Freundschaft und Liebe von 4FIVE ([Sasuke x Sakura | high school AU | jerks to friends]) ================================================================================ Kapitel 21: Daylight And Doom ----------------------------- . . Sasuke konnte nicht recht glauben, was eben geschehen war. Er hätte um ein Haar Sakura geküsst—Haruno Sakura! Dabei war er mit Karin zusammen. Das Gespräch mit Sakura hatte ihm wieder in Erinnerung gerufen, warum er mit ihr zusammen war! Und es hatte ihm klar gemacht, dass seine fortwährenden Gedanken an Sakura nur eine dumme Phase waren, die seiner Neugierde entsprangen. Karin war gut für ihn. Und doch traf es ihn, dass Sakura ihn so kaltherzig sitzen gelassen hatte. Einfach so. Nur mit einer Beleidigung. Das tat nicht nur seinem Ego weh. Sei's drum, dachte er seine Gedanken zu Ende. Das Totschlagargument schlechthin. Was auch immer gerade eben zwischen ihnen gewesen war, es war vorbei. Und er war zu pragmatisch, um dem Moment nachzutrauern. Sakura war sauer. So sauer, dass sie sich wegen angeblicher Migräne von der Gala entschuldige, noch ehe die Spendenaktion angelaufen war. Sayuri erbot sich, mit ihr den letzten Zug um zehn nach Miyazu zu nehmen, damit sie so schnell als möglich nach Hause kommen konnten. Dass diese Aussage ihre Eltern, insbesondere ihre Mutter, schwer kränkte, war ihr herzlichst egal. Ihrer Schwester ging es schlecht und sie wollte für sie da sein. Nach langen Diskussionen hatten sie die Einwilligung und die Naras forderten ihre Sohn auf, ebenfalls mitzugehen. Man könne zwei junge Mädchen doch kaum spätabends alleine herumfahren lassen! Es war immerhin schon neun Uhr! Shikamaru tat das von Herzen gerne. Als sie den Saal verließen, kam Sasuke ihnen über die Stufen entgehen. Sakura sah ihn nicht einmal an, obwohl er ihr sehr wohl einen unmöglich zu deutenden Blick schenkte. Er war emotionslos und zugleich ratlos. Eine eigenartige Mischung. "Hat deine Migräne zufällig was mit dem da zu tun?" Sakura zischte nur abfällig, was Antwort genug war. Ihre Schwester legte schützend den Arm um sie und streichelte ihre Schulter. "Er ist ein Idiot. Belassen wir es dabei." "Mhm", war Sakuras einziger Kommentar dazu. Die ganze Zugfahrt über schwirrte ihr der Kopf. Uchiha Sasuke hatte sie fast geküsst! War das eine neue Gemeinheit, ein perfider Plan, den er mit Karin ausgeheckt hatte, um sie zu quälen und zu triezen? Karin war normalerweise stets zu sehr darauf erpicht, mit ausgeklügelten Schachzügen zu fungieren, als dass sie sich auf derartig Profanes einlassen würde. Sie konnte einfach nicht dahinter stecken. Das war unter ihrer Würde, unter ihrem Intellekt. Aber von Sasuke ausgegangen konnte es auch nicht sein. Es steckte etwas dahinter. Und sie wusste auch schon, wie sie es unterbinden konnte. Während zu ihrer Rechten das Meer um Takahama an ihr vorbeizog, und ihre Begleiter stillschweigend den Blick darauf gerichtet hatten, entschuldigte Sakura sich kurz auf die Toilette. Dort war sie fern von unerwünschten Zuhörern. Entschlossen zog sie ihr Mobiltelefon aus der Handtasche. Karins Nummer fand sich leicht, denn die hatte sie zur Sicherheit eingespeichert, für eben jene Fälle. Es ertönten vier Freizeichen, ehe sich eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung meldete. "Hallo?" "Was für Regeln dein