Wald beschrieben. Natürlich stand da auch noch etwas mehr, aber ich möchte euch jetzt nicht mit unnötigen Details langweilen. Ihr wisst ja sicherlich aus eigener Erfahrung, wie ein Wald aussieht.

Dass es aber SO viele Bäume waren, überraschte mich sehr. Sie standen an manchen Stellen so dicht, dass ich Mühe hatte, durchzukommen. Dazu kam auch noch das nervige Unterholz, das sich an meine bereits zerrissene Kleidung krallte. Somit musste ich ständig darauf aufpassen, nicht irgendwo hängen zu bleiben und mich zusätzlich durch Baumstämme quetschen.

Hätte ich das eher gewusst, dann hätte ich es mir zweimal überlegt, da durch zu gehen. Aber nun hatte ich keine andere Wahl und musste mich beeilen, denn die drei Männer holten mit ihren Fackeln rasch auf.

Das Einzige, das mir zu helfen schien, war die Tatsache, dass ich komischerweise immer noch etwas sehen konnte. Die Sterne, die ab und zu durch die Wipfel lugten, und die Fackeln der Männer sagten mir eindeutig, dass es Nacht war. Wieso konnte ich also doch was sehen?

Nun ja, es wäre wohl besser, sich jetzt darüber keine Gedanken zu machen. Ich musste hier weg. Und das so schnell wie möglich.

Allmählich kam ich mit der Beschaffenheit des Waldes zurecht. Trotz der noch immer vorhandenen Schmerzen bewegte ich mich flink unter den Ästen hindurch und lief nicht, wie zuvor, mit dem Kopf dagegen. Außerdem vermied ich den Kontakt zu dichtem Gestrüpp. Dabei half mir meine Sicht, die Hindernisse rechtzeitig zu entdecken.

Der Abstand zu mir und meinen Verfolgern wurde größer und in all meinem Eifer bemerkte ich erst viel später, dass die Spielleute aufgegeben hatten und zurückgekehrt waren. Erst als ich über die Schulter blickte, weder Fackellicht sah, noch das Geräusch von verfolgenden Schritten vernahm, blieb ich keuchend stehen.

Überglücklich und vor Erschöpfung zitternd, ließ ich mich auf die Knie fallen. Ich konnte mich gar nicht so richtig über meine Freiheit freuen, denn plötzlich übermannte mich wieder tiefe Müdigkeit; das Resultat meiner langen Flucht. Nun kam auch das dumpfe Pochen in meinem Kopf zurück. Ich merkte kaum, wie ich auf dem bemoosten Waldboden aufkam und einschlief.
 

Ein Tropfen. Noch ein Tropfen. Ich wälzte mich herum, doch es half nichts. Ein dritter Tropfen fiel in mein Gesicht. Wütend und knurrend fuhr ich hoch, wollte denjenigen anschreien, der solch eine Dreistheit besaß und mich anspritzte, doch ich blieb mitten in der Bewegung stehen. Der Anblick der Bäume holte mich mit harter Brutalität gänzlich aus dem Traum und bestätigte meine Ängste, dass die Gefangenschaft und meine Flucht in den Wald tatsächlich passiert waren.

Geknickt sackte ich zusammen und betrachtete meine Umgebung. Nun war nichts mehr in einen Grauschleier gehüllt, sondern alles leuchtete in satten und strahlenden Farben. Nach dem Stand der Sonne war es bereits Mittag. Die Luft war von Vogelgezwitscher erfüllt und eine leichte Brise entlockte den Bäumen ein sanftes Rauschen. Insekten surrten in der Luft. Aus der Ferne konnte man das ärgerliche Gezeter eines kleinen Tieres hören.

Ich holte tief Luft, blieb noch eine Weile an dem Platz sitzen und erfreute mich an den ganzen Eindrücken, die auf mich einzuprasseln schienen.

Schließlich stand ich dann doch auf und streckte mich ausgiebig. Jeder Knochen im Körper knackte und alle Muskeln taten noch immer höllisch weh. Das musste vom harten Untergrund, auf dem ich gelegen hatte, kommen. Anschließend blickte ich mich fragend um. Wohin sollte ich gehen? Ich wollte nach Tarir zurück, doch ich wusste weder, wo ich mich befand, noch, in welcher Richtung die Stadt lag. Das einzige, das ich mit Sicherheit wusste, war, dass ich den Spielleuten fern bleiben musste. Somit blieb mir wohl nichts anderes übrig, als weiter in meine Fluchtrichtung zu laufen, was ich dann auch tat.

Meine Nerven waren zum Zerreisen gespannt, während ich einen Fuß vor den anderen setzte. Aus meinem schlauen Buch wusste ich, welche Gefahren ein Wald für einen wehrlosen Menschen wie mich bereithielt.

Mit nun etwas langsamerem Tempo schritt ich unter den Baumwipfeln hindurch, ohne zu merken, dass mir jemand immer noch folgte. Früher oder später musste ich wohl aus diesem schrecklichen Wald kommen. Natürlich nahm ich auf meine Umgebung acht und passte auf, dass mich keine großen Tiere überraschten.

Einige neue Risse später in meiner königsblauen Tunika (Ich werde sie wegschmeißen, sobald ich wieder zu Hause war.) kam ich an eine kleine Lichtung. Bis jetzt war meine Reise problemlos verlaufen und ich beschloss, eine kleine Rast zu machen. Somit schritt ich in das hohe, von bunten Blumen gesprenkelte und Insekten bevölkerte Gras und suchte nach einem geeigneten Platz.

Plötzlich stieß ich an einen kleinen Bach, dessen Wasser langsam über strahlend weiße Steine glitt. Dieser Anblick erinnerte mich daran, wie lange ich nichts mehr getrunken hatte und ich stürzte mich durstig ans Ufer, beugte mich übers Wasser - und verharrte mitten in der Bewegung, die Hand schon erhoben, in das kühle Nass zu tauchen.

Durch das langsam fliesende Wasser konnte sich mein Gesicht darin spiegeln. Ich sah jedes einzelne Detail.

Doch diese Klarheit war nicht der Grund, weshalb ich wie zu Eis erstarrt und mit vor Schreck geweiteten Augen mein Spiegelbild betrachtete. Nein, es war eine ganz andere Ursache, wegen der ich am liebsten laut aufgeschrieen und fortgerannt wäre.
 


 

~Samtpfoten und Kopfschmerzen – Ende~
 

Schwarzer Stoff und verkohltes Holz

Es war ein warmer Herbstmittag. Die Sonne stand im Zenit, wärmte die Erde mit ihren gleißenden Strahlen und ließ das Wasser, das mit grausamer Unaufhaltsamkeit über das Bachbett glitt, glitzern und funkeln. Die Tiere und Insekten, die sich auf den nahen Winter vorbereiten mussten, huschten durch das hohe Gras der Lichtung und gingen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach. Eine leichte Brise glitt durch den Wald und wiegte die Grashalme hin und her, sodass ihr leises Rauschen sanft über die Wiese schallte.

Doch dies alles nahm ich in diesem Moment gar nicht wahr. Selbst meine Schmerzen waren vergessen.

Meine vor Schreck und Entsetzen geweiteten Augen blickten noch immer das Spiegelbild an und ich begann stark zu zweifeln, ob das überhaupt mein Gesicht war, das sich im Bach spiegelte. Es sah meinem wirklich ähnlich, doch es wies einige entschiedene Kontraste auf. Das, was mir sofort ins Auge sprang, war zum einen, dass die Pupillen seltsam und unmenschlich schmal waren. Außerdem hatte sich die Farbe meiner Iris stark verändert und leuchtete nun in einem satten Dunkelgrün. Und zum anderen ragten seltsame Dreiecke in der Farbe meines hellbraunen Haares aus meinem Kopf.

Mein Mund klappte vor Erstaunen auf und entblößte zwei Reihen äußerst spitzer Zähne, als ich bemerkte, dass ich diese Dreiecke bewegen konnte. Mal nach links, mal nach rechts. Dann wieder steil nach oben und schließlich flach angelegt.

Eine dunkle Vorahnung beschlich mich und ich hob die Hand, um an ihnen zu ziehen. Sie gingen nicht ab und ich zuckte angesichts des plötzlich aufkommenden Schmerzes zusammen. Somit gab euer lieber Sam bald wieder auf.

Tatsächlich. Es waren Ohren. Kein Zweifel. Aber wie konnte das nur sein?

Begierig darauf, herauszufinden, was noch alles anders war, untersuchte ich nun auch meinen restlichen Körper und entdeckte zwei weitere Veränderungen:

Die Nägel an meinen Fingern waren um einiges härter, länger und spitzer, fast als wären sie Krallen. Und dann hatte sich auch noch mein Steißbein zu einem, nun ja, Katzenschwanz verlängert.

Okay, jetzt reicht’s! Ich hatte nun genug gesehen! Angesichts all dieser erschreckenden Tatsachen stiegen mir die Tränen in die Augen. Ich stieß einen Schrei aus. Sekundenlang klang er über die Lichtung und schreckte alle Tiere auf, die sich in der Nähe befanden. Als ich nicht mehr konnte, krümmte ich mich zusammen und ließ nun endlich dem Schwall meiner Tränen freien Lauf.

Es war schrecklich. Einfach nur schrecklich. Das Schrecklichste überhaupt.

Oh entschuldigt! Ihr wisst ja noch gar nicht genau, in was für einer misslichen Lage ich mich befand! Obwohl es bestimmt schon einige von euch ahnen, rede ich jetzt einmal Klartext!

Nun, Tatsache war, dass mich jemand – oder etwas – in ein Art Mischwesen aus Mensch und Katze verwandelt hatte. Obwohl es all meinem bisherigen Wissen widersprach, war es auf jeden Fall Magie gewesen, die mir dieses komische Aussehen gegeben hatte.

Ich war mir auch ziemlich sicher, dass es kein Albtraum war. Nein, das war schlichtweg zu schrecklich, um aus meiner Fantasie zu entspringen. Es war die bittere Wahrheit.
 

Nach Stunden, so schien es mir, hatte ich mich wieder ein klein wenig beruhigt und konnte endlich klar denken. Plötzlich fielen mir wieder die kürzlichen Ereignisse und meine Flucht ein. Ich ließ alles noch mal Revue passieren und erkannte, dass nun einiges einen Sinn hatte und logisch erklärbar war.

Da war zum einen die Tatsache, dass mich diese Spielleute wie ein Tier eingesperrt und gefangen gehalten hatten. Sie mussten in mir gewiss irgendeine Art Tier oder magisches Wesen gesehen haben, das sie gut für ihre Shows verwenden konnten. „Hehe, da haben sie wohl die Rechnung ohne mich gemacht!“, murmelte ich und ließ durch ein Lächeln meine Zähne aufblitzen.

Außerdem war es nun logisch, wieso ich im Dunkel überhaupt sehen konnte. Diese Augen mussten für die Fähigkeit zuständig gewesen sein. Und dann war da noch das deutlich verbesserte Hör- und Sehvermögen.

Doch eine Frage schwirrte noch immer in meinem Kopf und blieb unbeantwortet: Wie bin ich nur zu den Spielleuten gekommen? Und wo war ich überhaupt? Was sollte ich tun? So sehr ich mir auch das Hirn vor Überlegungen zermarterte, mir fiel einfach keine plausible Erklärung ein.

Enttäusch über diese Unwissenheit setzte ich mich nun endlich wieder gerade hin. Es half alles nichts. Das einzig Richtige war wohl, einfach weiter in dieselbe Richtung zu gehen.

Da ich schon viel zu lange an diesem Ort verweilt hatte, beschloss ich, aufzubrechen. Der Schreck war überwunden und ich hatte mich endlich wieder einigermaßen gefasst.

Voller Tatendrang stemmte ich die Hände auf den Boden und ... ein schmerzerfülltes Jaulen aus meiner Kehle zerriss die Luft. Meine rechte Hand war nicht wie erwartet auf dem Boden aufgekommen, sondern ich hatte sie mit voller Wucht auf den Schwanz geknallt. „Autsch, dummes Ding!“, schimpfte ich und schlug ihn zur Seite. Das fing ja schon einmal gut an!

In dem Bewusstsein, dass sich so einiges an meinem Körper verändert hatte, stand ich nun etwas vorsichtiger auf. Dieses Mal gelang es, doch, als ich den Schwanz währenddessen nach links schwenkte, verlor ich kurz das Gleichgewicht, konnte mich aber noch im letzten Moment fangen und auf zwei Beinen aufrichten. Puh, wer hätte gedacht, dass Aufstehen so schwer sein konnte?

Danach machte ich ein paar unsichere Schritte und verließ die Lichtung. „Ach, komm schon! Vorhin hattest du auch keine Probleme beim Laufen!“, sagte ich zu mir selbst und versuchte weiterhin angestrengt, wieder normal laufen zu können. Und siehe da. Es klappte. Schon recht bald fand ich heraus, wie ich mich bewegen musste und, wie ich den Schwanz zum Ausbalancieren nutzen konnte.

Endlich setzte ich meine Reise fort, weiterhin darauf bedacht Gefahren, wie wilde Tiere, frühzeitig zu erkennen. Dabei halfen mir mein deutlich verbessertes Hör-, Seh- und Geruchsvermögen. Zwar kannte ich die meisten Gerüche nicht, doch wenigstens konnte ich durch den Rückenwind bemerkten, ob mich doch noch Spielleute verfolgten.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten kam ich schnell voran. Die Sonne ging unter und versank hinter meinem Rücken im Westen. Als die letzten rot-orangen Strahlen am Firmament leckten, beschloss ich, mir einen geeigneten Unterschlupft zu suchen, um dort die Nacht zu verbringen.

Schnell wurde ich fündig und fand eine kleine leere Höhle unter einem der riesigen Bäume. Ich passte gerade noch rein und sie bot einen idealen Schutz. Das Einzige, das mich störte, waren der furchtbar eklige, modrige Geruch und die Tatsache, dass ich wieder im Dreck schlafen musste. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um wählerisch zu sein! Also schluckte ich all meinen Ekel hinunter, kroch in die Höhle und suchte mir einen geeigneten und einigermaßen sauberen Platz, um mich dort hinzulegen. Die Erschöpfung übermannte mich und ich fiel in einen traumlosen Schlaf.
 

Tiefes Knurren weckte mich. Höchst alarmiert über dieses Geräusch stand ich sofort auf und knallte mit dem Kopf an die niedrige Höhlendecke. Der Stoß war so heftig, dass ich wieder zurück auf meinen Hintern fiel. „Verdammt!“, war das Einzige, das durch meine zusammengepressten Lippen kam, während ich mir mit der einen Hand den Kopf und mit der anderen mein Hinterteil rieb.

Plötzlich kam das Knurren wieder und endlich wusste ich auch, woher es kam: Es war nichts weiter als der nagende Hunger, der meinem Magen zu schaffen machte.

Ich verzog das Gesicht, als ich daran dachte, dass ich schon seit geraumer Zeit nichts mehr gegessen hatte. Jetzt hieß es wohl, etwas Essbares zu finden.

Voller Tatendrang und begleitet vom Knurren meines Magens schlüpfte ich aus meinem Unterschlupf und machte mich ran, die Umgebung abzusuchen. Erst jetzt, im frühen Morgenlicht, bemerkte ich, dass sich der Wald verändert hatte. Die Bäume standen nicht mehr so nah beieinander und das Unterholz war nun viel dichter. Zudem lichtete sich der Wald im Osten so sehr, dass man dahinter eine weite Grasebene erkennen konnte. Ich musste wohl fast das Ende des Waldes erreicht haben.

Nach kurzer Zeit wurde ich fündig und stand vor einem Busch, an dessen Äste dicke, rote und saftige Beeren hingen. Ich kannte sie zwar nicht, doch für mich sahen sie essbar aus. Also pflückte ich eine Hand voll und stopfte sie mir auf einmal in den Mund. Sie schmeckten sowohl sauer als auch süß und enthielten sehr viel Flüssigkeit. „Hmmm“, brachte ich nur heraus und pflückte gleich noch eine Hand voll, stürzte mich quasi wie ein wildes Tier darauf. Dies machte ich so oft, bis ich satt und der Busch fast leer gepflückt war.

Ich wischte mir den Beerensaft vom Mund, stand auf und wandte mich mit nun vollem Magen wieder gen Osten und setzte meinen Weg fort.

Es dauerte nicht einmal eine Stunde, da erreichte ich endlich das Ende des Waldes. Vorsichtig versteckte ich mich hinter einem Baum und blickte auf die weite Ebene, die sich mir bot. Alles war überzogen mit saftigem, giftgrünem Gras, das nur vereinzelt von kleinen Baumgruppen durchbrochen wurde. An manchen Stellen sprossen sogar Blumen so dicht aus dem Boden, sodass es aussah, als hätte jemand einen riesigen bunten Teppich über das Land gelegt.

Mein Blick wanderte nach Süden und ich konnte ein kleines Dorf von etwa dreißig Häusern erkennen, das von Feldern umringt war, auf denen Getreide und andere Nutzpflanzen wuchsen. „Aha, ein Bauerndorf also!“, murmelte ich und bemerkte, dass ein Haus stark abseits des Dorfes stand. Es hatte nur ein Stockwerk und ein Stall stand daneben. Dies musste wohl der Bauernhof eines reicheren Bauers sein, der nicht auf die Hilfe von anderen Dorfbewohnern angewiesen war. Eine Straße, die ein paar Meter vor meinem Standpunkt entlang lief, führte direkt zum Bauernhof und das dahinter liegende Dorf.

Ich wollte schon aus dem Wald treten und auf die Häuser zulaufen, als mir plötzlich ein wichtiger Punkt in den Sinn kam: In meiner jetzigen Gestalt kann ich mich nicht einfach unter die Menschen wagen! Sie würden höchstwahrscheinlich in Panik ausbrechen und mich verjagen oder, schlimmer noch, mich wie die Spielleute einsperren und wie eine Attraktion ausstellen. Es musste also ein Plan her, wie ich mich unbemerkt unter Menschen aufhalten konnte.

Enttäuscht und mit hängenden Ohren ließ ich mich auf den Hosenboden plumpsen, während ich fieberhaft nach einer Lösung suchte. Wie schon so oft verfluchte ich meine neue Gestalt und das Schlamassel, in dem ich nun steckte. Die Verzweiflung trieb mir die Tränen in die Augen. Wenn ich denjenigen fand, der mir dies angetan hatte, dann wird er teuer dafür büßen müssen!

Ich wollte schon wütend aufknurren, als mich plötzlich eine Bewegung am Bauernhof innehalten ließ. Aufmerksam stellte ich die Ohren nach vorne und blickte in diese Richtung. Mein Schwanz zuckte, als ich eine Frau bemerkte, die zwischen den Häusern hervortrat. Sie trug ein langes Kleid und hatte einen Korb voller Wäsche, den sie nun abstellte und damit begann, sie auf einer Leine aufzuhängen.

Plötzlich kam mir eine brillante Idee! Geduldig wartete ich, bis die Frau mit ihrer Arbeit fertig war und im Haus verschwand. Anschließend stand ich auf und eilte querfeldein zum Bauernhof, während ich penibel darauf achtete, dass mich keiner sah.

Somit gelangte ich ohne Zwischenfälle an mein Ziel und kauerte mich am Rand des Grundstücks ins hohe Gras. Suchend schweifte mein Blick über die Kleidungsstücke und ich entdeckte, wonach ich suchte: Am Rand hing ein langer, schwarzer Umhang mit einer Kapuze und wehte munter im Wind. Dies war die perfekte Verkleidung!

Vorsichtig horchte und schnüffelte ich in die Luft, um ganz sicher zu sein, dass niemand in der Nähe war, der mich sah und überrumpeln konnte. Als ich mir sicher war, dass die Luft rein war, sprang ich mit einem Riesensatz aus meinem Versteck, rannte zum Umhang und pflückte ihn von der Leine. Sofort machte ich wieder kehrt und rannte zu meinem Versteck zurück. Dort setzte ich mich wieder ins Gras und betrachtete meine Beute. Wie ich schon aus der Ferne erkannt hatte, war der Umhang schwarz, doch was ich jetzt erst sah, waren die verschnörkelten Muster, die mit dunkelrotem Faden eingewebt waren. Ich rümpfte die Nase. Dunkelrot war nicht gerade meine Farbe. Außerdem bestand das Kleidungsstück aus rauem Stoff von niederer Qualität. Nun ja, es ging ja wohl nicht anders.

Nach kurzem Zögern stülpte ich mir den Umhang um. Er war etwas zu lang, aber immerhin noch besser als viel zu kurz.

Mit dieser neuen Errungenschaft stand ich wieder auf und lief zur Straße. Dieses Mal wandte ich mich zum Dorf. Bevor ich aber einen Fuß auf den gekieselten Weg setzte, zog ich mir noch schnell die Kapuze über den Kopf, sodass nun auch meine Ohren verschwunden waren. Das einzig Sichtbare, das nicht menschlich war, waren nur noch die spitzen Reiszähne aus meinem Oberkiefer und meine Augen. Ich musste also den Kopf gesenkt halten oder die Kapuze tiefer ins Gesicht ziehen, wenn ich auf Menschen traf.

Als alle Vorbereitungen getroffen waren, setzte ich meinen Weg fort und ging Richtung Dorf.

Wieso ich dort hin ging, wollt ihr wissen? War das nicht offensichtlich? Okay, da ihr doch nicht so weise seid, wie ich angenommen hatte, werde ich es euch gerne erklären.

Wie ihr hoffentlich noch wisst, haben mich die Spielleute einfach irgendwohin verschleppt. Da ich Tarir noch nie weiter als ein paar hundert Meter verlassen hatte, hatte ich somit keine Ahnung von der Struktur und des Aufbaus von Lyrius. Meine Erdkundekenntnisse waren also nicht gerade ... prächtig. Tja, somit hatte ich immer noch keinen blassen Schimmer, in welcher Richtung sich Tarir befand. Und genau das möchte ich nun herausfinden!

In der Hoffnung, dass irgendjemand dieser Bauern wusste, wo die Hauptstadt lag, ging ich nach kurzer Zeit an den ersten Häusern vorbei. Doch es war seltsam still. Kein einziger Mensch zeigte sich auf der Straße, als hätten sie sich ängstlich in ihren Häusern verkrochen. Doch was jagte ihnen Furcht ein? Doch nicht etwa ich? Ich konnte es mir nicht erklären.

Schließlich gelangte ich zum Dorfplatz und endlich traf ich auf menschliches Leben. Erleichtert beobachtete ich, wie ein älterer Herr mit grauem Haar und dichten Bart einen Karren entlud, auf dem sich ein halbes Dutzend Fässer befanden. Dieser Karren wurde von einem mageren braunen Pferd gezogen. Mich wunderte es, dass es diesen Wagen überhaupt ziehen konnte.

Etwas unsicher schritt ich zum Mann, zog mir die Kapuze tiefer ins Gesicht und blieb vor ihm stehen.

„Entschuldigt, werter Herr, könnt Ihr mir sagen, in welcher Richtung die Stadt Tarir liegt?“

Offensichtlich überrascht über diese plötzliche Gesellschaft, blickte der Mann von seinen Fässern auf und betrachtete mich eingehend. Lange Zeit sagte er nichts und ich hatte schon Angst, etwas Falsches gesagt zu haben, aber dann antwortete mein Gegenüber dann doch: „Tarir, sagst du? Das liegt südöstlich von hier!“

Seine Stimme war tief und rau, hatte aber dennoch einen sanften Unterton. Die Falten im Gesicht des Mannes strafften und vertieften sich bei der kleinsten Bewegung.

Ich wollte mich schon bedanken, als der Alte fortfuhr: „Zu Fuß brauchst du noch einen ganzen Tag, aber ich könnte dich mitnehmen, wenn du willst. Ich bin nämlich auf dem Weg dort hin. Außerdem würdest du es dann in weniger als einem halben Tag schaffen.“

Ich zögerte. Das Angebot war wirklich verlockend, aber auch gefährlich, wenn ich meine Gestalt nicht preisgeben wollte. Aber was konnte mir ein alter, gebrechlicher Mann schon antun? Außerdem brauchten meine Füße dringend eine Auszeit.

„Ich nehme das Angebot gerne an, wenn es Ihnen keine Umstände bereitet“, antwortete ich schließlich. Daraufhin lächelte der Alte und grub somit noch mehr Falten in sein Gesicht.

Er wies mich an, schon mal auf dem Karren Platz zu nehmen, während er noch die letzten Fässer entlud. Ich stieg vorne auf die Sitzbank und setzte mich, während ich darauf achtete, mein Hinterteil nicht auf dem empfindlichen Schwanz zu platzieren.

Wenig später kam der Alte und setzte sich neben mich. Er nahm die Zügel in die Hand und gab ein Kommando, woraufhin sich das Pferd in Bewegung setzte und in einen schwungvollen Trab fiel. Wir fuhren durch das immer noch stille Dorf und erreichten bald dessen Ende.

