Green Moon von Rosenmaedchen (Full Eclipse: One [♥]) ================================================================================ Kapitel 10: Small moment ------------------------ Kleiner Moment „Man müsste das Leben so einrichten, dass jeder Moment bedeutungsvoll ist.“ - Iwan Turgenjew 17. Mai, 1. Jahr Tony umarmte ihre Freundin stürmisch und würde sie wohl nicht mehr so leicht loslassen. „Du hättest dich doch ruhig mal melden können, Selena. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.“ Selena tätschelte leicht ihren Rücken und löste die Umarmung. „Tut mir leid, aber mir ging es nicht so gut in den letzten Tagen.“ „Tagen? Du warst über eine Woche krank.“ „Jetzt bin ich es doch nicht mehr.“ Tony schnaubte, gespielt entrüstet, und lächelte dann ihre Freundin an. Diese erwiderte das Lächeln. Selena war, seit einiger Zeit mal wieder, am Filmset. Da ihre kleine Schwester Helena noch immer bei ihr war, hatte sie sie kurzerhand mit zur Arbeit genommen. Denn Tony hatte recht, sie hatte lange gefehlt. Aber nicht wegen Krankheit, außer man bezeichnet Herzschmerz als diese. In der Zeit ihrer Abwesenheit hatten sie eine weitere Visagistin eingestellt, die schon fröhlich am werkeln war. Selena beobachtete das mit Missmut und etwas Angst. Würde Erik sie rausschmeißen, nur weil sie für einige Tage krank geschrieben war? Wenn diese andere besser war als sie, dann mit Sicherheit. „Sie ist nicht besser als du.“ Als könnte Tony ihre Gedanken lesen. Erstaunt sah Selena zu ihrer Freundin, die nur schulterzuckend antwortete: „Man sieht dir an, was du denkst.“ Verwirrt wendete sich Selena wieder ab. Manchmal war es mit Tony wirklich merkwürdig. Auf irgendeine Weise war Tony selbst merkwürdig. Selena konnte sich das nie so recht erklären. Helena kam dazu und zog an ihrer Hand. „Du, Seli, kannst du mir zeigen, was ihr immer so alles hier macht?“ „Klar.“ Sie nahm ihre Schwester an der Hand, damit sie nicht verloren ging und zeigte ihr das Set. Als ihre Arbeitszeit offiziell für diesen Tag vorbei war, packten Selena und Tony ihre Sachen zusammen. Zu Selenas Argwohn hatte sie den ganzen Tag über nichts tun dürfen. Wahrscheinlich war die andere Visagistin wirklich einfach besser als sie. Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe. Wann würde Erik ihr wohl sagen, dass sie nicht mehr gebraucht wurde? „Hör doch endlich auf darüber nachzudenken“, erklang Tonys Stimme, während sie den Reißverschluss ihrer Tasche zu zog. „Erik schätzt dein Können. Wenn er dich rausschmeißen würde, würde er doch nur Verluste machen.“ Selena nahm ihre Tasche. „Jetzt übertreib bitte nicht.“ „Wenn ich übertreibe, dann sieht das anders aus.“ Tony zwinkerte ihrer Freundin zu, welche sich ein leichtes Lächeln abrang. Aber Selenas Sorge blieb weiterhin bestehen. Helena zog an ihrer Jacke. „Kommst du dann, Seli? Wir wollten doch noch einkaufen und die Läden machen bald zu.“ „Ich kann euch auch fahren“, warf Tony ein, doch Selena schüttelte den Kopf. „Schon gut, musst du nicht. Hol lieber Dustin und verbring die restlichen Stunden mit ihm.“ Tony lächelte. „Ganz wie ihr meint. Dann wünsche ich euch noch einen schönen Abend.“ „Gleichfalls“, erwiderte Helena und zog ihre große Schwester am Arm mit. Draußen war es kälter als gedacht. Selena zog ihre dünne Jacke enger um sich, da der Wind ziemlich stark blies. Auch Mitte Mai nichts Ungewöhnliches, wie Selena wusste. Auch wenn sie noch nicht so lang in Chicago lebte, sie wusste, was für ein unbeständiges Wetterverhältnis hier herrschte. So kam es auch vor, dass es Anfang Juni schon einmal geschneit hatte. Auch Helena zitterte leicht. „Wir müssen uns aber beeilen, Seli.“ „Sehe ich auch so, komm.“ Gemeinsam liefen sie, dicht nebeneinander, die Straße hinab. Doch Selena hatte ein merkwürdiges Bauchgefühl. So eines hatte sie schon einmal. Und zwar an dem Abend, an dem Norman sie überfiel und Alessio sie rettete. Aus Angst nahm sie die Hand ihrer Schwester. Leichte Panik stieg in ihr hoch. Aufmerksam lauschte sie auf jedes kleine Geräusch und sah sich immer wieder aufmerksam um. „Was ist los, Seli?“ „Nichts. Ich habe nur ein komisches Gefühl.“ „Ich auch“, raunte Helena ihr zu, was Selena nur veranlasste, ihr Tempo zu beschleunigen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Herz jeden Moment ihren Brustkorb sprengen würde, so kräftig schlug es vor Aufregung. Schnell bogen die Schwestern um die nächste Straßenecke, als plötzlich jemand in ihrem Weg stand. Helena kreischte auf und umschlang sofort Selena, die sie an sich drückte und dem Fremden den Rücken zudrehte, damit er Helena nichts tun konnte. Sie selbst sah über ihre Schulter zu ihm. „Was soll das werden?!