krankes Spiel auch immer haben mag, hör auf damit, denn ich spiele nicht mit." "Sakura? Woher hast du meine Nummer?" "Irrelevant", fauchte sie. "Jetzt hör mir gut zu. Ich habe lange Zeit gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Aber Sasuke auf mich zu hetzen und ihn so tun zu lassen, als wolle er mich küssen, ist echt eine Nummer für sich! Das hätte sogar ich dir nicht zugetraut! Hör endlich auf mit deiner Paranoia und lass mich verdammt noch mal in Frieden, sonst sorge ich dafür, dass du von der Schule fliegst!" ɣ Karins Herz bekam einen heftigen Stich, dann raste es vor Erregung. Was hatte das zu bedeuten? Sie hatte gar nichts gemacht! Nicht einmal ansatzweise! Zumindest noch nicht. "Was bildet sich die Schlampe ein?", zischte sie mit zusammengepressten Zähnen. "Will die mich verarschen?" Wütend auf Sakura, Sasuke und vor allem sich selbst, wählte sie eine wohlbekannte Nummer. Er hob nicht ab. Wollte sich der Feigling nicht einmal dazu äußern? Er hätte sie um ein Haar betrogen! Diese Erkenntnis versetzte ihr eine Ohrfeige. Er war Teil des Plans gewesen, ihr Gespiele. Und nun sollte es sich ins Gegenteil verkehren? All die Mühen, ihm glauben zu machen, sie wäre wirklich in ihn verliebt, sollten letzten Endes eben dazu geführt haben? Es traf sie. Sie war in Sasuke verliebt. Und das aufrichtig. Trotzdem hatte Sasuke beinahe ein anderes Mädchen—ausgerechnet Haruno!—geküsst. Das machte man nicht mit ihr, das konnte er nicht machen! Dass Karin es wusste, bekam Sasuke montagfrüh zu spüren, als ein Wirbelsturm in sein Zimmer fegte, ihn aus dem Bett zerrte und Naruto einen Heidenschreck einjagte. "Du bist tot!", fauchte sie. "Bitte?" "Du hast Haruno geküsst!" Sasuke sah sie bloß verschlafen an, dann nahm er sie an den Schultern und schob sie auf eine weniger bedrohlich wirkende Distanz. "Ich habe nichts dergleichen getan. Von wo auch immer du das her hast, glaub es nicht. Wieso sollte ich sie küssen?" "Warum sollte sie lügen?" "Sakura hat es dir also gesagt?", folgerte er. "Lass mich das regeln. Seit wann interessiert es dich, was sie sagt, hm? Du bist meine Freundin, nicht sie." "Dann verlass dieses Zimmer zieh zu Suigetsu." "Von mir aus." "Fein!" "Fein!" Den Kuss, den er ihr aufdrückte, spürte sie kaum. ɣ Warum Sakura draußen in der Eiseskälte spazieren ging, wusste sie selbst nicht. Sie hatte eine dicke Haube auf, ihre Finger in Wollhandschuhe gehüllt und ausnahmsweise keinen Gedanken an Sasuke verschwendet. Sogar jetzt, zwei Tage nach dem Fast-Kuss, ließ es sie nicht los. Abschalten konnte sie nur im Unterricht, der dieser Tage leider spärlich ausfiel. Die Winterferien kamen bald, darum hatten die Lehrer die Güte besessen, sämtliche Hausaufgaben mit einem Abgabedatum im Jänner zu versehen. Sie hätte sie also erst in den Ferien machen müssen. Hätte, wenn sie bis dorthin Besseres zu tun gehabt hätte. Aber dem war nicht so, denn Ino und Sai gaben ein nervtötendes Pärchen ab, das sie mied, wo es nur ging, zumal Ino sie immer noch manchmal mit spitzen Kommentaren auf die Palme brachte. Hinata und Naruto waren mindestens genauso nervtötend—wenn sie denn mal aus ihrer Traumwelt erwacht waren. Temari hatte genügend mit Gaara zu tun, den sie über Sayuri ausfragen wollte und Sayuri klebte förmlich an Temaris Fersen, um jedwede Information aufzusaugen, wo