„Ich heiße übrigens Gret und du kannst mich ruhig duzen“, sagte mein Sitznachbar schließlich, als wir das Dorf verließen.

„Und meine Name ist Sam. Nochmals danke, dass du mich mitnimmst“, erwiderte ich, woraufhin Gret gutmütig lächelte. Ich war froh, dass ihn mein Erscheinungsbild nicht sonderlich stark verwunderte, sodass ich keine unangenehmen Fragen beantworten musste. Offensichtlich hatte er schon oft mit subtilen Gestalten zu tun.

„Weißt du, weshalb es so still in diesem Dorf ist?“, führte ich das Gespräch vorsichtig weiter fort.

Gret lächelte traurig und ließ wieder einen Faltenkranz um seine Augen entstehen. „Du musst wissen, Sam, in dieser Gegend wurden in letzter Zeit häufig Räuberbanden gesichtet. Sie ziehen umher und plündern jedes Dorf, auf das sie stoßen. Davor haben die Menschen natürlich Angst und verbarrikadieren sich in ihren Häusern. Es wundert mich, dass unser König noch nichts dagegen unternommen hat. Vielleicht ist er gerade sehr beschäftigt oder er hat noch nichts davon gehört. Nichtsdestotrotz müssen wir heutzutage überall auf der Hut sein.“

„Aber was ist mit dir? Hast du etwa keine Angst, dass dich die Räuber überfallen?“ Ich betrachtete ihn neugierig.

„Ach, wer würde schon einen alten, harmlosen Mann angreifen? Schließlich gibt es bei mir eh nichts zu holen. Außerdem steckt in mir fiel mehr, als zu sein scheint“, erklärte Gret und trieb weiter sein Pferd an.

Mich überraschten seine letzten Worte. Staunend betrachtete ich ihn und fragte mich, was er damit gemeint hatte. Doch ich ging nicht näher darauf ein und unterhielt mich mit ihm über andere Themen.

Die Zeit floss schnell dahin und schon bald wurde es Nachmittag. Während der Unterhaltungen hatte ich vieles über Gret in Erfahrung gebracht. Er hatte vor vielen Jahren in einem Fischerdorf am Meer gelebt, das an der Grenze von Lyrius lag. Doch als seine Frau und seine Tochter eines Tages an einer mysteriösen Krankheit gestorben waren, hatte er beschlossen, im Land umherzuziehen, um nicht am Ort seiner größten Tragödie zu verweilen. Er hatte schon viel gesehen und erlebt und währenddessen kleine Lieferdienste und andere Arbeiten zum Geldverdienen übernommen. „Genau wie heute. Ich musste eine Lieferung Met von Tarir in das Dorf vorhin bringen. Und jetzt muss ich zurück, um die Belohnung abzuholen“, erklärte er mir.

Ich gab herzlich wenige Informationen von mir preis, denn ich hatte Angst, dass er mir doch noch die Frage stellte, woher ich kam oder was ich hier machte. Ihr müsst wissen, dass ich ein ziemlich schlechter Lügner bin.

Schon bald kam Tarir in Sicht und mein Herz machte beim Anblick meiner Heimatstadt einen glücklichen Satz. Endlich hatte ich mein Ziel erreicht. Allmählich kam mir auch die Umgebung bekannt vor, in der nun immer mehr Menschen in Sicht kamen. Sie liefen in den umliegenden Dörfern umher und einige strömten, wie wir, auf die Stadttore zu. Es sah aus, als würden Ameisen zurück zu ihrem Bau laufen.

Nach einigen Metern konnte ich den breiten Meeresarm erkennen, an dem Tarir lag, und fernes Rauschen drang an meine Ohren, das durch die Kapuze leicht gedämpft klang.

Die Stadt war auf einem großen Hügel erbaut worden, auf dessen höchsten Punkt die Burg von König Richard thronte. Darunter erstreckten sich stufenweise die verschiedensten Viertel: Angefangen mit dem Adelsviertel ging es über das Kaufmanns- und Geschäfteviertel über zum Armenviertel. Da mein Vater ja ein reicher Kaufmann war, wohnten wir also am Rande des Kaufmannsviertels, wo es schon in den Stadtbezirk des Adels überging. Somit waren wir weit weg von den stinkenden Armen.

Als der Karren, auf dem Gret und ich saßen, das Stadttor passierte, war es schon später Nachmittag. Ich war wirklich erleichtert, dass wir es noch geschafft hatten, bevor die Wachen die Stadttore schlossen. Wir kamen zu einem Platz, in dessen Mitte zwei Soldatenreihen von je sechs Mann standen, die jeden Ankömmling ernst und durchdringend betrachteten.

Gret fuhr an den Rand des Platzes und hielt dort sein Pferd an.

„So, ich fürchte, hier trennen sich unsere Wege. Schließlich haben wir unser Ziel erreicht. Es war eine schöne Abwechslung, mit dir zu reisen, Sam. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja noch einmal. Mich würde es auf jeden Fall freuen“, sagte Gret zu mir und lächelte mich an.

Ich sprang von der Sitzbank auf den Boden neben dem Wagen und wandte mich noch ein letztes Mal zu dem alten Mann.

„Vielen Dank, dass du mich mitgenommen hast. Ich würde mich erkenntlich zeigen, aber leider besitze ich nichts, das ich dir geben könnte“, waren meine Abschiedsworte. Eigentlich hätte ich mich verbeugen müssen, wie es die Etikette verlangte, aber da war mein Stolz doch dagegen. Komm, hast du schon einmal von einem reichen Mann gehört, der sich vor jemandem von niederer Klasse verbeugt hatte?

Es schien Gret sogar nicht zu stören, dass ich es nicht tat, denn er lächelte noch einmal und sagte nur: „Ist nicht der Rede wert. Ich verlange keine Gegenleistung. Auf Wiedersehen, Sam.“

Anschließend trieb er das Pferd wieder an und fuhr davon. Ich konnte ihm nur noch ein „Auf Wiedersehen“ hinterher rufen und schon stand ich alleine in der Menschenmenge. Was für ein eigenartiger Mann das doch war.

Ich zögerte nicht lange und machte mich nun weiter auf den Weg. Schnellen Schrittes verließ ich den Platz und lief auf der Hauptstraße in Richtung des Bezirkes, in dem mein Haus war.

Ich konnte es kaum erwarten, wieder zu Hause zu sein. Was wohl mein Vater zu meiner langen Abwesenheit sagen würde? Hatte er schon damit begonnen, vor lauter Sorge die ganze Stadt nach mit zu durchsuchen? Oder war er stinksauer, weil ich so lange nicht aufgetaucht war? Schließlich wusste ich nur zu gut, was für ein hitziges Gemüt er manchmal besaß. Nun ja, ich konnte wirklich hoffen, dass meine erste Vermutung zutraf. Ich hatte keine Lust auf Ärger oder irgendwelche Strafen. Darüber, was mein Vater zu der absurden Gestalt seines Sohnes sagen würde, machte ich mir überhaupt keine Gedanken.

Es erfreute mich, dass mir die Menschen, denen ich auf meinem Weg begegnete, keine komischen Blicke wegen meines Auftretens zuwarfen. Sie schienen mich gar nicht zu beachten und gingen einfach ihren eigenen Beschäftigungen nach. In ihren Augen konnte ich die verschiedensten Gefühle erkennen. Von Teilnahmslosigkeit über Gestresstheit bis zu Zorn und Angst war alles vertreten.

Ohne groß darauf zu achten, ging ich einfach an ihnen vorbei, schließlich hatte ich gerade genug eigene Probleme.

Als die Sonne fast vollständig untergegangen war, bog ich in die Seitenstraße ein, in der mein Haus lag. Augenblicklich umfing mich Stille, denn auf dieser Straße war es zu dieser Tageszeit menschenleer.

Nur noch ein paar Schritte und ich war daheim. Ich konnte schon den Vorhof sehen. Hocherfreut ging ich um die Ecke und ... blieb plötzlich wie erstarrt stehen. Schreck und blankes Entsetzen durchfuhr meinen Körper und ließ mich auf die Knie fallen.

„Nein ... nein ... nein. Das kann nicht sein!“, brachte ich nur heraus. Meine Stimme war nur ein leises, kaum hörbares Flüstern.

Die Nacht war hereingebrochen und eine leichte Brise hob mir die Kapuze vom Kopf, doch dies kümmerte mich nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Ich bemerkte es nicht einmal angesichts dessen, was sich vor mir erbot. Ich spürte überhaupt nichts, als mein Blick über die verbrannten und zertrümmerten Teile von dem glitt, was ich einmal mein Zuhause nannte.
 


 

~Schwarzer Stoff und verkohltes Holz-Ende~
 

Verzweiflung und Vertrauen

Er stand am Rande der Klippe und hatte die Augen geschlossen. Zu beiden Seiten stürzten in jeder Sekunde tausende Tonnen an Wassermassen mehrere Meter in die Tiefe, bis sie unten im Talkessel mit einem riesigen See verschmolzen. Es gab nicht nur diese zwei Wasserfälle, durch die der See gespeist wurde. Nein, es stürzten am gesamten Talrand hunderte von Wasserfällen hinab in die Tiefe.

Wo das Wasser des Sees anschließend hin floss, vermochte man von oben nicht zu erkennen, denn es gab keinen einzigen Einschnitt im Talkessel, wo ein Fluss hätte durchfließen können. Der See war abgeschieden von der Welt und das Wasser floss unterirdisch ab.

Weiße Gischt stob von den Stellen auf, an denen die Wasserfälle mit voller Wucht auf der Seeoberfläche auftrafen. Die Wassertropfen in der Luft reflektierten das Licht der Mittagssonne so, dass über dem ganzen Tal tausende Regenbögen schimmerten und glänzten.

Doch diesen atemberaubenden Anblick nahm er in diesem Moment nicht zur Kenntnis. Er stand mit geschlossenen Lidern kerzengerade da und konzentrierte sich auf seine Atmung, denn, was er vorhatte, war gefährlich, auch wenn er es schon tausende Male getan hatte. Schließlich sollte man nie den Respekt verlieren, sonst bezahlte man es eines Tages mit dem Leben.

Noch ein, zwei tiefe Atemzüge, dann ging er in die Hocke, stieß sich mit einem kraftvollen und eleganten Sprung von der Klippe ab und stürzte kopfüber knapp an den Wasserfällen entlang in die Tiefe.

Nun hieß es, alle Körperbeherrschung aufzubringen, um nicht vom Kurs abzukommen, denn sonst würde er in die Wassermassen des Wasserfalles gelangen und nach unten gerissen werden. Doch er schaffte es und steuerte nun, immer mehr Geschwindigkeit aufnehmend, auf genau die richtige Stelle zu. Das sich in den Bergen befindende Tal hielt alle Winde ab, die ihm gefährlich werden konnten. Er flog so knapp an den Wassermassen vorbei, dass er nur den Arm ausstrecken müsste, um in sie einzutauchen. Doch er ließ seine Arme vor seinem Kopf direkt auf den See gerichtet.

Die Luft rauschte an seinem Gesicht vorbei und vermischte sich zusammen mit dem Dröhnen der Wassermassen zu einem unerträglichen Hämmern. Der See kam immer näher, bis sie nur noch ein paar Meter voneinander trennte.

Schließlich brach er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht perfekt durch die Wasseroberfläche und tauchte tief ins Wasser ein. Das kühle Nass umschloss ihn liebevoll mit seinen feuchten Armen und hieß ihn wie einen alten Freund willkommen.

Noch immer lächelnd machte er eine elegante Drehung und schwamm mit kräftigen und schnellen Zügen zurück an die Wasseroberfläche. Hierbei nahm er seine wie Flossen geformten Füße zusammen und bewegte sie auf und ab. Rasend schnell nahm er Geschwindigkeit auf und brach erneut durch die Wasseroberfläche. Mit diesem Schwung katapultierte er sich mehrere Meter nach oben und machte in der Luft einen eleganten Rückwärtssalto, um anschließend wieder in den See zu tauchen.

Daraufhin drehte er ab und schwamm an das Kiesufer des Sees, wo kein Wasserfall herabstürzte und das Wasser ruhig war. Als es nicht mehr tief genug zum Schwimmen war, richtete er sich auf und steuerte auf einen großen Felsen zu, der sich am Rande des Wassers befand. Dort kletterte er hinauf und setzte sich auf den kühlen Stein, wovon er einen ausgezeichneten Blick auf die Umgebung hatte.

Der Blick aus seinen strahlend gelben Augen wanderte über den See und die herabstürzenden Wasserfälle. Tiefe Ruhe erfüllte ihn und er genoss die Einsamkeit.

Sein Name war Derio und er gehörte zum Volk der Xeno, welches auch als das Volk der Wassermenschen bekannt gewesen war. Ja, dies gehörte der Vergangenheit an, denn sein Volk hatte sich vor einigen Jahrhunderten aus seiner alten Heimat zurückgezogen und lebte nun in der Abgeschiedenheit dieses Tales. Wieso sie hier hingekommen waren, wusste Derio zu seinem großen Leid nicht. Der junge Xeno hätte liebend gern gewusst, was außerhalb seiner Heimat lag. Doch leider blieb ihm diese Erfahrung verwehrt.

Derios Körper glich dem eines Menschen, wies aber auch einige entscheidende Unterschiede auf. Seine Haut hatte größtenteils die Farbe von weißlichem Blau, doch er hatte an seinen kräftigen Beinen und in seinem Gesicht tiefblaue Muster, die in ihrer Form und Größe bei jedem Xeno unterschiedlich waren. Seine Füße waren zudem nicht das einzige Flossenartige. So hatte er sowohl an den Schultern und an den Ellbogen ebenfalls Flossen, die ihm bei der Steuerung im Wasser behilflich waren. Zudem besaß er zwischen seinen Fingern hauchfeine Schwimmhäute.

Derio hatte auch keine Haare. Stattdessen befanden sich an seinen Kopfseiten zwei längliche Auswüchse, die so beweglich wie Haare waren und an den spitz zulaufenden Enden mit einem blauen Band, das in einer Feder endete, umwickelt waren.

Außerdem hatte der junge Xeno sowohl auf der Brust als auch an seinem Hals Kiemen, die er nur unter Wasser benutzen konnte. Für das Atmen an Land nahm er den Sauerstoff durch die flache Nase auf.

Obwohl das Volk der Xeno aufgrund seiner speziellen Haut nicht auf Kleidung angewiesen war, trug Derio eine blaue Weste aus speziellem Algengewebe, das mit Tinte eingefärbt war. Um seine schlanke Hüfte hing ein normaler Gürtel, an der er Taschen befestigen konnte, und ein Waffengürtel, an dem auf seiner rechten Seite ein kleiner Dolch mit rotem Griff aus Korallen steckte.

Derio musste lächeln, als er auf seine Waffe hinabblickte, denn obwohl er erst 15 Jahre alt war, war er ein ausgezeichneter Nahkämpfer und konnte exzellent mit dem Dolch umgehen. Nur die Handhabung mit der traditionellen Fernwaffe der Xeno bereitete ihm Schwierigkeiten. Bei dem Gedanken daran schob er den Arm nach hinten und holte aus einer Halterung an seinem Rücken zwei handflächengroße Scheiben heraus, die aus Korallen und speziellen Steinen gefertig waren. Diese tropfenförmigen Scheiben wurden Siku genannt und waren an den Rändern mit grausamen Zacken versehen. Nur an einer Stelle waren die Ränder glatt, sodass man sie bequem halten konnte.

Diese Waffe wurde von den Xeno bevorzugt gewählt, da man mit ihr selbst unter Wasser über große Distanzen hinweg mit wenig Kraft viel Schaden anrichten konnte. Außerdem konnte man sie trotz komplizierter Bauweise schnell herstellen und der Umgang mit ihr war ziemlich leicht, sodass bereits sehr junge Xeno mit ihnen kämpfen konnten.

Missumutig grummelnd holte Derio mit dem Arm aus und warf das Siku über den Kiesstrand auf den See zu. Es erreichte nicht einmal das tiefere Wasser, sondern trudelte schwankend gen Boden und ließ ein leises Schäppern hören.

Hätte Derio es richtig gemacht, so wäre die Scheibe pfeilschnell und um die eigene Achse rotierend mehrere Meter auf den See hinaus geflogen. Doch nun lag sie vor dem Felsen auf dem Kies im Wasser. Derio machte nicht einmal Anstalten, aufzustehen und sie zurückzuholen.

Stattdessen saß er weiterhin auf dem Fels, drehte das zweite Siku in der Hand und stieß einen langen Seufzer aus.

„Ach, das wird nie was, wenn ich mich weiterhin so ungeschickt anstelle!“, murmelte der junge Xeno vor sich hin und dachte an die Tatsache, dass er schon das Training schwänzte, damit die anderen Kinder aus seinem Volk ihn nicht auslachten und demütigten.

„Na, schwänzt du schon wieder den Unterricht, Derio?“

Fast wäre Derio seitlich vom Fels gefallen. Nur durch größte Anstrengungen schaffte er es, sich doch noch oben zu halten, indem er das Gewicht schnell auf die andere Seite verlagerte. Die in ihm aufwallende Panik bekämpfend, drehte er sich langsam zu demjenigen um, der ihn angesprochen hatte.

Als sein Blick auf eine junge Xeno in seinem Alter fiel, die ihn mit einem breiten Grinsen betrachtete, verebbten sein Schock und die Panik sofort. „Ach, du bist es, Nanja!“, brachte er heraus und man konnte die Erleichterung aus seiner Stimme heraushören.

Währenddessen stieß Nanja ein leises Kichern aus. „Hab ich dich erschreckt?“, antwortete sie und in ihrer Stimme lag keine einzige Spur von Reue oder Mitgefühl. Im Gegenteil, sie schien sich prächtig darüber zu amüsieren.

„Schadenfroh wie eh und je“, murmelte Derio und langsam zeigte sich auch auf seinem Gesicht ein kleines Lächeln.

Nanja ging zum Fels, kletterte darauf und setzte sich neben ihn. Ihr Blick glitt über den See und die Regenbögen in der Luft.

„Warum bist du nicht am Trainingsplatz und machst bei unserem Unterricht mit?“, fragte sie ihren Freund und blicke nun ihn an.

Derio hingegen hatte die Augen noch immer auf den See gerichtet. „Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Nanja.“

„Ach, komm schon! Du weißt, was ich meine! Außerdem war ich ja bereits am Trainingsplatz. Also, weshalb-“, sie brach mitten im Satz ab, als sie das am Boden liegende Siku bemerkte. „Ist es wegen ...?“, fragte sie vorsichtig mit sanfter Stimme.

Derio öffnete den Mund und wollte ihr schon antworten, doch er brachte kein Wort über die Lippen. Somit schloss er ihn wieder und nickte nur. Tränen der Verzweiflung schimmerten in seinen Augen.

„Ach, Derio.“ Sie legte ihm tröstend einen Arm um die Schultern. „Es ist doch nicht schlimm, dass du noch nicht richtig mit dem Siku umgehen kannst! Du musst es halt noch lernen und brauchst etwas länger als die anderen. Das ist doch kein Grund, den Kopf hängen zu lassen!

Außerdem kannst du dafür andere Sachen viel besser als sie. Du bist einer der besten Dolchkämpfer und kannst es auf diesem Gebiet sogar mit den besten Kämpfern unseres Volkes aufnehmen. Zudem kommt noch, dass du zu den besten Schwimmern zählst und eine ausgezeichnete Körperbeherrschung besitzt. Ich habe gesehen, wie du vorhin wieder einmal vom Talrand herunter gesprungen bist, obwohl man uns so etwas verboten hat. So ein Sprung wäre selbst für uns Xeno tödlich, aber dennoch schaffst du es immer wieder, ihn unbeschadet zu überstehen. Dies und noch ganz viele andere Tatsachen machen dich zu etwas Besonderem.“

Während Nanjas Ansprache stahl sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht. Sie hatte Recht, er gehörte wirklich zu den besten Nahkämpfern ihres Clans. Außerdem hatte er es nur der Tatsache, dass er sich über all die Jahre eine herausragende Körperbeherrschung angeeignet hatte, zu verdanken, dass er die tödlichen Sprünge jedes Mal aufs Neue ohne irgendwelche Verletzungen überstand. Diese gute Körperbeherrschung führte auch dazu, dass er unter Wasser selbst dem schnellsten Siku ausweichen konnte.

Doch plötzlich verfinsterte sich sein Blick. „Das ist ja alles schön und gut, was du da sagst, aber es ändert noch lange nichts an der Tatsache, dass mich Ribo und die anderen immer damit aufziehen oder mich anderweitig ärgern!“, brachte er nun endlich heraus.

Als Derio Ribo, den größten und gemeinsten Störenfried in ihrer Altersklasse erwähnte, verfinsterte sich nun auch Nanjas Blick.

„Tse, über die Meinung dieses Idioten und seiner Bande brauchst du dir überhaupt keinen Kopf zu machen. Der ist doch höchstens genau so klug wie jeder einzelne Kieselstein dieses Strandes! Außerdem bist du der Sohn unseres Oberhauptes und es steht ihm nicht zu, dich zu kritisieren.“

„Aber genau das ist es ja!“, rief Derio erbost und gestikulierte wild mit seinen von Schwimmhäuten besetzten Händen. „ICH bin der einzige Sohn von Lored, dem Oberhaupt unseres Clans, und, da ich dazu bestimmt bin, eines Tages die Nachfolge meines Vaters anzutreten, erwarten alle von mir, dass ich zu einem großen und mutigen Xeno heranwachse, der sein Volk vor allem Bösen beschützen kann und der Nachfolge somit würdig ist.

Aber das BIN ich nicht. Ich kann nicht mit unserer traditionellen Waffe umgehen, geschweige denn weise Entscheidungen treffen oder jemanden beschützen. Ich bringe es nicht einmal übers Herz, einen Gnufisch oder irgendein anderes Lebewesen, das für unser Überleben wichtig ist, umzubringen. Ich bin in allem, was ich bin oder mache, total ungeeignet, in die Fußstapfen meines Vaters, einer der größten Xeno unserer Geschichte, zu treten.“ Derio wollte noch weiter reden, doch ein großer Schluchzer aus seiner Kehle ließ ihn innehalten.

Dicke Tränen quollen aus seinen Augen und tropften auf den grauen Fels. Tiefe Stille erfüllte den Strand. Nur das raue Dröhnen der nahen Wasserfälle drang zu ihnen herüber.

Als sich der junge Xeno schon fragte, ob Nanja überhaupt eine Reaktion auf seinen Gefühlsausbruch zeigen würde, rutschte sie näher an ihn ran und umarmte ihn kurz. „Oh, Derio. Ich wusste gar nicht, wie sehr dich diese ganze Sache zu schaffen macht! Es tut mir leid, dass ich nicht selbst darauf gekommen bin. Ich muss eine wirklich schlechte Freundin gewesen sein!“, meinte sie und Derio konnte sehen, dass sie ihn verstand und mit ihm litt.

Derio wischte sich die Tränen aus dem Gesicht „Ach was, schon allein die Tatsache, dass du dir meinen Mist anhörst und mir zur Seite stehst, macht dich zu der besten Freundin, die je einer haben kann!“ Derio war ihr wirklich dankbar, dass sie sich seine Sorgen anhörte und ihm somit beistand.

In Nanjas Augen blitze ein schwaches Lächeln auf, das aber sofort wieder verschwand. Ernst legte sie eine Hand auf seine Wange und zwang ihn somit, direkt in ihre himmelblauen Augen zu blicken. „Hör zu, ich verspreche dir, dass ich immer für dich da sein werde! Dass du deines Vaters nicht würdig seiest, finde ich als totalen Unsinn, schließlich gab es viele großartige Krieger und Oberhäupter, die zunächst von ganz unten anfangen mussten. Ich werde dir auf jeden Fall helfen, ein mindestens genau so großer Xeno wie Xenpa Lored zu werden, auch, wenn das bedeuten würde, dass ich mit dir stundenlang üben muss, mit einem Siku zu kämpfen!“, sagte sie mit fester Stimme.

Derio wusste nicht, weshalb, aber irgendwie schienen ihre Worte ihn zu beruhigen. Ihm war auch, als sei ein großer Stein von seinem Herzen gefallen, da er sich nun endlich jemandem anvertraut hatte, der ihm wirklich helfen wollte.

Plötzlich stand Nanja auf und sprang von ihrem Sitzplatz herunter. Anschließend ging sie zu seinem fallen gelassenen Siku, hob es auf und reichte es ihm. „Komm, lass uns ein wenig trainieren, mein Freund!“, sagte sie mit aufmunternder Stimme. Derio hob den Blick und betrachtete sie für heute das erste Mal eingehend.

Sie hatte einen schlanken und – für weibliche Xeno in ihrem Alter – recht großen Körperbau. Ihre Hauptfarbe war nicht wie bei Derio bläulich, sondern wies einen sanften Lilaton auf. Dies war einer der Unterschiede, die es zwischen den Geschlechtern der Xeno gab: Die Frauen hatten entweder eine rote bis rosa Färbung, wobei es ganz selten zu lila Exemplaren kam, während die Männer von Schwarz bis Hellblau alle Farbtöne aufwiesen.