“ Das Haar des Fremden besaß im leichten Straßenlicht einen bläulichen Schimmer und dasselbe blau fand sich in seinen Augen wieder, die sie aufmerksam ansahen. Er brach den direkten Blickkontakt nicht ab – er hatte ihn schon die ganze Zeit gehalten. Er war total auf Selena fixiert. Das war gut, so würde er wenigstens ihre kleine Schwester in Ruhe lassen. Das hoffte Selena jedenfalls. Denn er war einen ganzen Kopf größer als sie und von einer Statur gegen die Selena niemals ankommen würde. „Sind Sie Selena Galanis?“ Sie schluckte, hielt aber den Blickkontakt weiter stand. Eigentlich wollte sie sich umschauen, ob ihr irgendjemand zur Hilfe kommen könnte, aber sie traute sich nicht diesen Mann aus den Augen zu lassen. Auch um Hilfe schreien kam für sie nicht in Frage. Er könnte sie schneller abwürgen, als dass ein Ton ihre Lippen verlassen hätte. „Wer will das wissen?“ Ihre Stimme zitterte leicht, was auch ihm nicht entgangen zu sein schien. Seine Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. „Ich möchte Ihnen keine Angst machen.“ „Oh, aber genau das tun Sie.“ Selena bekam das Bedürfnis, zu kichern, aber sie unterdrückte es. Sie hasste ihre Hysterie in solchen Situationen. „Beruhigen Sie sich bitte. Ich bin ein Freund von Alessio.“ Selena wurde hellhörig. Er soll ein Freund von Alessio sein? Na ja, rein vom Körperbau und der Erscheinung her musste sie zugeben, dass sie Freunde sein könnten. Er wirkte auch nicht komplett menschlich. Probehalber schnupperte Selena leicht durch die Luft und konnte einen erdigen Geruch wahrnehmen. „Sind sie auch ein – na ja, so besonders?“ Er nickte. „Er hat mich gebeten, Sie abzufangen. Mein Name ist Matthew, aber nennen Sie mich ruhig Matt.“ Selena atmete hörbar aus und löste ihre Arme von Helena, die sie vorher schützend um ihre Schwester geschlungen hatte. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen so ganz vertrauen kann.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich werde Ihnen nichts tun. Das ist ein Versprechen. Außerdem würde mir ansonsten Alessio etwas tun.“ Jetzt war es an Selena zu lächeln. Alessio hatte wirklich sein Versprechen gehalten, was er vor zwei Tagen abgegeben hatte. Zwar war er nicht persönlich gekommen, um sie abzuholen, aber was machte das schon? Er hatte immerhin an sie gedacht und das wärmte ihr Herz immer mehr. Helena sah argwöhnisch zu Matthew hinauf. „Wieso schimmern deine Haare blau?“ Matthew legte den Kopf leicht schräg und lächelte. „Neugierig?“ Helena nickte. Grinsend antwortete er ihr: „Das macht die Tönung.“ Mit einem bedeutungsvollen Blick sah er zu Selena, die es sofort verstand. Es hatte was mit Magie zu tun. „Und, wie soll das jetzt weiter ablaufen?“ Matthew zog etwas aus seiner Hosentasche, was sich als Handy entpuppte. „Ich werde Alessio anrufen, dass er herkommt. Das wäre vielleicht erst einmal am günstigsten.“ „Ja.“ Selena sah Matthew zu, während er die Nummer wählte. Doch dann drehte er sich weg, lief ein paar Schritte und flüsterte schon fast ins Telefon, wobei Selena kein Wort verstand. Helena zog an dem Arm ihrer Schwester. Als Selena sie ansah, murmelte sie hinter vorgehaltener Hand: „Ist er wirklich Alessios Freund?“ Selena sah wieder zu Matthew hinüber. „Ich hoffe es.“ Im nächsten Moment klappte Matthew sein Handy zu, steckte es weg und kam zu ihnen zurück. „Er wird bald hier sein und ist schon unterwegs.“ Helena wandte sich an Matthew und stellte ihm eine Frage, aber diese bekam Selena gar nicht mehr mit. Sie war in ihre Gedankenwelt abgedriftet. Aufmerksam wanderte ihr Blick der Straße entlang. Sie erhoffte jeden Moment, Alessio zu sehen. Schon allein bei dem Gedanken, dass er gleich vor ihr stehen würde, kribbelte es in ihrem Bauch. Auch wenn sie sich gestritten hatten und es nun zu klären versuchten, sie freute sich sehr über das Wiedersehen. Helena hatte Recht gehabt, sie hätte es sich nie verziehen, wenn sie nicht angerufen hätte. Denn Alessio wollte sich ja mit ihr treffen und er tat es, und zwar jeden Moment. Selena bemerkte gar nicht, wie sich Matthew und Helena etwas entfernt hatten und erst recht bemerkte sie nicht, wie jemand anderes hinter sie getreten war. „Hallo Selena.“ Aus ihrer Traumwelt gerissen, drehte sie sich erschrocken herum und sah in strahlendblaue Augen. Dieser kleine Moment würde immer in ihrem Gedächtnis bleiben, denn seine Augen sprachen Bände. Es war ein Moment für die Ewigkeit, ein kleiner Moment, den sie für immer in ihrem Herzen behalten und einschließen würde. Denn es stand Liebe in seinen Augen. To be continued. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)