Gaara einen Tropfen freiließ. Alles in allem ging jeder seinen Beschäftigungen nach, bis auf Sakura, die somit Muße hatte, über Sasuke zu sinnieren, was ebenjenes leidige Thema war, das sie tunlichst zu vermeiden versuchte, womit sie wieder bei ihrem Anfangsdilemma war: Hausaufgaben. Diese waren viel zu schnell gemacht und für Prüfungen lernen konnte sie noch nicht. Sie war also quasi gezwungen, über Sasuke nachzudenken. Darum ging sie im Schneefall spazieren. Die Landschaft hatte etwas Beruhigendes an sich. Es mummelte sie ein in viel angenehmere Gedanken, wenn auch nicht fortwährend. Der Schnee lenkte sie letzten Endes bloß genügend ab, um nicht in stumme Verzweiflung zu verfallen. Ihre Gedanken waren immer dieselben. Wieso hatte er sie fast geküsst? War es Karins perfider Plan oder dem Zwecke seiner Belustigung dienlich? Empfand er, gesetzt dem unwahrscheinlichsten Fall, etwas für sie? Und wenn dieser schier unendlich unlogische Wahnwitz tatsächlich in einer demnach kranken Realität existent wäre—was würde sie dann tun? Diese Gedankengänge waren ihr die unliebsten, denn auf sie hatte sie die meisten paradoxen Antworten. Ja, nein, vielleicht, ich mag Kuchen. "Ich mag Kuchen." "Was du nicht sagst, Naruto." Ach ja, sie war ja gar nicht alleine hier. Sakura hatte für einige Minuten tatsächlich vergessen, dass Naruto es war, der sie unbedingt hatte begleiten wollen. Sie hatten nicht viel Zeit miteinander verbracht, seit er mit Hinata zusammen war. "Wie kommst du jetzt schon wieder darauf?" "Hast du mir nicht zugehört, Sakura-chan? Ich wollte wissen, ob Kuchen oder Kekse besser wären für die Feier unseres einmonatigen Jahrestags." "Wenn, dann wäre es das einmonatige Jubiläum. Ein einmonatiger Jahrestag ist ein Paradoxon für sich, Himmel, du gehst auf die teuerste Privatschule Japans und dann sowas! Schande über dich. Nimm die Kekse, die sind erschwinglicher und außerdem steht Hinata total auf diese komischen Apfelcracker. Sie verfüttert sie immer an Aruko." "Bitte wen?" "Ihre Ratte, Aruko. Hamster…Maus, was weiß ich. Nejis Schlange wollte sie fressen, aber sie hat sie gerettet. Warum planst du überhaupt jetzt schon euer Einmonatiges? Ihr seid doch erst eine Woche zusammen. Das ist nicht der wahre Grund, wieso du mit mir kommen wolltest, nicht wahr?" Naruto zuckte ertappt zusammen, sah peinlich berührt zu Boden und murmelte eine fahrige Entschuldigung. "Mir sind da einige Dinge zu Ohren gekommen, bei denen ich nicht weiß, was ich von ihnen halten soll." Er seufzte niedergeschlagen. "Weißt du noch, als wir damals in Tsunade-obaachans Büro mussten und so ein aristokratischer Kerl rauskam?" Sakura musste kurz überlegen, denn sie konnte sich nur mehr vage daran erinnern. "Mhm." Naruto nickte. "Scheinbar war das Hyūga Hiashi, Hinata-chans Vater. Ich…ich weiß nicht, was er genau wollte, aber es gibt Gerüchte, dass es um Hinata-chans Zukunft gehen soll." Sakura schluckte schwer. Wusste er etwa, dass Hinata mit Sasuke verlobt war? "Naruto, hör zu, egal was du gehört hast, ich glaube nicht, dass wir—" "Sie ist mit Sasuke verlobt", platzte es aus ihm heraus. Also wusste er es doch. "Zumindest sagen ein paar Leute das. Ich weiß nicht, ob ich es glauben soll. Ich weiß auch nicht, ob ich mit ihr darüber sprechen soll. Sie ist immerhin erst seit einer Woche meine Freundin. Es