Auch Nanja besaß wie alle Xeno keine Haare, sondern ebenfalls mehrere längliche Auswüchse an den Kopfseiten. Allerdings waren diese bei ihr um einiges länger und bogen sich leicht nach hinten. An jedem dieser Auswüchse hing ein Glöckchen, das bei jeder Erschütterung sanft klingelte. Kleidung hatte sie keine, denn Derios Weste zeichnete ihn als Sohn eines Oberhauptes aus und war nur solchen vorbestimmt. Stattdessen trug auch sie zwei Gürtel, an denen sie ihre Siku trug. Eine Nahkampfwaffe hatte sie keine, denn es war den Frauen verboten, sich zu nah an einem Kampf zu beteiligen. Sie durften nur aus der Ferne angreifen. Somit hatte sie neben den Siku noch Wurfmesser und –sterne, die auf geringe Distanz großen Schaden anrichten konnten.

Als Derio ihr Gesicht betrachtete, konnte er sehen, dass sie ihr typisches breites Grinsen aufgesetzt hatte und ihn immer noch erwartungsvoll ansah.

Übergroße Freude überkam ihn und er nahm ihr – ebenfalls mit einem breiten Grinsen – das Siku aus der Hand. „Danke, danke dass du für mich da bist, Nanja“, brachte Derio heraus und sprang nun ebenfalls vom Fels.

Anschließend gingen sie Seite an Seite zum See und tauchten in das kühle Nass. Mit ein, zwei kräftigen Schwimmzügen nahmen sie rasch an Geschwindigkeit zu und glitten geschmeidig durch das Wasser. Dabei halfen ihnen natürlich die Schwimmhäute und die flossenförmigen Füße, die sie wie Fischflossen für den Antrieb und die Navigation nutzten.

Zwar bot das Tal bereits über Wasser einen atemberaubenden Anblick mit den Regenbögen, den Wasserfällen und den einzigartigen Gesteinsformationen, doch erst unter Wasser eröffnete sich einem eine ganz andere und faszinierendere Welt als an der Oberfläche.

Fische der unterschiedlichsten und ausgefallensten Arten schwammen sowohl einzeln als auch in Schwärmen unter und über ihnen. Da waren zum Beispiel Schwärme von Schimmerschuppen, deren Schuppenkleid, wie der Name schon sagte, in den unterschiedlichsten Farben leuchtete. Aber es gab auch Pelzlachse, Grünlanzen und Gnufische, auch Onji genannt. Besonders die Onji waren für die Xeno von besonderer Bedeutung, denn sie bildeten eine wichtige Nahrungsgrundlage für das fischessende Volk. Doch auch die Knochen, Flossen, Schuppen und Hörner ließen sich zu vielen nützlichen Dingen verarbeiten. Dies hatte zur Folge, dass die Xeno sich besonders auf die Jagd der großen Gnufische spezialisiert hatten.

Außerdem musste jeder junge Xeno, der das Erwachsenenalter erreichte, eine Prüfung ablegen, in der er einen Onji zusammen mit anderen Gleichaltrigen erjagen und zerlegen musste. Dies war kein leichtes Unterfangen, denn dieser eigentlich friedliebende Fisch war sehr familienbezogen und verteidigte selbst den kränklichsten Artgenossen des Schwarms vor Angreifern. Somit erforderte es viel Geschick, Teamfähigkeit und eine gute Taktik, um einen Gnufisch erjagen zu können.

Nanja und Derio waren beide zwar noch weit entfernt von dieser Prüfung, doch schon jetzt mussten sie sich einem harten Training und einigen Zwischenprüfungen unterziehen und sich somit darauf vorbereiten. Besonders für Derio war dies nicht leicht, denn von ihm wurde aufgrund seiner Stellung Höchstleistung bei der Prüfung erwartet.

Doch neben all diesen friedlichen Fischen gab es auch einige Arten, die selbst für die Xeno gefährlich waren. Da gab es zum einen den Aalhai, dessen länglicher Körper von tausenden Stacheln bedeckt war, oder auch den Schlammglobu, ein plumper und dicker Fisch mit einem breiten, zähnebesetzten Maul, der sich im Schlamm vergrub und seine Beute mit Hilfe von Pflanzenimitaten, die ihm am Rücken wuchsen, anlockte. Ist diese Beute nah genug, so schnellt der Schlammglobu aus seinem Versteck und verschlingt seine Beute augenblicklich.

Doch Nanja und Derio brauchten sich keine Sorgen wegen dieser blutrünstigen Fische zu machen. Regelmäßige Patrouillen von Kriegertruppen ihres Volkes verhinderten das Eindringen solcher Gefahren in das von ihnen bewohnte Gebiet. Somit konnten sie ungestört in diesem Teil des Gewässers schwimmen.

Es war aber nicht nur der Anblick der abertausenden Fische, der den See zu etwas so wunderbaren machte. Es waren die Pflanzen, die in Abermillionen Formen und Farben wuchsen und das Leben in diesem riesigen Ökosystem erst möglich machten. Neben Sauerstoff und Nahrung boten die Pflanzen viele Verstecke, in denen sich Fische, Krebse und andere kleine Wasserbewohner aufhielten.

All diese Lebewesen und das einfallende Licht machten den See unter der Wasseroberfläche zu einer gänzlich anderen Welt. Eine Welt, die Derio sein Zuhause nannte.

Der kleine Xeno glitt sanft durch das Wasser und genoss das Vorbeigleiten des kühlen Elements auf seiner Haut. Dank des außergewöhnlichen Tastsinns, den alle Xeno besaßen, konnte Derio jede einzelne Schwingung des Wassers im Umkreis von hundert Metern spüren.

Neben ihm schwamm Nanja. Er blickte zu ihr und lächelte sie breit an. Sie erwiderte das Lächeln und schwamm nun etwas schneller.

Auch Derio beschleunigte sein Tempo und schon bald gelangten sie an ihr Ziel: Der Trainingsplatz aller jungen Xeno. Dieser Platz befand sich sowohl über, als auch unter Wasser. Statt eines flachen Ufers verband eine drei Meter hohe Klippe diese beiden Bereiche, sodass man augenblicklich zwischen Land und tiefes Wasser wechseln konnte.

Überall befanden sich Xeno, die sich sowohl einzeln als auch in Gruppen den unterschiedlichsten Übungen unterzogen. Nanja und Derio schwammen an ihnen vorbei und die wenigen, die sie bemerkten, neigten Derio gegenüber kurz den Kopf, wie es die Etikette verlangte.

Der kleine Herrschersohn erwiderte jede Geste mit einem kleinen Lächeln. Diese Begrüßung war etwas, das Derio überhaupt nicht gefiel. Es zeigte ihm, dass er nie unter das Volk gehen und ein normales Leben führen konnte, ohne gleich erkannt zu werden. Außerdem behagte ihm so viel Aufmerksamkeit nicht. Doch dies war nun einmal sein Schicksal und er gab sich diesem brav hin, wie sein Vater es von ihm verlangte.

Als sie an der Klippe waren, katapultierten sich die beiden mit drei kraftvollen Schwimmzügen aus dem Wasser, sodass sie über den Rand des Felsens und somit an Land gelangten.

Auch an Land gab es einige trainierende Xeno. Ihre Gruppe war ebenfalls anwesend und wurde gerade von ihrem Meister namens Zen unterrichtet.

Derio wollte sich schon zu ihnen gesellen, doch Nanja packte ihn am Arm und zog ihn zu einem Feld, auf dem sich in unterschiedlichen Abständen Zielscheiben befanden: Das von ihm gehasste Übungsfeld für Fernwaffen. Er verzog das Gesicht, ließ es aber zu, dass seine Freundin ihn zehn Meter vor einer Zielscheibe platzierte und sich neben ihn stellte.

Nanja stemmte die Hände in die Hüften. „Gut, dann lass uns beginnen. Wirf all deine Siku auf diese Scheibe!“, befahl sie mit ernstem Tonfall.

Derio gehorchte, schob die Hand in die Halterung an seinem Rücken und holte ein Siku heraus. Anschließend stellte er sich schräg zur Zielscheibe hin, fixierte fest sein rundes Ziel und holte mit der Waffe, die parallel zum Boden in seiner Hand lag, aus. Sein Arm schnellte nach vorne und er ließ das Siku los. Es gab zwar verschiedene Wurftechniken, doch diese war die einfachste, wenngleich Derio sie nicht beherrschte.

Die Flugbahn des Siku überraschte Derio schon lange nicht mehr. Es trudelte zu Boden und blieb dort fünf Meter von der Zielscheibe entfernt liegen. Obwohl es vorhersehbar war, zuckte er innerlich zusammen und er hoffte, dass ihnen gerade keiner zusah. Resigniert seufzend holte er das nächste Siku und warf auch dieses, das auch zu Boden ging. Dies wiederholte er weitere acht Male, bis alle seine Siku vor ihnen auf dem felsigen Boden lagen. Keines von ihnen hatte die Zielscheibe nur ansatzweise erreicht.

Entschuldigend lächelnd wandte sich Derio zu Nanja. „Ich sagte doch, ich bin eine hoffnungslose Niete!“

„Ach was! Ich weiß, dass du es kannst! Du bist nur etwas zu steif und lässt das Siku zum falschen Moment los! Komm, heb sie wieder auf. Ich zeig dir, wie du es machen musst“, gab sie mit ruhiger Stimme als Antwort und lächelte ihn aufmunternd zu.

Derio wollte schon etwas erwidern, doch er zuckte daraufhin nur mit den Schultern und schritt zu seine Siku. Er ging in die Hocke und klaubte eines nach dem anderen vorsichtig auf, damit er sich nicht an den scharfen Kanten verletzte.

Plötzlich schob sich ein schwarzer Fuß in sein Blickfeld und Derio hielt inne. Sein Körper spannte sich in sekundenschnelle an. Sein Magen verkrampfte sich, denn er wusste genau, zu wem dieser Fuß gehörte. Schwer schluckend hob er den Kopf und blickte geradewegs in das höhnisch grinsende Gesicht von Ribo.

„Na, du kleiner Abschaum! Was machst du denn hier unten? Wühlst im Dreck und sammelst das Zeichen deiner Ungeschicktheit und deines miserablen Talents auf! Wenn du schon mal hier unten bist, kannst du mir ja gleich mal die Füße waschen!“, sagte der Fiesling und jedes Wort donnerte wie Hammerschläge auf Derio herab.

Dieser ballte die Fäuste und wollte schon antworten, doch er überlegte es sich anders und sagte kein Wort. Schon viel zu oft wurde er eines Besseren belehrt, dass man Ribo nicht widersprach.

Eigentlich hätte sich Derio wegen Ribo keine Sorgen machen müssen, doch er war der stärkste und größte Xeno seiner Altersklasse und überragte Derio um zwei Haupteslängen. Dadurch war der junge Xeno bei einer direkten Konfrontation im Nachteil, das er schon viel zu oft am eigenen Leib gespürt hatte.

„Hat es dir die Sprache verschlagen? Na los! Antworte gefälligst! Sonst...“ Ribo brach mitten im Satz ab, denn während er gesprochen hatte, zischte etwas haarscharf an seinem Kopf vorbei und bohrte sich hinter ihm in die Zielscheibe.

Erstaunen und Schrecken blitzten in seinen Augen auf, als er den Blick von Derio nahm und sich zu Nanja wandte.

„Lass ihn gefälligst in Ruhe! Keiner hat dich nach deiner Meinung gefragt! Tu uns den Gefallen und besudle unser Training nicht mit deiner dreckigen Anwesenheit!“, sagte Nanja und der Zorn war ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Erst schien es, als brachte Ribo kein Wort mehr über die Lippen, doch dann zischte er wütend und knurrte: „Da hast du noch mal Glück gehabt, Derio! Sich von einem Weibsbild beschützen zu lassen, pah! Das wird ganz sicher ein Nachspiel haben. Man sieht sich, kleiner Abschaum.“ Mit diesen Worten machte Ribo kehrt und stapfte zu den anderen zurück.

Schnell sammelte Derio die restlichen Siku auf und eilte zurück zu Nanja. „Danke, dass du ihn vertrieben hast. Ich glaube, ohne dich wäre ich nicht so glimpflich davon gekommen“, sagte er zu ihr. Er zitterte noch von der ganzen Anspannung, die nun von ihm abfiel.

Seine Freundin verzog spöttisch das Gesicht. „Ach, nicht der Rede wert! Dieser laufende Haufen Dummheit soll dich ja nicht noch einmal in meiner Gegenwart so anpflaumen, sonst sehe ich mich gezwungen, etwas dagegen zu unternehmen“, antwortete sie sanft. Derio rechnete ihr diese Einstellung hoch an. Es war ein tolles Gefühl, sich in ihrer Nähe sicher fühlen zu können.

„So, aber wir sollten nicht blöd herumstehen, sondern trainieren. Sieh her und schau mir ganz genau zu“, fügte sie noch an und begann, ihrem Freund die richtige Wurfhaltung zu zeigen.

Derio machte es ihr nach und er war wirklich froh, dass sie ihm alles geduldig erklärte. Er genoss die gemeinsame Zeit mit ihr und ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht.

Danke, dass du für mich da bist, Nanja! Du bist wirklich die Beste!
 


 

~Verzweiflung und Vertrauen - Ende~
 

Nacktes Grauen und ein Entschluss

Beißender Rauch hing über dem Trümmerfeld und brannte in meinen Augen, deren Pupillen in der Abenddämmerung extrem geweitet waren, und in meiner geruchsempfindlichen Nase. Der Gestank war so stark, dass ich husten musste. Doch es half nichts, sondern brannte nur noch mehr in meinen Atemwegen. Aber das war mir im Moment eh egal, schließlich hatte ich ein viel größeres Problem. Ein wahrlich größeres.

Noch immer voller Entsetzen ließ ich meinen Blick über die Reste meines Zuhauses schweifen, die aufgrund der hereinbrechenden Nacht in tiefem Zwielicht lagen und nur spärlich durch die einzelnen Flammen, die noch zwischen den Trümmern glommen, erhellt wurden. Doch dank meiner Katzenaugen offenbarte sich mir selbst in der tiefsten Dunkelheit das gesamte Ausmaß der Zerstörung.

Das komplette Herrenhaus war bis auf die hintere Grundmauer eingestürzt. Überall lagen die Trümmer der Wände und Inneneinrichtung, sodass man nicht mehr unterscheiden konnte, was es einmal gewesen war oder welche Funktion die einzelnen Teile gehabt hatten.

Auch der weitläufige Garten war nun ein Feld der Zerstörung. Wo einmal Bäume meterweit in den Himmel gewachsen waren, befanden sich nur noch Löcher im Boden. In der Luft schwebten Ascheflocken, Rauch und Funken umher und gaben dem Ganzen ein geisterhaftes und unwirkliches Aussehen.

Alles sah aus, als hätte die Villa eine gewaltige Explosion zerrissen. Mir fuhr ein kalter Schauer durch den Körper, als mir das wahre Ausmaß der blindwütigen Zerstörung bewusst wurde. Doch was konnte nur so viel Kraft besitzen, geschweige denn erzeugen? Voller Schreck schüttelte ich den Kopf und konnte nur mit großer Mühe meine Tränen zurückhalten. Unser ganzer Besitz und Reichtum war zerstört! Ausgelöscht! Zertrümmert!

Plötzlich kam mir ein noch schlimmerer Gedanke und ich sprang auf. „Oh nein! Vater!“, rief ich und lief zu den Resten meines Zuhauses.

Wenn mein Vater während der Explosion im Haus gewesen war, dann ... ich konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Verzweifelt stieß ich einen Laut aus, der an das Gejammer einer Katze erinnerte, und ließ mich vor dem größten Trümmerhaufen auf die Knie fallen. An dieser Stelle musste meiner Vermutung nach das Arbeitszimmer gewesen sein. Dieser Raum war der Ort gewesen, an dem sich mein Vater am meisten aufgehalten hatte.

Ohne zu zögern, griff ich nach dem ersten Steinbrocken und warf ihn zur Seite. Die scharfen Kanten stachen in meine empfindlichen Handflächen, doch dies kümmerte mich nicht. Wichtig war nur, meinen Vater zu finden und, falls er noch lebte, ihn zu retten, wenn er verletzt war.

Ein leises Wimmern entfuhr sich meiner Kehle, während ich Trümmer für Trümmer wegschaffte. Die Nacht brach nun vollends herein und breitete ihre tiefschwarzen Schwingen über dem Firmament aus. Die Zwillingsmonde Lech und Nech, der Gold- und der Silbermond, standen sich gegenüber und würden im Laufe der Nacht ihre Bahnen entlang des Himmels ziehen.

Schon bald zeigte sich, dass es aussichtslos war. Der Haufen war einfach zu groß und einige Teile zu schwer, als dass sie ein Junge wie ich hätte bewegen können. Doch ich wollte nicht aufgeben, ich wollte mich nicht dem Schicksal ergeben, das mir schon so viel Grauenvolles zugefügt hatte. Also versuchte ich weiterhin, mit meinen nun schon aufgeschürften und blutverschmierten Händen einen Weg durch den Schutt meines zertrümmerten Zuhauses zu finden.

Nach einer Ewigkeit, so schien es mir, machte ich einen erschreckenden Fund: Eine leblose Hand, die zum Vorschein kam, als ich einen zerfetzten Holzbalken beiseiteschob.

Ein beißender Geruch schlich sich in meine Nase und ich wich ein paar Schritte zurück. Ich konnte nicht genau sagen, was dies für ein Geruch war, denn ich hatte so etwas Abscheuliches noch nie gerochen. Doch ich vermutete, dass er nichts Gutes verhieß.

Nach einigen Sekunden des Zögerns versuchte ich, den Körper frei zu legen. Mein ganzes Wesen sträubte sich und ich legte unterbewusst die Ohren an, während der Schwanz nervös hin und her zuckte. Aber ich musste es tun. Ich musste mich davon überzeugten, ob dies mein Vater war und, ob dieser Mensch noch lebte.

Als ich einen besonders großen Stein wegrollte, kam mir sofort ein neuer Schwall dieses abscheulichen Geruchs in die Nase. Ich würgte, blickte nach unten und - wich hastig einige Schritte zurück, ehe ich stolperte und auf mein Hinterteil fiel.

Der Anblick, der sich mir bot, war zu schrecklich, als dass ich meinen Blick abwenden konnte. Vor mir lag die zertrümmerte und verschmorte Leiche einer unserer Diener. Ich konnte ihn nur als solchen erkennen, da die übrig gebliebenen Kleiderfetzen ganz deutlich auf die ehemalige Dienerkluft deuten ließen. Doch, um welchen Diener es sich handelte, konnte ich beim besten Willen nicht mehr sagen. Dazu war die Leiche viel zu zerschunden, verschmort und zertrümmert. Genauer gesagt hingen nur noch wenige verbrannte Fleischfetzen an den geborstenen Knochen, während trockenes Blut an den Steinen ringsum haftete.

Da wurde mir bewusst, welchen Ursprung der Gestank hatte. Sofort drehte ich mich um und übergab mich. Hastig stand ich auf, lief ein paar schwankende Schritte und brach schließlich auf einem Fleck unverbranntem Gras hinter einem Stein zusammen. Ich war plötzlich hundemüde und total fertig. Tränen der Verzweiflung und Trauer rannen über mein vor innerem Schmerz verzerrtes Gesicht.

Es war aussichtslos. Die verschmorte Leiche des Dieners hatte mir gezeigt, dass ich meinen Vater nicht mehr retten konnte. Alles war verloren. Mein Zuhause war zerstört und mein Vater höchstwahrscheinlich tot. Ich wusste nicht, wohin ich gehen oder was ich machen sollte. Und um dem Ganzen die Krönung aufzusetzen, wurde ich noch zu allem Überfluss in diese schreckliche Bestie verwandelt! In dieser Gestalt konnte ich mich von keinem Menschen blicken lassen. Wirklich, schlimmer konnte es gar nicht mehr kommen! Wieso musste mich das Schicksal so bestrafen?

Weinkrämpfe schüttelten mich, während ich mir auf die Lippen biss und mit einem Schluchzer kämpfte. >Oh, du verdammte Welt! Was hast du mir nur angetan?<, dachte ich verbittert.

Plötzlich vernahm ich ein leises Knacken. Es war so leise, dass es ein normaler Mensch gar nicht hören konnte, doch dank meines verbesserten Hörsinnes war es für mich klar und deutlich. Erschrocken drehte ich mich herum und rappelte mich auf, sodass ich hinter dem Fels kniete und darüber hinwegspähen konnte.

Es brauchte eine Weile, ehe ich den Ursprung des Geräusches herausfand: Zwei in Umhänge gehüllte Gestalten näherten sich vom unzerstörten Tor in der Mauer, die unser Grundstück umgab, den Ruinen. Sie setzten ihre Schritte mit Bedacht, konnten aber nicht verhindern, dass ich sie dennoch hörte. Einige Schritte vor dem ersten Trümmerhaufen blieben sie stehen.

Eine dieser verhüllten Personen steckte die Hände in die Taschen des Umhangs und stieß einen lauten Seufzer aus. „Ach herrje, was für eine Zerstörung! Ich glaube, hier gibt es nichts für uns zu holen!“, murmelte diese und ich erkannte an der tiefen, volltönenden Stimme, dass es ein Mann war.

Schreck durchzuckte mich. Waren das etwa Diebe, die nun versuchen wollten, irgendwelche Reichtümer aus den Ruinen zu bergen? Wenn das der Fall war, dann musste ich so schnell wie möglich weg von hier, ehe sie mich entdeckten.

Doch ein inneres Gefühl sagte mir, dass ich noch bleiben sollte. So bewegte ich mich nicht und wartete darauf, was die zwei Diebe noch zu sagen hatten.

Nun war es die zweite Gestalt, die einen Seufzer ausstieß, die Arme vor der Brust verschränkte und sagte: „Da hast du wohl recht. Aber was ist hier nur passiert? Das kann doch kein gewöhnlicher Brand gewesen sein!“ Auch die zweite Gestalt war ein Mann, allerdings war seine Stimme nicht so tief wie die des ersten, was mich darauf schließen ließ, dass er jünger war.

Der ältere Mann stieß ein Brummen aus. „Ich habe gehört, dass vor zwei Tagen ein Trupp Soldaten hier aufgetaucht sei. Man munkelt, der König habe sie geschickt, um den Hausherrn Arbas Lore’san und seine Dienerschaft ins Schloss zu bringen. Es sollte wohl zu seiner Sicherheit sein, aber Lore’san hatte sich dagegen gewehrt und ist zu Hause geblieben.

Tja, das war wohl die falsche Entscheidung, denn einen Tag darauf, mitten in der Nacht, erschütterte eine gewaltige Explosion die gesamte Stadt und zerriss dieses Haus. Es muss eine gewaltige Macht gewesen sein, aber wir können von Glück reden, dass es die umliegenden Villen nicht getroffen hat. Niemand kann sagen, wo die Explosion ihren Ursprung oder wer sie verursacht hat, aber es gibt Leute, die behaupten, dass sie vor diesem schrecklichen Vorfall eine Gruppe vermummter Gestalten auf dem Grundstück gesehen hatten. Aber das ist nur ein Gerücht“, erklärte er seinem jüngeren Begleiter, der daraufhin fragte: „Gibt es Überlebende, die vor der Explosion fliehen konnten?“

„Nein, die gibt es leider nicht. Keiner konnte entkommen. Selbst Arbas Lore’san, der sich in diesem Moment im Haus befunden hatte, wurde von der Explosion getötet, denn niemand hat daraufhin etwas von ihm gehört.“

Während ich den Dieben lauschte, machte sich erneut Entsetzen in mir breit. Wie um alles in der Welt konnte mein Vater nur so starrköpfig gewesen sein? Er hätte ins Schloss gehen sollen! Oder hatte Arbas einen bestimmten Grund? Leider konnte ich ihn nicht mehr fragen.

Ich richtete meinen Blick wieder auf die zwei Gestalten. Der Jüngere machte ein paar Schritte auf den nächsten Schutthaufen zu und stieß mit seinem Fuß einen Stein um.

„Naja, wie dem auch sei, lass uns wieder gehen! Ich glaube nicht, dass wir hier etwas finden werden. Außerdem behagt mir der Gedanke nicht, an solch einem Ort nach Beute zu suchen.“

Er drehte sich wieder um und sein älterer Gefährte nickte zustimmend. „Da hast du wohl Recht! Überlassen wir dieses Trümmerfeld den Leuten des Königs, die morgen kommen“, antwortete er und sie machten sich gemeinsam auf den Rückweg.

Ein großer Stein fiel von meinem Herzen, als ich die beiden Männer hinter der nächsten Ecke verschwinden sah. Gut, sie würden nun kein Problem mehr für mich darstellen. Dennoch heiterte mich diese Tatsache herzlich wenig auf, denn ich wusste immer noch nicht, was ich tun sollte.

Plötzlich musste ich gähnen und da fiel mir ein, dass ich dringend etwas Schlaf brauchte. Die vergangenen Tage waren sehr anstrengend und die Nacht in dieser Höhle unterm Baum war alles andere als erholsam gewesen.

Somit rappelte ich mich mühsam auf und suchte mir unter einem umgestürzten Baum an der Westseite unseres Grundstückes nahe der großen Grenzmauer einen sicheren Platz für die Nacht. Ich wollte das Grundstück noch nicht verlassen, denn ich musste das gesamte Ausmaß der Zerstörung bei Tageslicht betrachten. Dass weitere Diebe kommen könnten, kümmerte mich momentan wenig. Wenn ich schlief, würde ich sie sicherlich rechtzeitig hören und somit genug Zeit zum Verschwinden haben.

Als ich einen einigermaßen bequemen Platz gefunden hatte, rollte ich mich auf dem kalten Boden zusammen und versuchte, zu schlafen. Meine umherirrenden Gedanken machten es mir nicht leicht. Sie kehrten immer wieder zu meinem explodierten Zuhause und dem Elend, in dem ich steckte, zurück. Aber als ich schon die Hoffnung aufgeben wollte fiel ich endlich in einen unruhigen Schlaf, gespickt mit heimsuchenden Albträumen.
 

Mit eingezogenem Schwanz schlich eine kleine Gestalt an den schlafenden Sam heran und blieb einen Meter entfernt von ihm sitzen. Es war die rotbraune Katze und man konnte ihr regelrecht ihr Mitgefühl für den Jungen ansehen. Am liebsten wäre sie zu ihm hin gegangen und hätte ihn durch ein paar Schmuseeinheiten etwas aufgemuntert und ihm somit gezeigt, dass er nicht alleine war und sie seine Gefühle teilte. Doch sie wusste, dass sie das nicht konnte. Außerdem hätte es Sam sicherlich nicht geduldet, weil er ja keine Tiere mochte, wie sie schon festgestellt hatte.

Daher begnügte sich das kleine Raubtier damit, ihn zu beobachten, während sie ein leises, beschwichtigendes Schnurren von sich gab. Sie musste feststellen, dass Sam die Fähigkeit, selbst während des Schlafens alles in seiner Umgebung hören zu können, noch nicht nutzen konnte, sonst hätte er sie sicherlich wahrgenommen. Also fühlte sie sich dazu verpflichtet, die Nacht über auf ihn aufzupassen.

Die Katze schüttelte den Kopf. Dieser Junge musste noch viel lernen! Aber diese Tatsache minderte ihr Mitgefühl keineswegs. Ganz im Gegenteil, es wurde sogar noch größer. Da kam ihr plötzlich eine Idee und sie stand auf, kratzte sich kurz mit einem Hinterbein am linken Ohr und verschwand wieder in der Dunkelheit.

Kurz darauf kam sie wieder, hatte aber dieses Mal eine fette Maus im Maul, die bereits tot war. Diese Beute aß sie aber nicht selbst, sondern legte sie vor Sam auf den Boden.

Zufrieden mit dieser Tat setzte sich die Jägerin wieder auf ihren ursprünglichen Platz und beobachtete Sam weiterhin. Dadurch, dass sie sich nicht bewegte, glich sie einer Statue, die sich nur hin und wieder aus ihrer Erstarrung löste, um sich über die Flanke zu lecken oder die Ohren in eine Richtung zu lenken, aus der ein verdächtiges Geräusch kam.

Sie wusste, dass sie, wenn Sam wieder aufwachte, sofort wieder verschwinden musste.
 

Die ersten Sonnenstrahlen des neuen Morgens kitzelten mein Gesicht und ich wachte, geplagt von unzähligen Albträumen, wieder auf. Keuchend erhob ich mich und legte eine krallenbewehrte und noch immer blutige Hand an meine Stirn. Orientierungslos fragte ich mich, was ich hier machte, doch dann fiel mir alles wieder ein. Ein Stöhnen entrang sich meiner Kehle, als mir jeder Gedanke heiß und kalt durch den Kopf fuhr.

Natürlich war mein Schlaf alles andere als erholsam gewesen. Das hätte ich mir ja denken können. Noch immer schwirrten in meinem Kopf die Albträume und mein Rücken tat weh, als hätte ich auf einem Haufen Dornen geschlafen.

Nach einer Weile konnte ich wieder klar denken und richtete den Blick auf meine Umgebung. Es war früher Morgen und die Stadt begann, sich wieder zu regen, als einige Menschen schon aus den Häusern strömten, um ihren Arbeiten nachzugehen.

Mir war klar, dass ich so schnell wie möglich verschwinden musste, aber ich wollte unbedingt einen letzten Blick auf das Grundstück werfen. Also drehte ich mich um und begann, die Krone des umgestürzten Baumes hinaufzuklettern. Somit hatte ich einen guten Überblick über die Umgebung und die wenigen vom Herbst bunt gefärbten Blätter würden mich vor neugierigen Blicken schützen.

Es dauerte, zu meiner Überraschung, nicht lange und ich hatte einen einigermaßen stabilen Ast erreicht, der sich etwa zwei Meter über dem Boden befand. Eigentlich war ich noch nie gut im Baumklettern gewesen, denn ich hatte mich immer an jedem Ast den Kopf angestoßen oder war runter gefallen, sodass ich schnell die Lust daran verlor.

Doch, wie ich zu meinem großen Erstaunen feststellen musste, halfen mir die krallenförmigen Fingernägel und der Schwanz sehr dabei, das Gleichgewicht nicht zu verlieren und, um einen guten Halt an der verkohlten Rinde zu haben.

Oben an meinem Aussichtspunkt ließ ich meinen Blick über das Trümmerfeld schweifen, stets darauf bedacht, nicht zu der Leiche zu blicken, die ich gestern entdeckt hatte. Wie ich letzte Nacht schon festgestellt hatte, war keine einzige Mauer bis auf die südliche Grundmauer stehen geblieben. Überall lagen Bruchstücke herum und hier und da konnte ich etwas Goldenes aufblitzen sehen. Es waren wohl Überreste von unseren wertvollsten Sachen. Die Feuer waren allesamt abgebrannt, sodass ich keine einzige Bewegung mehr wahrnehmen konnte.

Zwar bot sich mir von dieser erhöhten Position nichts mehr, was ich nicht schon letzte Nacht gesehen hatte, aber dennoch gaben die morgendlichen Sonnenstrahlen und die neblige Luft dem Ganzen ein gruseliges und erschreckendes Aussehen.

Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken und ich begann, nach einer Weile wieder hinunter zu klettern. Als ich mich nur noch einen Meter über dem Boden befand, stieß ich mich ab und sprang, sodass ich federnd landete.

Ich wusste zwar immer noch nicht, was ich tun sollte, aber Tatsache war, dass ich von hier verschwinden musste, ehe die Leute von König Richard hier eintrafen. Ich legte die Ohren an und stieß unwillkürlich ein leises Knurren aus, denn ich hatte herzlich wenig Lust, in dieser Gestalt entdeckt, gefangen und ins Schloss gebracht zu werden. Auch wenn der König in meinen Augen ein guter Herrscher war, ich war mir aufgrund meiner Erfahrung bei den Spielleuten nicht sicher, was sie mit mir anstellen würden und mochte es auch gar nicht herausfinden.

Als ich bemerkte, was ich tat, hörte ich sofort auf zu knurren.

„Na toll, jetzt fängt das schon an!“, murmelte ich ärgerlich und schüttelte mich. Jetzt musste ich ja schon aufpassen, was ich im Unterbewusstsein tat!

Nachdem ich mich nun endlich wieder beruhigt hatte, drehte ich mich gen Norden und schritt auf das Tor zu, um das Grundstück zu verlassen. Doch ich hatte kaum zwei Schritte getan, als ich spürte, wie etwas Weiches unter meiner Schuhsohle zerquetscht wurde. Verwundert hielt ich inne, blickte nach unten und hob den Fuß. Dort lag, halb zerquetscht, eine tote Maus.

Angewidert rümpfte ich die Nase. „Ja igitt! Was hat denn die da zu suchen? Wie eklig!“, schimpfte ich und kickte den kleinen Leichnam wie zur Bekräftigung meiner Worte mit einer gekonnten Bewegung in den nächsten Schutthaufen. Anschließend rieb ich die vom Blut befleckte Schuhsohle trocken, als ich plötzlich nochmals inne hielt. Der Grund war, dass ich etwas Goldenes im Gras entdeckt hatte.

„Nanu? Was haben wir denn da?“ Ich legte den Kopf schief, lief zu der Stelle und ging dort in die Hocke, um mir das genauer anzusehen. Es sah aus wie eine goldene Kette. Vorsichtig streckte ich die Hand danach aus und hob das kühle Metall auf. Ich erschrak, als ich den sonnenförmigen Anhänger erblickte und die Kette wiedererkannte. Mein Vater hatte sie immer getragen.

Ich konnte mir nie erklären, was er an diesem hässlichen Stück so toll gefunden hatte, aber er hatte mir einmal erklärt, dass sie von meiner Mutter stammte. Auf einmal wurden meine Augen feucht, als ich an den sehnsüchtigen Gesichtsausdruck zurück dachte, den er immer hatte, wenn er von ihr sprach.

Plötzlich wusste ich, was ich tun musste. Ich stand auf und blickte auf den Anhänger in meiner Hand. Nach kurzem Zögern umfasste ich mit beiden Händen die Kette und legte sie mir um den Hals.

Ich werde meine Mutter suchen und ihr sagen, was meinem Vater widerfahren war. Zwar war mir diese Frau egal, schließlich hatte sie sich nicht um mich geschert und uns früh nach meiner Geburt verlassen, aber ich war es meinem Vater schuldig. Vielleicht konnte ich ihr somit auch noch zeigen, dass sie damals einen großen Fehler begangen hatte.

Wie um meinen Entschluss zu bestätigen, nickte ich, hob die Hand zur Kapuze meines Umhangs und zog sie mir über den Kopf. Somit konnten die Bewohner Tarirs meine absonderliche und verabscheuungswürdige Gestalt nicht sehen.

Anschließend wandte ich mich nach Norden und schritt auf das Tor zu, um das Grundstück endgültig zu verlassen. Bevor ich aber den ersten Schritt auf die Straße machte, drehte ich mich um und betrachtete mein zerstörtes Zuhause ein letztes Mal. Eine einzelne Träne lief an meinem Gesicht hinunter. Hastig wischte ich sie weg, wandte mich um und verschmolz mit dem Zwielicht, das aufgrund der aufgehenden Sonne zwischen den Mauern herrsche.
 


 


 

~Nacktes Grauen und ein Entschluss – Ende~
 

Metallenes Blut und eine Spur

Ich stieß einen großen Seufzer aus, lehnte meinen Kopf an die kühle Wand und blickte hinauf in den sternenübersähtem Himmel. Die Luft stank nach Abfall und Kloake. Ein nicht gerade angenehmer Geruch für meine empfindliche Nase, doch mir blieb keine andere Wahl, als an diesem Ort zu bleiben.

Weshalb, fragt ihr euch? Nun ja, ganz einfach: Ich habe zwei Probleme, weswegen ich nicht einfach so hinausgehen und umher spazieren kann.

Zunächst ist mir vollkommen schleierhaft, wie und wo ich die Suche nach meiner verschwundenen Mutter beginnen sollte. Klar, ich habe ihren Sonnenanhänger, doch was hilft mir dieser schon? Herzlich wenig, wie mir schien.

Wütend knirschte ich mit den spitzen Zähnen und versuchte angestrengt, ein Knurren zu unterdrücken. Das Schlimme an dieser Tatsache war, dass es im Moment nicht einmal mein größtes Problem war.

Okay, ich erkläre es euch: Vor ein paar Stunden, nachdem ich mein zerstörtes Zuhause verlassen hatte, traf ich an einem kleinen Brunnenplatz auf eine Gruppe von Frauen, die ihr allmorgendliches Geschwätz hielten. Schon von Weitem konnte ich die Worte verstehen, die sie zueinander sprachen.

Zunächst dachte ich mir nichts dabei und wollte schon auf den Platz treten, als ich plötzlich hörte, wie eine Frau über eine schreckliche Explosion im Kaufmannsviertel sprach. Sofort hielt ich inne, denn sie konnte nur die Explosion meinen, die mein Haus zerstört hatte. Daran gab es absolut keinen Zweifel.

Verstohlen schlüpfte ich hinter eine Hausecke und belauschte die Frau weiterhin. Sie schilderte, welch große Erschütterungen es gab und, dass die Flammen selbst im großen Umkreis noch zusehen gewesen waren. Anschließend berichtete die Tratschtante, dass ihr Mann bei der Rettungs- und Löschaktion mitgeholfen hatte, da sie ja nicht weit entfernt vom Unfallort wohnten.

Dies alles waren keine recht wertvollen Informationen für mich und ich wollte mich schon fast abwenden, als ich plötzlich Folgendes vernahm: „Und, stellt euch vor, angeblich soll ja niemand diese Katastrophe überlebt haben, doch nun wird vermutet, dass der Sohn von Arbas, Sam Lore'san, zu jenem Zeitpunkt gar nicht im Haus war. Selbst mein Sohn kann bestätigen, dass er ihn einen Tag zuvor auf der Straße gesehen hatte. Er wollte offensichtlich zum Marktplatz, doch ich frage mich, was ein solcher Schnösel dort zu suchen hatte.

Nun ist es mir aber klar, denn ich habe gehört, dass die Soldaten des Königs nach ihm suchen. Ich weiß nicht, weshalb, aber ich verwette meine linke Hand darauf, dass Sam hinter dieser Explosion steckt und geflohen war, damit der Verdacht nicht auf ihn fällt und er später das gesamte Erbe seines Vaters einkassieren kann.

Tja, da hat er wohl die Rechnung ohne unseren König gemacht! Ich hoffe wirklich sehr, dass dieser kleine verzogene Bengel so schnell wie möglich geschnappt wird, bevor noch ein weiteres Unglück geschieht!“

Während die anderen Frauen überraschte und empörte Ausrufe ausstießen, machten sich in mir die verschiedensten Gefühle breit. Da war zum einen überschäumende Wut auf diese alte Schwätzerin, da sie es tatsächlich gewagt hatte, mich zu beleidigen und mir solch eine Tat anzuhängen! Nur, weil ihr verdammter Sohn, der zweifellos einer dieser blöd gaffenden Kinder war, denen ich an jenem Tag auf dem Weg zum Marktplatz begegnet war, mich gesehen haben soll! Zornig ballte ich die Fäuste und achtete nicht darauf, dass sich meine spitzen Fingernägel schmerzhaft ins Fleisch gruben. Ich wollte schon fast aus meinem Versteck springen und die Frau aufs Übelste beschimpfen, doch da war ein anderes, viel stärkeres Gefühl, das mich eisern zurück hielt: Angst, genährt von Panik.

Diese hatte ihren Ursprung natürlich darin, dass ich tatsächlich gesucht wurde. Und nicht nur aus einem harmlosen Grund, sondern, weil sie in mir den Schuldigen für das Unglück sahen. Diese Tatsache schränkte meinen Handlungsfreiraum erheblich ein, denn ich wollte auf keinen Fall von ihnen gefasst werden. Von nun an musste ich mich vorsichtiger als ohnehin schon verhalten.

Mit einem letzten kurzen Blick auf die Frauengruppe beherrschte ich meine Wut und vergewisserte mich, dass ich von ihnen nichts Interessantes mehr erfahren würde. Geschwind drehte ich mich um und huschte in eine düstere Gasse.

Tja, und nun war ich hier, saß auf dem glitschigen Boden, hatte den Kopf an die Wand gelehnt und machte eine kleine Pause. Die letzten Stunden hatte ich damit verbracht, auf der Suche nach weiteren Informationen ziellos durch die Straßen Tarirs zu laufen. Natürlich hatte ich große Plätze vermieden und war stets darauf bedacht, keinen Soldaten zu begegnen, da sie meine, in einen Umhang gehüllte, Gestalt sicherlich sofort verdächtig gefunden hätten.

Dies hatte sich als keine so leichte Aufgabe erwiesen, da die Stadt voll von Soldaten war. Sie waren sicher alle auf der Suche nach mir. Doch dank meiner neuen Fähigkeiten gelang es mir, ihnen jedes Mal auszuweichen. Leider hatte ich allerdings nichts Neues mehr in Erfahrung bringen können.

Keuchend verzog ich das Gesicht. Was sollte ich nur machen? Weiterhin nach Informationen suchen oder die Stadt verlassen? Schließlich wurde meine Situation zunehmend unangenehmer.

Ein lautes Knurren ließ mich aus meinen Gedanken fahren. Verwirrt blickte ich mich um, doch ich konnte nichts entdecken. Auf der Suche nach weiteren Geräuschen drehte ich meine Ohren in alle Richtungen. Da wurde es mir klar: Es war mein leerer Magen, der sich zu Wort meldete.

Ich stöhnte. Wann hatte ich das letzte Mal etwas zu Essen? Es musste wohl nach meiner Flucht vor den Spielleuten gewesen sein, als ich den Beerenbusch gefunden hatte. Das war schon einige Zeit her und ich wunderte mich, warum ich nicht schon früher Hunger bekommen hatte. Vielleicht hatte ich es verdrängt oder mein Körper hatte sich auch auf diese Weise verändert.

Eigentlich spielte es für mich keine große Rolle. Tatsache war, dass ich etwas zwischen die Zähne brauchte. Doch wo sollte ich jetzt etwas finden? Ich hatte nichts dabei und konnte nur etwas kaufen. Allerdings hatte ich kein Geld. Ich Idiot hatte, als ich vor ein paar Tagen mein Zuhause verließ, keine einzige Münze mitgenommen. Gut, die Banditen, die mich kurz darauf überfallen hatten, hätten es mir sowieso wieder weg genommen, doch, als ich erneut die Möglichkeit dazu hatte, war ich einfach ohne einen Groschen oder etwas Wertvollem vom zerstörten Grundstück gegangen und habe es den Häschern des Königs überlassen.

Verzweifelt hieb ich mir den Kopf und raufte die rotbraunen Haare. Mensch, wie blöd konnte ich eigentlich sein?! Natürlich könnte ich auch Lebensmittel stehlen, allerdings wäre das für einen Noblen wie mich nicht denkbar und ich wollte das Risiko nicht eingehen. Schließlich konnten dadurch die Bewohner und die Soldaten auf mich aufmerksam werden.

Auf einmal fiel mir die tote Maus ein, auf die ich beim Verlassen des Trümmerfeldes, das einmal ich einmal mein Zuhause nannte, getreten war. Ich war nicht sicher, warum, aber jetzt erschien mir solch ein kleiner Happen nun doch ganz schmackhaft. Doch ich musste sie ja wegwerfen, ohne sie zu essen.

Ich stieß einen klagenden Laut aus. Na toll, nun saß ich hier wie ein Häufchen Elend, das das Schicksal als Spielball benutzte. Ich hatte kein Zuhause mehr und keine Ahnung, wo ich suchen sollte, wurde von Soldaten gesucht und hatte zu allem Überfluss noch Hunger, nur um ein paar missliche Punkte aus meinem aktuellen Leben aufzuzählen. Na, kriegt ihr schon Mitleid mit mir?

Ich wollte schon den Mund öffnen und einen tiefen Seufzer ausstoßen, als ich plötzlich die Luft anhielt. All meine Muskeln spannten sich an, ehe ich nun doch mit einem Laut der Erkenntnis ausatmete.

„Natürlich! Wieso bin ich nicht gleich darauf gekommen?“, stieß ich hervor, während sich meine Gedanken überschlugen. Der Grund dafür war, dass ich nun endlich wusste, was zu tun war. Während ich über meine aktuelle Lage nachgedacht hatte, war mir plötzlich jemand eingefallen, der ebenso seine Familie verloren hatte: Gret, der alte Mann, mit dem ich nach Tarir gekommen war.

Eine Vorahnung beschlich mich, derzufolge Gret mir vielleicht mit meiner Suche helfen konnte. Schließlich war er bereits viel gereist und hatte demnach einiges zu Gesicht bekommen.

Wo ich mit meiner Suche nach ihm beginnen sollte, wusste ich auch schon. Ich würde einfach an den Ort zurück kehren, an dem wir uns getrennt hatten, und dort die Spur aufnehmen. Er durfte sicher noch nicht weit sein.

Voller neuem Elan stemmte ich mich hoch und streckte mich. Daraufhin rückte ich meinen schwarzen Umhang zurecht und überprüfte akribisch, ob meine Kapuze über den Kopf gezogen war. Wenn ich Glück hatte, konnte ich Gret heute noch finden.

Ich drehte mich um und wollte schon loslaufen, als mir ein abscheulicher Geruch in die Nase stieg, der seltsam vertraut war. Ich schnupperte in die Luft und vernahm die penetranten Gerüche von Mist, Alkohol und etwas, das ich nicht benennen konnte. Irgendwo hatte ich schon einmal so etwas gerochen.

Während sich meine Gedanken überschlugen, hörte ich auf einmal hinter mir ein leises Knacken, dicht gefolgt von rauem Gelächter. Erschrocken drehte ich mich um - und blickte in die verhüllten Gesichter von drei Männern. Ich sog scharf die Luft ein, als ich sie erkannte: Es waren die selben drei Ganoven, die mich vor ein paar Tagen kurz vor meinem Zuhause überfallen hatten! Vor Schreck wich ich einen Schritt zurück.

>Verdammt, ich hätte aufmerksamer sein sollen!<, ärgerte ich mich über mich selbst. Aber jetzt war es leider zu spät und ich musste eine Möglichkeit finden, heil hier raus zu kommen, denn ich konnte mir denken, was sie von mir wollten.

Es erklang erneutes Gelächter. „Hehehe, na, Kleiner? Haben wir dich erschreckt? Keine Angst, wir tun dir nichts. Vorausgesetzt, du machst ja schön das, was wir dir sagen und rückst dein Geld heraus!“, sprach ihr Anführer und ließ nachdrücklich seinen Dolch durch die Luft sausen.

Ich schluckte. Was sollte ich nur tun? Da kam mir plötzlich in den Sinn, dass diese drei Banditen nicht ganz unbeteiligt daran waren, dass ich nun in dieser Gestalt und ohne Zuhause durch die Gassen von Tarir schleichen musste. Wut kochte in mir hoch. Das werden sie büßen!

Trotzig stellte ich mich aufrecht hin. „Geld, sagst du? Tse, ich sag dir, was ihr dreckigen Hunde von mir bekommt: Eine Abreibung, die ihr nicht so schnell vergessen werdet!“, antwortete ich und spuckte ihnen vor die Füße.

Ich blickte in ihre Augen und stellte befriedigt fest, dass in ihnen Verwirrung und Verblüffung aufblitzten. Sollten sie doch Angst haben!

Doch dieser Triumph währte nur kurz, denn bald darauf zuckte der Anführer nur mit den Schultern. „Alles klar, wenn du meinst, es auf diese Weise versuchen zu wollen, nur zu!“

Wie auf einen stillen Befehl hin zog einer seiner Gefährten einen Wurfdolch heraus und schleuderte diesen nach mir. Dies geschah in solchen Sekundenbruchteilen, dass ein normaler Mensch niemals die Zeit gehabt hätte, dem Dolch auszuweichen. Doch ich war nicht normal und schon gar nicht mehr ein Mensch.

Somit gelang es mir, mich unter die Klinge hinweg zu ducken. Ich verschwendete keine Zeit und rannte sofort auf meine Angreifer zu. Mit einem wilden Knurren auf den Lippen überwand ich schnell die Distanz. Ich konnte es kaum abwarten, mit ihnen abzurechnen, das ihr sicherlich gut nachvollziehen könnt.

Als ich nur noch drei Schritte von ihnen entfernt war, hörte ich plötzlich über mir ein Rauschen. Es wurde lauter, bis – jemand krachte von oben in mich hinein und rang mich zu Boden. Ein vierter Angreifer! Brutal landete ich auf den harten Steinen. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst. Diese Idioten hatten mich tatsächlich in einen Hinterhalt gelockt.

Sofort stürzten sich auch die anderen drei auf mich und begannen, auf mich einzuschlagen. Jeder Hieb brachte eine erneute Schmerzwelle hervor.

Ich schrie auf, nicht nur vor Schmerz, sondern auch aus Zorn. Purem Zorn, der wie eine Naturgewalt über mich herein brach. Jetzt schlugen mich diese Bastarde schon wieder halb tot! Natürlich versuchte ich, mich zu wehren. Wild um mich schlagend wollte ich mich aus ihrem Griff befreien und aufstehen. Doch es war zwecklos.