ist nur…ich kenne sie schon so lange." "Naruto, wir sollten uns wirklich nicht einmischen", flüsterte Sakura unschlüssig, ob es das Beste wäre. "Rede mit Hinata darüber. Sie wird dir sagen, wie es ist und wie es wird oder werden könnte. Tu nichts ohne Gewissheit darüber." "Es ist nur—sie ist vielleicht verlobt. Und dann auch noch Sasuke. Mein bester—ehemals bester Freund, der auch noch dich am laufenden Band verletzt." Sie lachte hohl und gekünstelt. "Was meinst du denn damit schon wieder? Er verletzt mich gar nicht! Keine Sorge!" Er schien ihr nicht zu glauben. Narutos ernster Blick war weiterhin auf den rauen Sand zu seinen Füßen gerichtet, auf dem er eng beieinander liegende Abdrücke neben Sakuras kleinen Füßen hinterließ. So ernst hatte sie ihn selten erlebt. "Ich habe heute Morgen was gehört." "Und das wäre?" "Du weißt doch, dass Sasuke bislan noch in meinem Zimmer gewohnt hat. Heute Morgen kam Karin fuchsteufelswild herein und hat ihn angeschrien. Angeblich hätte er dich geküsst. Dann hat sie ihn gezwungen, zu Suigetsu umzusiedeln." Sakura wich seinem fragenden Blick gekonnt aus. Ihre Lippen schmeckten kalt, wie Eiswürfel, als sie darauf biss. "Es ist nicht wichtig." "Doch, ist es. Ich dachte, du wärst darüber hinweg. Und dann macht er so einen Scheiß? Ich werde nicht zulassen, dass Sasuke meinen Freunden wehtut. Was ist passiert?" "Das, was du gehört hast. Er hat versucht mich zu küssen, doch dann hat Karin angerufen. Ich bin aufgestanden und weggegangen. Es ist nichts passiert." "Ja, außer dass Sasuke versucht hat dich zu küssen, Sakura-chan! Du kannst das nicht so auf dir sitzen lassen! Ich werde mit ihm reden und ihm klar machen, dass er dich nicht so behandeln kann! Dass er niemanden so behandeln darf! Er ist vielleicht reich, aber Herrgott nochmal, das gibt ihm keine Sonderprivilegien!" "Leider doch, Naruto", unterbrach Sakura seine aggressive Ansprache. "Wer so viel Geld und gutes Aussehen hat, kann es sich zu jeder Tageszeit leisten, andere zu brüskieren. Lass es ruhen. Es macht mir nichts aus." ɣ Sasuke hatte knapp eine Stunde nach ihr gesucht. Das Problem war, dass ihm niemand helfen wollte. Sakuras Freunde waren wenig gewillt, ihm ihren Aufenthaltsort zu verraten, zumal sie ihn selbst nicht kannten. Nur durch Zufall hatte er sie an der Seite eines bekannten Blondschopfs Richtung Strand gehen sehen. Der Weg von dritten Stock ins Erdgeschoss über den Rasen und nach hinten raus zur rauen Küste kamen ihm trotz seiner hervorragenden Kondition länger vor als gewöhnlich. Als er unten ankam, waren die beiden bereits einige hundert Meter weitergekommen. Die Kälte brannte in seiner Kehle, sein Hals fühlte sich an wie ein Kühlschrank, dann erreichte er sie endlich. "Sakura!" Sie drehte sich überrascht um. Naruto neben ihr tat es ihr gleich. Während ihr Gesicht nicht mehr als Verwunderung preisgab, war seines von Wut durchzogen. "Kann ich mit dir reden, Sakura?" "Sprich sie nicht an!", fauchte Naruto, ehe sie antworten konnte. Er trat vor sie und hob schützend seinen Arm. "Ich möchte nicht sehen, wie du noch einmal in ihre Nähe kommst, klar? Halt dich fern von ihr und von uns allen! Überall wo du auftauchst richtest du Schaden an, also verzieh dich!" "Ich habe nicht mit dir geredet", meinte Sasuke unberührt. Er hatte seine Fäuste zum Aufwärmen