Mir wurde zunehmend schwarz vor Augen. Kurz bevor ich das Bewusstsein verlor, fiel mein Blick auf den Sonnenanhänger meines Vaters und die Erinnerung an ihn kam in mir hoch. Als ich an sein tragisches Schicksal dachte, kam plötzlich ein neues Gefühl hinzu: Unbrechbarer Überlebenswille. Er kam in solch einer starken und heißen Welle, dass er meinen gesamten Körper durchflutete und mein Blickfeld knallrot färbte.
 

Still saß sie in einer dunklen Ecke und beobachtete das Dilemma, in das Sam verwickelt wurde. Am liebsten wäre sie sofort aufgesprungen und hätte ihn gewarnt oder geholfen, doch dies war ihr ausdrücklichst untersagt worden. Somit blieb der kleinen Jägerin mit den klugen Augen nichts anderes übrig, als zuzusehen.

Es brach ihr das Herz, zu sehen, wie der Junge zusammengeschlagen wurde. Diese Banditen waren schon übel und gemein, wenn sie ihn in einen solchen Hinterhalt lockten!

Gerade eben schlugen sie auf seinen Kopf ein. Bald würde er bewusstlos sein. Anschließend würden ihn die Banditen bestimmt durchsuchen und sein dunkles Geheimnis herausfinden.

Erneut musste sich die Katze beherrschen und sich zwingen, nicht einzugreifen. Sie ließ die Ohren hängen und blickte zur Stelle, wo sein Gesicht, das noch immer durch den Umhang verborgen war, sein musste. Plötzlich hob die Katze verwirrt den Kopf. Hatte sie richtig gesehen? War unter der Kapuze gerade eben nicht etwas Rotes aufgeblitzt?

Ihre Augen begannen schelmisch zu leuchten. Es gab doch noch Hoffnung für Sam!

Gerade, als sie sich dieser Tatsache bewusst wurde, drang ein wildes Knurren aus der Kehle des verprügelten Jungen. Gleichzeitig stemmte er sich mit solcher Kraft nach oben, die alle vier Angreifer davon schleuderte. Einer der Banditen schlug mit dem Kopf voran gegen eine Hauswand. Man konnte deutlich das Brechen des Genicks hören. Er war sofort tot und fiel schlaff zu Boden.

Während sich die restlichen drei panisch aufrappelten, war Sam schon längst auf den Beinen.

„Ihr … entkommt … mir … NICHT!“, kam eine Stimme unter der Kapuze hervor. Doch diese Stimme klang absolut nicht wie die von Sam. Sie war viel wilder und von Hass durchtränkt.

Mit diesen Worten stürzte sich Sam auf den nächsten Feind und zerriss diesem mit den Krallen die Kehle. Dieser hatte nicht den Hauch einer Chance, um sich zu verteidigen und brach in seiner eigenen Blutlache zusammen.

Der nächste Bandit hatte sich soweit von seinem Schock erholt, dass er zum Angriff übergehen konnte. Wild schwang er sein Kurzschwert und ging auf Sam los. Dieser wich den Schwerthieben rasend schnell aus. Der Räuber hatte keine Möglichkeit, ihn zu treffen. Nachdem sie ein paar Sekunden ihren tödlichen Tanz aufgeführt hatten, gelangte Sam durch einen geschickten Sprung an die Rückseite des Diebs. Mit einem gezielten Fußkick traf er diesen am Hinterkopf und brach ihm dort sämtliche Knochen.

Sofort ließ Sam von diesem nun toten Körper ab und wandte sich an sein letztes Ziel: Es war der Anführer, der die Szene mit zunehmender Furcht beobachtet hatte.

Als nun der Blick ihres eigentlichen Opfers, das sich als Albtraum entwickelt hatte, auf ihn richtete, begann er zu stammeln: „Bbbbitte! Tut mir nichts! Nehmt meine Gefährten und lasst mich ihn Ruhe!“

Mit diesen Worten drehte er sich um und begann zu rennen. Er musste aus der Gasse, die zu ihrem eigenen Verhängnis wurde, auf eine belebtere Straße!

Durch die Flucht des Anführers nur noch mehr angestachelt, rannte Sam diesem auf allen Vieren nach. Innerhalb kürzester Zeit hatte er ihn eingeholt und machte sich zum Sprung bereit. Seine Kapuze fiel vom Kopf und entblößte sein wildes, von einem Knurren verzerrtes Gesicht.

Die Katze, die noch immer das Schauspiel betrachtete, blickte in Sams Augen. Ihre Vermutung bestätigte sich, denn sie leuchteten nicht mehr in dem satten Dunkelgrün, sondern hatten einen extremen Rotstich.

Erfreut über diese Tatsache schlug die stille Beobachterin mit dem Schwanz und stieß ein kurzes Gurren aus.

Währenddessen war Sam mit einem gigantischen Sprung auf seinem Opfer gelandet und hatte es zu Boden gerissen. Ohne zu zögern, schlug er die Zähne in dessen Hals und riss ihm mit einem wilden Kopfschütteln die Kehle auf. Der Mann fing an zu zappeln und versuchte dadurch, seinen Angreifer abzuschütteln. Doch Sam biss eisern zu und wartete ab, bis sein Feind erstickte und er den letzten Herzschlag vernahm.
 

Blut. Nach Eisen schmeckendes Blut vermischt mit salzigem Schweiß und Dreck. Dies waren die ersten Dinge, die ich roch, als ich wieder zu mir kam. Verwirrt blinzelte ich mit den Augen, da meine Sicht verschwommen war. Als sich mein Blick schließlich klärte, konnte ich den Anführer unter mir sehen. Er war tot, seine Kehle auf grauenvolle Weise zerfetzt. Ich blinzelte nochmals. Was war geschehen? Wieso lag dieser Mann, der mich eben noch verprügelt hatte, tot auf dem Boden?

Vorsichtig stand ich auf und begutachtete meine Umgebung. Da waren die anderen drei Räuber. Mit einem kurzen Blick erkannte ich, dass sie das selbe Schicksal wie ihr Anführer ereilt hatte.

Plötzlich merkte ich, dass ich das Blut nicht nur roch, sondern auch schmeckte. Angeekelt spuckte ich aus und unterdrückte ein Würgen. Ich hob die Hand und wollte mir den Mund abwischen, doch ich zögerte, als ich sie betrachtete. Auch sie war voller Blut. Panisch blickte ich an mir herunter und erkannte, dass auch der Umhang und meine ohnehin schon zerfetzte Tunika ebenfalls blutgetränkt waren.

In Gedanken versunken und aufs Äußerste angespannt, blickte ich nochmals die Leichen an. Der Schwanz zuckte nervös, doch ich merkte es nicht.

Nach einer Ewigkeit, so schien es mir, zuckte ich zusammen und wich von dem Schauplatz zurück. Der Grund dafür war, dass mich eine Vorahnung beschlich, wer für dieses Massaker verantwortlich war. Und das war kein anderer als ich selbst.

Aber wie konnte es sein? Ich war ja bewusstlos gewesen, oder etwa nicht? Ich konnte es mir nicht erklären, doch es bestand die Tatsache, dass niemand sonst hier gewesen war, denn ich hätte sonst seinen Geruch bemerkt. Ebenso erkannte ich, dass ich schleunigst von hier verschwinden musste.

Mit vor Entsetzen verzerrtem Gesicht wandte ich mich um und rannte tiefer in die Gasse. Während meine Gedanken Purzelbäume schlugen, versuchte ich angestrengt, ungesehen möglichst weit weg vom Tatort zu gelangen.

Es war ein Segen, dass Tarir in diesem Teil, dem Armenviertel, aus vielen engen und verzwickten Gassen bestand, in denen nachts nur wenig bis überhaupt keine Menschen umher liefen, das womöglich an der Ausgangssperre liegen konnte. Somit gelang mir meine Flucht, ohne gesehen zu werden.

Nachdem ich mir sicher war, dass die Entfernung reichte, bog ich um eine letzte Hausecke und lehnte mich keuchend an die Wand. Meine Brust hob und senkte sich deutlich. Als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, ließ ich meinen Blick über meine Umgebung schweifen.

Ich stand in einem kleinen Hinterhof, der nicht einmal Platz für zehn Männer bot. An den Wänden der angrenzenden Häuser standen mehrere Krüge, die mir bis an die Hüfte reichten. Vorsichtig hob ich einen Deckel an und lugte hinein. Zu meiner Erleichterung sah ich, was ich im Moment am meisten brauchte: Wasser.

Ohne zu zögern, nahm ich den Deckel vollständig ab, tauchte die Hand in das kühle Nass und begann, mich abzuwaschen.

Es kümmerte mich wenig, dass das Wasser abgestanden und modrig roch. Auch ignorierte ich dieses komische Gefühl, das mich von der Berührung mit Wasser abhalten wollte. Schließlich musste ich all das Blut weg bekommen. Doch das Schwerste war, nicht in noch mehr Selbstekel zu versinken. Ich hatte ja offensichtlich vier Menschen getötet und versuchte nun angestrengt, nicht daran zu denken.

Während ich mich wusch, fiel mir ein, dass es nicht das erste Mal war, dass ich mich in dieser Stadt nach einem Kampf mit ekligem Wasser wusch. Damals waren es aber Hunde, drei an der Zahl, gewesen, die mich angegriffen hatten. Als ich an diese Bestien zurück dachte, entrann sich mir ein leises Knurren. Wenn ich diesen Kötern noch einmal über den Weg laufen sollte, dann kriegen sie eine Abreibung, die sich gewaschen hat. Auch, wenn meine Verletzungen größtenteils geheilt waren, so war der Gedanke an diesen abscheulichen Kampf immer noch äußerst unangenehm.

„Und diese Katze kann mir auch gestohlen bleiben! Dieses undankbare Stück hatte ja nichts Besseres zu tun, als sofort abzuhauen!“, murmelte ich zu mir selbst.

Ich merkte nicht, dass eben jene Katzendame auf einem nahem Hausdach saß und mich aus klugen und stolzen Augen betrachtete. Natürlich hatte sie die Worte gehört, doch sie entlockten ihr nur ein kurzes Schwanzzucken. Es kümmerte sie nicht, was der Junge für eine Meinung von ihr hatte, denn sie wusste es besser und war sich stets der Dankbarkeit bewusst, die sie für Sam empfand.

Nach wenigen Minuten hatte ich das gröbste Blut von meinen Kleidern und meiner Haut weg gewaschen. Leider prangten auf Umhang und Tunika immer noch große Flecken, doch dies war nicht weiter schlimm. Schließlich würde der Umhang die Kleider darunter überdecken und der schwarze Stoff ließ nicht erahnen, dass die Flecken von Blut stammten.

Zufrieden mit der Arbeit legte ich meinen Umhang um und zog die Kapuze ins Gesicht. Nun würde ich meine Suche nach Gret beginnen.

Ohne einen weiteren Gedanken an das von mir angerichtete Massaker zu verschwenden, drehte ich mich um und verschwand in den Schatten, welche die noch junge Nacht auf die Straßen zeichnete.

Mein Ziel war der Platz vor dem Nordtor, wo sich die Wege von Gret und mir getrennt hatten.

Nun war ich noch mehr auf der Hut vor Soldaten und möglichen Banditen. Meine katzenartigen Ohren waren aufs Äußerste gespitzt und drehten sich in jede Richtung. Meine Augen durchschnitten die Nacht auf der Suche nach jedem noch so kleinen Anzeichen von Gefahr. Meine Nase sog immerzu die Luft ein, um verräterische Gerüche aufzufangen. Mein gesamter Körper war angespannt und ich versuchte, möglichst wenig Lärm auf meiner Wanderschaft zu verursachen.

Somit gelang es mir, den ganzen Weg über unentdeckt zu bleiben, bis ich zum Nordtorplatz gelangte. Hier zeigte sich eine kleine Schwierigkeit: Zwei Wachen waren zu beiden Seiten des Tores postiert und hatten den gesamten Platz genau im Blick.

Ich unterdrückte einen Seufzer. Es wäre wohl zu schön gewesen, wenn meine Suche nach Gret ohne weitere Probleme verlaufen wäre.

Doch es war nicht gänzlich aussichtslos. Zwar hatten die Soldaten einen guten Blick auf den Platz, doch ihre menschlichen Augen vermochten nicht viel in der Dunkelheit auszumachen. Somit konnte ich von Schatten zu Schatten eilen, ohne von ihnen gesehen zu werden. Kurz darauf erreichte ich den Rand des Platzes, wo ich Gret zuletzt gesehen hatte.

Ich wusste instinktiv, was ich tun musste. Mit einem kurzen Blick auf die Wachen, die mich zum Glück noch nicht bemerkt hatten, schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf meine Erinnerungen von Gret, während ich gierig die Luft einsog. Mein Ziel war, einen Geruch zu finden, der mich an Gret erinnerte. Diesem würde ich in der Hoffnung folgen, den alten Mann zu finden.

Dieses Vorhaben war leichter gesagt als getan, denn in der Luft befanden sich hunderte von Gerüche von ebenso vielen Menschen, die innerhalb der letzten Tage das Nordtor passiert hatten. Außerdem konnte ich die Gerüche zwar wahrnehmen, doch es war unheimlich schwer, einen festzuhalten und ihn nicht wieder zu verlieren. Dies erforderte all meine Konzentration, sodass ich nur noch wenig von meiner Umgebung mitbekam.

Ich vernahm die unterschiedlichsten Gerüche von angenehmen Parfüm bis hin zu stinkendem Schweiß und Kot. Doch keiner war dabei, der mich an Gret erinnerte.

Es erschien mir schon bald, als würde ich schon ewig hier stehen und allmählich machten sich in mir Unbehagen und Verdruss breit. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde meine aussichtslose Situation klarer und ich selbst immer nervöser. Ich wusste, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte und wollte schon aufgeben.

Ein letztes Mal wandte ich mich um, ließ mich zu Boden gleiten und atmete tief die aromenreiche Luft ein. Plötzlich hatte ich ihn. Ich war so erstaunt und überrascht, dass ich fast diesen Geruch wieder losgelassen hätte. Doch ich riss mich zusammen und klammerte mich an ihn wie ein halb Ertrunkener an ein Fass.

Es war zwar nicht direkt der Geruch von Gret, den ich erkannt hatte, doch dieser würde es ebenso gut machen. Falls ihr euch fragt, auf wessen Geruch ich da gestoßen war, so will ich euch nicht in Unwissenheit lassen: Es war der von Grets braunem Pferd. Ich weiß, es mochte absurd klingen, doch glaubt mir, ich war mir ziemlich sicher, dass es der Richtige war. Dieses abgemagerte Tier roch wirklich einzigartig nach Wald, Fell, Gras und Schweiß.

Glaubt es oder nicht, doch ich Idiot hatte es doch tatsächlich gewagt, einen kleinen Freudenschrei auszustoßen. Natürlich hörten dies die Soldaten vorm Tor und einer machte sich sofort daran, in meine Richtung zu eilen, um dem Geräusch auf den Grund zu gehen.

Alarmiert blieb mir keine Zeit, mich über diese Unachtsamkeit meinerseits zu ärgern. Geschwind drehte ich mich um und eilte in die Gasse, in der der Geruch des Pferdes zu verschwinden schien. In der Hoffnung, dass mich der Soldat nicht lange verfolgte, bog ich um einige Hausecken und folgte dem Weg, der mir der Geruch wies.

Ich merkte, dass es mir in den kleinen Gassen viel leichter fiel, die Spur des Geruches nicht zu verlieren. Das mochte wohl daran liegen, dass hier weitaus weniger Menschen und Tiere unterwegs gewesen waren.

Zu meiner großen Freude verlief die Suche problemlos. Auch der Soldat müsste wohl bald von mir abgelassen haben. Außerdem wurde die Fährte immer stärker und frischer, während ich dem Weg Richtung Südwesten folgte. Schon bald war ich am westlichen Rand der Stadt angekommen und stand nach gut einer Stunde Fußmarsch vor dem Eingang eines äußerst schäbigen Wirtshauses. Dem Geruch nach zu urteilen war das Pferd mitsamt Karren in den angrenzenden Stall gebracht worden und Gret befand sich bestimmt in dem Gebäude.

Ich zögerte, bevor ich an die Tür trat. Sollte ich es wirklich wagen und eintreten? Ich konnte deutlich Musik, Gerede und Klirren hören, das durch die Tür zu mir drang. Ich war eindeutig kein Fan von Wirtshäusern und der sich dort herumtreibenden Gesellschaft. Angewidert verzog ich das Gesicht und trat nun doch zur Tür. Jetzt war ich schon so weit gekommen, da konnte ich nicht einfach kneifen. Ich musste es tun.

Meine zitternde Hand streckte sich gen Türknauf, ergriff ihn und drehte ihn herum. Schnell öffnete ich die Tür, huschte hinein und schloss sie geschwind wieder.

Drinnen wurde ich quasi überflutet von Lärm und Gestank der feiernden Menge, die mich, wie es schien, zu meiner großen Erleichterung nicht bemerkt hatte. Nichtsdestotrotz blieb mir keine andere Wahl, als ein paar Sekunden benommen neben der Tür zu stehen und mich zu sammeln, denn all diese Eindrücke waren keineswegs eine Wohltat für meine empfindlichen Sinnesorgane.

Da ihr euch sicherlich fragt, wie meine derzeitige Umgebung aussah, so werde ich es euch gerne erklären: Wie erwartet befand ich mich in einem mittelgroßen Schankraum vollgestopft von lallenden Säufern. Zu meiner rechten Seite befand sich eine große Theke, an der die Gäste auf schiefen Hockern saßen, während im restlichen Raum in regelmäßigen Abständen Tische und Stühle aufgestellt waren. Wie schon gesagt war der Raum voll, sodass einige der feiernden Menschen stehen mussten. In einer Ecke gegenüber der Bar war eine freie Fläche, auf der eine Gruppe von Barden versuchte, die Stimmung noch mehr anzuheizen und meiner Meinung nach mehr schlecht als recht Musik spielte.

Mittlerweile war meine Verwirrung verschwunden und ich verspürte angeekelt den Drang, sofort umzudrehen und wieder hinaus zu gehen. Doch ich musste nach Gret suchen. Das war leichter gesagt als getan, denn bis jetzt konnte ich den alten Kerl nicht in der Menge ausmachen.

Ich machte ein paar Schritte in den Raum hinein, als sich plötzlich ein betrunkener Mann aus der Menge löste und auf mich zugetaumelt kam. Erschrocken wich ich zurück, als ich mit dem Ellenbogen gegen einen Krug auf einem Tisch stieß und diesen über die Tischkante schob. Reflexartig fing ich ihn auf und stellte ihn wieder zurück, ohne etwas vom Inhalt zu verschütten. Noch ehe sich der Betrunkene oder ich selbst über diese Reaktion wundern konnten, wurde ich am Ärmel gezogen.

Überrascht und alarmiert drehte ich mich um. Mein Schock legte sich sogleich, als ich in das von Falten durchfurchte und freundliche Gesicht blickte, das ich gesucht hatte. Sprachlos und hocherfreut blickte ich ihn an, der seinerseits zurück lächelte, auch, wenn er mein Gesicht natürlich nicht sehen konnte.

„Na, wen haben wir denn da? Wenn das nicht mein kleiner Begleiter ist, mit dem ich in diese Stadt gekommen bin! Ich wusste doch, dass wir uns wieder sehen. Sag mir, was führt dich in ein Loch wie dieses?“, fragte der alte Mann und blickte mich interessiert an.

Mit einem kurzen Blick vergewisserte ich mich, dass sich niemand der Tischnachbarn für uns interessierte und beugte mich zu Gret.

„Ich habe dich gesucht, Gret! Ich muss dich etwas Wichtiges fragen und zwar sofort“, flüsterte ich ihm als Antwort zu.

Die Dringlichkeit in meiner Stimme musste ihm wohl gezeigt haben, wie ernst ich es meinte, denn er nickte, trank ohne ein Wort das Bier oder den Met in seinem Krug aus und stand auf. Mit einer Handbewegung signalisierte er mir, dass ich ihm folgen sollte und ging voraus quer durch die Menschenmenge hindurch auf eine unscheinbare Treppe zu, die ich vorhin nicht bemerkt hatte. Wir stiegen hinauf bis zum zweiten Stockwerk und bogen in einen Gang ein. Am Ende dieses Ganges blieb Gret vor einer Tür stehen, schloss diese auf und ließ mich zuerst eintreten. Er folgte mir und verschloss die Tür wieder.

„So, hier können wir ungestört reden!“, brach Gret die bedrückende Stille und drehte sich zu mir um.

Plötzlich zeigte sich ein Blitzen in seinen Augen.

„Aber zuerst Folgendes: Du kannst deinen Umhang mitsamt Kapuze ruhig abnehmen, denn ich weiß wer und was du bist, Sam Lore'san.“
 

~Metallenes Blut und eine Spur-Ende~
 

Fortschritte und tödliches Nass

Derio starrte müde an die mit Muscheln und Seesternen verzierte Decke. Es war früher Morgen und der junge Xeno lag noch immer in seinem Bett. Bald würde die Trainingseinheit bei ihrem Meister Zen beginnen, doch er brachte es nicht über sich, aufzustehen und sich fertig zu machen.

Seit Tagen schon verbrachte er seine gesamte freie Zeit nach dem Training mit Nanja, die ihm den Umgang mit dem Siku beibrachte. Auch, wenn Derio fast keine Fortschritte machte und die Wurfscheiben immer noch größtenteils ihr Ziel verfehlten, blieb seine Freundin erstaunlich gelassen und erklärte ihm geduldig, was er tun sollte. Doch dieses spezielle Training forderte seinen Tribut: Derio wachte jeden Morgen mit heftigen Muskelschmerzen auf und brachte es nur schwer fertig, aus dem Bett zu kommen.

Tief seufzend wälzte er sich herum. „Tja, es bringt wohl nichts! Ich muss raus. Außerdem lindert das Wasser sicherlich den Schmerz“, meinte er zu sich selbst und stemmte sich mit einem Ruck hoch. Stöhnend stand der Prinz auf und rieb sich die schmerzenden Muskeln.

Derios Zimmer war eine kleine Grotte eines riesigen Höhlenkomplexes, der dem Oberhaupt ihres Volkes, seinem Vater, zustand. Überall befanden sich kleine Teiche und an den Wänden flossen Rinnsale von klarem Wasser herab.

Sein Bett befand sich auf einer Seite der Höhle und bestand aus einem riesigen Seeschwamm als Matratze und einer dünnen Algendecke. Luxuriöse oder dekorative Einrichtungsgegenstände, wie sie haufenweise in den Schlössern der Menschen zu finden waren, gab es hier nicht.

Noch immer müde zog sich Derio die Weste, das typische Kleidungsstück des Prinzen, über und legte die drei Gurte an, an denen seine Waffen und Taschen hingen. Nachdem er sich kurz mit Wasser bespritzt hatte, das sich in seinem Zimmer in einer Schale auf einem Sockel sammelte, wandte er sich zum Ausgang seiner Grotte und schritt in den Gang hinaus. Sein Ziel waren die großen Speisesäle am anderen Ende der Königshöhlen.

Derio schritt zielsicher durch die Gänge und, obwohl das Höhlensystem äußerst komplex war, verirrte er sich nie. Schließlich war der Xeno hier aufgewachsen und kannte jeden noch so kleinen Winkel.

Nach ein paar Minuten war er im kleinsten Speisesaal angekommen. Dort wimmelte es nur so von Bediensteten, die das Frühstück für das Clanoberhaupt und seine Familie herrichteten. Sie alle machten Derio Platz, als dieser durch die übergroße Türe schritt und sich auf seinen Stuhl setzte. Allgemein waren alle Räume und Gänge überdurchschnittlich groß. Selbst der Stuhl von Lored hatte überdimensionale Ausmaße, sodass kein normaler Xeno bequem darauf sitzen konnte.

Gerade, als Derio den Stuhl berührte, kamen auch schon seine Eltern herein. Seite an Seite schritten sie durch die Tür. Schon beim ersten Anblick des Paares wurde dem Betrachter schnell klar, weshalb die gesamten Räumlichkeiten so viel Platz boten. Es war weniger ein Ausdruck von Prunk und Reichtum, sondern besaß vielmehr praktische Gründe: Während Derios Mutter Tamia eine ganz normale Statur und Körpergröße besaß, so überragte Lored alle anderen Xeno bei weitem. Er war mindestens doppelt so groß wie ein normaler Vertreter ihres Volkes und hatte dadurch eine weitaus imposantere Erscheinung. Diese enorme Körpergröße war unter dem Königsgeschlecht der Xeno ganz normal und diente als praktischer Schutzmechanismus. Schließlich musste ein König seine Untertanen beschützen und das ging besser, wenn er doppelte Größe und Kraft besaß.

Ja, Derio sollte ebenso einmal zu solch einer Größe heranwachsen, doch dies zeigte sich erst in ein paar Jahren, wenn er einen Wachstumsschub bekam. Bis dahin behielt er eine normale Körpergröße für einen Xeno in seinem Alter. Dem Jungen behagte die Vorstellung ganz und gar nicht, einmal wesentlich größer als alle anderen zu sein, doch dies war eine Tatsache, die er hinnehmen musste.

Als das Paar zu seinem Platz am anderen Ende des Tisches schritt, nickten die beiden ihrem einzigen Sohn zu. Tamia war eine wunderschöne rote Xenodame mit gelben und gutmütigen Augen und langen, dünnen Auswüchsen, die sie zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Ihr Gemahl besaß dieselbe Hautfarbe wie Derio und hatte markante Gesichtszüge sowie einen äußerst strengen aber freundlichen Blick. Beide hatten eine eindrucksvolle Erscheinung, doch das Paar war äußerst gutherzig und leitete sein Volk mit liebevoller Hand. Demnach waren sie sehr beliebt und hoch angesehen.

Sobald Tamia und Lored auf ihren Plätzen saßen, hörten die Bediensteten mit ihren Vorbereitungen auf und verzogen sich. Der riesenhafte Xeno blickte seinen Sohn aus blauen Augen an. „Guten Morgen, mein Sohn. Ich hoffe, dass du gut geschlafen hast und dich auch heute wieder im Training anstrengst“, waren seine Worte und die tiefe Stimme hallte wie der Donnerschlag eines Wasserfalles durch den Saal.

Derio senkte kurz den Blick. „Ja, Vater, das habe ich und ich werde weiterhin mein Bestes geben“, brachte dieser heraus.

Natürlich wusste Lored vom miserablen Talent seines Sohnes, was die Siku betraf, doch er war sich ebenso bewusst, dass Derio seit kurzem Sondertraining unternahm. Somit nickte das Oberhaupt mit einem Lächeln und antwortete nur: „Gut so.“

Mit diesen Worten konnten sie ihr Frühstück beginnen. Gierig lud sich Derio die verschiedensten Fisch- und vor allem Pflanzensorten auf den aus Korallen gefertigten Teller. Die Speisen verschlang er schnell. Natürlich waren ihm die guten Essenssitten bewusst, doch musste er diese nicht an den Tag legen, wenn er nur mit seinen Eltern aß. In solchen Sachen waren die beiden ziemlich tolerant, das er natürlich sehr begrüßte.

Schon bald war das Frühstück für Derio beendet und er war wohl gesättigt und gestärkt für den Tag. Obwohl seine Eltern noch lange nicht fertig waren, stand er dennoch auf, nickte ihnen zum Abschied zu und verschwand. Solch ein Verhalten mochte dem Betrachter unhöflich erscheinen, doch seine Eltern wussten, dass er ins Training musste.

Ein erneuter Weg durch die halbdunklen Gänge führte ihn zu einer riesigen Höhle, in welcher ein unterirdischer See lag. Dies war die Eingangshalle, obwohl der Gang, aus dem Derio trat, der einzige war, der dorthin führte. Auch befand sich keine Tür oder ein Tor in einer der hohen Wände, aus denen man hätte hinaus ins Freie gelangen können.

Doch Derio schritt unbeirrt in die Höhle und auf den See zu, dessen Ufer äußerst flach verlief. Leise rauschend berührten die Wellen Derios Beine, als dieser durch das sonst stille Wasser watete. Als ihm das Wasser bis zur Hüfte reichte, machte er einen Kopfsprung und schwamm mit kräftigen Zügen tiefer in den See. Erst unter Wasser eröffnete sich einem die wahre Bedeutung dieses Gewässers: Tief unter der Oberfläche befand sich in der Felswand ein prächtiges Tor, das direkt in den äußeren See führte und Derio somit nach draußen brachte. Dies erklärte auch, weshalb das Wasser noch immer so unruhig war: Die Wachen hatten die Tore vor kurzem geöffnet und hatten somit das Wasser in Bewegung gebracht. Besagte Wachen schwammen nun auf der Stelle und beobachteten aufmerksam jede Regung in der Nähe des Tores. Als der Prinz diese passierte, salutierten sie kurz und zeigten somit diesem ihren Respekt ihm gegenüber. Derio seinerseits nickte ihnen zur Begrüßung und als Antwort zu, obwohl er dieses Ritual immer wieder aufs Neue verabscheute.

Auf der anderen Seite tauchte der junge Xeno wieder auf und schwamm ans Ufer zurück, das dieses Mal etwas steiler ausfiel. Dort atmete er ein paar Mal tief durch und ließ seine noch immer steifen Schultern kreisen.

„Okay, erneut auf ins Verderben!“, sprach er zu sich selbst und machte sich auf den Weg zum Trainingsplatz, wo ihn sicherlich schon Nanja erwarten würde.

Das Training bei Meister Zen verlief wie eh und je: Trotz Derios Anstrengungen wurden seine Fertigkeiten im Umgang mit den Sikus nicht sonderlich besser, allerdings glänzte er weiterhin im Dolchkampf. Hin und wieder bekam Derio einige fiese Sprüche von Ribo zu hören. Falls Nanja zufällig in der Nähe war, so warf diese dem Unruhestifter einen bösen Blick zu, doch Derio starrte wie immer auf den Boden und gab keine Antwort, aus Sorge, ihm könnte Schlimmeres zustoßen. Somit war er ein leichtes, wehrloses Opfer für Ribos Sticheleien.

Nach einer halben Ewigkeit, so erschien es ihm, war die heutige Trainingseinheit zu Ende und Nanja und Derio begaben sich an ihren Übungsplatz außerhalb des bewohnten Gebietes der Xeno. Dort konnten sie ungestört üben.

Es verlief wie immer: Derio machte schwache Fortschritte und ließ sich von Nanja Tipps geben. Doch irgendwas an Nanjas Verhalten verriet ihm, dass sie mit ihm über etwas reden wollte. Als sie nach einer Weile immer noch nichts sagte, wollte er sie darauf ansprechen, doch da kam sie ihm doch zuvor, als sie das Sikuwerfen unter Wasser übten.

„Ich verstehe nicht, wieso du dich ständig von Ribo so einschüchtern lässt! Verstehe mich nicht falsch, aber dir gebührt eines Tages die Aufgabe, uns alle hier anzuführen! Wie sollst du das hinkriegen, wenn du es noch nicht einmal schaffst, gegen Ribo zu bestehen?“, fragte sie ihn mit ernster aber ruhiger und besorgter Stimme.

Derio starrte sie zuerst total verblüfft an. Er war auf so etwas nicht vorbereitet gewesen. Aber, wenn er so darüber nachdachte, war es sowieso eine Frage der Zeit gewesen, wann ihn jemand darauf ansprechen würde. Nichtsdestotrotz wusste der Kronprinz keine Antwort darauf und ließ nur traurig den Kopf hängen.

Nanja seufzte. „Ach, Derio! Nimm es mir bitte nicht übel, aber jemand musste das mal ansprechen. Sieh her, du wirst immer besser mit dem Siku und daraus solltest du etwas mehr Selbstvertrauen schöpfen“, sagte die Xenodame und schwamm an Derios Seite. Dort legte sie eine Hand an sein Kinn und hob den Kopf ein wenig an, sodass er gezwungen war, in ihre himmelblauen Augen zu blicken.

„Ich will dir nur helfen, verstehst du?“ Sie lächelte ihn aufmunternd an und nun wusste Derio gänzlich nicht mehr, was er antworten sollte. Er spürte sogar, dass er aufgrund Nanjas plötzlicher Nähe etwas rot im Gesicht wurde.

Hektisch stammelnd versuchte er dann doch ein paar Worte heraus zu bekommen: „Ich ... äh ich danke –.“ Weiter kam er nicht, denn plötzlich rauschte ein riesiger Schatten an ihnen vorbei. Die Druckwellen, die dieser Schatten verursachte, waren so stark, dass Derio und Nanja auseinander gerissen wurden. Wie aus weiter Ferne hörte er ihren schrillen Schrei, doch dann kehrte sofort wieder Stille ein.

Hektisch brachte sich Derio wieder in eine aufrechte Position und blickte sich nach seiner Freundin um. Wo war sie? Und war sie verletzt? Wieso hatte sie so geschrieen? Und was mochte dieser Schatten bedeuten? Dies alles waren Fragen, die durch seinen Kopf schossen und die er leider nicht beantworten konnte.

Zu seiner großen Erleichterung fand er sie kurz darauf unterhalb von ihm, mit einem Gesichtsausdruck, den er noch nie an ihr gesehen hatte: Angst und Verzweiflung verzerrten ihre sonst hübschen Gesichtszüge.

Aufs äußerste alarmiert schwamm er sofort zu ihr.

„Hey, alles in Ordnung?“

„Derio! Oh gut, du bist noch hier und unverletzt! Stell dir vor, das war ein Aalhai!“

„Ein Aalhai? Aber -.“ Derio konnte nicht weiter sprechen, denn genau in diesem Moment kam das lange, mit Stacheln übersäte Ungetüm aufs neue auf sie zu geschwommen.

Reflexartig zückte Derio seinen Dolch und verpasste dem Tier eine leichte Schnittwunde oberhalb des rechten Auges. Mit diesem Angriff hatte er den Vorstoß des Monsters aufgehalten, denn der Aalhai schrie auf und schwamm schnell aus seiner Reichweite und begann, sie beide zu umkreisen. Der Blick aus diesen wilden Augen schien sie zu durchbohren.

Nun kroch auch die Angst in Derios Glieder. Was machte dieses Monster nur hier? Wie war es an den Wachen und Patrouillien vorbei gekommen? Waren sie nun verloren? Doch das waren erneut Fragen, auf die er keine Antwort wusste. Wichtig war nun, hier weg zu kommen.

Wütend und zugleich verängstigt blickte Derio den Aalhai an. Es war ein ungefähr fünf Meter langer, haiähnlicher Koloss. Allerdings besaß dieses Tier einen etwas schmaleren Körper, der vor allem an der Schwanzflosse wie ein Aal aussah. Um das furchteinflößende Auftreten noch perfekt zu machen, besaß der Aalhai am gesamten Körper Stacheln, die durchaus dieselbe Länge wie Derios Unterarm besaßen.

Plötzlich schrie Nanja überrascht auf. „Meine Glocke! Das Monster hat sie!“

Derio blickte zuerst zu Nanja und dann zum Aalhai zurück, der sie immer noch hungrig umkreiste. Dort konnte er tatsächlich eine von Nanjas Glocken an einem krummen Rückenstachel des Monsters erkennen. Er wusste, dass diese Glocken Nanja sehr viel bedeuteten, denn sie waren ein Erbstück ihrer verstorbenen Mutter.

Plötzlich fasste Derio einen Entschluss. Er umklammerte den Griff seines Dolches fester.

„Warte hier“, sagte er zu seiner Freundin und schwamm davon, geradewegs auf das Monster zu. Der Xeno hatte zwei Ziele: Er wollte die Glocke für Nanja zurückholen und gleichzeitig den Aalhai von hier weglocken. Das, was Nanja ihm noch nachrief, überhörte der junge Xeno einfach. Er war zu sehr darauf konzentriert, zu beweisen, dass etwas Anderes in ihm steckte, als ein schüchterner Junge, der im Schatten seines großartigen Vaters stand und darin gänzlich verschwand.

Scheinbar aller Angst beraubt schoss Derio auf das Tier zu. Beinahe sah es so aus, als ob sich Derio dem Fisch ungesehen nähern konnte, doch da hatte er sich eindeutig getäuscht. Das Ungetüm war auf einen Angriff vorbereitet und schnappte in dem Moment nach Derio, als dieser über es hinweg schwimmen und die Glocke an sich reißen wollte. Hektisch wich der Xeno im letzten Moment mit einer Seitwärtsrolle aus.

>Verdammt! Das Tier ist schnell!<, dachte er sich und wich nochmals einem Angriff des Aalhais aus. Allerdings war diese Rolle wesentlich langsamer, sodass sich ein Stachel tief in seinen linken Arm bohren konnte.

Derio schrie auf und sein Gesichtsfeld wurde plötzlich rot-schwarz vor Schmerz. Es schien, als wäre das zukünftige Clanoberhaupt nicht mehr kampffähig und somit dem Aalhai schutzlos ausgeliefert. Das Ungetüm sah seinen Vorteil und begann erneut, auf den nun im Wasser taumelnden Xeno zuzuschwimmen. Nur noch ein letzter Angriff und er hatte seine Beute, dieser Tatsache war sich der Verletzte schmerzlich bewusst.

Als das Monster und Derio nur noch einen Meter voneinander trennten, surrte auf einmal etwas heran und bohrte sich oberhalb des rechten stachelbesetzten Auges tief in das Fleisch des Fisches.

Erneut schrie der Aalhai auf und brach seinen Angriff ab. Dieser Schrei brachte Derio wieder zu Bewusstsein. Verwirrt bemerkte er, dass Nanja ihr Siku nach dem Aalhai geworfen und ihm somit das Leben gerettet hatte.

Nur kurz durchflutete Derio das Gefühl tiefster Dankbarkeit, denn er bemerkte, dass ihr Angreifer sich noch immer nicht geschlagen gab und nun aus Rache einen Angriff auf Nanja startete.

Derio schrie auf, umklammerte seinen Dolch und schwamm rasend schnell auf den Aalhai zu. Das konnte er nicht zulassen! Während er das Tier einholte, nahm er ein Siku vom Rücken und bewarf es damit. Überraschenderweise bohrte sich die Waffe tief in die Schwanzflosse des Monsters. Doch Zeit, sich über diesen unerwarteten Treffer zu freuen, gab es nicht.

Der Xeno hatte das nun etwas langsamer gewordene Ungetüm eingeholt und verpasste ihm einen Schnitt quer über den Rücken, während er mit der linken Hand nach dem Glöckchen griff und es vom Stachel riss. Sein Angriff hatte Erfolg und lenkte die Aufmerksamkeit des Aalhais wieder auf den blauen Xeno.

Mit einem letzten Blick auf Nanja machte Derio kehrt und schwamm davon, um das Tier aus dem Lebensraum der Xeno zu locken. Insgeheim hoffte er, unversehrt wieder zurück zu kommen, um Nanja die Glocke geben zu können.

Sein Plan schien zunächst Erfolg zu haben und das Monster schwamm ihm tatsächlich nach. Doch es besaß trotz seiner Verletzungen noch einiges an Energie und konnte den Abstand zwischen ihnen stetig verringern. Der durch seine Wunde deutlich geschwächte Xeno war sich seiner misslichen Lage durchaus bewusst, doch ihm fiel nichts anderes ein, als weiter zu schwimmen.

Er musste die Grenze erreichen und konnte sich dort dann verstecken. Vielleicht hatte er ja Glück und traf dort auf eine Gruppe ihrer Krieger, die regelmäßig patrouillierten. Diese konnten ihm sicherlich helfen.

Durch diesen Gedanken fasste Derio neue Kraft und schwamm wieder etwas schneller voran. Außerdem hielt er sich ziemlich nah am Grund des Sees, wo viele Algen und hohe Pflanzen wuchsen. Diese müssten den Aalhai in seiner Bewegung etwas hemmen, da sich die Pflanzenfasern ständig zwischen seinen scharfen Stacheln verfingen und ihn zurückhielten. Allerdings wurde die Wut des Tieres keinesfalls gehemmt. Immer wieder stieß es wütende Schreie aus, die Derio sagten, wie nahe es ihm schon war.

Plötzlich machte der Aalhai einen Schub nach vorne und schnappte nach Derios Fuß. Dieser schrie auf und machte eine Seitwärtsrolle, sofern es ihm sein verletzter Arm erlaubte. Um Haaresbreite entging er dem Angriff und schwamm gehetzt weiter. Bald, bald hatte er die Grenze erreicht. Es musste nicht mehr weit sein.

Auf einmal spürte er einen starken Sog, der ihn tiefer nach unten zog. Zu spät bemerkte er seinen Fehler: Wegen der Verfolgung in Gedanken versunken, hatte er nicht auf seinen genauen Weg geachtet und war nun in einen Strudel gekommen. Dies war allerdings kein normaler Strudel. Nein, er befand sich über einer Öffnung im Fels, durch die das Wasser unter die Berge nach draußen, also außerhalb des Tals, floss.

Derio versuchte noch, panisch gegen die Strömung anzukämpfen, doch es war zu spät. Sowohl er als auch der Aalhai wurden erfasst und durch das Loch gezogen. Bevor es gänzlich dunkel wurde, sah der Xeno, wie der Kopf seines Verfolgers auf einem scharfen Felsen aufschlug. Das Knacksen war selbst durch die tosenden Wassermassen zu hören, bevor das Tier tot zusammenbrach.

Daraufhin umfing Derio tiefste Dunkelheit und Panik überflutete ihn nun gänzlich. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte auch nichts tun gegen diese Wassermassen, die ihn hin und her warfen und immer tiefer zogen.

Sein letzter Gedanke war, dass er wenigstens Nanja erfolgreich gerettet hatte, ehe sich ein tiefer Schmerz über seinen Hinterkopf ausbreitete und sein Körper erschlaffte.

Der Xeno wurde nun gänzlich vom Berg verschluckt, umgeben von tiefster Schwärze und tödlichem Nass.
 

~ Fortschritte und tödliches Nass – Ende ~
 

Erkenntnis und Hoffnung

Mein Körper war wie zu Eis erstarrt. Ich starrte Gret ungläubig an und meine Gedanken rasten. Was wollte der alte Mann von mir? War das sein Ernst? Wusste er tatsächlich über mich Bescheid?

Auf einmal war ich mir über Grets guten Charakter nicht mehr so sicher. Vielleicht wollte er mich nun gefangen halten und hatte sogar schon die Soldaten verständigt, die mich – gegen eine Belohnung natürlich – abholen und wegbringen würden.

Als sich der erste Schock gelegt hatte, spannte ich meine Muskeln an, entblößte nervös meine spitzen Zähne und suchte nach einem Fluchtweg. Die Tür fiel schon einmal weg. Sie war zugesperrt und Gret stand davor. Dann gab es nur noch das Fenster. Doch wir befanden uns im zweiten Stock und ich war mir nicht sicher, ob ich selbst mit meinen neuen Fähigkeiten einen solchen Sprung heil überstehen würde.

Verdammt! Wieso passierte mir nur so etwas?

Ratlos und gehetzt wandte ich meinen Blick vom Fenster ab und starrte Gret an. Wenn es hart auf hart kam, musste ich mich wohl mit ihm anlegen. Konnte ich ihn dann wirklich überrumpeln? Oder würde er mich zur Strecke bringen? Bei solch einem alten Mann wusste man ja nie, wie sie so tickten.

Gret schien zu durchschauen, was ich vorhatte und lächelte, sodass die zahlreichen Falten in seinem Gesicht tiefer wurden.

„Keine Angst, Sam. Du brauchst nicht zu denken, ich würde dich gefangen halten“, sagte er mit seiner tiefen Stimme. Er wandte sich um und zuerst dachte ich, er wollte mir den Weg zum Fenster versperren und damit meine Flucht vereiteln. Doch er ging erneut zur Tür und sperrte sie wieder auf. Er öffnete sie, trat einen Schritt zur Seite und blickte mich aus Augen an, die nur so vor Klugheit und Güte leuchteten.

„Siehst du? Du kannst gehen, wenn du möchtest. Ich hindere dich nicht daran. Ich habe nur abgesperrt, damit wir in Ruhe und ungestört miteinander reden können. Aber, wenn du das nicht mehr tun möchtest, dann kannst du gerne wieder gehen. Eines sei dir jedoch bewusst: Ich bin dein Freund und werde keinem über dich und dein wahres Wesen erzählen. Selbst, wenn du jetzt gehen würdest. Also, wie entscheidest du dich?“

Na gut, ich musste zugeben, dass ich noch immer skeptisch war, doch dann wurde mir die wahre Tragweite seines Angebots bewusst. Er meinte es wohl tatsächlich ernst und ich musste zugeben, dass Gret wohl mehr über mich wusste, als ich erwartet hatte. Dies machte mich natürlich neugierig. Außerdem brauchte ich dringend Antworten, somit entschied ich mich, seinen Worten Glauben zu schenken.

Ich hörte auf, wütend die Zähne zu fletschen. Falls er doch was Übles plante, konnte ich ihn sicherlich dennoch überwältigen und fliehen. An diesem Gedanken hielt ich mich fest.

„Gut, ich glaube dir, Gret“, antwortete ich nun zögernd und entspannte mich ein wenig, als ich Grets strahlendes Gesicht sah.

„Super, dann haben wir das geklärt.“ Er schloss die Tür wieder. „Bist du dann so freundlich und nimmst deinen Umhang ab? Ich möchte gerne dein Gesicht sehen. Keine Angst, ich erschrecke mich schon nicht. Ich habe schon ziemlich viele Dinge in meinem Leben gesehen, unter anderem auch Leute wie dich, Sam.“

Ich zögerte. Bis auf die Menschen, die mich eingesperrt hatten, hatte mich noch keiner so gesehen. Doch, wenn es stimmte, was Gret sagte, so konnte ich ruhig die Kapuze abnehmen. Außerdem wusste er offenbar sowieso schon, was ich war. Da war er mir einen Schritt voraus, denn dies, so musste ich zugeben, wusste ich selbst noch nicht.

Nachdem ich einmal tief ein- und ausgeatmet hatte, hob ich die Hand und zupfte die Kapuze in den Nacken, sodass mein Kopf frei war und sich meine Ohren normal bewegen konnten. Erst jetzt bemerkte ich, welch beklemmendes Gefühl es war, die ganze Zeit über die Kapuze zu tragen. Dadurch wurde ich gezwungen, die Ohren flach auf dem Kopf anzulegen. Nun konnte Gret sowohl die Ohren, als auch meine Augen und die Reißzähne sehen.

Erwartungsvoll sah ich zu Gret. Was war seine Reaktion?

Zuerst sah er mich mit einem neutralen Blick an, doch dann fing er zu meiner großen Überraschung zu Lachen an. Etwas überrumpelt blickte ich ihn an. Ich hatte erwartet, dass er dennoch erschrak oder angeekelt reagierte. Doch dies war offenbar nicht der Fall. Gret lachte noch immer, ehe er etwas zu Atem kam.

„Also, dir muss auf jeden Fall noch klar werden, dass du deine Emotionen nun wesentlich deutlicher zeigen kannst!“, sagte er und zwinkerte mir zu.

Erst da bemerkte ich, dass ich vor lauter Schüchternheit und Beklommenheit die Ohren unglücklich seitlich vom Kopf abstehen ließ. Sofort stellte ich sie wieder aufrecht und konnte mir ein kleines Grinsen nicht unterdrücken. Es ist also gut gelaufen.

„Nun setz dich und wir können über alles reden, was dich beschäftigt, sofern ich eine Antwort auf deine Frage weiß“, meinte Gret und deutete auf einen Stuhl.

Froh über dieses Angebot ließ ich mich darauf nieder. Mir schwirrten so viele Fragen im Kopf umher, dass ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte.

Nachdem sich auch Gret auf einen Stuhl gesetzt hatte, sah er mich ruhig und wartend an. Ich öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus.

Gret lächelte erneut.

„Nun, dann denke ich, dass ich dir zuerst einmal darüber erzählen werde, wie ich wusste, wer und was du bist.

Als wir uns das erste Mal in dem Dort trafen, hatte ich noch keine Ahnung von dir. Doch ich wusste, dass dich etwas Geheimnisvolles umgab. Dies hatte mich aber nicht gestört, ganz im Gegenteil. Ich war froh um einen Mitreisenden in diesem verängstigten Land und schenkte dir mein Vertrauen, indem ich dir von meiner Vergangenheit erzählte.

Nachdem wir uns in Tarir getrennt hatten, ging ich meinen Erledigungen nach und quartierte mich anschließend in diesem Gasthaus ein. Währenddessen schnappte ich wilde Gerüchte über ein explodiertes Herrenhaus auf, die alle besagten, dass der verdächtigte Übeltäter, der Sohn des Besitzers mit dem Namen Sam Lore'san, bereits überall gesucht wurde.

Da ich deinen Vornamen bereits kannte, kam ich zu dem Schluss, dass du dieser Sam Lore'san sein musstest. Doch ich wusste gleich, dass du nicht schuld an dieser Explosion warst. Schließlich wärst du nicht mehr hierher zurückgekehrt, wenn du gesucht wirst. Außerdem ist der Vorfall passiert, während wir gemeinsam unterwegs waren.

Natürlich war ich mir in meiner Vermutung deiner Herkunft erst sicher, als ich dich vorhin hier im Gasthaus wieder traf, denn wäre bei dir alles in Ordnung, hättest du mich nicht gesucht. Offenbar bin ich deine letzte Hoffnung.“

Gret machte eine Pause und ließ mich erst einmal alles verdauen. Es war erstaunlich, wie der alte Mann alle logischen Schlüsse gezogen hatte. Dies zeugte davon, dass Gret äußerst scharfsinnig war.

Endlich fand ich meine Stimme wieder und konnte antworten.