in seine Jackentasche gesteckt. Ein schwerer Fehler. Der Schlag kam plötzlich, unvorhergesehen und hart. Sasuke fand sich mit pochender Wange im kalten Sand der Buch wieder, der unangenehm auf seiner Haut kratze. Naruto stand schwer atmend mit erhobener Faust über ihm. "Ich weiß]", zischte er aufgebracht. Nur mit Mühe konnte er sich zurückhalten. Sakura hatte hinter ihm die Hände vor den Mund geschlagen. "Aber ich rede mit dir, verstanden? Ich möchte nicht, dass du meinen Freuden wehtust. Und das tust du gerade mit jedem Atemzug, den du nimmst. Wenn ich dich jemals wieder in irgendeiner Weise Unfrieden stiften sehe, schwöre ich bei allen Göttern, dass ich dich auseinandernehmen werde, so wahr mir meine Wut die Kraft dazu verleihe—und du weißt, dass du keine Chance gegen mich hast!" In Sasukes Kopf schwirrte alles. Noch ehe er sich versah, ließ Naruto ihn mit dröhnendem Schädel zurück, Sakura mit sich zurück ins Internat zerrend. "Was sollte das? ", hauchte sie fassungslos über das eben Geschehene. "Naruto! Lass mich los, du tust mir weh!" Abrupt entließ er sie aus seinem strammen Griff um ihren Oberarm. In Narutos Augen brannte es heiß. Er hatte seinen ehemals besten Freund geschlagen. Seine Finger fühlten sich taub an, irgendwie falsch. "Ich will nicht, dass er dir wehtut, Sakura-chan." "Naruto …" "Versprich mir, dass du zu mir kommst, wenn er wieder gemein zu dir ist, okay? Du bist mir wichtiger als er und wirst es immer bleiben." Sakura konnte nicht mehr an sich halten. Tränen brachen aus ihr heraus, während Naruto stumm mit gesenktem Blick und geballten Fäusten neben ihr herging. Sie weinte schweigend, ohne traurig zu sein. Sie war so vieles in dieser Sekunde—gerührt, aufgewühlt, verwirrt, aufgelöst, sprachlos—aber nicht traurig. Doch Naruto war es. Als sie damals traurig gewesen war, hatte er sie in den Arm genommen, sie getröstet und selbst wenn er nicht verstanden hatte, was mit ihr los gewesen war, ihr Mut gemacht und das Gefühl gegeben, dass alles wieder gut werden würde. "Naruto …" Sakuras Umarmung tat ihm gut. Auch wenn er sie kaum spürte, kaum ihre Arme um seine Brust wahrnahm, er wusste, dass sie da war. Die Wut auf Sasuke verebbte. Er hätte ihn sicherlich nicht geschlagen, hätte er nur Sakura Leid zugefügt. Aber er war mit Hinata verlobt—scheinbar—und das konnte er nicht ertragen. Selbst wenn Sasuke zumindest dafür keine Schuld traf. Er hatte alles so kompliziert gemacht, so schwer und so unhaltbar für sie—sie, die nichts mehr waren als in Watte gepackte Schüler, deren einzige Sorgen aus Schulnoten und den neuesten Schuhen bestehen sollten. Es war zu viel. ɣ Temari und Sayuri sahen Sakura sofort an, dass Sakura schlechte Laune hatte, als sie ins Zimmer kam. Sie wussten beide von dem Kussversuch, also fragten sie nicht nach. "Ich hasse mein Leben!", murmelte Sakura niedergeschlagen, schlug die Zimmertüre zu und ließ sich auf ihr Bett fallen, neben dem auf ihrem Schreibtischsessel Sayuri wie auf Nadeln saß. "Sag es endlich! Bitte, Temari! Was hat er gesagt?" "Ich dachte, du würdest ihn nur mehr als Freund sehen?", neckte Temari sie. "Ich weiß von gar nichts, damit das klar ist. Gaara erzählt mir nie etwas, was an und für sich schon ziemlich frustrierend ist, aber in solchen Belangen schweigt er wie ein Grab. Tut mir leid, Sayuri, aber