„Du hast Recht, mein Name ist Sam Lore'san. Ich bin der Sohn von Arbas Lore'san, der bei der Explosion unseres Zuhauses umgekommen ist.“ Als ich diese Worte laut aussprach, wurde mir erneut dieser Verlust klar. Außer meinem Vater hatte ich niemanden. Nur ein Andenken an meine Mutter. Meine Mutter! Ich musste sie finden, wenn sie noch lebte. Um meines Vaters Willen und, um herauszufinden, warum sie uns verlassen hatte!

So fuhr ich fort: „Aber diese Explosion habe ich nicht verursacht, da hast du Recht. Doch es erklärt nicht die Frage, woher du von meinem Aussehen weißt.“

Der alte Mann lächelte. „Wie genau du aussiehst, wusste ich zugegebenermaßen nicht. Doch ich konnte es mir vorstellen. Dein Auftreten mit dem Umhang und deine Reflexe, die du vorhin unten in der Gaststube hattest, zeigten mir genug, um es mir zu denken. Außerdem kannte ich deine Mutter.“

Mein Herz machte einen Sprung. Meine Mutter? Erschrocken blickte ich Gret an und griff an meine Brust. Dort holte ich ihren Anhänger hervor und blickte ihn an. Bekam ich nun eine Antwort auf all meine Fragen?

„Du ... kennst sie?“, flüsterte ich.

„Ja, das tue ich. Du musst wissen, sie war einst vor Jahren ebenso mit mir gereist wie du. Sie war auch in einen Umhang gehüllt und fragte mich, ob ich sie ein Stück von einem Dorf bis zum Großen Wald mitnehmen könnte. Zuerst war auch sie verschlossen, doch dann wurde sie doch offener und erzählte mir einiges: Ihr Name wäre Zyra Lore'san und sie stammte vom Volk der Kani. Sie war auf dem Weg von Tarir zum Großen Wald, wo ihr Volk lebte. Dies musste wohl gewesen sein, nachdem sie dich und deinen Vater verlassen hatte, denn sie erzählte mir voller Wehmut von dieser Trennung. Warum sie dies getan hat, kann ich dir leider nicht sagen, aber eines weiß ich: Es fiel ihr nicht leicht.“

Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. Meiner Mutter fiel es schwer, uns zu verlassen? Aber warum hatte sie es überhaupt getan? Da es Gret leider nicht wusste, blieb mir nichts anderes übrig, als es einfach so hinzunehmen. Allerdings dämpfte es keineswegs den Zorn darüber, dass sie uns im Stich gelassen hatte.

„Du sagtest, sie stammt vom Volk der Kani. Was oder wer ist dieses Volk?“, stellte ich meine nächste Frage.

„Sag mir, Sam: Wie weit bist du mit der Geschichte dieses Landes vertraut?“, fragte Gret, bevor er antwortete.

Ich stutzte aufgrund dieser Frage. „Nun, nicht sonderlich viel, muss ich zugeben. Nur, dass die Linie von König Richard schon seit einigen Jahren dieses Land regiert. Außerdem hatte mir mein Lehrer immer ganz verrückte Geschichten erzählt, die ich ihm nicht geglaubt hatte.“

„Nun, das ist wirklich nicht viel. Dein Vater hatte wohl nicht viel Wert darauf gelegt, dass du ordentlich in der Geschichte unseres Landes unterrichtet wirst. Das ist ihm allerdings auch nicht übel zu nehmen, denn es ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, von dem es besser wäre, wenn kaum noch jemand davon weiß. Doch ich werde sie dir erzählen: Du musst wissen, dass in Lyrius vor Jahrhunderten die verschiedensten Völker friedlich zusammengelebt hatten. Die Kani war eines dieser Völker. Doch dann erlangten die Menschen zu viel Macht und hatten begonnen, die anderen Völker zu tyrannisieren. Eine Menge blutiger Kriege entstanden und viele Wesen wurden dabei getötet. Dies führte dazu, dass die Völker nach und nach von der Menschheit ausgerottet wurden. Sie waren einfach nicht zu stoppen und die wenigen übrig gebliebenen Völker sahen sich gezwungen, sich zurück zu ziehen und im Verborgenen zu leben. Dieses Land hatte schwer unter diesem Krieg gelitten und auch heute noch sieht man die tiefen Wunden, die dieses Land zerfurchen, wenn man nur genau hinsieht.“

Gret seufzte und blickte traurig drein. Ich zuckte mit dem Schwanz. Das klang alles nach der Geschichte, die mir auch mein Lehrer erzählt hatte. Also war sie wahr. Und Gret schien dies sehr zu belasten. Anscheinend war er ein Fürsprecher der anderen Völker, das ihn wohl zu einem engerem Verbündeten für mich machte.

„Und die Kani? Haben sie überlebt?“, versuchte ich, ihn aus seinen traurigen Gedanken zu reißen. Er hatte mir immer noch nicht alles erzählt.

Gret schrecke hoch. „Ah ja, die Kani. Ja, offenbar haben sie überlebt, sonst wäre ich deiner Mutter vor einigen Jahren nicht begegnet und offenbar verstecken sie sich im Großen Wald am westlichen Rande von Lyrius. Leider kann ich dir dazu nicht mehr sagen, denn kein Mensch hat sich bisher in diesen Wald gewagt und dieser Wald ist wirklich riesig, ein schwarzes Meer aus Blättern, Sträuchern und Bäumen.

Nun zu den Kani selbst. Die Kani sind eine Unterart der Werwesen oder Fellwechsler. Ja, sie konnten ihre Gestalt verändern. In ihrer menschlichen Form unterschieden sie sich kaum von einem normalen Menschen, doch sie konnten auch komplett die Gestalt eines Tieres annehmen. Die Kani können sich in Raubkatzen verwandeln. Es gibt aber angeblich auch Arten, die sich in hundeartige Tiere verwandeln können. Ich vermute, dass einige von ihnen noch unter uns leben, wie es einst deine Mutter tat. Schließlich konnte man sie wie gesagt nur schwer von einem Menschen unterscheiden. Dabei mussten sie sich sehr anstrengen und vorsichtig sein.“

Gret machte erneut eine Pause. Seine Erzählung entsetzte mich zunehmend. Meine Mutter war ein Werwesen? Also war ich überhaupt kein Mensch? Angewidert über mich selbst rümpfte ich die Nase und schüttelte mich. Also war dies kein Fluch sondern mein Blut? Das Erbe meiner Mutter? Doch wieso sah ich bis vor kurzem wie ein normaler Mensch aus? Diese Fragen stellte ich auch Gret. Dieser hörte mir geduldig zu und nickte.

„Ja, du müsstest eine Art Mischling zwischen einem Kani und einem Menschen sein. Ich wusste nicht, dass so etwas möglich ist, aber du bist der lebende Beweis dafür. Offenbar kannst du allerdings deine Gestalt nicht ändern, was es für dich problematisch macht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Allerdings scheinst du sowohl die Fähigkeiten als auch das Aussehen der Menschen und der Kani in dir zu vereinen. Das ist wirklich sehr interessant.

Warum du bis vor kurzem wie ein Mensch ausgesehen hast, kann ich dir leider nicht sagen. Vielleicht war es ein sehr starker Verhüllungszauber oder deine wahre Gestalt zeigt sich nur ab einem bestimmten Zeitpunkt in deinem Leben.“

Toll, jetzt scheine ich also etwas Außergewöhnliches zu sein. Das half mir nicht wirklich weiter. Auch die Aussicht, dass ich wohl immer in dieser Gestalt mit dem Schwanz, den Augen und den Ohren herumlaufen musste, begeisterte mich auch nicht sonderlich. Doch ich schluckte meinen Ärger hinunter und stellte die nächste Frage: „Was meinst du mit den Fähigkeiten der Menschen?“

„Du musst wissen, dass ein paar von uns Menschen einst die Elemente beherrschen konnten, was sie zu etwas Besonderem machte. Sie waren Magier und sie wurden von den normalen Menschen hochgeschätzt, aber auch gefürchtet. Dennoch waren diese Magier dann auch der Grund, weshalb diese schrecklichen Kriege angefangen hatten. Durch die Kraft, die in den Adern dieser Elementarmagiern floss, fühlten sich die Menschen schnell überlegen und griffen die anderen Lebewesen an. Doch diese Menschen sind heute mit ihrem Wissen leider größtenteils ausgestorben, was eine Folge des Krieges war. Auch wir Menschen hatten darunter gelitten und große Verluste eingesteckt. Am Ende der Kriege war das Land so sehr erschöpft, dass die magische Kraft aller Wesen aus unbekannten Gründen zurück ging. Zusätzlich hatten die Menschen, die nicht diese Magie beherrschten, die Gelegenheit ergriffen und Jagd auf die Magier, die ebenso geschwächt waren, gemacht.

Vor allem die Vorfahren von unserem König Richard dem II waren an der Auslöschung sämtlicher magischer Wesen beteiligt, was sie dann schließlich zur Herrscherfamilie dieses Landes machte.

Das ist durchaus ironisch, findest du nicht? Erst halfen die Magier den Menschen, in Lyrius an die Macht zu kommen, und dann wurden sie von ihrer eigenen Art ausgelöscht. Angst kann einen Menschen zu sehr grausamen Taten treiben und nun finden wir in diesem Land nur noch sehr wenig, das uns an die damalige Magie erinnert. Allerdings schlummert diese Macht immer noch in ein paar von uns, auch, wenn sie in Vergessenheit geraten ist. Und wer weiß? Vielleicht auch in dir? Aber das sind nur wilde Spekulationen meinerseits.“

Erschöpft sank ich auf dem Stuhl zusammen. Ich hatte mehr erfahren, als mir lieb war. Mir wurde klar, dass ich erschreckend wenig über die Geschichte dieses Landes wusste. Selbst die Tatsache, dass in ein paar von uns Menschen die Macht über die Elemente schlummern sollte, war für mich neu. Wieso ging die Magie dieses Landes zurück? Und weshalb wussten die meisten Menschen nichts mehr davon?

Diese zwei Fragen stellte ich an Gret und dieser antwortete: „Ich vermute, es hängt mit dem Krieg zusammen. Dadurch ist die Atmosphäre aus dem Gleichgewicht geraten und das hat wohl die Energie und damit auch die Magie aus diesem Land geraubt. Es gab dann nur noch Wenige, die ein Element beherrschen konnten. Doch dies lässt sich nicht mehr mit der früheren Macht vergleichen. Dadurch musste es dann in Vergessenheit geraten sein. Außerdem bin ich mir sicher, dass die Familie von König Richard II stark versucht, diese schändlichen Taten der Vergangenheit zu vertuschen, um die Bevölkerung nicht gegen sich aufzubringen.“

Nun endete Gret mit seinem Bericht und ich saß wie erschlagen auf meinem Stuhl. Ja, ich hatte Antworten gewollt und sie bekommen, doch nun stellte sich heraus, dass es schon fast zu viel für mich war. Ich wollte eigentlich nur etwas über meine Mutter erfahren und nun hatte mir Gret die wahre Geschichte von Lyrius erzählt.

Es war alles so dermaßen unglaubwürdig. Unser Land von einem ehemaligen Krieg geplagt. Der König und dessen Familie Mörder und Verräter. Magie, die einst unser Land beherrschte. Ich konnte dies alles nicht so recht glauben.

Doch ich drehte meinen Kopf, sah mich im Spiegel an und wusste, dass ICH selbst der wahre Beweis für Grets Erzählungen war. Ich schüttelte heftig den Kopf, sodass die Luft in meinen Ohren rauschte, und stellte meine letzten Fragen: „Gret, woher weißt du von alle dem? Und kannst du mir bei meiner Suche nach meiner Mutter helfen?“

„Du musst wissen, ich schnappe ziemlich viel auf meinen Reisen auf und was die Magie angeht, die in jedem Menschen schlummern soll: Aus meinem Stammbaum kommen vor allem die Herren des Wassers. Auch ich konnte einst das Wasser beherrschen, doch, als ich meine Familie deswegen verlor, hörte ich damit auf. Ich weiß, ich hatte dir erzählt, es war eine Krankheit, aber dies war eine Lüge, um mich vor denen zu schützen, dir mir aufgrund dieser Macht nach dem Leben trachten. Doch das ist eine Geschichte für ein anderes Mal. Was deine Suche betrifft, so kann ich mir durchaus vorstellen, dich ein Stück zu begleiten. Denn ich habe das Gefühl, dass du ohne mich nicht weit kommen wirst“, sagte er und lächelte mir bei seinen letzten Worten freundlich zu.

Bei dieser Antwort atmete ich erleichtert auf. Es war eine gute Nachricht, dass mich Gret etwas begleiten würde. Zwar ärgerte ich mich etwas über seine Bemerkung, dass ich alleine nicht zurechtkommen würde, doch diesen Ärger schluckte ich hinunter. Soll der Alte ruhig denken, was er will. Hauptsache ist, dass ich jemanden hatte, der mir half.

Gret riss mich aus meinen Gedanken, als er in die Hände klatschte.

„So, jetzt waren das aber genug Fragen für heute. Du solltest dich nun etwas ausruhen. Ich bringe dir etwas zu Essen und dann kannst du gerne hier schlafen.“

Ich blickte zu Gret auf und mein Schwanz zuckte überrascht. Dies war wirklich freundlich von ihm. Ich nickte ihm zu und bemerkte erst jetzt, wie hungrig und müde ich war. Ich hatte schon lange nicht mehr etwas Vernünftiges zu Essen gehabt.

„Das wäre sehr nett, Dankeschön!“, war meine Antwort. Überrascht? Ja, ich konnte auch etwas Dankbarkeit zeigen.

Gret zwinkerte mir freundlich zu und stand auf, um etwas von unten zu holen. Währenddessen stand ich auf und betrachtete mich im Spiegel. Nun konnte ich mich endlich genau betrachten, denn ich hatte ja bis jetzt keine Gelegenheit dazu gehabt.

Der Anblick meines Körpers war immer noch sehr befremdlich für mich. Ich wirkte schlanker, fast schon abgemagert, und sehniger. Doch ich sah zugegebenermaßen dennoch etwas stärker aus als zuvor. Jaja, glaubt es oder glaubt es nicht. Oder denkt euch einfach euren Teil, dass ich eingebildet wäre oder dergleichen. Aber ihr könnt es ja nicht sehen, also müsst ihr mir das einfach so abnehmen.

Mein Schwanz hing lässig herunter und zuckte gelegentlich hin und her. Langsam ließ ich meinen Blick nach oben gleiten, bis ich in meine Augen starrte. Sie hatten sich am stärksten verändert. Die Pupillen waren nun kleine Schlitze, die sich schnell zu großen schwarzen Löchern weiten konnten. Mein Blick hatte dadurch deutlich an Wildheit gewonnen. Zusammen mit den markanteren Gesichtszügen erkannte ich mich selbst kaum wieder.

Doch, wenn Gret die Wahrheit sagte, so hätte ich schon immer so aussehen sollen. Dies war mein wahres Ich, so befremdlich dies auch war. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mein Leben lang nicht einfach der Sohn eines reichen Kaufmanns war. Nein, ich war viel mehr.

Doch wieso? Wie konnten meine Mutter und mein Vater zueinander finden, obwohl sie doch so unterschiedlich waren? Diese und noch mehr Fragen musste mir meine Mutter beantworten, sofern sie noch lebte.

Plötzlich ging die Tür erneut auf und Gret trat mit einem Teller ein, auf dem Brot, Käse und Fleisch lag.

„Ich weiß, du bist anderes gewöhnt, aber bei einfachen Leuten gibt es nichts Besseres und ich fürchte, daran musst du dich gewöhnen“, sagte mein Freund und reichte mir den Teller.

Ohne eine Antwort zu geben, riss ich ihm diesen fast schon aus der Hand und begann, alles in mich hinein zu schlingen. Meine scharfen Zähne gruben sich dabei in das Essen, sodass ich es in großen Brocken abriss und hinunterschluckte. Es war köstlich!

Als ich mein wildes Mahl beendet hatte, leckte ich mir die Finger und den Mund sauber und sah zu Gret. Peinlich berührt bemerkte ich, dass er mich die ganze Zeit beobachtet hatte. Ich senkte entschuldigend den Blick.

„Danke, das war sehr lecker“, brachte ich heraus. Ja, ich hatte mich sehr verändert. Früher, das hieß, vor der Verwandlung, hätte ich solch ein Essen nie angerührt. Und schon dreimal hätte ich mich dafür nicht bedankt, dass es mir jemand gebracht hätte. Innerhalb kürzester Zeit war aus mir jemand anderes geworden, das mich sehr erstaunte. Ich sollte wirklich aufpassen, dass ich mich nicht zu sehr veränderte.

Gret schien die Wildheit, mit der ich das Essen verschlungen hatte, nichts auszumachen. Er lächelte gütig und sagte: „Gern geschehen, mein Junge. Du solltest nun schlafen. Es ist schon spät und morgen werden wir aufbrechen. Du kannst mein Bett haben. Ich werde noch nach unten gehen und mich ein wenig nach Informationen umhören.“

Gret stand von seinem Stuhl auf, nickte mir zu und verließ mit einem „Gute Nacht“ das Zimmer.

Erstaunt blickte ich ihm nach. Zum ersten Mal bemerkte ich, wie großzügig und gütig er mich behandelte. Dies waren Tugenden, die mir noch nie jemand entgegengebracht hatte.

Sehr verwirrt stand ich auf und ging zum Bett. Wenn ich an mein früheres Ich zurückdachte, konnte ich dies alles auf keinen Fall verdient haben, so dermaßen ekelhaft hatte ich mich verhalten.

Vor dem Bett schüttelte ich den Kopf. Was dachte ich mir da? Ich war in großer Not, da war es nur natürlich, dass man mich so behandelte! Auch, wenn ich mich sehr verändert hatte, so war ich immer noch ich selbst.

Gähnend streckte ich mich. „Es bringt mich jetzt nicht weiter, darüber nachzudenken! Ich sollte erst einmal schlafen, damit ich wieder zu Kräften komme!“, meinte ich zu mir selbst und machte es mir im Bett bequem.

Das Bett war zwar sehr hart und roch extrem muffig, doch etwas Besseres konnte ich wohl in diesem Schuppen nicht erwarten. Somit schloss ich die Augen und versuchte, all diese negativen Einrücke zu vergessen, ehe mich die Müdigkeit übermannte.
 

Ich erwachte. Doch lag ich nicht im Bett, sondern auf einem dunklen Boden in einem finsteren Raum. Zumindest dachte ich dies, denn ich konnte trotz meiner neu gewonnenen Nachtsichtfähigkeit nichts sehen.

Langsam ließ ich meinen Blick umher gleiten und versuchte, wenigstens etwas zu erkennen. Als ich nach unten sah, erschrak ich. Eine weiße Katze saß plötzlich auf meiner Brust.

Dieses Tier schien regelrecht zu strahlen und blickte mich an, ohne eine Regung zu zeigen. Verwirrt sah ich in ihre Augen. Sie strahlten Klugheit aus und erinnerten mich an die Augen der Katze, die ich vor einigen Tagen vor den Hunden gerettet hatte.

Nach einigen Minuten bewegte sich die Katze immer noch nicht. Langsam wurde ich ungeduldig und wollte schon den Mund öffnen, um etwas zu sagen. Doch dann begannen plötzlich, verschieden farbige Leuchtkugeln um mich herum aufzublitzen. Ich kniff reflexartig die Augen zusammen, öffnete sie aber gleich darauf wieder, als ich merkte, dass das Licht keineswegs grell, sondern sehr angenehm war.

Allmählich vernahm ich dann Geräusche, die auftraten, sobald ein Licht aufblitzte. Leuchtete eine rote Kugel, so hörte ich das Knistern von Feuer. Bei Blau war es sprudelndes Wasser. Als die braune Kugel aufblitzte, hörte ich Felsen, die von einem Abhang herunterrollten. Hellgrün war das Heulen des Windes und Dunkelgrün das Knacken von Holz. Bei Grau hörte ich Metall aufeinanderschlagen. Es kamen noch deutlich mehr Farben und Geräusche hinzu, die sich allmählich überlappten.

Außerdem schien es, als würden die Lichtkugeln zunehmend heller werden. Auch die Geräusche wurden lauter, bis es so hell und laut war, dass ich mir am liebsten Augen und Ohren zuhalten wollte. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Verzweifelt schrie ich auf. Was geschah hier?

Kurz bevor mich die Verzweiflung gänzlich übermannte, erloschen die Lichter und es wurde still. Nun befand ich mich in derselben Leere wie zuvor.

Die Katze, die die ganze Zeit über regungslos auf meiner Brust gesessen hatte, stand plötzlich auf und stieß ein lautes Knurren aus. Ehe ich wusste, wie mir geschah, fauchte sie mich an, hob die Pfote und schlug nach meinem Gesicht.
 

Keuchend erwachte ich und setzte mich mit einem Ruck auf. Schweißgebadet ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Grau hoben sich die Konturen der Möbel ab, ermöglicht durch meine Augen. Dieses Mal funktionierte meine Nachtsicht wohl wieder. Es war nur ein Traum gewesen.

Erleichtert atmete ich tief durch. Nur ein Traum. Ein sehr realistischer Traum, aber dennoch nicht mehr. Kein Grund zur Sorge.

Als ich etwas zur Ruhe gekommen war, fiel mir plötzlich der Lärm auf, der von der Gaststube unten zu mir nach oben drang. Ich hörte das Trampeln von gepanzerten Stiefeln auf Steinboden, das Klirren von Geschirr, Brüllen und den Schrei einer Frau.

Sofort war ich hellwach und stand auf den Beinen. Soldaten! Sie waren mir auf die Spur gekommen! Ich musste fliehen, doch Gret, meine einzige Hilfe, war noch da unten!

Ohne zu überlegen, riss ich die Türe auf und rannte hinunter. Im ersten Stock blieb ich stehen und lauschte. Da war eine tiefe Männerstimme, die brüllte: „Nun sag schon! Wo ist dieser kleine Rotzlöffel?“

Eine Frau schrie. Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, schlich ich mich ein paar Stufen nach unten, sodass ich in die Gaststube blicken konnte.

Dort befanden sich fünf einfache Soldaten und deren Hauptmann, der geradezu ein Hüne war. Sie alle hatten den Rücken zu mir gedreht, sodass ich ungehindert in den Raum blicken konnte. Was mich sah, erfüllte mich mit Entsetzen.

Einer der Soldaten hatte sich Gret gepackt und in die Mangel genommen, während ihn der Hauptmann befragte und anschrie. Doch Gret sagte kein Wort, obwohl der Griff des Soldaten um dessen Hals immer enger wurde.

Verzweifelt überlegte ich, was ich machen sollte. Fliehen? Das auf jeden Fall. Aber Gret konnte ich nicht zurücklassen. Ich machte einen weiteren Schritt nach unten, doch es stellte sich heraus, dass es ein Fehler war.

Lautes Knarzen, verursacht durch die Stufe unter meinem Fuß, ließ die Männer zu mir herumdrehen. Gret streckte die Hand nach mir aus und ächzte: „Sam! Flieh! Wir treffen uns draußen, geh!“

Ohne zu zögern drehte ich mich um und lief zurück ins Zimmer. Hinter mir bellte der Hauptmann Befehle und die Soldaten nahmen die Verfolgung auf. Doch ich hatte einen Vorsprung.

Als ich den zweiten Stock erreichte, hörte ich plötzlich das Rauschen von Wasser und erneutes Gebrüll. Dieses Mal schien es aber von den Soldaten zu kommen.

Doch ich ließ mich davon nicht aufhalten und stürmte ins Zimmer. Dort riss ich meinen Umhang vom Stuhl und zog ihn mir in einer fließenden Bewegung über. Ohne groß zu überlegen, nahm ich Anlauf und sprang mit einem solchen Schwung durch das Fenster, dass das Glas zerbrach.

„Gret, wehe, du überlebst nicht!“, knurrte ich laut, ehe mich die Dunkelheit der Nacht verschluckte.

Nun mochte sich zeigen, ob ich einen solchen Sprung überlebte.
 

~Erkenntnis und Hoffnung – Ende~
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Puh, jetzt ist der Prolog endlich fertig xD
Die Geschichte ist mir schon eine ganze Weile in meinem Kopf herumgeschwirrt ;)
Ich hoffe, das, was ich bisher geschrieben habe, gefällt euch ;)
Hier möchte ich mich auch noch bei meinen Betaleserinnen bedanken! Sie haben mich mit so vielen guten Ideen (besonders was die Namen angeht xD) unterstütz!

Eure Issu :}
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Puh, jetzt habe ich endlich dieses Kapitel geschafft. ^^
Habe mich schon lange darauf gefreut, dieses Kapi auf Papier...äh auf den Computer zu bringen. ^^
Und ich freue mich auch schon total auf das Nächste. Hoffentlich ihr auch. ^^
Tut mir nochmals Leid, dass der Prolog so kurz geworden ist, ich hoffe, dass es dieses Kapitel wieder wettgemacht hat. ;)
Fühlt euch alle von mir geknuddelt.