du musst ihn wohl selbst fragen." "Um was geht es?", mischte Sakura sich neugierig ein. Jede Ablenkung war ihr recht. Sayuri konnte sich ein dickes Grinsen nicht verkneifen. "Gaara hat mich heute vor dem Unterricht gefragt, ob ich in den Feiertagen zwischen Weihnachten und Silvester zu seiner Familie ins Ferienhaus komme. Als ich ja sagte, schien er erleichtert zu sein. Ich habe das Gefühl, dass die Sache zwischen uns noch nicht vorbei ist." "Wenigstens das! Ich durfte heute mit ansehen, wie Naruto Sasuke verprügelte." "Ja! Geschieht ihm recht!", jubelten Temari und Sayuri zugleich. Sie rissen die Fäuste in die Höhe, doch als sie Sakuras deprimierten Gesichtsausdruck sahen, stellten sie ihre Jubelrufe wieder ein. "Alles in Ordnung mit dir?" Sakura grummelte, zog sich die Decke über den Kopf und schloss die Augen. Ihr war nicht wohl. Diese ständigen Wechselkurse setzten ihr mehr zu, als sie gedacht hatte. Sasuke sollte doch für sie gestorben sein! Trotzdem war er präsenter, näher als jemals zuvor. Sie ertrug es nicht. Wie hätte sie auch, wenn ihr in diesem Jahr keine Minute Ruhe vergönnt sein mochte? Wie lange sie so dagelegen hatte, wusste sie am Ende nicht mehr. Irgendwann war sie eingeschlafen und wachte erst wieder durch eine unbekannte Ursache auf. Der Mond stand hell am oberen Rand des Fensters, Temari schlief, Sayuri war gegangen und Sakura trug noch immer ihre Freizeitsachen, bestehend aus einer Jeans und einem dicken Pullover. Irgendjemand hatte die Heizung sehr hoch eingestellt, denn ihr war heiß in den dicken Sachen. Gähnend schälte sie sich aus ihren Sachen, um in ihr Nachtkleid zu schlüpfen, da entsannt sie sich wieder, was genau sie geweckt hatte. Es war ein rhythmisches, seichtes Klopfen gewesen, das nur von der Türe gekommen sein konnte. Dorthin warf sie einen Kontrollblick und zog ihre müden Augenbrauen hoch, als sie einen weißen Umschlag am Boden liegen sah. Sofort beschlich sie ein ungutes Gefühl. Die letzten Male hatten dort Zeitungen mit nicht allzu erfreulichen Nachrichten gelegen—zweifelsohne von Karin drappiert. Welche Gemeinheit hatte sie diesmal wohl ausgeheckt? Ohne recht zu wollen, tapste Sakura auf den an sie addressierten Umschlag zu. Ihr Name, der darauf geschrieben war, war eindeutig keiner Mädchenhandschrift entsprungen. Allerdings war sie auch nicht Narutos heilloses Geschmiere, der eher lautstark ins Zimmer gesprengt wäre. Sakura wusste nichts damit anzufangen, also machte sie im Halbschlaf das Kuvert auf, um seinen Inhalt zu entfalten. Es war ein schlichter Zettel, den sie flüchtig durchlas, ohne zu verstehen, was darauf stand. Schlaftrunken ließ sie sich wieder ins Bett fallen, den Brief achtlos in der oberen Lade ihres Nachttisches verstaut. ɣ Der nächste Tag begann damit, dass Sakura sich an einen wirren Traum erinnerte. Sie hatte einen Brief von Sasuke gefunden, in dem eine Entschuldigung stand. Das konnte nur ein abstruses Produkt ihrer realitätsfernen Fantasie gewesen sein. Damit war es gewiss: Sie war verrückt geworden. Der Traum hatte so echt gewirkt! Unfehlbar real! Hatte sie sich das wirklich nur ausgedacht und in ihrem Wahn als Wahrheit betrachtet? Den ganzen Tag über war sie sich furchtbar unsicher. Sie konnte Sasuke im Vormittagsunterricht nicht einmal ansehen, ohne ein mulmiges Gefühl zu bekommen. Er warf ihr immer wieder auskundschaftende Blicke zu, als würde er eine Reaktion von ihr erwarten—als fürchte er sich vor einer. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Hinata und Shikamaru schienen jedenfalls nichts zu bemerken. Als Sakura sie danach fragte, verneinten beide vehement. Sakura war von ihrer eigenen Wahrnehmung wenig überzeugt. Und wenn es nur eine Millisekunde war, die sein Blick länger auf ihr ruhte, als nötig—es war mehr als notwendig! Sasuke machte das nie! Er machte nie mehr als nötig! Warum also? Es ließ sie nicht los. Bildete sie es sich wirklich nur ein? War es vermutlich sogar reines Wunschdenken, das ihr eine Wandlung seiner Sympathie ihr gegenüber implizierte? Das konnte nicht sein. Sie war über ihn hinweg. Und doch war es nicht genug, um ihre Gedanken auf anderes zu lenken. Das Ende des Unterrichts ließ lange auf sich warten. Sakura konnte es kaum erwarten, endlich aus Sasukes Blickfeld zu verschwinden. Es war ihr unangenehm, von ihm angestarrt zu werden, als sei sie es, die etwas Falsches gemacht habe—als hätte sie die Macht, etwas dagegen zu tun. Als sie endlich vom letzten Glockenschlag erlöst wurde, hatte sie nicht einmal mehr Lust, etwas zu essen. Die Situation schlug ihr aufs Gemüt. Sie entschuldigte sich vom Essen, um sich vor dem Nachmittagsunterricht hinzulegen. "So etwas Dummes", murmelte sie in ihrem Zimmer. "Warum sollte er dich anstarren, Sakura? Du bildest dir nur ständig solches Zeug ein, weil ein Teil von dir sich wünscht, dass du dich an ihm rächen kannst für seine grausamen Spiele. Und was wäre geeigneter, als wenn du seine Aufmerksamkeit oder gar noch mehr hättest? Aber so spielt das Leben nun einmal nicht, hörst du? Ich rede mit mir selbst. Wie traurig." Sie seufzte und zog ihre Schublade aus, um sich den Roman zu nehmen, den sie las, wenn sie nicht einschlafen konnte. Doch da war kein abgegriffenes Taschenbuch, zumindest nicht auf den ersten Blick. Da war ein Umschlag, auf dem ihr Name stand. Ihr Traum! Dann hatte sie es sich also doch nicht eingebildet! Wagemutig hob sie, sich mit der einen Hand ans Herz fassend, mit der anderen das Kuvert auf. Sie las den Inhalt aufmerksam mehrmals, ehe sie fassen konnte, was darin stand. War das sein Ernst? Ich hätte nicht versuchen dürfen dich zu küssen; ich weiß nicht, warum ich es tat. Wenn es ginge, würde ich es ungeschehen machen. Es tut mir leid. Sasuke. Was genau sie daran traf, wusste sie nicht. War es die Unfassbarkeit, dass Uchiha Sasuke sich entschuldigt hatte? Oder war es die Tatsache, dass es für ihn als Fehler anmutete, sie fast geküsst zu haben? Sie hätte es zu gerne gewusst. Aber sie hatte eine Entschuldigung und das ließ ihr Herz in freudiger Erwartung schlagen. Sie hatte einen weiteren Sieg gegen Sasuke errungen. Er hatte sich für einen Fehler entschuldigt, den er begangen hatte! Das hatte sie schwarz auf weiß. Als sie verstand, was das bedeutete, war es plötzlich egal, wieso er sich entschuldigt hatte. Sollte er sie als Fehler gesehen haben, was kümmerte es sie? Sie hatte alles, was sie in den letzten Monaten gewollt hatte: Sie hatte seine übersteigerte Arroganz gebrochen und ihm die perfekte Fassade voll anmaßendem Stolz vom Gesicht gezerrt! Oh ja, das war besser als eine Endorphinspritze! . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)