Eure Issu :} Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, nun endlich, nach langer Zeit, melde ich mich hier wieder zurück! Es tut mir so unendlich Leid, dass ich so lange kein neues Kapitel hochgelanden habe, aber irgendwie habe ich einfach keine Zeit dazu gefunden. Q.Q Erst kam mein Abschluss und dann die Ferien, die ebenfalls ziemlich vollgepackt waren. >,<
Aber ich werde mich jetzt bemühen, das nächste Kapitel eher hochzuladen. Versprochen! ^^
Ich weiß, dieses Ende ist ziemlich gemein von mir. =D Aber ich konnte nicht anders! ^^°
Ich möchte hier auch nochmal anmerken, dass ich den Prolog und das erste Kapitel etwas überarbeitet habe. ;) Inhaltlich sind sie noch gleich, allerdings habe ich etwas mehr Logik rein gebracht. (Hierbei danke an Headphones für die Unterstützung und die Denkanstöße =D)

Fühlt euch alle ganz dick gedrückt.

Eure Issu :} Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Leser! ;) Ich melde mich nach nun doch etwas längerer Zeit wieder zurück!
Hehe, ich weiß, dass ich im letzten Kapitel ziemlich fies war und an solch einer spannenden Stelle aufgerhört habe. Aber nun ist ja jetzt endlich die Katze aus dem Sack! (Wie passend xD) Ich hoffe, dass euch diese "Enthüllung" nicht gar so verschreckt. =) Ich wollte halt mal etwas anderes machen. ^^
Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen, dass ich in diesem Kapitel wieder an einer nicht ganz unspannenden Stelle geendet habe. ^^° Ich weiß nicht, aber i-wie habe ich so nen Hang dazu entwickelt. =)
Achja! Es ist zwar ziemlich unter gegangen, aber meine Geschichte ist an Heiligabend ein Jahr alt geworden! *freu* Wahnsinn, für mich kommt es wie gestern vor, als ich sie erstellt habe! An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Lesern bedanken. Danke, dass ihr meine Story liest! ^^
Natürlich gilt mein Dank auch meinen lieben Betaleserinnen. =) Ich kann machen was ich will, aber ihr findet immer noch etwas, worüber wir in meinen Kapitel lachen können! Vielen dank für diese vielen heiteren Momente!

*euch alle umknuddel*

Eure Issu =3
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Puh, nun endlich ist das Kapitel hochgeladen! =) Durch das viele Betalesen hat sich das alles jetzt doch etwas verzögert. ^^° Hierbei ein dickes Dankeschön an meine super Betaleserinnen. =) Ich finde es toll, wie gut wir zusammenarbeiten!

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen entschuldigen, die ein weiteres Kapitel über meinen Hauptprotagonisten Sam erwartet hätten. Ich weiß, es ist gemein von mir, an dieser spannenden Stelle einfach einen Szenenwechsel zu machen, aber ich konnte nicht widerstehen, einen neuen Charakter auftreten zu lassen. =D Natürlich ist der liebe Sam nicht in Vergessenheit geraten!
Außerdem möchte ich mich ganz herzlich bei der lieben chibimieze bedanken, die mir das tolle Charaktersheet zu Derio erstellt hat! Ich bin dir wirklich dankbar, dass du ihn so super und genau nach meiner (kranken) Vorstellung gezeichnet hast! Er ist einfach perfekt. ;) Auch sollst du wissen, dass ich dir dieses Kapitel widme, schließlich ist Derio ein von dir erstellter Charakter. =)
Soo, das war nun alles von mir! *euch umknuddel*

Issu =3
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Soo, nun endlich bin ich mit meinem fünften Kapitel fertig. =) Wie versprochen ist es wieder eines über meinen Hauptprotagonisten Sam.
Leider ist es etwas kurz geraten. Normalerweise wollte ich noch einiges mehr schreiben, aber dann habe ich erkannt, dass es dann doch zu viel gewesen wäre. Somit habe ich mich dazu entschlossen, das große Kapitel in zwei kleinere zu spalten.
Ich möchte mich entschuldigen, dass dieses Kapitel auch nicht gerade spannend ist. >_< Tut mir leid, aber es kann nicht immer so zugehen. Aber eines kann ich versprechen: das Nächste wird sicherlich spannender! >:D Außerdem habe ich dieses hier wieder einmal relativ offen enden lassen. ^^°

Ich glaube, es wird jetzt immer klarer, wieso ich diese Geschichte auch als „Drama“ eingestuft habe. Dem armen Sam ist schließlich schon einiges widerfahren. Mal sehen, was noch so alles auf ihn wartet ...
Nunja, ich möchte mich hier wieder einmal bei meinen Betaleserinnen bedanken, die sich diese Geschichte so schnell angesehen haben. Vielen Dank!
Jetzt will ich euch nicht weiter aufhalten! Ich hoffe, ihr freut euch auf das nächste Kapi genauso wie ich!

Eure Issu =3
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo, liebe Leser!
Hier ist es nun endlich, das neue Kapitel. Es tut mir leid, dass ich wieder zu lange gebraucht habe. >.< Hatte es schon vor Wochen angefangen, aber durch die Schule hat sich das total verzögert, sodass ich es erst in den letzten Tagen fertig stellen konnte. Das wird auch in den kommenden Monaten so sein, denn das Fachabitur rückt immer näher. Doch ich versichere euch, dass ich diese Geschichte nicht vergessen werde! Sie hat ja noch gar nicht mal richtig angefangen. >:D

Wie ihr vielleicht bemerkt habt, ist A hard another life am 24.12. zwei Jahre alt geworden! =) Wahnsinn, mir kommt es wie gestern vor, als ich die Geschichte hier hochgeladen habe. ^^
Ich will mich auf alle Fälle bei euch Lesern bedanken! Vielen Dank, dass ihr euch meine Geschichte durchlest. Es macht mich richtig froh, zu wissen, dass es jemanden gibt, der sich dafür interessiert. =) Dies gibt einem immensen Mut, weiter zu machen! Dankeschön! *euch alle umknuddel*

Ich weiß, dass dieses Kapitel wieder ein „gemeines“ Ende hat. Tut mir Leid, aber ich habe irgendwie den Hang dazu entwickelt, meine Kapitel so enden zu lassen. ^^°
Ich möchte auch eine Frage in den Raum werfen, was ihr denkt, wie das nun mit Sam weiter geht: Glaubt ihr, Gret hat böse oder gute Absichten? Was hält ihr von ihm?
Ihr könnt diese Frage in einem Kommi beantworten. Würde mich echt interessieren, was ihr so denkt. ^^

So, nun verabschiede ich mich wieder von euch. *sich verneig*
Eure Issu =3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wahnsinn, nach über einem Jahr mal wieder ein neues Kapitel. O__o Ohman, die Zeit geht an mir irgendwie total vorbei. >.< Es tut mir sehr leid, dass ihr so lange darauf habt warten müssen ... aber ihr müsst verstehen, dass ich mich meistens dann nur hin setzte, wenn ich auch die richtige Lust dazu verspüre und die Zeit dazu habe.
Allerdings werde ich jetzt aufpassen, dass ich mich öfter daran erinnere, dass ich an meiner FF weiter arbeiten muss, sonst kommt das ja kaum in die Gänge hier. ^^° Aber ich kann jetzt auch nichts versprechen. >.<
Leider ist das Kapi recht kurz geworden, aber es heißt ja auch so schön „in der Kürze liegt die Würze!“. =)
Allmählich kommt die Story auch ins Rollen. Mal sehen, was als Nächstes noch so alles passieren wird! =P Ich muss zugeben, das was ich selbst auch noch nicht vollkommen.

Ich verabschiede mich jetzt auch schon wieder von hier. ^^
Macht es gut! =3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich glaube, ich sollte aufhören, mich für die späten Kapitel zu entschuldigen... Es ist fast schon peinlich, dass ich damit jetzt doch so ewig lange gebraucht habe. =(
Aber ich muss zugeben, dass ich sehr sehr lange mit mir gehadert habe, wie ich es gestalten sollte. Schließlich habe ich hier vieles preisgegeben und dadurch ist dieses Kapitel auch so wichtig für die kommenden Kapitel.
Ich hoffe wirklich sehr, ich kann mich für das nächste Kapitel schneller hinreißen lassen.
Auf alle Fälle danke an die Leser, die diese Story noch nicht aufgegeben haben!

Eure Issu =3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (32)
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Von:  _Saliona_
2016-10-28T19:19:28+00:00 28.10.2016 21:19
Jaaaa, ich freu mich so, dass es ein neues Kapitel gibt!! *o* Die Geschichte um Lyrius finde ich sehr interessant, ich frage mich, was es noch so für Völker gegeben hat.... Aber das Volk der Kani gefällt mir (wie soll es auch anders sein) voll gut. Ich liebe alles, was mit Verwandeln zu tun hat. :) Und ich finde es auch sehr cool, dass du das Beherrschen der Elemente mit reingebracht hast, das macht die ganze Welt dann noch magischer. :3 Außerdem finde ich es auch toll, wie du diese ganzen Machtkämpfe logisch aufeinander aufbaust. Die Menschen werden zu machtbesessen und bekämpfen die Werwesen, später bekämpfen die Elementmagier wiederum die normalen Menschen. Immer diese Besessenheit von Macht, furchtbar. X'D

Gret mag ich echt gern, er ist so weise und er kann das Wasser beherrschen. :D

Ich finde schon, dass Sam noch ein bisschen was von dem Arsch hat, der er mal war, aber es ist auch gut, dass er sich langsam weiterentwickelt und beispielsweise Dankbarkeit zeigen kann, das hast du ganz nachvollziehbar herausgearbeitet. Super!

Jaja, Mischlinge haben schon ihren Reiz... :D Jetzt wissen wir auch, wie deine Hauptfigur zu einem "Catboy" wurde. XD

Außerdem finde ich seinen Traum ganz zauberhaft beschrieben, das hast du super gemacht, ahw! *-* Was der wohl zu bedeuten hat? Oder hat er nur das ganze neu erfahrene verarbeitet? Hmm...

Woaah das Finale ist ja mega spannend und ich will wissen wie es weitergeht, aaaaaaaaaaaaaaaaahhh!!! >.<

Ich freu mich soo auf das nächste Kapitel! Mach weiter so! :3
Bald liefere ich ein kleines Fanart. ;)
Von:  Okiro
2016-10-21T18:47:05+00:00 21.10.2016 20:47
ICH WILL ENDLICH WISSEN WIE ES WEITER GEHT!!!!!!!

Du bist so gemein... echt du höst immer mit einem VERDAMMTEN CLIFHÄNGER auf! ... Willst deine Leser leiden sehen ich merks schon.
Na Sam ist schon ein kleines Arsc****** ja du weißt was ich meine... Rotzlöffel...
Ne also er wächst mir immer mehr ans Herz .... *hust*


Ich finde es schön, dass man etwas mehr über seine Mutter erfährt. Ich bin mal gespannt, was an Sam so besonderes dran sein soll, dass er bis jetzt seine "Fähigkeiten" noch nicht gezeigt hatte. :) Da wirst du dir sicher ein paar tolle Gedanken gemacht haben die du SICHERLICH auch BALD zu Papier bringst.... *dich mit großen Augen anstarrt* ich will ja nicht drängeln *mit dem Stuhl noch näher an deinen Tisch rutscht und dir Stift und Block in die Hand drückt* XD

Ne mach nur RUUUUHHIIIG weiter ^^
Freu mich auf das nächste Kapitel!
Antwort von:  Issura
22.10.2016 15:49
xD Naja, ich lass meine Kapitel gerne so enden, damit es weiterhin spannend bleibt. Wäre ja sonst ziemlich langweilig ^^

Ich finde es gut, dass Sam immer noch ziemlich "unbeliebt" rüber kommt. Ich hatte Angst, dass ich dieses Image bei ihm verloren habe.

Ja, iwann musste man mal was über seine Mutter erfahren. :D aber noch weiß man nicht alles von ihr und vor allem auch von Sam. ^^
Du willst mich drängeln? *den Stift und den Block nehm und Formel drauf kritzel* Ja, mein Kopf ist leider mit ziemlich vielem anderen Zeug voll gestopft. ^^°

Aber danke für deine "netten" (xD) Worte. Das motiviert mich wieder etwas. ^^
Von:  Xenojiiva
2016-02-20T18:32:04+00:00 20.02.2016 19:32
Also, den prolog find ich schon mal gut, auch wenn ich den Jungen ab liebsten am Anfang an die Wand geklatscht hätte. Sowas hochnäsiges. Den würd ich am Liebsten den Kopf gerade rücken, aber mich beschleicht das gefühl, dass das schon noch geschieht. Daher werde ich still und brav weiterlesen und mir die Option einfach offen halten ^^
Antwort von:  Issura
20.02.2016 20:04
Hihi, danke ^^ Und ja, das war auch so gewünscht von mir, dass ihn jeder am liebsten umbringen würde XD
Von:  _Saliona_
2014-03-15T20:25:11+00:00 15.03.2014 21:25
Yay ich freu mich ja so! Endlich wieder ein neues Kapitel! *-*
Ich war total überrascht, dass es bei Derio weitergeht, hätte ich jetzt nicht erwartet. XD
Du hast toll beschrieben, in was für einer Umgebung er aufwächst und lebt und nun wissen wir auch mal, wie seine Eltern aussehen. ^^ Sein Vater scheint ein bisschen streng zu sein... Nihihi, ich muss da voll an die Zoras denken, bei der Stelle, wo Derio das Tor zum Außensee passiert. XDD So mit den Xeno, die Wache halten und so. XD
Ach, er tut mir leid, wie er immer von Ribo schikaniert wird. :( Eigentlich dürften sie das ja gar nicht, weil er ja ein Prinz ist! Voll gemein. -_-
Huch, ich schätze mal du warst da ein bisschen sehr arg verknallt, als du die Stelle mit Derios erwachenden Gefühlen für Nanja geschrieben hast oder? XDD
Den Kampf mit dem Aalhai finde ich super! Sehr sehr spannend! Ein interessantes Wesen... muss mal jemand zeichnen... :) Oh neiin, der arme Derio. O.o Bin schon mal gespannt, wo es ihn hin verschlagen hat!
Weiter so! Freu mich auf das nächste Kapitel. ^^
Hdgdl
Sali ;}
Antwort von:  Issura
17.03.2014 21:05
Ja, das wurde auch mal wieder Zeit, nicht wahr? ^^°
xD Naja, bei Derio muss es ja auch mal wieder weiter gehen oder nicht? :P
Ja, ich habe mir vor allem für Derios Wohnraum was Besonderes einfallen lassen. Das hat sich dann in meinem Gedächtnis festgesetzt, da ich vor allem Unterwasserwelten sehr schön finde. ^^ Und die Zoras sind ja der Grundanstoß für diese Rasse gewesen.
Ja, Ribo ist echt gemein, aber ich kann dich etwas beruhigen: die anderen respektieren ihn und behandeln ihn für Derios Geschmack etwas zu hochgestochen, was er ja wiederrum auch nicht ausstehen kann. Er möchte einfach nur ein normaler Xeno sein.
Verknallt? Ach komm, schießt dir nicht auch das Blut ins Gesicht, wenn jemand anderes dir plötzlich so nahe kommt als jemand, in den du verliebt bist? :P
:D puh, ich bin froh, dass ich sie Szenen mit dem Aalhai etwas spannend rüber gebracht habe. Und vllt werde ich ja mal eine Skizze zu diesem Monster entwerfen. =3
Ich freue mich mindestens genauso wie du auf das nächste Kapiel! =3
Hdagdl und Danke! ;)
Antwort von:  _Saliona_
17.03.2014 22:03
TOTAL! XDDD
Das stimmt schon, jaa. ^^
Jap, Unterwasserwelten sind immer sehr schön und spannend! Ich find das so cool mit den Zoras. :D
Ahh, das ist gut, da bin ich froh... lieber zu hochgestochen, als zu gemein.
Äh, klar, wem passiert das nicht? XD Aber ich meine ja, dass du damals etwas beeinflusst warst... :P
Das wär toll! *-*
Yeah! ;D
Bitteee!
Antwort von:  Issura
19.03.2014 21:12
Ja, denn in Unterwasserwelten lauern ja auch sehr viele dunkle Gefahren *düstere Stimme hab*
Genau, aber Derio sieht beides als gleich ätzend an. ^^
Ja, könnte schon sein, dass ich beeinflust war. ^^ Aber mei, ich steh dazu =P
Antwort von:  _Saliona_
19.03.2014 22:12
Uhh jaa... Das lernt man schon bei Findet Nemo. XDD
Genau. ^^
Okay, gut so! XD
Antwort von:  Issura
20.03.2014 17:37
Hehe, stimmt! xDDD
Von:  LightSasu
2013-01-05T12:02:08+00:00 05.01.2013 13:02
So Issu!

Ich muss Oki vollkommen zustimmen. Es ist total interessant zu lesen wie Sam gezwungener Maßen seinen Weg gehen muss und wahnsinnige Schwierigkeiten damit hat sich zurecht zu finden.

Was mir total gut gefällt ist, wie du seine Gefühle und Empfindungen beschreibst. Angefangen bei Ekel, Angst, Wut, Glück und aufgehört bei Erleichterung. Das war gerade bei der Kampfszene extrem übel. Ich hatte das Gefühl live dabei zu sein und einerseits Sam selbst zu sein und wie ein Irrer ums Überleben zu kämpfen. Anderseits überkam mich das Gefühl der Räuber, richtige Angst zu haben und zu wissen, dass ich auf Grund meiner Taten mein Ende kommen wird. Das war richtig schlimm.

Joah zum alten Kautz? Ich muss ehrlich sagen, dass mir sein erster Auftritt schon nicht ganz koscher war. Ich mein, wer von euch würde eine total verhüllte Gestalt, die darauf bedacht ist nicht erkannt zu werden und die ihr „nicht“ kennt, einfach so mitnehmen? Also ich nicht >D schon gar nicht zur damaligen Zeit XD
Was ich etwas seltsam finde ist die Tatsache, dass Sam so schnell „enttarnt“ worden ist und auch dementsprechend so schnell eventuelle Hilfe bekommt. Er geht zu Gret will mit ihm reden und dann „Ja Mann ich weis wer und was du bist und ja...“ alte Männerstimme aufsetz dann räusper wisst ihr was ich meine? XD Ich hätte es für sinnvoller gehalten die Leser noch etwas zappeln zu lassen. Was ich mir jetzt hätte besser vorstellen können wäre zum Beispiel gewesen (meine Meinung kennst mich ja :3) dass Gret so tut als wüsste er von nichts. Würde Sam das Königreich verlassen, weil er weis, dass er hier keine brauchbaren Informationen bekommt, hätte ich Gret noch einmal mit einbezogen. Eine schöne Szene wäre gewesen, dass Sam das Tor zur Außenwelt passiert, Gret ihn aufhält und ihm dann erzählt, wie, wo, was, wann, weshalb, warum :)
Aber gut ich kann mir jetzt auch voll den Scheiß zusammen spinnen XDDD
Bin auf jeden Fall gespannt wies weiter geht und das war ein sehr geiles Kapitel muss ich sagen :)

Hab dich lieb <3
Die Biene~
Von:  _Saliona_
2013-01-04T20:19:38+00:00 04.01.2013 21:19
Ach, das hab ich noch vergessen:
Ich denke da ganz ähnlich wie Moony, was es wohl mit Gret und der Katze auf sich haben: Dass sie beide zu irgendeiner Geheimorganisation gehören, die was-auch-immer wollen, das denk ich mir schon die ganze Zeit. ^^ Also KÖNNTE Gret eigentlich ja schon gut sein... aber wer weiß. O.o
Von:  _Saliona_
2013-01-04T20:16:33+00:00 04.01.2013 21:16
Endlich wieder mal ein neues Kapitel, ist echt Zeit geworden! :)
Dieses hier ist besonders spannend und actionreich (ich sag nur SANCONTESSA!! :D *lol*)
Aber jetzt mal im Ernst, ich find das total cool, wie du den Kampf mit den Banditen beschrieben hast! ;) Sehr... wirklichkeitsnah, da tut einem ja selber gleich alles weh. >.< Bei der einen Stelle, wo der eine Räuber mit dem Kopf vorran an die Hauswand kracht, sein Genick bricht und "schlafend" zu Boden sinkt... hahaahaaa was haben wir gelacht. XDDDD Ich fand das aber auch voll cool, wie Sam zu einer, äh, wilden Bestie wurde und dann natürlich noch die Kampftechniken, echt super!
Auch nach dem Kampf hast du ganz gut beschrieben, dass er sich gar nicht mehr an das Gemetzel erinnern kann und wie entsetzt er da auch ist. Du hast auch sehr anschaulich beschrieben, wie er diese ganzen Gerüche wahrnimmt und sich langsam bis zu diesem Gasthaus vorarbeitet. Ich hab auch richtig mit ihm mitgefiebert, als er das Wirtshaus betreten hat, ich kann ihn da sehr gut verstehen, wie ihm zu mute ist. ^^
Und, oooh Gott, das Ende ist soo fies! >.< Ist Gret jetzt ein Böser oder ein Guter? Man kann es so schlecht einschätzen! Es ist aber auf alle Fälle beunruhigend, dass er über Sam bescheid weiß. O.o'
Ich bin sooo gespannt, wie es weitergeht, freue mich schon sehr drauf. :3
Ein echt tolles Kapitel, nur weiter so! ;D
Hdgdl!
Deine Sali ;}
Von:  _Moonyasha_
2013-01-04T19:54:40+00:00 04.01.2013 20:54
SANCONETSSOOOOOOORRR!!!!!!!!!!

So, mein einziger Kommentar zu diesem Kapi. *fieses grinsen*

...

Nö, natürlich nicht! ;P

Wieder ein Kapi das mir sehr gefallen hat. ;) Die inneren Monologe von Sam gefallen mir immer sehr! Als Leser kann man dann immer richtig in seine Gedankenwelt eintauchen und weiß sehr genau, wie er so tickt. Das ist der Vorteil, wenn man nur eine Hauptperson hat.
Den Kampf hast du auch toll beschrieben! Alle Achtung, hehe. Und ich frag mich auch, wie wir alle hier, was es verdammt nochmal mit dieser Katze auf sich hat!! >.<
Arhg und dann das Ende mit Gret! Gemeiner gehts nicht mehr, oder? xD

Was ich von Gret halte? Ob er böse oder gut ist?
Nun ... *grübel* Ich denke eher, dass er gut ist. :) Er war immer so freundlich zu Sam, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er böse ist ... Vllt ist er ja der Anführer von irgendeiner Geheimorganisation zu der auch diese mysteriöse Katze gehört. *phantasie mit mir durchgeht*
Irgendeine entscheidende Rolle hat er auf jeden Fall. >.< Na, ich lass mich mal überraschen!
Also, schön weiter so! Du machst das klasse! ;) Und du weißt, wie man seine Leser an diese Geschichte fesselt... *immer noch grummel*
HDL, deine Moony
Von:  Okiro
2013-01-04T19:17:26+00:00 04.01.2013 20:17
Metallenes Blut und eine Spur ... ein Kapitel wo niemand normal dorten sitzt, wenn er es liest.
Vor allem bei der Stelle in der Sam mal schnell vier Leute tötet ist nicht ohne. Und auch so erfährt man sehr viel und auch gleich wieder nichts. Das alles spinnt sich immer mehr zu einer großartigen Story zusammen. Man will mehr erfahren, doch man ist gehindert und du machst einen Stop hinein.
Der Kleine kann einem schon richtig leid tun. Ich mein er hat so viel durchgemacht und eigentlich hat er früher nie viel unternommen um so viele Feinde zu haben.
Aber der Schlusssatz hat mich richtig umgehauen. Mit Gret! Das hätte ich jetzt nicht gedacht. ^^°
Mh
Ich möchte endlich wissen was es mit der Katze auf sich hat. Ich hoffe sie ist keine böse Mieze, weil sie ja das gedultet hat mit Sams Reaktion. ^^°
Mhhh aber der Kampf war echt gut beschrieben. Ich konnte es mir richtig vorstellen, als du es vorgelesen hast. Du musst umbedint für dein Buch das Hörbuch lesen ;)

Ein klasse Kapitel und ich freu mich auf mehr! Immer wird bei dir so viel gelacht =D
Von:  Katzenelch
2012-12-10T15:21:05+00:00 10.12.2012 16:21
Der arme Sam... Ursprünglich ist er ja ein Charakter, den man nicht sooo gern mag, aber so etwas gönnt man niemandem T_T Irgendwie hoffe ich ja doch, dass sein Vater davongekommen ist (Was auch immer geschehen ist!?)

Wo wir auch schon bei der FF an sich wären. Kompliment, die Geschichte ist einfach wunderbar! Sie fesselt beim Lesen, lässt spannende Fragen offen und lässt mit den Charakteren mitfühlen.
Außerdem ist der Schreibstil an sich auch erste Sahne ;)

Freue mich schon rieeesig auf das nächste Kapitel °(^.^)°


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